LERNEN UND VERGESSEN Woche des Gehirns 2014 Ao.Univ.Prof.Dr.Mag. Margarete Delazer Lernen und Vergessen aus der Perspektive der Neuropsychologie Was ist Gedächtnis? Wie kommt es zu Gedächtnisstörungen? Demenz? Kann man das Gehirn trainieren? Musiker, Taxifahrer, Mathematiker, Jongleure… Was ist Lernen? Gedächtnis? Erleben, Erfahren, Hören, Sehen, Üben, Tun… Bezug zu sich selbst Wer bin ich? Wer war ich? Was macht mich aus? Bezug zu anderen, zur Umwelt „Ich bin in einem Traumbuch“ Langzeitgedächtnis Fakten Ereignisse Episodisch Semantisch Prozedural Priming Gedächtnis setzt sich aus Subsystemen zusammen – Verschiedene Strukturen – selektive Defizite Squire, 2004 Implizites Gedächtnis Intakt, wenn explizites Gedächtnis gestört ist. Priming „Bahnung“ Arbeitsgedächtnis Vorübergehende Speicherung (zB Telefonnummern) Geringe Kapazität (7 ± 2 chunks) Das, was im Moment im Bewusstsein ist Ermöglicht mentale Repräsentation der Umwelt Lernen & Gedächtnis Enkodieren • Arbeitsgedächtnis • Tiefe der Verarbeitung • Kontext Konsolidieren • Festigen • Hippocampus Neocortex Abrufen • Aktiver Prozess, Suche Interferenz • Ähnliche Inhalte • Hemmen von Interferenz Enkodieren, Aufmerksamkeit Tiefe der Verarbeitung Links PFC Parahippokampus Wesentlich ist das „tiefe“ Enkodieren Oberflächliches Enkodieren Erinnert 100 50 Erinnert 0 Tiefe Tiefe Flache Flache Enk Enkodierung Enkodieren, Aufmerksamkeit Tiefe der Verarbeitung Wesentlich ist das „tiefe“ Enkodieren Stärkere Aktivierung bei tieferer als bei oberflächlicher Enkodierung Links PFC Parahippokampus Aktivierung höher bei Wörtern die später erinnert werden Enkodieren bestimmt über späteres Erinnern/Vergessen Encoding PFC Gedächtnisbildung Hippocampus Enkodieren, Kontext Enkodieren kontextspezifisch Kontext hilft im Aktivieren des Gedächtnisses 16,00 14,00 12,00 10,00 8,00 Recall Land 6,00 Recall Water 4,00 2,00 0,00 Learn Land Learn Water Baddeley, 1990 Lernen & Gedächtnis Enkodieren • Aufmerksamkeit • Tiefe der Verarbeitung • Kontext Konsolidieren • Festigen • Hippocampus Neocortex Abrufen • Aktiver Prozess, Suche Interferenz • Ähnliche Inhalte • Hemmen von Interferenz Konsolidierung = Prozess durch den momentane Gehirnaktivität in permanente strukturelle Veränderung umgesetzt wird Notwendig für dauerhaftes Gedächtnis; Kurzzeit Langzeitgedächtnis Hippokampus Verknüpfung verschiedener Information in verschiedenen Hirnregionen (perzeptiv, affektiv u.a.) und Konsolidierung Frankland & Bontempi, 2005 Lernen & Gedächtnis Enkodieren • Aufmerksamkeit • Tiefe der Verarbeitung • Kontext Konsolidieren • Festigen • Hippocampus Neocortex Abrufen • Aktiver Prozess, Suche Interferenz • Ähnliche Inhalte • Hemmen von Interferenz Gedächtnisabruf Werden Gedächtnisinhalte aus der Vergangenheit geholt ? Alterseffekt im autobiograph. Gedächtnis Jacques, Rubin, Cabeza; 2013 Gegenwart und Vergangenheit sind verknüpft. Erinnert wird was im „Jetzt“ zugänglich ist und plausibel erscheint. Erinnert wird nicht nur was geschehen ist, sondern auch mentale Inhalte – Hoffnungen, Ängste, Wünsche -> „Falsche“ Erinnerungen Vergessen Vergessen ist notwendig und effizient – nicht immer „Fehler“ im Gedächtnis Nur die wichtigen Informationen sollen erinnert werden Wo ist das Auto heute geparkt? Wie entsteht Vergessen? Vergessen Enkodieren • Aufmerksamkeit • Tiefe der Verarbeitung • Kontext Konsolidieren • Festigen • Hippocampus Neocortex Abrufen • Aktiver Prozess, Suche Interferenz • Ähnliche Inhalte • Hemmen von Interferenz “.....ist es normal wenn einem ein paar Namen nicht einfallen ?! “ JA Alterseffekte? JA (spez. 70+) Wieso gerade Namen? Enkodieren, keine Bedeutung Siehe auch: Sperling. Putting names to faces: Successful encoding of associative memories activates the anterior hippocampal formation Ursachen & Läsionsorte • • • • • • • Zerebrovaskuläre Erkrankungen (Ischämie, Blutung, SAB) Neurodegenerative Erkrankungen; Demenz Schädelhirntrauma Entzündliche Erkrankungen Metabolische Ursachen (Hypoxie etc.) Toxische Ursachen (Alkohol) Epileptische Erkrankung (TLE) u.a. • Hippocampusformation • Thalamus • Basales Stirnhirn • Präfrontaler Kortex • Caudatum • u.a. Demenz ... erworbene Beeinträchtigung des Gedächtnisses in Kombination mit dem Abbau weiterer Hirnleistungen und der daraus resultierenden Beeinträchtigung im Alltag. In neueren Forschungsarbeiten: Betonung der Biomarker Dubois et al., 2012 u.a. Häufigkeit Demenz in Österreich Ca. 120.000 Menschen 5%-8% der über 65 jährigen 25% der über 85 jährigen Problem nimmt durch demographische Entwicklung zu Mitbetroffen: Angehörige → Erschöpfung, Depression, psychosomatische Störungen; Schlaf! 70% werden zu Hause gepflegt Symptome • • • • • • • Gedächtnisstörungen Orientierungsstörungen Störungen des Denkens und des Urteilsvermögens Benennstörungen Störungen bei Handlungen / im Handlungsablauf Lese- und Schreibstörungen Manchmal mangelnde Krankheitseinsicht Stimmungsschwankungen (oft depressiv) Häufige nächtliche Unruhe Ziellosigkeit Antriebsstörung Wahnideen (Diebstahl, Verarmung, Verfolgung, Misshandlung) Halluzinationen Abklärung notwendig Gedächtnisstörung? Hausarzt Abklärung – Diagnose Anamnese, Interview mit Angehörigen, neurologische Untersuchung, Neuropsychologie, Labor, Bildgebung, MR, PET… Altersassoziierte Veränderungen? Neurolog. Erkrankung? Depression? Therapie & Beratung Kognitive Reserve Kapazität des Gehirnes - Altersbedingte Veränderungen und Schädigungen zu kompensieren - Die klinische Manifestation von Erkrankung zu minimieren Günstige Faktoren Bildung Lebensstil Beruf Physische Aktivität Soziale Kontakte Kognitive Aktivität Studie über 5 Jahre (Verghese et al.) Beeinflussen Freizeitaktivitäten das Demenzrisiko? Lesen, Musizieren, Brettspiele, Tanzen reduziert Risiko; soziale Netzwerke! Gilt für viele Bereiche Gilt für verschiedene Altersstufen Lernen, Erfahrung, Übung verändern das Gehirn (Funktion und Struktur) Einige Mechanismen zerebraler Plastizität – – – – Entwicklung und Reifung Lernen und Gedächtnis - neue Fertigkeiten Erholung nach Läsion - z.B. Schlaganfall Anregung durch Umgebung Im Gegensatz zur früher vertretenen Ansicht, dass zerebrale Netzwerke nur während Entwicklung veränderbar sind, zeigen neuere Arbeiten permanente Plastizität Duffau, 2006; Muellbacher, 2006 Jahrzehnte Training Komplexes Symbolsystem Bimanuelle motorische Fertigkeit Motorische Sequenzen Metrische Präzision Gedächtnis - Lernen Wan und Schlaug, 2010 Transfer 1) Naher Transfer Auditive Perzeption Motorische Geschicklichkeit Fingersequenzen Rhythmus, Melodie erkennen 2) Weiterer Transfer Räumliche Verbale & Mathematische Fertigkeiten Verbales Gedächtnis Lesen, phonologisches Verarbeiten! Wan & Schlaug, 2010 Gehirn, Plastizität und höheres Alter Plastizität nimmt im höheren Alter ab Nach Gehirnläsionen nachgewiesen Trainingsinduzierte Veränderungen nicht auf Jugend beschränkt Taxi Fahrer Jonglieren Mathematiker Musiker… Plastizität Trainingsintensität ist in allen Studien hoch Trainingseffekte halten dann an, wenn das neu erworbene Wissen gebraucht wird Gilt auch in höherem Lebensalter Plastizität nach Schädigung Günstige Faktoren Bildung Lebensstil Beruf Physische Aktivität Soziale Kontakte Kognitive Aktivität Lebenslanges Lernen? Ja, aber… Danke