Das Krankenversicherungsgesetz (KVG): Mehr Autonomie – mehr Erfolg? Donnerstag, 27. August 2015, Grand Casino Luzern Im Alter: Grenzen von «ambulant vor stationär»? Prof. Dr. med. Reto W. Kressig Alter: politische Definition Ordentliches Rentenalter Eidgenössische Politik: - Frauen 64 J. - Männer 65 J. Alter: Volksdefinition Im „wirklichen“ Leben: ab 69 Jahren Alter: medizinische Definition A.F., 72 J. Geneva, Switzerland Biologisches versus chronologisches Alter Frank Shearer, (100 J.) Washington State, USA „Frailty“ Konzept Frailty Definition (“Fragilität”, “Vulnerabilität”) “Ein Stadium physiologischer Vulnerabilität, verursacht durch reduzierte homeostatische Reserven mit verminderter Stressresistenz …” Fried L et al In: Hazzard W New York 1998:1387-1402 Bsp: fitter zuhauselebender Senior mit Pneumonie: Gesundheitszustand “TOTAL” RECOVERY Bsp: “fragiler” zuhauselebender Senior mit Pneumonie: SLOW and INCOMPLETE RECOVERY Gesundheitszustand Alter und Frailty ≥ 80 Jahre: möglicher kontribuierender Faktor Speechley M, Tinetti M: Falls and injuries in frail and vigorous community elderly persons. J Am Geriatr Soc 1991; 39(1):46-52 « Frailty » Klassifikation nach Fried 5 Frailty « Kriterien »: -Gewichtsverlust -Empfundene Erschöpfung -Körperliche Aktivität -Ganggeschwindigkeit -Handschlusskraft (grip) Definition von 3 Stadien Anzahl Frailty Kriterien: ≥ 3 : Frail 1-2 : Intermediate 0 : not frail (fit) Fried LP et al. Cardiovascular Health Study Collaborative Reserach Group. Frailty in older adults: evidence for a phenotype. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2001;56:M146-56. Activities of daily living (ADL) Barthel Index (1965) 70 – 100 selbständig < 60 sicher pflegeabhängig 60 – 70 nicht od. leicht pflegeabhängig Functional Independence Measure (FIM) Index zwischen 18 u. 126 ≥100 Austritt nach Hause (selbständig, ev. minimale Hilfe) 80 – 100 Austritt nach Hause mit intensiver SPITEX-Hilfe < 80 Pflegeheim Keith RA, Granger CV, Hamilton BB, Sherwin FS. The functional independence measure: a new tool for Rehabilitation. Adv Clin Rehabil 1987;1:6-18. Ambulant versus Stationär: Entscheidende Faktoren im Alter Mobilität Kognition / Stimmung Ernährung Schmerz Kontinenz «unruhige» Nächte … Sozioökonomisches Umfeld als wichtige Ressource Comprehensive Geriatric Assessment Nutrition Social / Economical ADL / IADL Function Mood Pain Quality of life Skin Vision Cognition Hearing Mobility Continence Bsp: fitter zuhauselebender Senior mit Pneumonie: Gesundheitszustand Ambulant Stationär “TOTAL” RECOVERY Bsp: “fragiler” zuhauselebender Senior mit Pneumonie: « SLOW and INCOMPLETE RECOVERY » Gesundheitszustand Ambulant Stationär Verbesserung des stationären Resultates mit schneller möglicher ambulanten Folgebehandlung: DRG System: Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung Sepsis, 7-13 Behandlungstage, 10 Therapieeinheiten, CHOP 93.89.90 Kombination von Protein mit Training Molkenproteine: Verstärkter positiver Effekt auf Muskelmasse u. Muskelkraft in Kombination mit Krafttraining! (kurz vor oder nach Training) Hayes A, Cribb PJ. Effect of whey protein isolate on strength, body composition and muscle hypertrophy during resistance training. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2008;11:40-4 Trinknahrung: genommen / verweigert 6% 4% 1% ganz teilweise verweigert nicht definiert nicht definiert Trinknahrung genommen / verweigert 6 teilweise 440 32 19 ganz verweigert 89% Universitäre Altersmedizin und Rehabilitation Stationäre versus ambulante Rehabilitation Entscheidende Faktoren: Stabilität der Komorbiditäten (Herzinsuffizienz, Diabetes..) Mobilität, Kräfteressourcen für Transport Kognition Ernährung Soziale und ökonomische Ressourcen … Ambulante Anschlussbehandlung: Geriatrische Tagesklinik Bei Rehabilitationsbedarf mit erhöhtem pflegerischen Unterstützungsbedarf Voraussetzung: Mögliches Verbringen der Nächte zuhause (allenfalls SPITEX-Unterstützung, Angehörige) «Ambulant» vor «Stationär» im Alter Demenzerkrankung als besondere demographische Herausforderung Jeder dritte über-80 Jährige leidet an einer Demenzerkrankung Hochrisiko für Delir-Entwicklung bei Akuterkrankung Delir: häufige Komplikation bei Demenz Acetylcholin Scopolamin Anticholinerges Medikament 100 Operation/Infektion 75 Acetylcholinsturz Physiologische Abnahme 50 25 Demenz/Delir Grenze ► klinische Symptome 40 80 Hshieh TT et al. J Gerontol A Biol Sci Med Sci 2008;63:764-72 Jahre Delirhäufigkeit um über 50% reduziert! Im Alter: Grenzen von «ambulant vor stationär»? Zusammenfassung Nicht das Alter, sondern der «Frailty» Status ist entscheidend für den stationären therapeutischen Betreuungsbedarf Ausreichende kognitive und sozioökonomische Ressourcen sind bei «Frailty» häufig Key-Faktoren für die frühzeitige Überführung von stationär in eine ambulant anschliessende Therapieform. Geriatrische Tagesklinik als mögliches «erweitertes» ambulantes Therapiesetting bei komplexen interdisziplinäre Therapiebedürfnissen. Gezielte präventive Ansätze (z.B. Frührehabilitation, proteinreiche Ernährung, Delirprävention) während der stationären Behandlungsbedürftigkeit ermöglichen einen schnelleren Übergang in eine ambulante Therapieform.