SAV und IPCC Hanns Graaf Auf der Homepage der Sozialistischen Alternative Voran (SAV) steht der Artikel „Die Zeit wird knapp“ vom 6. Mai 2014. Darin behandeln die Autoren Pascal Backes und Christian Walter u.a. den jüngsten Bericht des IPCC (AR 5). Wir beschäftigen uns mit diesem Artikel nicht, weil dieser eine besondere Qualität hätte, sondern weil er durchaus typisch für viele linke Beiträge zum Klima ist. Zu Anfang heißt es: „Im ersten Teilbericht (September 2013) werden die Fakten präsentiert: Die Erde erwärmt sich, der Meeresspiegel steigt an. Gletscher werden kleiner und verschwinden, ebenso die polaren Eisschilde. Hitzewellen und andere Extremwetterereignisse werden zunehmen. Die Ursache ist überall dieselbe: Der enorme Ausstoß an Treibhausgasen durch den Menschen. Heute ist die CO2-Konzentration in der Atmosphäre so hoch wie in den letzten 800.000 Jahren nicht. Dabei wurde etwa ein Drittel des ausgestoßenen CO2 von den Meeren aufgenommen und führt zur Versauerung der Ozeane. Würde weiter soviel CO2 in die Luft geschleudert wie aktuell, so würde bis 2050 die Jahresmitteltemperatur um 2° C gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen. Das ist die „magische Grenze“, würde sie überschritten würde sich der Klimawandel deutlich beschleunigen.“ Zunächst fällt negativ auf, dass der gesamte Text weder ein Zitat noch einen link enthält, so dass die Behauptungen der Autoren schwer überprüfbar sind. Wie üblich in der grünen und linken Szene wird der IPCC-Bericht a priori als wissenschaftliche Wahrheit präsentiert. Dass es vermehrt Kritik am IPCC gibt und fast alle seine Voraussagen zum Klima nicht eingetroffen sind, interessiert aber auch die SAV-Autoren nicht. Der Umstand, dass der AR 5 sich in wichtigen Punkten von früheren IPCC-Berichten unterscheidet und die Erwärmungstendenz immer niedriger angesetzt wird, tangiert die Autoren nicht. Dass sie den sehr umfangreichen und für Laien tw. schwer verständlichen Bericht überhaupt gelesen haben, darf bezweifelt werden – oder sie desinformieren ihre Leser bewusst. Hätten sie ihn gelesen, müsste ihnen aufgefallen sein, dass der Bericht zu einigen Fragen alternative Positionen anführt und auch Postionen enthält, die dem, was lt. ihrer Darstellung im AR 5 angeblich steht, überhaupt nicht entspricht. Selbst den bescheidensten Versuch, die Aussagen des IPCC-Berichts mit der klimatischen Realität, der Debatte in der Klimawissenschaft oder ganz und gar mit der Kritik am IPCC zu vergleichen, suchen wir vergebens. Jeder noch so bescheidene Ansatz die alarmistischen Klima-Positionen, die uns von IPCC, PIK, der bürgerlichen Politik oder den bürgerlichen Medien täglich serviert werden, kritisch zu betrachten, fehlt dem Text der SAV. So viel zu den Grundfähigkeiten dieser „Marxisten“ bezüglich einer kritischen und materialistischen Weltsicht. Angeblich werden von Backes und Walter Fakten präsentiert. Wenn sie aber schreiben, „Hitzewellen und andere Extremwetterereignisse werden (!) zunehmen“, dann sind das keine Fakten, denn was erst noch passieren wird, kann nicht zugleich ein Fakt sein. Hier zeigt sich schön, wie im gesamten Klimaalarmismus stets Fakten und Vorhersagen (Trends, Modelle) in einen Topf geworfen und nicht selten Vorhersagen als Beweise gebraucht werden. So geht nicht Wissenschaft, so funktioniert Manipulation. Als „Fakt“ wird uns auch präsentiert: „Würde (!) weiter soviel CO2 in die Luft geschleudert wie aktuell, so würde bis 2050 die Jahresmitteltemperatur um 2° C gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen. Das ist die „magische Grenze“, würde sie überschritten, würde sich der Klimawandel deutlich beschleunigen.“ Ob das so kommt, wissen wir leider nicht. Auf jeden Fall unterstellen unsere Autoren hier aber schon Mal, dass andere klimatische Faktoren als das CO2 keine Rolle für die Entwicklung des Klimas spielen. Woher sie das wohl wissen?! Warum gerade die 2 Grad-Grenze „magisch“ sein soll, erfahren wir auch nicht (zur Entschuldigung der Autoren soll hier erwähnt sein, dass „die Klimawissenschaft“ es auch nicht weiß). Eine Logik der ganz besonderen Art ist die Aussage, dass weiterer Klimawandel den Klimawandel beschleunigt. Unsere Autoren folgen hier einer Klein-Fritzchen-Logik: Mehr CO2 = mehr Erwärmung. Ob das physikalisch überhaupt möglich ist, interessiert die Experten Backes und Walter freilich nicht. Naturwissenschaftlich ist eine lineare Erwärmung abhängig vom CO2-Ansteig jedoch gar nicht möglich. Nach dem Lambert-Beerschen Absorptionsgesetz erfolgt die weitere Erwärmung degressiv, d.h. jede zusätzliche Temperatur-Erhöhung – entsprechend der angenommenen Klimasensitivität (Erwärmungsrate bei Verdopplung des CO2-Gehalts) – erfordert jeweils eine weitere Verdopplung der CO2-Konzentration: + 0,7° C benötigt eine Konzentrationserhöhung von 380 auf 760 ppm; + 0,7 °C benötigt eine Konzentrationserhöhung von 760 auf 1520 ppm; + 0,7° C benötigt eine Konzentrationserhöhung von 1520 auf 3040 ppm. Die Politik will den CO2-Ausstoß minimieren, so dass der Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzt wird, weil sonst eine Eskalation der Erwärmung nicht zu verhindern sei. Unser Beispiel zeigt, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre verachtfacht (!) werden müsste, um einen solchen Temperaturanstieg überhaupt zu bewirken. Selbst wenn der Mensch dazu in der Lage wäre, ist dieses Ziel schon wegen der begrenzten fossilen Brennstoffe gar nicht erreichbar. Nun schwant uns, dass es mit den Fakten nicht so weit her ist. Was sich hier besonders „faktisch“ anhört, ist der Bezug der Mitteltemperatur im Jahr 2050 zur vorindustriellen. Natürlich wird hier der Begriff der „globalen Mitteltemperatur“ nicht hinterfragt. Ansonsten würde einem ja vielleicht auffallen, auf welch dünner – und oft manipulierter – Datengrundlage diese beruht. Was heißt „vorindustriell“? Nehmen wir z.B. das Jahr 1840, damals war es etwa 1 Grad Celsius kälter als heute. Nehmen wir die Mittelalterliche Warmzeit zwischen ca. 800 und 1300. Damals war es mindestens so warm wie heute oder sogar wärmer, wie die Klimawissenschaft aufgrund empirischer Daten weiß. Wie wir sehen, geht es also gar nicht darum, das jetzige „Klima“, d.h. die Temperatursituation, in die Klimageschichte der Erde einzuordnen; es geht nur darum, zu suggerieren, dass es heute so warm (geworden) wäre wie nie zuvor. Das aber ist nichts als Mumpitz und steht im Widerspruch zu jedem klimatischgeologischen Wissen. Im Grunde macht die Klimaalarmistik a la IPCC nichts anderes, als die aktuelle Warmphase innerhalb des Holozäns (die Periode nach der letzten Eiszeit vor ca. 11.000 Jahren) mit der letzten kühlen Phase, der „Kleinen Eiszeit“, die Anfang des 19. Jahrhunderts endete, zu vergleichen. Und natürlich ist es im Vergleich dazu heute wärmer. Doch dieses Auf und Ab von kälteren und wärmeren Phasen prägt das gesamte Holozän – schon bevor Menschen irgend einen Einfluss auf das Klima haben konnten. Ein sinnvoller Vergleich müsste also Warmphasen mit Warmphasen vergleichen. Das IPCC vergleicht aber Äpfel mit Birnen und stellt im Brustton der Überzeugung fest: es gibt einen Unterschied. Das zu Anfang als große Besonderheit präsentierte „Die Erde erwärmt sich“ ist also nichts als ein ganz normaler klimatischer Vorgang, der weder in Tempo noch im Umfang irgend etwas Außergewöhnliches hat, das es so noch nie gegeben hätte. Bei ihrer Darstellung des AR 5 ist den Autoren auch entgangen, dass die globale Erwärmung seit 15-20 Jahren pausiert – obwohl alle Modelle einen weiteren Temperaturanstieg von ca. 0,4° C vorausgesagt hatten und die CO2-Emissionen seit 2000 besonders rasant gestiegen sind. Das zu „übersehen“ ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil es seit Jahren ein Hauptthema in der klimawissenschaftlichen Diskussion ist. Den Stillstand (Hiatus) der Erwärmung stellt sogar das IPCC im AR 5 und in der Kurzfassung für „policymakers“ dar: „Beispielsweise ist die Geschwindigkeit der Erwärmung über die letzten 15 Jahre (1998–2012; 0,05 [-0,05 bis +0,15] °C pro Jahrzehnt), die mit einem starken El Niño beginnt, kleiner als die seit 1951 berechnete Geschwindigkeit (1951–2012; 0,12 [0,08 bis 0,14] °C pro Jahrzehnt).“ Darin stimmen die „Klimakritiker“ und das IPCC sogar überein. Man fragt sich, auf welche „Klimawissenschaft“ sich die leicht überhitzten SAV-Autoren stützen?! In diesem Zusammenhang ist unseren Autoren auch entgangen, dass der AR 5 auch deutlich gemacht hat, dass die Lieblingskinder der Klimaalarmisten, die Klima-Modelle, versagt haben – nicht nur bei der Voraussage der letzten 20 Jahre, sondern – wie selbst das IPCC zugibt – auch bei der Modellierung der KlimaVergangenheit, z.B. der erwähnten Mittelalterlichen Warmzeit. Auch über diese unbedeutende „Kleinigkeit“ haben die beiden Autoren uns zu informieren vergessen. Der Meeresspiegel steigt an. Die nächste Bedrohung, die uns Backes und Walter präsentieren. Doch dieser Anstieg erfolgt schon seit dem Ausgang der Eiszeit vor ca. 11.000 Jahren. Er flacht immer mehr ab, bis er an einen Scheitelpunkt kommt und wieder absinkt, wenn eine Klimaabkühlung erfolgt. Die Frage ist also nicht, ob der Meeresspiegel ansteigt, sondern ob sich die Anstiegsrate verändert. Auch wenn es kleinere Schwankungen gab und gibt: in den letzten Jahrhunderten ist die Anstiegsrate gesunken. Nachdem der Meeresspiegel im 20. Jahrhundert knapp 20 cm angestiegen war, behaupten einige Alarmisten, dass bis 2100 ein Anstieg von über einem Meter möglich wäre. Allerdings ist das aufgrund von Erwärmung physikalisch gar nicht möglich, weil dafür die Erwärmung um ein Mehrfaches stärker sein müsste als selbst in den kühnsten Modellen projiziert. Immerhin äußern hier die Autoren Mal einen richtigen Gedanken, wenn sie schreiben, dass „Wasser bis zu 90% der Sonneneinstrahlung aufnimmt“. Diese Sonneneinstrahlung erwärmt nämlich hauptsächlich die Meere, nicht die erwärmte Luftschicht darüber. Da aber die Sonnenaktivität seit etwa 2000 deutlich sinkt (und wahrscheinlich weiter sinken oder niedrig bleiben wird), ist es wohl wenig wahrscheinlich, dass die Meere sich derart thermisch ausdehnen. Doch keine Sorge, das nächste Unheil droht schon und sorgt doch noch für den Meeresspiegelanstieg: „Gletscher schmelzen und verschwinden, die polaren Eisschilde schrumpfen.“ Im AR 5 ist nirgends davon die Rede, dass die Binnengletscher allgemein dramatisch schmelzen. Zudem diese nur 1-2% des Eises umfassen und so den Meerwasserpegel gar nicht so dramatisch beeinflussen können. Bezüglich der polaren Eisschilde wird dann endgültig klar, dass die Klima-Spezialisten der SAV nur nachplappern und nicht nachdenken. Das Nordpoleis ist schwimmendes Eis, wenn es schmilzt, steigt dadurch der Meeresspiegel nicht (es sei denn, bei der SAV gilt eine andere Physik). Das Südpoleis ist zum großen Teil Festlandeis, wenn dieses schmilzt, würde der Meeresspiegel also ansteigen. Am Südpol befinden sich ca. 90 des Festlandeises der Welt, eine Schmelze hätte also ernste Folgen. Nur: es schmilzt nicht (außer in sehr kleinen Randgebieten), sondern nimmt seit Jahren deutlich zu. Das wird auch im AR 5 erwähnt – aber den kennen unsere beiden Auskenner ja gar nicht. Ansonsten gibt es dazu Daten in Hülle und Fülle im Internet. Das Grönlandeis, das ca. 8% des Festlandeises umfasst, geht allerdings wirklich dramatisch zurück: das Schmelztempo ist so hoch, dass es in ca. 10.000 Jahren komplett abgeschmolzen sein wird. Gnade uns Gott! Die SAV sollte schon jetzt die Boote besteigen! Jeder Glaziologe weiß, dass das Wachsen oder Schwinden von Gletschern v.a. von der Niederschlagsmenge abhängt, mehr als von der Temperatur. Lt. IPCCPrognosen soll aber mit der Erwärmung der Erde auch die Verdunstung (und damit der Niederschlag) zunehmen. So würde also auch mehr Schnee fallen und die Gletscher vergrößern. Fragen über Fragen … Auch die Klima-Apokalypse in Form einer Sintflut wird also nicht eintreffen, wie es uns die Autoren im Doppelpack als Angst-Szenario präsentieren. Bleibt noch das Extremwetter. Lt. Backes und Walter werden „Hitzewellen und andere Extremwetterereignisse (…) zunehmen.“ Extremwetterereignisse sind über viele Jahrzehnte gut dokumentiert. Eine generelle Zunahme wird nicht beobachtet. Wer sagt das? Die nationalen Wetterdienste und ihre Daten, Fachgremien wie z.B. die US-Hurricane-Behörde, hunderte Studien und – das IPCC. Das merkt aber nur, wer dessen Berichte auch liest und nicht Information mit Märchenstunde verwechselt. Wem die globale Dimension zu groß ist, der schaue sich einfach die Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) – wohlgemerkt: nicht die offiziellen Verlautbarungen der DWD-Führung, sondern die Daten – bezüglich Temperaturen, Niederschlag usw. an. Da ist von permanenter Erwärmung, Extremwetterzunahme usw. nichts zu sehen. Man kann aber stattdessen auch den bürgerlichen Medien glauben, für die jeder ausufernde Dorfbach zum Menetekel der Klimakatastrophe wird. Unsere beiden Experten haben sich offenbar für Variante zwei entschieden. Aber zum Trost für unsere zwei: alle anderen Linken machen es auch so. Gerade die jüngsten Überschwemmungsereignisse in Süddeutschland zeigen, dass es weder markante Änderungen der Temperatur noch eine Zunahme der Niederschläge in der Region bzw. in Deutschland gab. Was es jedoch gab, ist unzureichender Hochwasserschutz, das Zubauen von Überflutungsflächen usw. Anstatt vom Klima hätte hier vom alltäglichen Kapitalismus geredet werden müssen, meine Herren Marxisten! Was haben wir nun bei der SAV gelernt, außer dass die Zeit bis zum klimabedingten Untergang der Menschheit knapp wird? Eine ganze Menge: man kann über einen Text auch berichten, wenn man ihn gar nicht gelesen hat; Glauben kommt vor Wissen, manchmal auch anstatt; Behauptungen ersetzen Naturgesetze (nicht so schlimm, weil die ja nicht von Marx formuliert wurden); das Klima wandelt sich, was es noch nie zuvor getan hat; davor müssen wir uns fürchten; der Kapitalismus ist am Klimawandel schuld – nicht etwa die Sonne u.a. natürliche Faktoren, die ja alle mit dem Auftauchen des Menschen plötzlich verschwunden sind; SAVler sind gute Klima-Leninisten: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser, blindes Vertrauen ist am allerbesten!