rbb PRAXIS sucht Ihre Krankengeschichte! Sie haben gesundheitliche Beschwerden? Sie sind schon bei verschiedenen Ärzten gewesen und haben immer noch keine klare Diagnose? Sie wären bereit, sich einer Live-Diagnose im Studio zu unterziehen? Sie wohnen in Berlin oder Brandenburg? Wir können Ihnen vielleicht helfen. Dann bitten wir Sie, uns kurz Ihre Krankengeschichte zu schildern und Kopien Ihrer Arztbefunde zu schicken. Wenn möglich, legen Sie bitte ein Foto von sich bei. Wir arbeiten mit einer Reihe von Ärzten zusammen, die zur Live-Diagnose zu uns ins Studio kommen. Vielleicht finden wir Ärzte, die Ihnen helfen könnten. Schreiben Sie uns eine E-Mail und schicken Sie Arztbefunde als Anhang an: [email protected] oder schicken Sie uns alles per Post an: Redaktion rbb PRAXIS Masurenallee 8-14, 14057 Berlin rbb Praxis – Das Gesundheitsmagazin am 06.05.2015, 20.15 – 21.45 Uhr Wunderwerk Knie Erst wenn unsere Gelenke schmerzen, merken wir, wie abhängig wir von ihnen sind. Hände, Knie oder Hüften – immer häufiger brauchen wir medizinische Hilfe, um unser mobiles Leben gestalten zu können - bis hin zum Gelenkersatz. Das Kniegelenk ist ein Wunderwerk der Natur. Kurzzeitig wirken Kräfte von anderthalb bis zwei Tonnen auf dem Gelenk, das entspricht dem Gewicht eines großen Familienautos. Im Alltag hat das Kniegelenk allerhand auszuhalten. Pro Jahr wird es ungefähr eine Million Mal gebeugt und gestreckt. Hochgerechnet auf das gesamte Leben macht das 60 bis 70 Millionen Beugungen und Streckungen aus. Das Kniegelenk ist das größte und am meisten beanspruchte Gelenk im Körper, ein sogenanntes Dreh-Gleitgelenk. Es verbindet die beiden längsten Knochen des menschlichen Körpers, den Oberschenkelknochen (Femur) mit dem Unterschenkelknochen (Tibia) wie ein Scharnier und ermöglicht neben der Beugung, Strecken sogar auch die Drehung. Doch der kugelige Kopf des Femurs und die plateauförmige Gelenkfläche der Tibia passen nicht exakt zusammen. Um das Gelenk stabil zu führen, sind zahlreiche Bänder (vorderes und hinteres Kreuzband sowie inneres und äußeres Seitenband) sowie jeweils zwei halbmondförmige Knorpelscheiben (Menisken) als Stoßdämpfer vonnöten. Die Kniescheibe schützt das Gelenk und lenkt die Kräfte vom Oberschenkel auf den Unterschenkel um. Doch das Knie ist anfällig beispielsweise für Arthrose; etwa fünf Millionen Menschen leiden unter den Verschleißerscheinungen. Die Beschwerden sind immer ähnlich: Das Knie wird heiß, schwillt an und tut weh, egal ob man sich anzieht, sitzt oder spazieren geht. An Sport ist nicht zu denken. Irgendwann geht sogar bei alltäglichen Bewegungen nichts mehr ohne Krücken, das Kniegelenk ist permanent gereizt, die Bänder instabil. Häufig beginnt die schleichende Abnutzung des Knorpels schon im Alter von Mitte 30. 1 Auf dem Röntgenbild zeigen sich typischerweise Knorpelschäden an den Gelenkköpfen und der Rückseite der Kniescheibe. Der Gelenkspalt zwischen Oberschenkelknochen und Schienbein ist verringert. Schreitet der Verschleiß weiter fort, bringen nicht-operative Therapien keine Linderung mehr, es hilft nur noch ein Knie-Ersatz. Mittlerweile bieten Hersteller alle möglichen Varianten von Prothesen. Es gibt Voll- und Teilprothesen. Prinzipiell unterscheiden Ärzte drei Formen: 1. Bicondyläre ungekoppelte Kniegelenks-TEP-Implantation mit und ohne Patellarückflächenersatz: Sie ist die häufigste Endoprothese. Bei der Operation setzen die Ärzte auf beiden Seiten der Gelenkköpfe vom Oberschenkelknochen und vom Schienbein Metallteile auf. Um die Prothese zu befestigen, müssen dafür größere Teile der Knochen weggesägt werden. Zwischen den Edelmetallteilen liegt ein speziell geformtes Kunststoffteil. Es ermöglicht das Beugen und Strecken des Knies, ohne dass das Oberschenkelteil wegrutscht. Die Komponenten von Ober- und Unterschenkel sind „ungekoppelt“, also nicht miteinander verbunden. Zusammengehalten wird das Knie durch die natürlichen Seitenbänder. 2. Unicondyläre Kniegelenks-TEP-Implantation: Sie wird bei Männern und Frauen implantiert, wenn die Rückseite der Kniescheibe intakt ist und es Verschleißerscheinungen nur in einem inneren oder äußeren Gelenkspalt gibt. Da diese Prothese aber bei bestimmten Arthroseschäden meist nicht ausreicht, wird sie selten eingesetzt. 3. Bicondyläre gekoppelte Kniegelenks-TEP-Implantation mit und ohne Patellarückflächenersatz: Sie kommt zum Einsatz, wenn das Knie instabil ist und der natürliche Bandapparat zerstört ist. Bei diesem Modell werden die Komponenten von Oberschenkel und Schienbein miteinander verkoppelt, so dass ein Scharnier entsteht. Da in diesen Fällen häufig auch die beteiligten Knochen stark geschädigt sind, werden die Teile außerdem mit langen Metallstielen in Oberschenkelknochen und Schienbein verankert. Gleichgültig, welches Modell implantiert wird, das Ziel ist immer gleich: eine störungsfreie Funktion des Gelenkes. Damit die Beschwerden sich nach der Operation wirklich bessern, muss die Prothese richtig sitzen. Denn nur, wenn das neue Gelenk punktgenau eingesetzt ist, wird es die nächsten zehn bis 20 Jahre halten. Wenn jedoch beispielsweise die Achsen von Schienbein und unterer Prothese voneinander abweichen, entsteht seitlich am Prothesenschaft ein Spalt, der sogenannte Lockerungssaum. Die Folge: Die Prothese wackelt und schmerzt bei jedem Schritt. Sport mit Kunstgelenk Bei vielen Menschen ermöglicht ein Implantat viele Jahre problemlose Bewegung und sorgenfreie Mobilität. Denn die Implantation eines künstlichen Kniegelenkes zählt heute zu den Routineeingriffen. Für viele Patienten verbessert sich nach der Operation die Lebensqualität, sie können sogar wieder Sport treiben. Geeignet sind alle gelenkschonenden Sportarten: Schwimmen, Spazierengehen, Radfahren und Skilanglauf. Vermeiden sollten Sie dagegen Kontaktsportarten wie Fuß-, Hand- und Volleyball sowie Skifahren. Dennoch ist die Gefahr von Komplikationen nie ausgeschlossen. Die Risiken einer jeden Operation sind Thrombosen, Infektionen, Embolien, Blutergüsse, Blutungen oder 2 Nervenverletzungen. Eine andere Gefahr ist die Entzündung im Gelenk. Schleichen sich beispielsweise während der Operation Keime in das Gelenk, kann sich eine Infektion über das gesamte Kunstgelenk ausbreiten. Auch durch andere Infektionen im Körper können Erreger über das Blut auf die Prothese streuen. So sind beispielsweise Zahneingriffe oder Infektionen der Lunge und der Harnwege nicht selten Quellen für die Protheseninfektion. Vorsicht vor der Protheseninfektion Bildet sich dann im Kunstgelenk eine Entzündung, verursacht sie immense Schmerzen sowie Bewegungsstörungen. Auch lockert sich die Prothese schneller. Nicht selten muss das Implantat in Gänze, meist aber nur einzelne Plastikteile ausgetauscht werden. Im schlimmsten Fall droht die Amputation oder Versteifung. Um einer Entzündung im Kniegelenk so schnell wie möglich auf die Schliche zu kommen, führen Experten beispielsweise an der Berliner Charité zunächst eine Kniegelenkspunktion durch und entnehmen dabei Flüssigkeit aus dem Gelenk. Im Labor wird diese Gelenksflüssigkeit dann analysiert und die verursachenden Keime mittels verschiedener Tests vermittelt. Prinzipiell können Experten rund 60 Prozent der Erreger bestimmen und dann wirksam antibiotisch behandeln. Vielen kleinen Kliniken fehlt es jedoch an der Expertise und dem Geld, um die verantwortlichen Keimspektren individuell zu bestimmen. Wird es versäumt, die Entzündung frühzeitig zu entdecken und gezielt zu therapieren, können sich die Bakterien auf dem Implantat ansiedeln. Bleiben die Erreger so über mehrere Wochen unbehelligt, bilden sie auf der Kniegelenksprothese einen hartnäckigen Biofilm, der sie selbst vor einer Therapie schützt. Selbst mit wirksamen Antibiotika lässt sich nun nichts mehr gegen die Keime im Gelenk ausrichten. Therapeutische Spiegelung ohne Nutzen Wenn das Knie abgenutzt ist und schmerzt, empfehlen Experten nicht selten auch ein „Säubern des Gelenks“ mittels Kniespiegelung (Arthroskopie). Der Beratungsstelle der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) zufolge aber gibt es keinen Beweis, dass diese therapeutische Spiegelung etwas bringt. Bekannt hingegen sind die möglichen Nebenwirkungen. Bei einer Kniespiegelung seien das etwa Entzündungen des Gelenks, Thrombosen oder Nervenschäden. Auch brauche man nach dem Eingriff einige Zeit, um wieder normal laufen zu können. Tatsächlich werden nach Berechnungen der Barmer-GEK Knie-Arthroskopien in Deutschland jährlich über 100.000 Mal durchgeführt. Verschiedenen Studien zufolge hatten Patienten nach der Spiegelung ebenso häufig Beschwerden wie Betroffene, die keine solche Operation hatten. Das ergab eine Recherche des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Bevor Patienten sich für eine Arthroskopie entscheiden, sollten sie daher ihren Arzt ausdrücklich nach dem Nutzen, den Risiken und etwaigen Alternativen fragen. Bei Menschen mit Übergewicht zum Beispiel gibt es Hinweise, dass Abnehmen zusammen mit Bewegungstherapie helfen kann. Im Studio: Prof. Dr. med. Carsten Perka Charité – Universitätsmedizin Berlin Klinik für Orthopädie 3 Luisenstraße 65 10117 Berlin Tel.: 030 - 450 515 062 E-Mail: [email protected] www.cmsc-online.de Im Beitrag: PD Dr. Andrej Trampuz Centrum Muskuloskeletale Chirurgie Klinik für Orthopädie Charité - Universitätsmedizin Berlin Campus Mitte (CCM) Chariteplatz 1 10117 Berlin Weiterführende Informationen: Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) www.patientenberatung.de Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Im Mediapark 8 (KölnTurm) 50670 Köln www.iqwig.de Endoprothesenregister Deutschland: http://www.eprd.de/ Buchtipp Knie aktiv - 100 Übungen bei Arthrose und nach Gelenkersatz / Verletzungen / Operationen Joachim Merk, Thomas Horstmann Hirzel Verlag (März 2013) 24,80 Euro ISBN: 978-3-7776-1581-3 Hüftbeschwerden – muss es immer ein neues Gelenk sein? Wenn die Hüfte schmerzt, steckt oft eine Arthrose dahinter. Die Abnutzung des Knorpels ist der häufigste Grund für ein künstliches Hüftgelenk. Rund 200.000 Menschen bekommen allein in Deutschland jährlich eine Hüftprothese. Doch es gibt auch andere Ursachen, die zu chronischen Hüftbeschwerden führen können: angeborene Hüftgelenksdeformationen, rheumatische Erkrankungen, stoffwechselbedingte Durchblutungsstörungen, Entzündungen, Stoffwechselerkrankungen oder Unfälle. Die Diagnose ist oft schwierig. Auch das so genannte Impingement wird nicht selten verkannt. Impingement bedeutet „Einklemmung“. Eine Form dieser Einklemmung kann entstehen durch eine knöcherne Vorwölbung am Oberschenkelhals. Durch diese sind Bewegungen des Beins behindert und besonders Abspreizbewegung nur unter Schmerzen möglich, sowie das Treppensteigen oder Bergaufgehen. Typischerweise 4 strahlen dabei stechend Schmerzen in die Leiste aus. Nicht selten tritt das Impingement bei jüngeren sportlichen Patienten auf. Die Folge ist dann eine lokal begrenzte Arthrose. Sinnvoll ist bei dieser Fehlbildung am Oberschenkelknochen die Durchführung einer Hüftgelenksarthroskopie. In den letzten fünf bis zehn Jahren hat sich dieser gezielte Blick auf das Gelenk hierzulande immer weiter etabliert. Die Hüftgelenksspiegelung kann helfen, eine große Operation zu umgehen. Dabei führt der Operateur ein Spezialendoskop, das Arthroskop, über wenige kleine Schnitte ins Gelenk. Eine Minikamera überträgt Bilder aus dem Inneren auf einen Bildschirm. Bei dem Eingriff wird die Diagnose gesichert und gleichzeitig die Ursache und Folge des Impingements behandelt. So können lose Knorpelstücke entfernt und auch die knöcherne Unebenheit am Knochen als Ursache der Schmerzen abgefräst werden. Am Knie oder der Schulter ist eine Gelenkspiegelung fast schon Routine. Die Spiegelung des Hüftgelenks ist noch immer spezialisierten Zentren vorbehalten, unter anderem deshalb, da der Zugang zum Gelenk besonders eng ist. Deshalb ist es in jedem Fall empfehlenswert, sich an einen Arzt zu wenden, der bereits ausreichend Erfahrung mit diesem Verfahren gesammelt hat: Mindestens 50 Arthroskopien der Hüfte jährlich sind dabei ein guter Richtwert. Auch sollte man sich vor einer Arthroskopie eine zweite Meinung einholen. Ebenso etabliert hat sich bei der Behandlung der Folgen eines Impingement die sogenannte Knorpeltherapie. Denn anders als beim normalen Verschleiß gibt es dabei nur einen umschriebenen arthrotischen Defekt. Prinzipiell haben die chirurgischen Verfahren wie zum Beispiel die Knorpelzelltransplantationen und knochenmarkstimulierende Techniken in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Neben der Beschwerdelinderung dient die Knorpelchirurgie beim Impingement aber vor allem der Prävention von Arthrose. Denn viele der anfänglich klar umrissenen Knorpelschäden weiten sich ohne Behandlung bald auf größere Knorpelflächen aus. Wie sich Knorpeloperationen im Langzeitverlauf entwickeln, listet seit Oktober 2013 die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) in einem weltweit ersten Knorpelregister. Bereits erfasst sind mehr als 800 Operationsdaten nach knorpelchirurgischen Eingriffen. Das Register verfolgt den Heilungsverlauf nach der Operation über einen Zeitraum von fünf Jahren und ermöglicht die Zusammenführung der Daten von bereits über 50 teilnehmenden Kliniken. Die sich daraus ergebende umfangreiche Datenmenge erlaubt den Experten die präzise Beantwortung wissenschaftlicher Fragen, den Vergleich verschiedener Operationstechniken und die Auswertung von Komplikationen. Vor Ort: Oberarzt Dr. med. Gregor Möckel Asklepios Klinik Birkenwerder Fachklinik für Orthopädie & Unfallchirurgie, Diabetologie und Gefäßchirurgie Hubertusstraße 12-22 16547 Birkenwerder Tel.: 03303 - 522-0 Terminvergabe Spezialsprechstunde Arthroskopie: Tel.: 03303 - 522-555 5 E-Mail: [email protected] www.asklepios.com/birkenwerder Infobroschüre der Klinik zur Hüftgelenksarthroskopie: http://www.asklepios.com/Upload/birkenwerder_ask_hueftgelenk_6892.pdf Weiterführende Adressen: Knorpelregister Orthopädie und Unfallchirurgie Studienzentrum des Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55 79106 Freiburg i. Br. Tel.: 0761 – 27 02 76 30 Die Gelenk-Detektive – Was hilft wirklich? Entlastet Nordic Walking die Gelenke wirklich? Wie wirkt sich die Dämpfung eines modernen Sportschuhs aus? Welche Reibung, Kraft und Temperaturen beeinflussen die Gelenke und wie? Wissenschaftler des Berliner Julius Wolff Instituts gehen Fragen wie diesen nach – und forschen weltweit bisher als einzige Institution danach, welche Materialien, Bewegungen, Sportarten oder welches Schuhwerk die menschlichen Gelenke belasten. Um nachzuvollziehen, was beispielsweise in einem Kniegelenk passiert, pflanzen sie freiwilligen Studienprobanden eine Messsonde in deren künstliches Kniegelenk ein. Das Implantat sendet dann wichtige Daten direkt aus dem Inneren des Körpers per Funk auf die Rechner der Wissenschaftler. Diese erstmals gesicherten Forschungsergebnisse direkt aus dem Innern des Körpers haben nicht nur für die Wissenschaftler einen immensen Wert. Auch Patienten mit Kniegelenksarthrose profitieren von den echten Daten. Die Ergebnisse lassen sich für die Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten nutzen. Was die Wissenschaftler bisher gemessen haben, ist erstaunlich: So müssen die Gelenke des menschlichen Körpers doppelt so viel aushalten als bisher vermutet. Untersuchungen zeigen, dass während des Gehens das Zweieinhalbfache des Körpergewichts auf das Knie wirkt. Bei einem Erwachsenen, der 100 Kilogramm schwer ist, sind das immerhin 250 Kilogramm. Ähnliche Ergebnisse erwarten die Forscher demnächst für die Belastungen von Schulter, Wirbelsäule und Hüfte. Schon heute forscht man am Julius Wolff Institut auch an der Hüfte. Die bisherigen Messergebnisse werden zur Folge haben, dass Hersteller von Hüftgelenken zukünftig stabilere Implantate produzieren. In Deutschland werden jedes Jahr 200.000 künstliche Hüftgelenke eingesetzt. Bisher konnte nur an Modellen simuliert werden, was sie im Gelenk anrichten. Doch in der Praxis zeigt sich, dass die Reibung durch den künstlichen Fremdkörper dreimal so hoch ist als bisher angenommen. Studien zufolge gibt es einen relativ hohen Abrieb – und das Implantat versagt aufgrund des Abriebes früher. Eine andere Erklärung für das häufige Versagen von Hüftgelenken ist, dass sich die Gelenkpfanne innerhalb des Knochens früh löst. 6 Doch nicht nur die Belastung auf die Gelenke selbst untersucht man am Berliner Institut. Die Forscher prüfen auch, inwieweit verschiedene Hilfsmittel wie zum Beispiel Gehstützen die Gelenke entlasten. Bisher ging man davon aus, dass sie etwa nach einer Hüft-OP postoperativ die Belastung um etwa 50 Prozent reduzieren können, dass durch die Gehstützen also etwa die Hälfte weniger Gewicht auf dem Gelenk lagert. Die Arbeiten am Julius Wolff Institut zeigen nun aber: Bei jungen und aktiven Patienten werden die Hüftgelenke gerade mal zu 20 Prozent entlastet. Auch Schuhe mit Spezialsohlen haben messbar keinen entlastenden Effekt auf die Gelenke. Die Experten vom Julius Wolff Institut empfehlen daher eher einfache Schuhe mit einer glatten, ebenen Sohle als einen hochkomplizierten, gedämpften Sport- oder Therapieschuh. Ähnlich verhält es sich mit Nordic Walking: Glaubte man bisher, dass der Stockeinsatz die Gelenke um ein Drittel entlastet, zeigen die Messungen des Instituts mitunter gar keine Entlastung für das Kniegelenk. Auch zukünftig werden Wissenschaftler so manchen Mythos entlarven. Und zum Beispiel klären, ob Wassergymnastik wirklich Gelenk schonend wirkt. Im Studio: Dr. Detlef Kaleth (Akupunktur) Orthopädie und Unfallchirurgie Bismarckstr. 95/96 10625 Berlin Charlottenburg Terminvereinbarung Tel.: 030 – 801 051 50 Im Beitrag: Dr. Philipp Damm Julius Wolff Institut Charité - Universitätsmedizin Berlin Campus - Virchow Klinikum Besucheradresse: Föhrer Straße 15 13353 Berlin Institutsgebäude Süd Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Tel: 030 - 450 559 048 Email: [email protected] www.julius-wolff-institut.de Dr. Christian Baum Chirurgie, Orthopädie Facharztzentrum in Tegel Schloßstraße 5 13507 Berlin Tel.: 030 – 433 60 15 7 Volksleiden Rheuma Über Rheuma gibt es viele falsche Vorstellungen: Zum Beispiel, dass es nur ältere Frauen trifft. Doch Rheuma kann sogar schon im Kindesalter auftreten. Neue Erkenntnisse gibt es auch zur Bedeutung der Ernährung: Ernährungsmediziner und naturheilkundlich orientierte Ärzte zeigen, dass Heilfasten bei Rheumatikern schmerzlindernd wirkt. Die rheumatoide Arthritis (RA) ist die häufigste Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Die chronisch verlaufende Autoimmunerkrankung führt zu einer aggressiven Entzündung in den Gelenken, später auch in den Sehnen, Sehnenscheiden, Muskeln, Augen und den inneren Organen. Langfristig zerstört sie den Knorpel und die Knochen. Betroffene leiden unter starken Schmerzen, meist verformen sich auch die Gelenke. Deutschlandweit haben etwa 500.000 Menschen eine rheumatoide Arthritis, Frauen etwa dreimal so oft wie Männer. Meist tritt die Erkrankung erstmalig zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf. Die ersten Anzeichen sind schmerzende, geschwollene Finger- und Handgelenke – meist machen sie sich morgens bemerkbar. Betroffene können die Zahnpasta-Tube nicht mehr öffnen, andere alltägliche Bewegungen wie das Greifen oder Schreiben fallen schwer. Langfristig zerstört die chronische Entzündung den Knorpel und die Knochen. Da die rheumatische Erkrankung heute meist frühzeitig diagnostiziert und behandelt wird, gehören die Spätstadien mit starken Zerstörungen der Gelenke heute aber meist der Vergangenheit an. Betroffene sind aber zudem anfälliger für Erkrankungen wie Arterienverkalkung, Knochenschwund oder Lungenfibrose. Die Diagnose sollte so früh wie möglich gestellt werden Um die bleibenden Schäden möglichst gering zu halten, müssen Experten die Krankheit so früh wie möglich erkennen und behandeln. Oft passiert das allerdings nicht, die Patienten laufen jahrelang von Arzt zu Arzt. Erste Hinweise liefert neben den Beschwerden die Blutuntersuchung. Zum Basis-Check sollten unter anderem folgende Parameter gehören: Entzündungswerte wie CRP und Blutsenkung (BSG), Rheuma-Faktor (RF), CCP-Antikörper (ein weiterer „Rheuma-Wert“), Harnsäure (als Hinweis auf Gicht). Doch auch wenn der Rheumafaktor" (RF) im Blut nicht nachweisbar ist, schließt das die Erkrankung nicht aus. Ein Hinweis auf eine rheumatische Ursache der Beschwerden kann zudem der sogenannte „Gaenslen-Griff“ sein: Ein kurzer, fester Händedruck ruft bei den Betroffenen Schmerzen hervor. Je nachdem, wie die ersten Ergebnisse ausfallen, können weitere bildgebende Verfahren ergänzt werden, wie eine Kernspintomographie, eine Knochenszintigraphie oder auch ein Rheuma-Scan. Diese High-Tech-Entwicklung von Ingenieuren aus Berlin-Mitte kommt bereits in etwa 40 Krankenhäusern und Praxen in Deutschland zum Einsatz. Für die Untersuchung injiziert der Arzt dem Patienten einen speziellen Farbstoff in die Vene. Die Flüssigkeit fließt durch die Blutgefäße, verteilt sich im Körper und auch in die Hände und Finger. Nun misst die Kamera die Durchblutung der Gelenke: In entzündeten Bereichen ist die Durchblutung stark erhöht und damit mehr Blut vorhanden. Mehr Blut bedeutet wiederum, dass dort mehr Farbmoleküle angeschwemmt werden. Diese reflektieren das Licht. Gelbe, orange oder rote Flecken auf dem Farbscanner zeigen viel Farbstoff an und damit entzündete Stellen an. Grüne und blaue Regionen signalisieren hingegen eine geringere Durchblutung und keine Entzündung. Dieses schonende HighTech-Verfahren wird jedoch von den meisten Krankenkassen noch nicht bezahlt. 8 Die Therapie ist vielschichtig Schlägt eine Therapie nicht an, sollten die behandelnden Ärzte möglichst rasch eine andere verordnen. Im 19. und 20. Jahrhundert stellte vor allem die Acetylsalicylsäure eine wichtige Säule in der RA-Therapie dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac und Ibuprofen hinzu. Die verfügbaren Medikamente lindern zwar die Schmerzen. Aufhalten konnten sie die RA jedoch nicht. So drohte den Betroffenen jahrzehntelang ein „unabänderliches Schicksal“, ihre Krankheit galt als zerstörerisch und schnell fortschreitend. Erst mit den synthetischen DMARDs (Disease-Modifying Antirheumatic Drugs) gelang es den Ärzten, die Schmerzen zu lindern und die Gelenkschwellung zu mindern. Erstmals konnten sie auch verhindern, dass die Krankheit weiter fortschritt. Allerdings wirken die DMARDs erst nach Wochen oder Monaten. Bis heute werden sie als Basismedikation langfristig eingesetzt. Die medikamentöse Standardtherapie ist zudem bis heute: Methodrexat, kurz MTX und Cortison zur Eindämmung der akuten Entzündung. Außerdem bekommen einige Patienten Zusatztherapien wie zum Beispiel eine mehrminütige Bewegung in der Kältekammer bei minus über 100 Grad oder Ergotherapie. Sie verschaffen ebenso Linderung wie gezielte Bewegungstherapie oder eine sanfte Strombehandlung. Seit einigen Jahren gibt es außerdem Medikamente, die in die fehlgesteuerte Immunreaktion des Körpers gezielt eingreifen und diese hemmen. Biologika sind eine neue und zunehmend wichtige Medikamentenklasse. Die Medikamente sollen den Krankheitsprozess im Gelenk frühzeitig stoppen. Die biopharmazeutischen Wirkstoffe stammen von organischen Zellen wie beispielweise Hefe- oder Bakterienzellen ab, deren Gene für die Produktion der gewünschten Wirkstoffe verändert wurden. Alle Biotherapeutika müssen direkt in die Blutbahn gespritzt oder infundiert werden. Angriffsziel im Körper ist das sogenannte TNF-alpha, eine körpereigene Substanz. Sie lockt bei Rheumakranken irrtümlich Immunzellen zur Gelenkinnenhaut, die dann das eigene gesunde Gewebe attackieren und so eine Entzündung verursachen. Die Biologika legen das TNF-alpha also lahm, sie blockieren den Signalgeber und verhindern, dass er sich an den Rezeptor der Zelle anheften kann. Die Entzündung wird so gestoppt. Nachteil der innovativen Medikamente: Sie sind extrem teuer und können zahlreiche Nebenwirkungen haben. Alternative Heilmethoden bei Gelenkbeschwerden Moderne Medikamente verhindern heutzutage weitgehend Spätfolgen von Gelenkproblemen, wie knotige und verformte Finger. Doch trotzdem suchen Ärzte und auch viele Betroffene selbst weiter nach ergänzenden Verfahren, auch um die Medikamentendosis so gering wie möglich zu halten. Die Naturheilkunde bietet dabei einen Weg: Tatsächlich erzielen manche Betroffene mit Fasten oder der so genannten Kältekammer erstaunliche Erfolge. Zu den klassischen Naturheilverfahren gehören unter anderem Wasseranwendungen, Bewegung, der Einsatz von Wärme und Kälte. Oft ergänzen diese Elemente die so genannte Schulmedizin, können sie aber auch ersetzen. Ein gutes Beispiel ist die Kältekammer. Durch die Kälte ziehen sich die Gefäße zusammen, die Durchblutung wird kurzfristig vermindert und der Stoffwechsel gedrosselt. Anschließend kurbelt der Körper die Durchblutung und damit auch den Stoffwechsel verstärkt an. Die Kälte reizt Haut und Gefäße also sehr intensiv und setzt 9 dadurch im Körper zahlreiche schmerz- und entzündungshemmende Mechanismen in Gang. Diese Wirkung machen sich die Therapeuten auch bei anderen Beschwerden wie Arthrose, chronischen Schmerzen oder Atemwegserkrankungen zunutze. Die Kassen tragen die Kosten im Rahmen eines stationären Aufenthalts, ambulante Patienten müssen die Behandlungen zumeist aus eigener Tasche bezahlen. Heilsam ist zudem das Fasten – weil es die chronische Entzündung zurückdrängt. Durch das Fasten wird Fett abgebaut und dabei Hormone ausgeschüttet. Diese Hormone haben eine entzündungshemmende Wirkung. Das wirkt sich positiv im ganzen Körper aus, auch auf die Gelenke. Im Gegensatz dazu fördert Fettgewebe Entzündungen. Dies ist ein Grund dafür, dass Menschen mit Übergewicht eher Gelenkbeschwerden entwickeln als schlankere. Wichtig ist jedoch: Heilfasten ist keine Diät, denn Abnehmen ist beim Fasten nicht das primäre Ziel. Rheuma kann schon Kinder treffen Allein in Deutschland erkranken rund 40.000 Kinder an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Die meisten Erkrankungen haben keine klare Ursache, verlaufen mild und verschwinden bei neun von zehn Kindern innerhalb von Tagen, Wochen oder Monaten ohne dauerhafte Schäden. Bei zehn bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen rechnen Experten jedoch mit einem chronischen Verlauf. Bei der chronischen Gelenkentzündung sprechen Experten von der sogenannten „juvenilen Arthritis“. Geschätzt wird bundesweit derzeit mit etwa 15.000 Betroffenen gerechnet. Welche Verläufe chronisch verlaufen, können selbst Spezialisten nicht vorhersehen. Sie gehen von einer großen Dunkelziffer aus. Das kindliche Rheuma unterscheidet sich von den erwachsenen Formen sowohl im Krankheitsbild, der Diagnose, dem Verlauf und den Behandlungsmöglichkeiten. Ähnlich aber ist: Je früher die Ärzte die Diagnose stellen, desto größer ist die Chance, die Krankheit zur Ruhe zu bringen und langfristig zu besiegen. Beschwerden der juvenilen Arthritis Die juvenile Arthritis äußert sich meist zuerst in Gelenkbeschwerden. Häufig kommen noch eine Schwellung, Überwärmung und Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenks hinzu. Wie auch bei Erwachsenen können eine gewisse Morgensteifigkeit, Anlaufschmerzen nach dem Aufstehen und längerem Sitzen oder Schonhinken erste Anzeichen für eine chronische Entzündung sein. Anders als bei älteren Patienten weisen auch unspezifische Hinweise auf ein kindliches Gelenkrheuma hin. Das kann zum Beispiel eine Verhaltensänderung sein, die Betroffenen wollen dann zum Beispiel nicht mehr laufen oder toben. Oft entwickeln sie auch Fieber, Hautausschläge oder Augenentzündungen. Besteht der Verdacht auf eine juvenile Arthritis, sollten Eltern umgehend einen Spezialisten aufsuchen. Der Grund: Es gibt nicht den einen beweisenden Laborwert oder den typischen Röntgenbefund zu Beginn der Erkrankung. Daher bedarf es einiger klinischer Erfahrung, um das kindliche Rheuma zu ermitteln. Der Experte stellt die Diagnose aus einer Reihe von Anzeichen wie der Krankengeschichte sowie verschiedenen klinischen, laborchemischen, röntgenologischen und weiteren Untersuchungsbefunden. Im Studio (Rheuma): Dr. Annett Voigt 10 Rheumatologin Immanuel Krankenhaus Berlin-Buch Lindenberger Weg 19 13125 Berlin-Buch Tel.: 030 – 94 792-301 Im Beitrag (Naturheilkunde): Prof. Dr. med. Andreas Michalsen Chefarzt/ Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie Charité Berlin Abteilung Naturheilkunde Königstraße 63 14109 Berlin Tel.: 030 - 805 05 695 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. med. Andreas Krause Ärztlicher Direktor und Chefarzt Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie Königstr. 63 14109 Berlin-Wannsee Tel.: 030 - 80505-0 E-Mail: [email protected] http://berlin.immanuel.de/abteilungen/innere-medizin-rheumatologie-und-klinischeimmunologie/home/ Linktipps: Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e. V. Sekretariat Maximilianstr. 14 53111 Bonn Tel.: 0228 - 766 06 0 www.rheuma-liga.de Internet-Adressen: www.rheuma-online.de Ärzte für Naturheilverfahren (Arztsuche auf der Seite des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin e.V. http://www.zaen.org/aerzte.html RBB „rbb Praxis“ Masurenallee 8 –14 14057 Berlin www.rbb-praxis.de Redaktion: Redaktionsassistenz: Moderation: Infotext: Stand der Information: Kristina Henss Christine Salminger Raiko Thal Beate Wagner 06.05.2015 11