Lesen Sie auch hier, wie das Keltern bei uns in Oberursel abläuft

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Bad Homburg und Hochtaunus - 29.09.2015
OBERURSEL
Keltern am Urselbach
Von Olaf Velte
In der Lohnkelterei Burkard hat die Kelterzeit begonnen. Die
alteingesessene Familie verwandelt Äpfel in Saft. Die Apfelernte
ist gut ausgefallen.
Der Herbst ist da – zumindest kalendarisch. Erntezeit, Kelterzeit.
Äpfel, säckeweise. Und die Maschine steht still. Ausgerechnet. Aber –
gottlob – kaputt ist nichts. Nur eine Welle, die ausgetauscht wird, nur
eine vormittägliche Verzögerung. Nicht lange, und der Hof an der
Oberhöchstadter Straße in Oberursel belebt sich aufs Neue.
Aus jedem Zentner Obst werden 35 Liter
Apfelsaft gewonnen.
Foto: Michael Schick
Seit dem 5. September wird bei der Lohnkelterei Burkard gewaschen
und zerschnetzelt, gequetscht und abgefüllt. Nur sonntags ruhen die
emsigen Hände, ist die neue Doppelbandpresse außer Betrieb.
Ansonsten: Im alltäglichen Rhythmus von 8 bis 21 Uhr verwandelt sich heimisches Obst in schäumenden Saft,
füllt sich die Luft mit dem Duft zerteilter Äpfel. „Bis Ende Oktober läuft die Kelter“, sagt Matthias Burkard.
Zehntausende von Litern werden sich bis dahin im Bottich sammeln, mehrere hundert Kunden versorgt sein.
Die alteingesessene Oberurseler Familie betreibt das bäuerliche Handwerk mittlerweile in fünfter Generation –
heute stehen Feldfrüchte und Federvieh im Fokus, im Lohn wird Getreide gedroschen. Selbstvermarktung ist im
Hause Burkard keine Geschäftsidee der Moderne. Milch wurde bis zum Ende der Kuhhaltung ab Stall verkauft,
Kartoffeln und Eier gehören noch immer zum Sortiment. Natürlich das Streuobst, das Vater Alfred von seinen
drei Dutzend Hochstämmen holt.
Alte Sorten finden sich hier: Trierer Weinapfel, Kaiser Wilhelm und andere sind idealer Rohstoff für den
naturtrüben Saft, der sich gärend zum heimischen Ebbelwei transformiert. Oder – auch dies ist möglich bei
Bauer Burkard – durch Erhitzung pasteurisiert und im 5-Liter-Beutel nach Hause getragen werden kann. Der
Saft, so Heide Burkard, sei derzeit besonders beliebt. Zur Kundschaft gehören viele junge Familien, die neben
dem lokalen Flair auch das Ereignis des Keltervorganges schätzen. „Dass jeder den Saft seiner eigenen Früchte
mitnehmen kann, wird begrüßt.“
BIS ZU 1500 KILO FRÜCHTE PRO STUNDEDie Anlieferer sind meist Privatleute aus
der Region zwischen Kelkheim und
Ockstadt, die mit 35 Litern Saft je 50 Kilo Obst auf die Heimreise geschickt werden. Erwartet werden daneben
„Spezialkunden“, die Birnen, Trauben oder Quitten pressen lassen. Mischportionen seien auch keine Seltenheit.
„Mit der Terminvergabe sind wir bereits im Oktober.“ Gut, dass zuletzt die alte Packpresse ersetzt worden sei.
„Bei diesem Aufkommen“, sagt Sohn Matthias, „wäre zu viel Manpower vonnöten gewesen.“ Mit der nagelneuen
Doppelbandmaschine – bis zu 1,5 Tonnen werden pro Stunde zerkleinert – lasse sich alles im Familienverbund
bewältigen.
Engpässe bei der Ernte gibt es im Herbst 2015 nicht. Zwar sind die Äpfel wegen der langen Trockenheit vielfach
kleiner als üblich – die Menge ist jedoch sehr zufriedenstellend. „Unsere Leute haben allesamt reichlich.“ Die
„guten Qualitäten“ lobt nicht nur der Verband der hessischen Apfelwein- und Fruchtsaft-Keltereien. Für die
Herstellung des eigenen Schoppens warten Burkards indes noch ab: Der werde ganz zum Schluss der Saison
gekeltert.
Während der familiäre Stammsitz nebst Hofladen in der Oberen Hainstraße angesiedelt ist, ereignet sich das
herbstliche Apfeltreiben auf geschichtsträchtigem Terrain. Es ist die von Johann Micol im Jahre 1850 erbaute
und 1930 unter Konrad Wallauer niedergebrannte Getreidemühle, in der Tradition und Handwerk weiterhin ihren
Platz haben. Acht Jahre nach dem Brand hat Vorfahre Jakob Burkard das Anwesen übernommen.
In Sichtweite des hoch aufragenden Klinkerbauwerks prunkt die Turmspitze der Christuskirche durchs
Laubdach. Nur eine Wiese – der Urselbach schlängelt sich vorbei – trennt hier die geistliche von der bäuerlichen
Welt. Dort aber tummeln sich die weißen Gänse der Burkards. Deren Zeit ist gekommen, wenn das Obst
gekeltert ist: Am 1. November beginnt die Saison des „Weihnachtsgeflügels“.
Artikel URL: http://www.fr-online.de/bad-homburg-und-hochtaunus/oberursel-keltern-amurselbach,1472864,32043306.html
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