Temperaturmessung in der Kunststoff-Industrie

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Sawi Mess- und Regeltechnik AG
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Temperaturmessung in der Kunststoff-Industrie
Johannes Wild, Dipl. Ing., Winterthur-Gotzenwil
1. Einleitung
Das Messen von Temperaturen ist eine bedeutende Disziplin sowohl der
Wissenschaft und Forschung als auch der Industrie.
Temperatur ist eine Grundgrösse zur Bestimmung des thermodynamische
Zustandes eines Systems. Temperatur lässt sich nur an ihrer Wirkung darstellen. Das
Erfassen dieser Wirkung muss möglichst unabhängig von individuell unterschiedlicher Empfindlichkeit durchgeführt werden und soll zu vergleichbaren und reproduzierbaren Resultaten führen.
Den Energieaustausch durch Wärmeleitung nutzen alle berührenden Messverfahren. In der Kunststoffindustrie werden in der Regel nur diese Verfahren breit
angewendet.
Auf die berührenden Messverfahren, bei denen also ein Temperaturfluss vom zu
messenden Objekt durch direkte Berührung (Ankoppelung) auf den Temperatursensor stattfindet, wird in der Folge eingegangen.
Mit fortschreitender Verfeinerung der Temperaturmess-Technologien wird es zunehmend schwieriger, über den aktuellen Stand informiert zu sein. Der KunststoffTechnologe wird aber nicht ohne ein elementares Grundwissen in der angewandten
Temperaturmesstechnik auskommen.
Die moderne Mechatronik stellt ein breites Spektrum präziser, preisgünstiger Messund Regelgeräte zur Verfügung. Zu deren Auslegung muss sich der Anwender in
jedem Falle Rechenschaft geben über:
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–
–
–
–
–
maximale Dauerbetriebstemperatur
minimal geforderte Standzeit des Temperatursensors
Art des Mess-Systems
Bauart des Temperatursensors
Plazierung und Befestigung des Sensors am Messort
Verwendung geeigneter Anschlussleitung
Auswahl des optimalen Mess- oder Regelgerätes
In diesem Aufsatz soll die praktische Temperaturmesstechnik behandelt werden, wie
sie im Bereich der Kunststofftechnologie heute allgemein üblich ist.
Andere Industriezweige, Forschung und Wissenschaft bedienen sich teilweise
abweichender Verfahren.
2. Mess-Prinzipien
In der Kunststoff-Industrie gelangen hauptsächlich zwei, sich grundsätzlich unterscheidende Mess-Systeme zur Anwendung:
Thermoelemente
und
Widerstands-Sensoren
Thermoelemente geben
eine temperaturabhängige
elektrische Spannung,
eine EMK
Widerstands-Sensoren geben
eine temperaturabhängige
Änderung des elektrischen
Widerstandes
Beispiel:
Beispiel:
Thermoelement Typ J
Thermospannung zwischen
0 °C und 100 °C = 5,268 mV
Widerstands-Sensor Pt100
Widerstand bei 000 °C = 100.0 Ohm
Widerstand bei 100 °C = 138.5 Ohm
Thermoelemente geben eine temperaturabhängige elektrische Spannung.
Widerstands-Sensoren haben einen temperaturabhängigen elektr. Widerstand.
2.1 Thermoelemente
Mit Thermoelementen wird der 1821 von Seebeck entdeckte und nach ihm benannte
thermoelektrische Effekt, der Seebeck-Effekt zur Temperaturmessung genutzt.
Ein Thermoelement besteht aus zwei elektrischen Leitern, dem Thermopaar, aus
unterschiedlichen Metallen, den Thermodrähten, die an einem Ende leitend verbunden sind. Diese Verbindung, das heisse Ende bildet die Mess-Stelle. Die beiden
anderen Enden, die kalten Enden bilden die Vergleichs-Stelle. An der VergleichsStelle liegt eine elektrische Spannung, die Thermospannung, im Millivolt-Bereich, die
der Temperaturdifferenz zwischen dem heissen Ende und dem kalten Ende proportional ist.
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Im praktischen Einsatz verlängert man das Thermopaar mit einer Ausgleichsleitung
bis an die Eingangsklemmen des Anzeige- oder Regelgerätes. Damit werden definierbare Temperaturwerte der kalten Enden ermöglicht, bzw.. auf einen definierten
Wert, z.B. auf 20 °C kompensiert. (Die Norm IEC584 bezieht sich auf 0 °C)
Die Verlängerung des Thermopaares muss mit dem entsprechenden Thermodraht
oder mittels geeigneter Ausgleichsleitung erfolgen.
Thermoelemente unterscheiden sich durch die verwendeten Thermomaterialien mit
unterschiedlicher Thermokraft. Je nach Materialpaarung ergeben sich verschiedenartige Charakteristiken. Für uns von Bedeutung ist die Paarung Reineisen (Fe) mit
einer Kupfer-Nickel-Legierung (CuNi) sowie die Paarung einer Nickel-ChromLegierung (NiCr) mit Reinnickel (Ni)
Fe-CuNi Thermopaare werden international als Typ "J" bezeichnet, NiCr-Ni
Thermopaare als Typ "K". Beide sind in der Norm IEC 584, neu DIN EN 60 584
beschrieben.
Thermoelement oder TC
Fe-CuNi
=
Typ J
Thermoelement oder TC
NiCr-Ni
=
Typ K
Bei der werkstoffbezogenen Schreibweise Fe-CuNi oder NiCr-Ni wird der positive
Schenkel stets zuerst genannt.
Beim Thermopaar "J" ist der positive Schenkel (Fe) magnetisch. Beim Thermopaar
"K" ist es der negative Schenkel (Ni). Praktiker sind in der Lage, mit einem Magneten
diese beiden Thermopaare eindeutig zu unterscheiden.
Im europäischen (von Deutschland beeinflussten) Wirtschaftsraum werden in der
Kunststoff-Industrie traditionellerweise mehrheitlich Thermoelemente des Typs
Fe-CuNi (früher Fe-Konst) eingesetzt.
In den von den USA beeinflussten Wirtschaftsräumen sind eher Thermoelemente
des Typs NiCr-Ni (früher Chromel-Alumel) gebräuchlich.
Gemäss DIN EN 60 584 werden die Grenzabweichungen für Thermopaare in
zwei Klassen aufgeführt. Klasse 2 lässt für Thermopaare Typ J und K eine Grenzabweichung von 2.5 °C zu. Thermopaare der Klasse 1 haben eine maximale
Abweichung von 1.5 °C.
Für den professionellen Einsatz sollte keine grössere Abweichung als 1.5 Grad
akzeptiert werden. (sawi liefert ausschliesslich Thermoelemente der Klasse 1)
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Die internationale Norm IEC584, in Europa DIN EN 60 584 enthält noch weitere
Thermopaarungen, die jedoch im Bereich dieser Betrachtung nicht von Bedeutung
sind.
Hinweisen möchte ich lediglich auf ein neueres Thermoelement mit der Bezeichnung
"N". Das ist eine dem Typ "K" ähnliche, modifizierte Paarung, bei der die Thermoschenkel zusätzlich mit Silicium dotiert sind.
In Deutschland wird teilweise noch mit einer älteren Thermopaarung des Typs
Fe-CuNi gearbeitet. Sie ist in der DIN 43710 beschrieben und trägt die Bezeichnung "L".
International hat dieser Typ keine Bedeutung mehr. Seine Kennlinie deckt sich nahezu mit jener des Typs "J". In der Praxis wird von dieser Doppelspurigkeit denn auch
kaum Notiz genommen.
2.1.1 Pro und Kontra Thermoelement
Das am meisten verbreitete Mess-System in der Kunststoffbranche ist seit Jahren
das Thermoelement Typ "J". Das liegt nicht zuletzt am günstigen Preis aber auch an
der systembedingten Möglichkeit, Sensorapplikationen mit kleinsten Geometrien
herzustellen.
Zum Durchbruch verholfen hat dem Thermoelement sicher auch die weltweit akzeptierte Normung durch IEC584.
Negativ vermerkt werden muss die Tatsache, dass der Plusschenkel dieses
Thermopaares aus Reineisen (Fe) besteht und sowohl bei der Herstellung der
Thermoelemente als auch im Einsatz eine ausgeprägte Neigung zum Verzundern
und Verrosten zeigt.
Aus heutiger Sicht sind Thermopaare des Typs "K" mit weniger Nachteilen behaftet.
2.2 Widerstands-Sensoren
Unter den Begriff Widerstands-Sensoren fallen sämtliche Sensoren, bei denen
Temperaturänderungen reproduzierbare Widerstandsänderungen zur Folge haben.
Man unterscheidet zwischen den Hauptgruppen "Metall-Widerstandssensoren" und
"Halbleiter-Sensoren".
Von den Metall-Widerstands-Sensoren, wie Kupfer, Nickel oder Platin haben nur die
Platin-Sensoren eine Bedeutung. Sie sind weltweit unter der IEC 751 genormt.
DIN IEC 751, neu DIN EN 60 751 hat 1983 die alte DIN- Norm mit der Nummer
43760 abgelöst.
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Ein Platin-Widerstandssensor ist ein temperaturempfindlicher, elektrischer Widerstand, dessen Leiter aus Platin besteht und bei 0 °C einen definierten Widerstandswert von z. B. 100 Ohm aufweist.
Der klassische Pt100-Sensor besteht aus einem Körper aus Keramik mit aufgewickeltem Platindraht.
Neuere Konstruktionen sind die Platin-Schichtwiderstände. Sie werden in Dickfilmund Dünnfilmtechnik unterteilt. Durchgesetzt hat sich die Dünnfilmtechnik. Bei dieser
wird die Platinschicht auf ein Keramik-Substrat aufgedampft. Die Leiterbahnen, zur
Erreichung des gewünschten Nennwiderstandes, werden dann durch Laserschnitt
erzeugt und abgeglichen.
Platin-Widerstands-Sensoren zeichnen sich durch ausgezeichnete Stabilität und
hohe Genauigkeit aus.
Für die Verlängerung vom Messort zum Anzeige- oder Regelgerät benötigt man
keine spezielle Ausgleichsleitung. Hingegen wird man sich ab einer bestimmten
Länge für die Drei- oder Vierleiter-Schaltung entscheiden, um damit den
Leitungswiderstand zu eliminieren.
Platinwiderstand 100 Ohm
=
Pt100
Gemäss DIN IEC 751 oder neu DIN EN 60 751 werden die Grenzabweichungen für
Platin-Messwiderstände in zwei Klassen eingeteilt.
Klasse "B" lässt bei einer Temperatur von 300 °C eine Grenzabweichung von 1.8 °C
zu, während bei Klasse "A" die maximal zulässige Abweichung 0.75 °C beträgt.
In der Praxis gelangen beide Varianten zum Einsatz. Die Klasse "B" hat jedoch ein
wesentlich günstigeres Preis / Leistungsverhältnis und genügt in der Regel den
Anforderungen der Kunststoffbranche.
2.2.1 Pro und Kontra Pt100
Das Platin 100 Mess-System hat sich seit Jahren in der Kunststoffbranche etabliert.
Sein Hauptvorteil liegt darin, dass Pt 100-Sensoren Absolutwerte abgeben, die von
Umgebungseinflüssen unabhängig sind.
Vorteilhaft ist weiter seine ausserordentlich gute Langzeitstabilität und gegenüber
Thermoelementen einfacheren Anschlussbedingungen, die keine speziellen
Ausgleichsleitungen erfordern. Positiv wirkt sich auch die weltweite Akzeptanz von
IEC 751 aus.
Negativ ist der merklich höhere Preis gegenüber Thermoelementen, der vor allem
bei kleinen und kleinsten Bauformen bei etlichen Anbietern schnell ausufern kann.
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3. Auswahlkriterien
3.1 Maximale Dauerbetriebstemperatur
Thermoelemente der Typen "J" und "K" sowie auch Widerstands-Sensoren Pt100
eignen sich uneingeschränkt für die branchenüblichen Temperaturen.
3.2 Minimal geforderte Standzeit des Temperatursensors
Während der Erstausrüster oft den Preis vor die Qualität stellt, hat der Enduser aus
einleuchtenden Gründen höhere Ansprüche an die Qualität und die Standzeit der
Temperatursensoren.
Produkte renommierter Hersteller (zB sawi) haben in der Regel eine Standzeit von
mehreren Jahren.
3.3 Bauart des Temperatursensors
Berührungs-Temperatursensoren wie sie hier üblich sind, arbeiten nach dem Prinzip
des Wärmeflusses vom zu messenden Objekt zum Sensor. Je kleiner die zu erwärmende Eigenmasse des Sensors ist, desto schneller erreicht er die
Objekttemperatur.
Das heisst, Sensoren mit kleiner Eigenmasse haben kurze Ansprechzeiten.
Thermoelemente und ganz speziell die mineralisolierten Mantelthermoelemente
mit einem Durchmesser von 1.0 mm oder 1.5 mm, haben ein optimales Ansprechverhalten bei guter Standzeit. Sie sind heute Stand der Technik und finden ihren
Einsatz hauptsächlich in komplexen Formen und Einspritz-Systemen.
Die generell optimale Bauart von Temperatursensoren gibt es nicht. Sie muss von
Fall zu Fall festgelegt werden.
3.4 Plazierung und Befestigung des Sensors am Messort
Gemäss dem unter 3.3 Gesagten wird klar, dass der Wärmekoppelung zwischen
Objekt und Sensor eine zentrale Bedeutung zukommt. Dabei muss man sich
bewusst sein, dass den Kunststoffverarbeiter eigentlich die Temperatur seiner
Kunststoffmasse interessiert. Messen kann er aber praktisch in jedem Falle lediglich
die Temperatur des Zylinders oder der Form. Also eine Vergleichstemperatur, die
dann Rückschlüsse auf die effektive Materialtemperatur zulässt.
Gute Resultate erzielt man durch möglichst nahe Plazierung des Sensors am
gewünschten Messort. Eine gleichmässige Wärmekoppelung ist beispielsweise
durch federnde Befestigung des Sensors zu erreichen.
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3.5 Verwendung geeigneter Anschlussleitung
Beim Einsatz von Thermoelementen ist strikte darauf zu achten, dass
die Verbindung zum Anzeige- oder Regelgerät mit der entsprechenden
Ausgleichsleitung erfolgt. Nur dann sind zuverlässige Messungen möglich.
Widerstands-Sensoren bedingen keine speziellen Leitungen. Man muss sich aber
bewusst sein, dass der elektrische Widerstand der Leitung vollumfänglich ins
Messresultat eingeht. Abhilfe schafft die 3-Leiter oder 4-Leiter Schaltung.
3.6 Auswahl des geeigneten Mess- oder Regelgerätes
Während sich noch vor wenigen Jahren die Entscheidung aufdrängte zwischen
analogen oder digitalen Geräten, hat man heute lediglich die Wahl zwischen europäischen oder aussereuropäischen. Stand der Technik ist, dass sich diese Geräte für
sämtliche genormten Sensor-Systeme durch den Anwender einstellen lassen.
Von den Möglichkeiten her übertreffen sie alle die Anforderungen der Kunststoffindustrie. Wichtig scheint mir eine gut lesbare Bedienungsanleitung, die auch für das
Betriebs- oder Unterhaltspersonal verständlich und jederzeit verfügbar ist.
4. Schlussbetrachtung
Temperaturmessung in der Kunststoff-Industrie ist eine anspruchsvolle Disziplin,
weil das Material Kunststoff in der uns am meisten interessierenden Phase, der
Verarbeitung, nicht oder nur mühsam direkt gemessen werden kann. Es ist sehr viel
Erfahrung notwendig, um befriedigende Resultate zu erreichen und bedingt die frühzeitige und gute Zusammenarbeit aller Beteiligten.
25.08.00
Johannes Wild, sawi Mess- und Regeltechnik AG, CH-8405 Winterthur
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