Sawi Mess- und Regeltechnik AG CH–8405 Winterthur-Gotzenwil, Switzerland Telefon +41 52 320 50 50, Fax +41 52 320 50 55 www.sawi.ch Temperaturmessung in der Kunststoff-Industrie Johannes Wild, Dipl. Ing., Winterthur-Gotzenwil 1. Einleitung Das Messen von Temperaturen ist eine bedeutende Disziplin sowohl der Wissenschaft und Forschung als auch der Industrie. Temperatur ist eine Grundgrösse zur Bestimmung des thermodynamische Zustandes eines Systems. Temperatur lässt sich nur an ihrer Wirkung darstellen. Das Erfassen dieser Wirkung muss möglichst unabhängig von individuell unterschiedlicher Empfindlichkeit durchgeführt werden und soll zu vergleichbaren und reproduzierbaren Resultaten führen. Den Energieaustausch durch Wärmeleitung nutzen alle berührenden Messverfahren. In der Kunststoffindustrie werden in der Regel nur diese Verfahren breit angewendet. Auf die berührenden Messverfahren, bei denen also ein Temperaturfluss vom zu messenden Objekt durch direkte Berührung (Ankoppelung) auf den Temperatursensor stattfindet, wird in der Folge eingegangen. Mit fortschreitender Verfeinerung der Temperaturmess-Technologien wird es zunehmend schwieriger, über den aktuellen Stand informiert zu sein. Der KunststoffTechnologe wird aber nicht ohne ein elementares Grundwissen in der angewandten Temperaturmesstechnik auskommen. Die moderne Mechatronik stellt ein breites Spektrum präziser, preisgünstiger Messund Regelgeräte zur Verfügung. Zu deren Auslegung muss sich der Anwender in jedem Falle Rechenschaft geben über: – – – – – – – maximale Dauerbetriebstemperatur minimal geforderte Standzeit des Temperatursensors Art des Mess-Systems Bauart des Temperatursensors Plazierung und Befestigung des Sensors am Messort Verwendung geeigneter Anschlussleitung Auswahl des optimalen Mess- oder Regelgerätes In diesem Aufsatz soll die praktische Temperaturmesstechnik behandelt werden, wie sie im Bereich der Kunststofftechnologie heute allgemein üblich ist. Andere Industriezweige, Forschung und Wissenschaft bedienen sich teilweise abweichender Verfahren. 2. Mess-Prinzipien In der Kunststoff-Industrie gelangen hauptsächlich zwei, sich grundsätzlich unterscheidende Mess-Systeme zur Anwendung: Thermoelemente und Widerstands-Sensoren Thermoelemente geben eine temperaturabhängige elektrische Spannung, eine EMK Widerstands-Sensoren geben eine temperaturabhängige Änderung des elektrischen Widerstandes Beispiel: Beispiel: Thermoelement Typ J Thermospannung zwischen 0 °C und 100 °C = 5,268 mV Widerstands-Sensor Pt100 Widerstand bei 000 °C = 100.0 Ohm Widerstand bei 100 °C = 138.5 Ohm Thermoelemente geben eine temperaturabhängige elektrische Spannung. Widerstands-Sensoren haben einen temperaturabhängigen elektr. Widerstand. 2.1 Thermoelemente Mit Thermoelementen wird der 1821 von Seebeck entdeckte und nach ihm benannte thermoelektrische Effekt, der Seebeck-Effekt zur Temperaturmessung genutzt. Ein Thermoelement besteht aus zwei elektrischen Leitern, dem Thermopaar, aus unterschiedlichen Metallen, den Thermodrähten, die an einem Ende leitend verbunden sind. Diese Verbindung, das heisse Ende bildet die Mess-Stelle. Die beiden anderen Enden, die kalten Enden bilden die Vergleichs-Stelle. An der VergleichsStelle liegt eine elektrische Spannung, die Thermospannung, im Millivolt-Bereich, die der Temperaturdifferenz zwischen dem heissen Ende und dem kalten Ende proportional ist. 2 Im praktischen Einsatz verlängert man das Thermopaar mit einer Ausgleichsleitung bis an die Eingangsklemmen des Anzeige- oder Regelgerätes. Damit werden definierbare Temperaturwerte der kalten Enden ermöglicht, bzw.. auf einen definierten Wert, z.B. auf 20 °C kompensiert. (Die Norm IEC584 bezieht sich auf 0 °C) Die Verlängerung des Thermopaares muss mit dem entsprechenden Thermodraht oder mittels geeigneter Ausgleichsleitung erfolgen. Thermoelemente unterscheiden sich durch die verwendeten Thermomaterialien mit unterschiedlicher Thermokraft. Je nach Materialpaarung ergeben sich verschiedenartige Charakteristiken. Für uns von Bedeutung ist die Paarung Reineisen (Fe) mit einer Kupfer-Nickel-Legierung (CuNi) sowie die Paarung einer Nickel-ChromLegierung (NiCr) mit Reinnickel (Ni) Fe-CuNi Thermopaare werden international als Typ "J" bezeichnet, NiCr-Ni Thermopaare als Typ "K". Beide sind in der Norm IEC 584, neu DIN EN 60 584 beschrieben. Thermoelement oder TC Fe-CuNi = Typ J Thermoelement oder TC NiCr-Ni = Typ K Bei der werkstoffbezogenen Schreibweise Fe-CuNi oder NiCr-Ni wird der positive Schenkel stets zuerst genannt. Beim Thermopaar "J" ist der positive Schenkel (Fe) magnetisch. Beim Thermopaar "K" ist es der negative Schenkel (Ni). Praktiker sind in der Lage, mit einem Magneten diese beiden Thermopaare eindeutig zu unterscheiden. Im europäischen (von Deutschland beeinflussten) Wirtschaftsraum werden in der Kunststoff-Industrie traditionellerweise mehrheitlich Thermoelemente des Typs Fe-CuNi (früher Fe-Konst) eingesetzt. In den von den USA beeinflussten Wirtschaftsräumen sind eher Thermoelemente des Typs NiCr-Ni (früher Chromel-Alumel) gebräuchlich. Gemäss DIN EN 60 584 werden die Grenzabweichungen für Thermopaare in zwei Klassen aufgeführt. Klasse 2 lässt für Thermopaare Typ J und K eine Grenzabweichung von 2.5 °C zu. Thermopaare der Klasse 1 haben eine maximale Abweichung von 1.5 °C. Für den professionellen Einsatz sollte keine grössere Abweichung als 1.5 Grad akzeptiert werden. (sawi liefert ausschliesslich Thermoelemente der Klasse 1) 3 Die internationale Norm IEC584, in Europa DIN EN 60 584 enthält noch weitere Thermopaarungen, die jedoch im Bereich dieser Betrachtung nicht von Bedeutung sind. Hinweisen möchte ich lediglich auf ein neueres Thermoelement mit der Bezeichnung "N". Das ist eine dem Typ "K" ähnliche, modifizierte Paarung, bei der die Thermoschenkel zusätzlich mit Silicium dotiert sind. In Deutschland wird teilweise noch mit einer älteren Thermopaarung des Typs Fe-CuNi gearbeitet. Sie ist in der DIN 43710 beschrieben und trägt die Bezeichnung "L". International hat dieser Typ keine Bedeutung mehr. Seine Kennlinie deckt sich nahezu mit jener des Typs "J". In der Praxis wird von dieser Doppelspurigkeit denn auch kaum Notiz genommen. 2.1.1 Pro und Kontra Thermoelement Das am meisten verbreitete Mess-System in der Kunststoffbranche ist seit Jahren das Thermoelement Typ "J". Das liegt nicht zuletzt am günstigen Preis aber auch an der systembedingten Möglichkeit, Sensorapplikationen mit kleinsten Geometrien herzustellen. Zum Durchbruch verholfen hat dem Thermoelement sicher auch die weltweit akzeptierte Normung durch IEC584. Negativ vermerkt werden muss die Tatsache, dass der Plusschenkel dieses Thermopaares aus Reineisen (Fe) besteht und sowohl bei der Herstellung der Thermoelemente als auch im Einsatz eine ausgeprägte Neigung zum Verzundern und Verrosten zeigt. Aus heutiger Sicht sind Thermopaare des Typs "K" mit weniger Nachteilen behaftet. 2.2 Widerstands-Sensoren Unter den Begriff Widerstands-Sensoren fallen sämtliche Sensoren, bei denen Temperaturänderungen reproduzierbare Widerstandsänderungen zur Folge haben. Man unterscheidet zwischen den Hauptgruppen "Metall-Widerstandssensoren" und "Halbleiter-Sensoren". Von den Metall-Widerstands-Sensoren, wie Kupfer, Nickel oder Platin haben nur die Platin-Sensoren eine Bedeutung. Sie sind weltweit unter der IEC 751 genormt. DIN IEC 751, neu DIN EN 60 751 hat 1983 die alte DIN- Norm mit der Nummer 43760 abgelöst. 4 Ein Platin-Widerstandssensor ist ein temperaturempfindlicher, elektrischer Widerstand, dessen Leiter aus Platin besteht und bei 0 °C einen definierten Widerstandswert von z. B. 100 Ohm aufweist. Der klassische Pt100-Sensor besteht aus einem Körper aus Keramik mit aufgewickeltem Platindraht. Neuere Konstruktionen sind die Platin-Schichtwiderstände. Sie werden in Dickfilmund Dünnfilmtechnik unterteilt. Durchgesetzt hat sich die Dünnfilmtechnik. Bei dieser wird die Platinschicht auf ein Keramik-Substrat aufgedampft. Die Leiterbahnen, zur Erreichung des gewünschten Nennwiderstandes, werden dann durch Laserschnitt erzeugt und abgeglichen. Platin-Widerstands-Sensoren zeichnen sich durch ausgezeichnete Stabilität und hohe Genauigkeit aus. Für die Verlängerung vom Messort zum Anzeige- oder Regelgerät benötigt man keine spezielle Ausgleichsleitung. Hingegen wird man sich ab einer bestimmten Länge für die Drei- oder Vierleiter-Schaltung entscheiden, um damit den Leitungswiderstand zu eliminieren. Platinwiderstand 100 Ohm = Pt100 Gemäss DIN IEC 751 oder neu DIN EN 60 751 werden die Grenzabweichungen für Platin-Messwiderstände in zwei Klassen eingeteilt. Klasse "B" lässt bei einer Temperatur von 300 °C eine Grenzabweichung von 1.8 °C zu, während bei Klasse "A" die maximal zulässige Abweichung 0.75 °C beträgt. In der Praxis gelangen beide Varianten zum Einsatz. Die Klasse "B" hat jedoch ein wesentlich günstigeres Preis / Leistungsverhältnis und genügt in der Regel den Anforderungen der Kunststoffbranche. 2.2.1 Pro und Kontra Pt100 Das Platin 100 Mess-System hat sich seit Jahren in der Kunststoffbranche etabliert. Sein Hauptvorteil liegt darin, dass Pt 100-Sensoren Absolutwerte abgeben, die von Umgebungseinflüssen unabhängig sind. Vorteilhaft ist weiter seine ausserordentlich gute Langzeitstabilität und gegenüber Thermoelementen einfacheren Anschlussbedingungen, die keine speziellen Ausgleichsleitungen erfordern. Positiv wirkt sich auch die weltweite Akzeptanz von IEC 751 aus. Negativ ist der merklich höhere Preis gegenüber Thermoelementen, der vor allem bei kleinen und kleinsten Bauformen bei etlichen Anbietern schnell ausufern kann. 5 3. Auswahlkriterien 3.1 Maximale Dauerbetriebstemperatur Thermoelemente der Typen "J" und "K" sowie auch Widerstands-Sensoren Pt100 eignen sich uneingeschränkt für die branchenüblichen Temperaturen. 3.2 Minimal geforderte Standzeit des Temperatursensors Während der Erstausrüster oft den Preis vor die Qualität stellt, hat der Enduser aus einleuchtenden Gründen höhere Ansprüche an die Qualität und die Standzeit der Temperatursensoren. Produkte renommierter Hersteller (zB sawi) haben in der Regel eine Standzeit von mehreren Jahren. 3.3 Bauart des Temperatursensors Berührungs-Temperatursensoren wie sie hier üblich sind, arbeiten nach dem Prinzip des Wärmeflusses vom zu messenden Objekt zum Sensor. Je kleiner die zu erwärmende Eigenmasse des Sensors ist, desto schneller erreicht er die Objekttemperatur. Das heisst, Sensoren mit kleiner Eigenmasse haben kurze Ansprechzeiten. Thermoelemente und ganz speziell die mineralisolierten Mantelthermoelemente mit einem Durchmesser von 1.0 mm oder 1.5 mm, haben ein optimales Ansprechverhalten bei guter Standzeit. Sie sind heute Stand der Technik und finden ihren Einsatz hauptsächlich in komplexen Formen und Einspritz-Systemen. Die generell optimale Bauart von Temperatursensoren gibt es nicht. Sie muss von Fall zu Fall festgelegt werden. 3.4 Plazierung und Befestigung des Sensors am Messort Gemäss dem unter 3.3 Gesagten wird klar, dass der Wärmekoppelung zwischen Objekt und Sensor eine zentrale Bedeutung zukommt. Dabei muss man sich bewusst sein, dass den Kunststoffverarbeiter eigentlich die Temperatur seiner Kunststoffmasse interessiert. Messen kann er aber praktisch in jedem Falle lediglich die Temperatur des Zylinders oder der Form. Also eine Vergleichstemperatur, die dann Rückschlüsse auf die effektive Materialtemperatur zulässt. Gute Resultate erzielt man durch möglichst nahe Plazierung des Sensors am gewünschten Messort. Eine gleichmässige Wärmekoppelung ist beispielsweise durch federnde Befestigung des Sensors zu erreichen. 6 3.5 Verwendung geeigneter Anschlussleitung Beim Einsatz von Thermoelementen ist strikte darauf zu achten, dass die Verbindung zum Anzeige- oder Regelgerät mit der entsprechenden Ausgleichsleitung erfolgt. Nur dann sind zuverlässige Messungen möglich. Widerstands-Sensoren bedingen keine speziellen Leitungen. Man muss sich aber bewusst sein, dass der elektrische Widerstand der Leitung vollumfänglich ins Messresultat eingeht. Abhilfe schafft die 3-Leiter oder 4-Leiter Schaltung. 3.6 Auswahl des geeigneten Mess- oder Regelgerätes Während sich noch vor wenigen Jahren die Entscheidung aufdrängte zwischen analogen oder digitalen Geräten, hat man heute lediglich die Wahl zwischen europäischen oder aussereuropäischen. Stand der Technik ist, dass sich diese Geräte für sämtliche genormten Sensor-Systeme durch den Anwender einstellen lassen. Von den Möglichkeiten her übertreffen sie alle die Anforderungen der Kunststoffindustrie. Wichtig scheint mir eine gut lesbare Bedienungsanleitung, die auch für das Betriebs- oder Unterhaltspersonal verständlich und jederzeit verfügbar ist. 4. Schlussbetrachtung Temperaturmessung in der Kunststoff-Industrie ist eine anspruchsvolle Disziplin, weil das Material Kunststoff in der uns am meisten interessierenden Phase, der Verarbeitung, nicht oder nur mühsam direkt gemessen werden kann. Es ist sehr viel Erfahrung notwendig, um befriedigende Resultate zu erreichen und bedingt die frühzeitige und gute Zusammenarbeit aller Beteiligten. 25.08.00 Johannes Wild, sawi Mess- und Regeltechnik AG, CH-8405 Winterthur 7