Bekämpfung des Kartoffelkäfers im ökologischen Anbau

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Pflanzenschutz
Landpost 22/2007
Bekämpfung des
Kartoffelkäfers im
ökologischen Anbau
Viele erwachsene Tiere haben überwintert und legen
Eier / der Befallsdruck zum Saisonbeginn ist dieses Jahr
deshalb besonders groß / zwei biologische Präparate
stehen zur Verfügung / für wirksame Bekämpfung sind
Besonderheiten zu beachten
N
achdem sich im letzten
Jahr, bedingt durch den
heißen, trockenen Sommer,
entgegen der üblichen Situation zum Teil zwei Käfergenerationen entwickeln konnten und
das günstige Herbst- und Winterwetter für eine gute Überwinterung der Käfer sorgte, ist
auch die Ausgangssituation in
diesem Jahr alles andere als
günstig.
Biologie
Die Käfer überwintern als ausgewachsene Tiere im Boden
und erscheinen kurz nach dem
Auflaufen der Kartoffeln (Massenauftreten ab mittleren Tagestemperaturen von 14 °C). Nach
rund zweiwöchigem Reifungsfraß erfolgt die Paarung mit
anschließender gruppenweiser
Ablagerung orangefarbiger Eier auf den Blattunterseiten. Es
werden maximal 600 Eier pro
Weibchen auf verschiedenen
Pflanzen gelegt. Wenig später schlüpfen die Larven und
durchlaufen innerhalb von
rund drei Wochen vier Larvenstadien. Die Puppenruhe im Boden währt 14 Tage. Nach dem
Schlupf führen die Jungkäfer
einen zwei- bis dreiwöchigen
Reifungsfraß durch, unterbrechen ihn dann und ziehen sich
zwecks Überwinterung 20 bis
25 Zentimeter in den Boden zurück. Einige Käfer pflanzen sich
noch im gleichen Jahr fort. In
Jahren mit einem langen und
warmem Herbst ist die Bildung
einer zweiten Generation möglich. Manche Käfer können sogar zwei Jahre leben.
Schadschwelle
Im Verlaufe ihrer Entwicklung
frisst eine Kartoffelkäferlarve
rund 35 bis 40 Quadratzentimeter (cm²) Blattfläche, weit über
die Hälfte davon im L 4-Stadium. Ab zwölf Larven pro Pflanze ist mit Ertragsrückgängen zu
rechnen. Auf Eigelege bezogen
liegt die Grenze bei rund zehn
Gelegen auf 25 Pflanzen.
Erfolgreiche Kontrolle
Im Mai / Juni fliegen die ersten
Käfer in den Bestand ein. Zu
diesem Zeitpunkt findet man
die Käfer am wahrscheinlichsten in Kleingärten oder auf
vorjährigen Kartoffelschlägen.
Die ersten Eiablagen finden sich
meist am Feldrand oder an Einzelpflanzen am Rand von Lücken im Bestand.
Je nach Temperatur wird rund
14 Tage danach die Masse der
Eier auf die Unterseite der Blätter abgelegt. In dieser Zeitspanne sind Kontrollen durch den
Landwirt durchzuführen, da je
nach Witterung eine, zwei oder
drei Wochen später die Larven
schlüpfen. Das Junglarvenstadium (L 1-, L 2-Larven) ist an einer
maximal einen Millimeter (mm)
breiten Kopfkapsel der Larven
erkennbar. Ab L 2 weisen die
Larven zwei Reihen schwarzer
Punkte auf. Im L 4-Stadium haben die Larven ein ausgeprägtes
Nackenschildchen. Zu beachten
ist außerdem, dass vor allem bei
vorhandenem Blattlausbefall
die Kartoffelkäfereigelege leicht
mit denen der Marienkäfer zu
verwechseln sind. Die Eigelege
der Marienkäfer sind allerdings
dunkel gefärbt, die der Kartoffelkäfer hingegen gelblich bis
rot-orange.
Kartoffelkäfer (v.l.): Eigelege,
Junglarven und ausgewachsene
Tiere. Foto: AID (1), Meßmer
Für die Kontrollen ist es wichtig
zu wissen, dass sich die kleinen
L 1-Larven hauptsächlich auf
den Blattunterseiten aufhalten
und deshalb leicht zu übersehen
sind. L 1- und L 2-Larven sind
wesentlich besser bekämpfbar
als die Altlarven. Gerade eine
frühzeitige Behandlung im L 1und L 2-Stadium der Larven ist
bei biologischen Präparaten
von großem Vorteil.
Bei Temperaturen über 20°C
und / oder welken Beständen
sollte nur in den Morgenstunden, in der Zeit erhöhter Fraßtätigkeit, behandelt werden. Um
eine möglichst vollständige Benetzung zu erreichen, müssen
die biologischen Präparate mit
einem feinen Tropfenspektrum
ausgebracht werden.
Novodor FC
Der Wirkstoff von Novodor FC
wird von dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt) var. tenebrionis gebildet. Bt ist ein Bodenbakterium und bildet Protein in einer ungiftigen Form. Erst
im Darm der Insekten wird es
in giftiges Kristallprotein umgewandelt, das die Darmwand
zerstört.
Die Larven nehmen den Wirkstoff über die gespritzten Blätter auf. Deshalb ist bei diesem
Mittel auf eine gute Benetzung
zu achten. Das Präparat sollte daher mit einer Wasseraufwandmenge von mindestens
500 bis 600 Liter pro Hektar
Wasser ausgebracht werden.
Die Larven stellen die Fraßaktivität nach kurzer Zeit ein, verbleiben jedoch sichtbar auf den
Blättern. Nach vier bis sechs Tagen sterben die Larven ab, ohne
weitere Fraßschäden verursacht
zu haben. Altlarven werden
von diesem Produkt allerdings
weniger dezimiert und Käfer
reagieren nur mit einem vorübergehenden Fraßstopp und der
Unterbrechung der Eiablage.
Bei starkem Befall und verzetteltem Auftreten kann nach ein
bis zwei Wochen eine Folgebehandlung notwendig werden.
Zu berücksichtigen ist, dass
vor allem die Witterung biologische Pflanzenschutzmittel
nachhaltig in ihrer Wirkung
beeinflusst. Warme, wüchsige
Witterung beschleunigt den
Bekämpfungserfolg. Kühle
Witterungsabschnitte verlangsamen die Fraßaktivität der
Larven und somit die Wirkstoffaufnahme. Der Wirkstoff
von Novodor FC ist rund eine
Woche aktiv, sofern er nicht
durch Niederschläge abgewaschen wird. Wenn innerhalb
einer Stunde nach der Ausbringung zwei bis fünf Millimeter
(mm) Niederschlag fallen, werden ungefähr 50 Prozent des
Einsatz der biologischen Präparate Novodor FC und NeemAzal T/S
Mittel
Wirkung
Temperaturbereich
Aufwand(Wirkung bei °C)
menge
NeemAzal T/S Fraß
15-20
2,5 l/ha (L1-L4)
Novodor FC
Fraß, Kontakt
15-27
3,0 l/ha (L1,L2)
5,0 l/ha (L3,L4)
Anwend.
Anz. max.
2
2
3
Preis
€/ha
ca.150,ca. 55,ca. 92,-
Pflanzenschutz
Landpost 22/2007
Wirkungsgrad in %
Wirkung von NeemAzal und Rüböl auf Kartoffelkäferlarven
100
95
90
85
80
75
70
65
60
55
50
15
Zielgenaue
Pflanzenschutzspritze
Universität Hohenheim präsentiert neues, GPSgestütztes System zur punktuellen Unkrautbekämpfung
Ü
2 Tage nach der Behandlung
NeemAzal
Wirkstoffs abgespült. Je länger
es trocken bleibt, umso besser
ist die Wirkung. Die Zugabe
von 0,3 Litern je Hektar (l / ha)
Nu-Film P kann Novodor FC in
der Wirksamkeit unterstützen.
Nu-Film P, ein Produkt der Firma intrachem Bio Deutschland,
besteht hauptsächlich aus Pinoline, dem Hauptbestandteil des
Kiefernöls und ist daher für den
biologischen Pflanzenschutz
bestens geeignet. NU-Film-P ist
ein Zusatzstoff, der sich nach
der Applikation mit der Wachsschicht der Blätter verbindet.
Der Stoff trocknet bereits nach
einer Stunde zu einem wasserfesten Film, wodurch das
Abwaschen des Spritzbelages
durch nachfolgenden Regen
verhindert wird. Dadurch wird
die Sicherheit der Spritzung in
Schlechtwetterperioden erhöht.
Die Kosten des Zusatzstoffes
liegen je nach Packungsgröße
zwischen 4,50 und 6,50 Euro je
Hektar.
Neem Azal T / S
NeemAzal T / S ist ein standardisierter Pflanzenschutzextrakt
aus den Samen des tropischen
Niembaumes. Niembäume sind
Laubbäume und werden im
großen Umfang in tropischen
Gegenden angebaut. Er stammt
ursprünglich aus Südwestindien
und wird auch als Wunderbaum
bezeichnet.
Das Öl wird seit Jahrhunderten
in Indien gegen Pflanzenschädlinge eingesetzt.
Der Wirkstoff (Azadirachtin)
dringt in die Blätter ein und
wird innerhalb der Pflanze teilsystemisch transportiert. Nach
zwölf Stunden ist das Mittel
regenfest. Die Einstellung der
Fraßaktivität erfolgt langsamer,
5 Tage nach der Behandlung
NeemAzal + Rüböl
bei großen Larven erst nach vier
bis fünf Tagen. Anschließend
verkümmern die Larven, da keine Häutungen mehr erfolgen.
Durch Beimischung von Rüböl,
das aus den Samen erucasäurearmer Rübsensorten gewonnen
wird, lässt sich die Wirkung des
Produktes etwas verbessern.
Das im Balkendiagramm oben
dargestellte Versuchsergebnis
vom Standort Donaueschingen
verdeutlicht dies.
Zusammenfassung
In Versuchen und in der Praxis
hat sich gezeigt, dass Kartoffelkäferlarven im ökologischen
Anbau mit den Präparaten
NeemAzal T / S und Novodor
FC in Gebieten, in denen nur
eine Generation proJahr auftritt, erfolgreich bekämpft werden können. Mit zunehmender
Größe der Käferlarven lässt allerdings die Wirkung vor allem
beim Novodor FC schnell nach.
Mehrjährige Versuchsergebnisse zeigen, dass NeemAzal T / S
umso besser wirkt, je niedriger die Temperaturen bei der
Spritzung sind. Auch wenn bei
diesem Präparat bei größeren
Larven der Wirkungsabfall geringer als bei Novodor FC ist,
ist doch auch bei NeemAzal
T / S ein frühzeitiger Einsatz im
Junglarvenstadium eindeutig
zu bevorzugen.
In Regionen, in denen zwei Generationen pro Jahr auftreten,
wird die Bekämpfung mit den
biologischen Präparaten allerdings schwieriger. Als weitere
Maßnahme wäre hier sicherlich
eine weitgestellte Fruchtfolge
von großem Vorteil.
Hans-Jürgen Meßmer,
L T Z Augustenberg,
Außenstelle Donaueschingen
ber zehn Jahre haben
Wissenschaftler der
Universitäten Bonn und
Hohenheim an der Fragestellung gearbeitet: Wie kann man
Pflanzenschutzmittel so zielgenau ausbringen, dass die Unkrautbekämpfung auf das absolut notwendige Maß reduziert
wird?
Das Ergebnis der Forschungen wurde Mitte Mai auf dem
„Vierten Workshop Precision
Farming“ der Universität Hohenheim vorgestellt. Mit dem
System können über 50 Prozent
Spritzmittel eingespart werden.
Professor Roland Gerhards, der
Leiter des Instituts für Phytomedizin der Universität Hohenheim, dessen Forschungsgruppe
das System entwickelt hat erklärt dazu: „Drei komplett getrennte Spritzsysteme sind auf
einem Gerät integriert. 30 bis
60 Prozent der Herbizide lassen
sich damit einsparen“. Das erste
Gerät, hergestellt von der Firma
Kverneland, sei bereits seit drei
Jahren unter praxisüblichen
Bedingungen erfolgreich im
Einsatz. Die Frage, bei welcher
Betriebsgröße sich eine An-
schaffung rentiere, sei jedoch
nicht zwingend an der Größe
auszumachen, da dieser zielgenaue Pflanzenschutz durchaus
auch von Lohnunternehmen
durchführbar sei. Prinzipiell
könne „eine solche Spritze pro
Jahr bis 1 000 Hektar an Pflanzenschutzmitteln applizieren.“
Die Unkrautbekämpfung erfolgt derzeit noch in zwei Arbeitsgängen: Im ersten Schritt
werden mittels eines speziellen
Trägerfahrzeugs GPS-gestützte
Digitalfotos von der Verunkrautungssituation des Ackerschlages aufgenommen. Mit Hilfe
von Bildverarbeitungssoftware
und einer wissensbasierten Datenbank werden die gewonnenen Geodaten online ausgewertet sowie Unkrautverteilungskarten hergestellt. Diese werden
im zweiten Schritt in den Steuerungscomputer der Pflanzenschutzspritze eingespeist. Die
Pflanzenschutzspritze ist dann
in der Lage, drei verschiedene
Wirkstoffe ortsspezifisch und
bedarfsgerecht auszubringen.
Weitere Infos und das vollständige Interview sind abrufbar
unter http://www.proplanta.de
Das Ergebnis der Forschungen ist ein High-Tech-System bestehend aus
hochauflösenden Bispektralkameras, GPS, Bildverarbeitungssoftware und
Dreikammerspritze, das Mitte Mai auf dem „4. Workshop Precision Farming“ der Universität Hohenheim vorgestellt wurde. Das System identifiziert Unkräuter qualitativ und quantitativ, erstellt Unkrautverteilungskarten und bringt schließlich die Herbizide nur dort aus, wo sich tatsächlich
für die Kulturpflanze schädliche Unkräuter oder Unkrautnester befinden.
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