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Rekordschmelze in der Arktis | Wissen & Umwelt | DW.DE | 11.10.2012
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THEMEN / WISSEN & UMWELT
Das Interesse an der Arktis steigt mit der Erderwärmung. Denn sie erleichtert den Zugang
zur Region und entfesselt die Jagd nach Rohstoffen. Welche Folgen hat das für die Arktis
und den Rest der Erde?
Es war ein Sommer der Rekorde im hohen Norden. Das Meereis schrumpfte nicht nur auf die kleinste
Ausdehnung seit Anfang der Satellitenaufzeichnung vor 40 Jahren. Noch gravierender sei der Verlust
an älterem, dickerem Eis und daher an Eisvolumen, erklärt Walt Meier vom US-National Snow and Ice
Data Centre (NSIDC).
Seit 1979 habe der arktische Ozean 50 Prozent seines Sommereises verloren. Die Nordpassage sei 2012
weitgehend eisfrei gewesen, erklärte der Forscher auf dem Arctic Futures Symposium der
International Polar Foundation und des EU-Komitees der Regionen in Brüssel.
Das Grönlandeis schmilzt immer schneller
Auch der grönländische Eisschild, die größte Süßwasserfläche der nördlichen Halbkugel, verlor in
diesem Sommer dramatisch an Masse, erzählt Glaziologe Konrad Steffen, Direktor der Schweizer
Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Seit 1999 überwacht er
jeden Sommer von einem Forschungscamp auf Grönland aus die Entwicklung des Eisschilds.
"Wir haben zum ersten Mal erlebt, dass die Temperatur über der ganzen Fläche, vom Meeresniveau
bis zum höchsten Punkt in einer Höhe von 3.300 Meter, über dem Gefrierpunkt war - und das
während zwei Phasen in diesem Sommer", sagt Steffen. "Aus Eisbohrkernen wissen wir, dass das vor
150 Jahren das letzte Mal geschah. In der Vergangenheit hatten wir ein ähnliches Ereignis nur vier
Mal in tausend Jahren. Leider nimmt die Häufigkeit zu. Seit 2000 registrieren wir eine zunehmende
Schmelze über die ganze Höhe des Eisschildes."
Jedes Jahr verliert laut Steffen der Eisschild 250 bis 350 Gigatonnen Eis. "Das wäre drei bis vier Mal
so viel wie das ganze Eis der europäischen Alpen", erklärt er.
Schmelzendes Eis wärmt den Rest der Welt
Die Arktis reagiert viel empfindlicher als andere Erdteile auf die
globale Erwärmung. Der Schnee reflektiere normalerweise bis zu 90
Prozent der Sonnenstrahlung zurück ins All, erklärt Steffen. Wenn
der Schnee schmilzt und das Meereis zurückgeht, absorbieren die
dunkleren Flächen wesentlich mehr Wärme. So verstärkt sich die
Erwärmung in einer positiven Rückkopplung - mit Auswirkungen auf
den ganzen Planeten.
Schmelzwasser absorbiert Wärme
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Die Veränderungen des Eises bereiten vielen Ureinwohnern der Arktis Probleme. Duane Smith ist
Präsident des Inuit Circumpolar Council in Kanada, einer Organisation, die die 160.000 Inuit in
Grönland, Kanada, Alaska und Chukotka, Russland, vertritt.
"Das Meereis ist wie unsere Autobahn", sagt Smith, "für viele Gemeinden ist es die einzige physische
Verbindung." Die Eisschicht sei heute aber oft nicht mehr stabil genug, um mit Hunde- oder
Motorschlitten zu fahren. Die Jagd nach Eisbären oder Seehunden werde erschwert. Viele
Küstenbewohner müssten umgesiedelt werden, da das Meereis die Küste nicht mehr vor Erosion
schütze. Auf Permafrost stehende Gebäude stürzten regelmäßig ein. "Friedhöfe und andere kulturell
wichtige Stätten werden ins Meer gespült", so der Inuit-Vertreter.
Großstädte der Welt unter Wasser?
Nicht nur in der Arktis werden Küstengemeinden die
Veränderungen im Hohen Norden spüren. Das Abschmelzen des
Landeises mache sich jetzt schon im globalen
Meeresspiegelanstieg bemerkbar, erklärt Eis- und Klimaforscher
Steffen. Das Grönlandeis alleine bewirke schon ein Millimeter
Anstieg pro Jahr.
"Seit zehn Jahren beobachten wir, dass der Eisverlust immer
Die Thames Barrier in London ist das
größte bewegliche Flutschutzwehr der
Welt.
größer und schneller wird", sagt Steffen. "Die große Frage ist: Was
wird in 50 oder 100 Jahren passieren? Nach den gängigen
Modellen könnte der Meeresspiegel um 50, 80 oder sogar 100
Zentimeter ansteigen". Der britische Polarexperte David Vaughan warnt vor den Konsequenzen für
Städte wie Amsterdam, London oder Hamburg. Auch Kernkraftwerke am Meer riskierten, überflutet
zu werden.
Nur die Veränderung bleibt konstant
Selbst wenn man einen weiteren Anstieg der CO2-Emissionen vermeiden könnte, würde das
Meeresniveau weiter steigen, so Konrad, mindestens über die nächsten 50 Jahre. Gustav Lind sieht
das ähnlich. Der schwedische Arktis-Botschafter hat zurzeit den Vorsitz im Arktischen Rat, der
Organisation der Arktis-Anrainer. "Es wird sehr schwierig sein, den CO2-Anteil in der Atmosphäre zu
reduzieren", sagt er. "Die Arktis wird sich weiter verändern. Die einzige Möglichkeit, sie längerfristig
zu schützen, wäre eine Lösung innerhalb der internationalen Klimaverhandlungen."
Gleichzeitig werde man sich an die veränderten Bedingungen anpassen müssen. Neue
Wirtschaftszweige wie der zunehmende Tourismus oder der Zugang zu Öl, Gas und Mineralien
könnten alternative Arbeitsplätze bieten, sagt der Schwede. So werden in der Zwischenzeit die
Schifffahrt und die Suche nach Ressourcen in der Arktis zum Tagesgeschäft.
Gewinner des Klimawandels
Nicht alle sind über die Klimaveränderungen in der Arktis unglücklich. Seit zwanzig oder dreißig
Jahren suchen die Grönländer beispielsweise vor ihrer Küste nach Öl, Gas und wertvollen Mineralien,
erklärte Innuteq Holm Olsen, stellvertretender Außenminister der Eisinsel im Gespräch mit der
Deutschen Welle. Der Rückgang des Meereises erleichtert diese Aktivitäten.
Olsen freut sich über das wachsende Interesse großer internationaler Konzerne an der Arktis.
"Konkurrenz belebt das Geschäft", sagt er. Noch habe man nur kleine Öl- und Gasvorkommen vor
Grönland entdeckt, die nicht kommerziell verwendbar seien, so Olsen. Im kommenden Jahr würden
aber weitere Lizenzen für Probebohrungen erteilt. Noch ist die teilautonomische Insel sehr stark von
Subventionen aus Dänemark abhängig. "Die Suche nach Öl ist Teil eines größeren politischen Plans",
sagt der Grönländer. Man strebe so viel Unabhängigkeit an wie möglich. "Dafür brauchen wir Geld."
In Russland genießt das Geschäft mit Öl und Gas aus der Arktis bereits höchste Priorität, sagt Charles
Emmerson, Coautor einer Studie zu den Chancen und Risiken wirtschaftlicher Aktivitäten in der
Arktis, die von der britischen Denkfabrik Chatham House und der Versicherungsgesellschaft Lloyds in
Auftrag gegeben wurde. Vor Alaska musste Shell allerdings nach technischen Pannen die Suche nach
neuem Öl für dieses Jahr beenden.
Wenn es darum gehe, die Risiken abzuwägen, müsse man zwischen unterschiedlichen Regionen der
Arktis unterscheiden, so Emmerson. Er schätzt die Barentsseeregion beispielsweise als weniger
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17.10.2012
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gefährlich ein als andere eisbedeckte Bereiche. Schließlich entscheiden aber die Kosten - und die
Energiepreise auf dem Weltmarkt - über das Ölgeschäft in der Arktis.
Gefahr für Umwelt und Klima
Umweltschützer sehen in der Suche nach weiteren Ölquellen neben
den unmittelbaren Risiken für die empfindliche Umwelt der Arktis
ein Paradox. Die erst durch den Klimawandel möglich werdende
Ausbeutung von neuen Öl- und Gasressourcen in der Arktis würde zu
einer weiteren Erwärmung durch CO2-Emissionen führen, führt
beispielsweise Greenpeace an.
Die Organisation betreibt eine groß angelegte Kampagne zum Schutz
der Arktis vor Ölbohrungen. Arktisbotschafter Lind und seine
Kollegen im Arktischen Rat möchten die wirtschaftlichen
Greenpeace lehnt Ölbohrungen in der
Arktis ab
Zukunftsperspektiven für die Arktis aber von dem Klimaproblem getrennt sehen. Für das
Emissionsproblem seien die globale Gemeinschaft und die UNO-Klimaverhandlungen zuständig, so
Lind.
"Die Welt ist eben noch nicht an einem Punkt angekommen, wo die Ölförderung und -produktion
politisch oder ethisch nicht mehr akzeptabel sind", erklärt Energieexperte Charles Emmerson. Man
könne nicht erwarten, dass Länder oder Regionen auf Ressourcen in nächster Nähe verzichteten, um
das globale Klima zu schützen - vor allem, wenn man Zweifel habe, dass man den Klimawandel
überhaupt werde aufhalten können. "Das Hauptproblem ist der globale Ölkonsum. Wenn wir das in
den Griff bekämen, würden die anderen Probleme verschwinden", so Emmerson.
Seit dem Ölunfall Deep Water Horizon im Golf von Mexiko ist die Öffentlichkeit für die Gefahren der
Ölförderung sensibilisiert. Man wisse auch, dass es wesentlich schwieriger sei, in abgelegenen
Regionen der Arktis auf einen Ölunfall zu reagieren, bestätigt Emmerson. Neulich hat der CEO vom
Energiekonzern Total das Ölgeschäft in der Arktis für zu riskant erklärt. Als Hintergrund sieht
Emmerson die Sorge um das Image der Firma - und damit den Geschäftserfolg.
Bei der Entscheidung für kostspielige Aktivitäten in der Arktis gehe es längst nicht nur um die
technische Machbarkeit, so der britische Fachmann. Die Öffentlichkeit stehe solchen Projekten
skeptisch gegenüber. Die Auswirkung auf den Ruf der Ölgiganten im Falle eines Ölunfalls in der
ehemaligen weißen Wildnis wäre verheerend.
DW. DE
Ölsuche in der Arktis
Greenpeace macht gegen den Ansturm der Öl- und Gasgiganten auf die Arktis mobil. Die Gefahr eines Unfalls sei
viel zu groß. Stattdessen solle die Polarregion zum Naturschutzgebiet erklärt werden. (27.06.2012)
Steigende Meere
Die globale Erwärmung lässt den Meeresspiegel steigen. Eine neue Studie warnt vor einem Anstieg von bis zu
vier Meter bis zum Jahr 2300 – selbst, wenn die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt wird.
(26.06.2012)
Klimaalarm aus dem Hohen Norden
Beim Erdgipfel in Rio wurde vor 20 Jahren der Klimaschutz geboren. Doch seitdem erwärmt sich die Erde
ungebremst weiter. In der Arktis erreichte das Treibhausgas CO2 nun eine beängstigende Konzentration.
(21.06.2012)
Chinas Interesse an einer eisfreien Arktis
Acht Länder sind Arktisanrainer. China gehört nicht dazu. Trotzdem bemüht sich das Land um Einfluss im
hohen Norden. Denn dort schlummern Bodenschätze, die es zu schürfen gilt – sobald das Eis geschmolzen ist.
(25.04.2012)
Allianz zur Ausbeutung der Arktis
Zwei Jahre nach der Ölpest im Golf von Mexiko planen die Energiekonzerne Exxon und Rosnef eine
Zusammenarbeit in der Arktis. Eine Gefahr für die sensible Umwelt: Ein Ölunfall wäre eine Katastrophe.
(20.04.2012)
Grönland könnte schneller abschmelzen
Klimaforscher warnen: Grönlands Eis könne viel schneller abschmelzen als gedacht. Bereits wenige Grad Celsius
Erwärmung reichen nach einem neuen Rechenmodell aus. (12.03.2012)
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17.10.2012
Rekordschmelze in der Arktis | Wissen & Umwelt | DW.DE | 11.10.2012
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Rekord-Eisschmelze im Nordpolarmeer
Das ewige Eis ist in Gefahr: Die Eisfläche rund um den Nordpol ist so klein wie niemals zuvor. Wissenschaftler
sprechen von "fundamentalen Veränderungen“. Die Suche nach den Ursachen führt zu alten Bekannten.
(28.08.2012)
Rohstoff-Krimi im Eismeer um Spitzbergen
Nicht weit von Europa vollzieht sich ein diplomatisches Tauziehen um Ansprüche auf arktischen Meeresboden.
Es geht um mögliche Rohstoffvorkommen und um viel Geld. Dahinter steht ein über 90 Jahre alter Vertrag.
(20.06.2012)
WWW-L I NKS
International Polar Foundation
Datum 11.10.2012
Autorin/Autor Irene Quaile
Redaktion Brigitte Osterath
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Baumgartner ist aus 39
Kilometern Höhe zur Erde
gesprungen. Ein
Heliumballon hatte ihn nach
oben in die Stratosphäre
gebracht, wo die Luft viel zu
dünn zum Atmen ist. Und
dann?
15.10.2012
Deutsche Energie-Visionäre
fordern Tempo beim Ausbau
der Solarenergie. Für den
Klimaschutz sei es sinnvoll
und kostengünstig, mehr auf
Sonnenkraft zu setzen.
Angestrebter Anteil an der
Energieversorgung: 30
Prozent.
Eine Kernkraftanlage
brachte Caithness in
Schottland einst Arbeit und
Wohlstand. Jetzt soll der
Ausbau von Wind- und
Wellenenergie die Zukunft
der abgelegenen Region
sichern.
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17.10.2012
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