Rezensionen Kulturlandschaft und Naturschutz L andschaft ist ein sperriger Begriff, wenn man versucht, eine umfassend gültige Beschreibung und Typisierung zu erreichen. Fokussiert man sich auf die Landschaftseinheit, die von jeher stark durch die menschliche Nutzung geprägt wurde, bietet sich hier der Kulturlandschaftsbegriff an. Durch die Technisierung der Landwirtschaft, die rapide Zunahme des Energiepflanzenanbaus oder die Aufgabe peripherer Räume im Mittelgebirge und im Alpenraum kam es in den letzten Jahrzehnten zu einer weithin sichtbaren Veränderung des ländlichen Raumes mit Folgen für die Ökologie. Im vorliegenden Buch nimmt sich Ulrich Hampicke, emeritierter Professor der Universität Greifswald des Themas in der vollen Breite an. Er bezieht jedoch gleich zu Beginn eine klare Position, da er sich selbst als „Umweltschützer“ bezeichnet und dem Naturschutz in seinem Buch eine zentrale Rolle zumisst. Das Buch beginnt mit einem geschichtlichen Rückblick, um das heutige Bild unserer Kulturlandschaft in Mitteleuropa zu erläutern. Die Intensivierung der Landwirtschaft führt seit 1950 zu einer zunehmen Ausräumung der Landschaft. Messbare Folgen sind eine deutliche Reduktion der Artenvielfalt, Bodenerosion oder auch erhöhte Treibhausgasemissionen. Hampicke erläutert auch die rechtlichen Rahmenbedingungen: Im Bundesnaturschutzgesetz ist der Artenschutz aber auch ganz umfassend der Erhalt der Landschaft einschließlich ihrer Erholungsfunktion für den Menschen fest verankert. Auch die Vogelschutzrichtlinie, die FFHRichtlinie oder die Wasserrahmenrichtlinie der EU stellen klare FORUM GEOÖKOL. 24 (2), 2013 Rechtsnormen bereit. Allerdings bemängelt der Autor Vollzugsdefizite und dass vor allem die Agrarlandschaften bis heute weitgehend von der Planung ausgenommen worden sind, obwohl sie eine wesentliche Ursache für Artenrückgang oder die Veränderung des Landschaftsbildes darstellen. Um den Zielen des Naturschutzes zu entsprechen und dem Wunsch der Menschen nach Wohlbefinden, Erholung oder Bildung nachzukommen, ist es notwendig, Kleinräumigkeit und Strukturvielfalt von Landschaften wiederherzustellen, so Hampicke. Dabei müssen wieder möglichst differenzierte Ökotoptypen entstehen, die beispielsweise unterschiedliche Feuchte- und Nährstoffverhältnisse haben. Dort, wo es um konkrete Maßnahmen geht, stellt sich natürlich sofort die Frage nach den Kosten des Naturschutzes. Dieses Thema behandelt Hampicke in seinem Buch auf zwei Ebenen: Erstens die Ebene des landwirtschaftlichen Betriebes: Dort fallen Mehrkosten an, wenn die bewirtschaftete Landschaft kleinräumiger wird oder in Teilen auf Ertragsmaximierung verzichtet werden muss. Zweitens die Ebene der Kulturlandschaft: Die Abwesenheit ökonomischer Anreize zugunsten des Naturschutzes wird problematisiert. Es bleibt daher aus Hampickes Sicht nur die Weiterentwicklung der heutigen Agrarumweltpolitik. Hier wird das Buch sehr ausführlich und entwickelt aus einer Analyse der bisher bestehenden Regelwerke auf EU-Ebene bzw. der Nationalstaaten ein Modell, das neben der Produktion von Agrargütern die „Produktion von Artenvielfalt in der Agrarlandschaft“ als gleichwertiges Ziel definiert. Dies könnte angewendet werden, wenn es etwa um die Zahlung einer Produzentenrente geht. Eine zukunftsfähige Agrarpolitik müsse aber immer auch Naturschutzpolitik sein, fordert Hampicke. Das Buch von Ulrich Hampicke ist für eine sehr breite Zielgruppe geschrieben, die vom Praktiker in der Agrarpolitik, über Studierende der Agrargeographie oder Agrarökologie bis hin zu im Naturschutz aktiven Personen reicht. Es ist gut lesbar und entwickelt – aus der räumlichen Perspektive der großen Agrarlandschaften in MecklenburgVorpommern – schrittweise die Grundlage für eine Agrarpolitik, die den Naturschutz als Leitmotiv konsequent integriert. Das Buch enthält für weitere Recherchen ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis und erlaubt dadurch dem wissenschaftlich interessierten Leser einen über das Buch hinausgehenden Zugang zur Thematik. Prof. Dr. Markus Casper Ulrich Hampicke (2013): Kulturlandschaft und Naturschutz – Probleme – Konzepte – Ökonomie, Springer Spektrum, 356 Seiten, ISBN: 978-38348-1276-6, 34,95 € 59 Rezensionen Globale Erwärmung D ieses Buch erklärt die wissenschaftlich erwiesenen Fakten zur globalen Er„ wärmung.“ Bereits der Klappentext von „Globale Erwärmung“ lässt die Kürze und gleichzeitige Prägnanz erahnen, mit der Mojib Latif die naturwissenschaftlichen Grundlagen zum Phänomen Klimawandel auf nur 119 Seiten vermittelt. Der Autor ist promovierter Meteorologe, Leiter des Forschungsbereichs Ozeanzirkulation und Klimadynamik am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Mitautor der letzten beiden Berichte des „Weltklimarates“ IPCC. Das Buch ist bestechend logisch aufgebaut: In der Einführung wird der aktuelle Wissensstand präsentiert: Von der Hockey-stick-Kurve, über die gemessenen Temperaturzunahmen in den letzten einhundert Jahren bis hin zum Abschmelzen des arktischen Meereises. Das Rüstzeug für die Beurteilung dieser Beobachtungen wird dem Leser in den folgenden Kapiteln an die Hand gegeben: In „Klima ist nicht Wetter“ wird verdeutlicht, dass mit dem statistischen Konstrukt Klima Wahrscheinlichkeiten betrachtet werden, wodurch sich seine Vorhersagbarkeit über längere Zeiträume im Gegensatz zum Wetter erklärt. In „Empfindliches Treibhausklima“ erläutert Latif gründlich den natürlichen Treibhauseffekt und seine anthropogene Überprägung. Ebenso wird die Klimasensitivität (Temperaturerhöhung bei verdoppelter CO2Konzentration) diskutiert. Der „Blick in die Vergangenheit“ zeigt, dass die Entwicklung ganzer Zivilisationen vom Klima abhing, 60 was die gesellschaftliche Relevanz der Thematik verdeutlicht. Im Kapitel „Das Klima schwankt“ wird der „Fingerabdruck des Menschen“ identifiziert: Die zeitgleiche Abkühlung der Stratosphäre, die auf die verstärkte Absorption solarer Einstrahlung durch erhöhte Treibhausgaskonzentrationen in der Troposphäre zurückgeht. Dieser schließt eine erhöhte solare Einstrahlung als (oft hypothetisierten) möglichen natürlichen Grund für die beobachtete Erwärmung der Troposphäre aus. Die natürlichen Klimaschwankungen erklärt Latif mit der internen Klimadynamik, die durch Wechselwirkung zwischen den oder innerhalb der einzelnen Erdsystemkomponenten (Atmosphäre, Land, Ozean, etc.) entsteht. „Wichtige Klimamodi“ behandelt spezielle Ausprägungen dieser Dynamik, etwa das Phänomen El Niño Southern Oscillation (ENSO) als Beispiel für einen gut vorhersagbaren Klimamodus, die Nordatlantische Oszillation (NAO) als Gegenbeispiel. Auf anschauliche (14 Abbildungen), sprachlich klare und wissenschaftlich fundierte Weise nimmt Latif immer wieder gezielt Bezug auf die zentralen Kritikpunkte an der Theorie der globalen Erwärmung. Der Fokus bleibt somit stets erhalten. Zudem beginnt jedes Kapitel mit einer kurzen Zusammenfassung und endet mit einem sehr deutlichen Fazit. Somit erreicht der Autor das zu Beginn des Buchs definierte Ziel, dem Leser (auch ohne Vorwissen) eine wissenschaftlich fundierte Diskussionsgrundlage zu geben, was sich jedoch leider nicht in ausführlichen Quellenangaben widerspiegelt. Zudem erscheinen die Erläuterungen zum stochastischen Klimamodell etwas unvermittelt und trocken. Trotzdem hält das Buch insgesamt, was der Verlag verspricht: „klar – knapp – konkret“. Dipl.-Geoökol. Arno Hartmann Der Abschnitt „Es wird warm“ zeigt düstere Projektionen bis zum Jahr 2100: Globaler Temperaturanstieg, Meeresspiegelanstieg, Abschmelzen von Eismassen und Meeresversauerung. Auf die Frage „Was muss geschehen?“ antwortet Latif nachdrücklich „Das Ziel muss der Umbau der Weltwirtschaft in eine CO2-freie Ökonomie sein“ und fordert schließlich den Aus-bau regenerativer Energien. Latif mahnt zu einem vorsichtigen Umgang mit Geo-Engineering angesichts der potentiellen Umweltrisiken. Mojib Latif (2012): Globale Erwärmung, UTB Profile, Ulmer, 119 Seiten, ISBN 978-3-8252-3586-4, 9,99 € FORUM GEOÖKOL. 24 (2), 2013 Rezensionen Jenseits traditioneller Wissenschaft D ie HerausgeberInnen verstehen das Buch „Jenseits traditioneller Wissenschaft“ als Anstoß für eine gebotene breite Selbstreflektion der Wissenschaft und ihrer (sich ändernden) Rolle in der Gesellschaft. Einleitend beschreiben die Humangeographin Heike Egner und der Umwelthistoriker Martin Schmid die Geschichte des Buches: Ausgehend von einem Symposium auf dem Deutschen Geographentag 2009 in Wien stellten sie WissenschaftlerInnen verschiedenster Disziplinen die Frage: „Wie sollte sich Wissenschaft verändern, wie müsste sich das Selbstverständnis von Wissenschaft, wie sich Bedingungen wissenschaftlichen Arbeitens und die wissenschaftliche Praxis verändern, damit sie wünschenswerte Veränderungsprozesse in der Gesellschaft unterstützen kann?“ Acht der 16 beteiligten AutorInnen arbeiten wie die Herausgeber an der Universität Klagenfurt, die dortige Nachhaltigkeitsforschung nimmt daher breiten Raum ein. Daneben gibt es Beiträge aus Instituten in Graz, Wien, Frankfurt/Main, Jena und Friedrichshafen. Der Strauß von Aufsätzen ist also bunt, hier meine persönliche Leseweg-Empfehlung: Die Lektüre der philosophisch-historischsystemkritischen Gedankenflüge im ersten Teil „Universität und Wissenschaft in einer vorsorgenden Gesellschaft“ lohnt sich für in diesem System Tätige allemal. Egon Becker, Mitbegründer der Frankfurter Schule, schreibt über nachhaltige Wissensprozesse und die Krise der Universitäten, deren Definitionsprivileg für wahres Wissen durch Internet und multimedial zirkuliertes Wissen angegriffen wird. Er schildert die (Ideen-)Geschichte und den „Eigensinn“ der Universität und unterscheidet die unterschiedlichen Per- FORUM GEOÖKOL. 24 (2), 2013 spektiven von Vorsorge und Nachhaltigkeit: Bei ersterer geht es um Orientierungs- und Handlungswissen, bei letzterer um System- und Prozesswissen. Beide Perspektiven einzunehmen und zu verbinden sieht er als Aufgabe der Wissenschaft. Und sie selbst sollte transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung in Lehre und Studium verankern – gerade im Hinblick auf die neuen Möglichkeiten der Wissensproduktion im Internet, die überzeugende Gütestandards und Bewertungskriterien verlangen. Ein weiterer Aufsatz von fünf AutorInnen geht auf ein Grundsatzpapier von 2005 zur Inter- und Transdisziplinarität zurück und ist eine der Wurzeln des Buches. Er erörtert die Bedingungen einer vorsorgenden Gesellschaft: Im Bewusstsein, dass sowohl Wissen, als auch Regeln unvollständig und veränderlich sind, sucht sie als „Empathiegemeinschaft“ in einem umfassenden Bildungsprozess fortlaufend nach Antworten auf die Frage „Wer und wie wollen wir sein?“ Dieser transdisziplinäre Diskurs ist Basis politischer Entscheidungen. Die AutorInnen prägen anstelle des Begriffs „vorsorgend“, der das Defensiv-Bewahrende betont, den neuen Begriff der „provisionären“ Gesellschaft und rücken so das positiv-utopische Entwicklungsstreben der Menschen in den Blick. Dialektische Aufgabe der Wissenschaft ist es, vorhandenes Wissen über Disziplinen hinweg zu vernetzen, aber auch in Zweifel zu ziehen. Sie muss es durch geschickte Wahl der Kommunikationsinstrumente schaffen, interdisziplinäre Diskurse öffentlich sichtbar und diskutierbar zu machen: „Die Wissenschaften sind ein Teil des Bildungsprozesses von Gesellschaft [und] als öffentliche Prozesse zu konzipieren und zu bewerten“. Der erste Buchteil schließt mit spannenden Gedanken des Philosophen Peter Heintel über die (Un)Wirksamkeit von Wissenschaft und den „historischen Unterschied“ zwischen Natur- und Technik- sowie Geistes-GesellschaftsKulturwissenschaften. Die weiteren Kapitel geben Antworten auf so unterschiedliche Fragen wie: Warum halten sich SoziologInnen aus der Klimadebatte weitgehend heraus, obwohl sie wertvolle Beiträge liefern könnten? Welches Medienressort berichtet über nachhaltige Entwicklungen, und welche Werte sind dabei leitend? Welche Spielarten der Vorsorge beobachten wir – individuell und gesellschaftlich, präventiv und reparativ, realund finanzkapitalistisch? Ist die 1979 postulierte „Intelligenz als neue Klasse“ und ihr „kritischer Diskurs“ eine schlüssige Beschreibung heutiger Machtverhältnisse? Was ist Mäeutik und wie hängt sie mit wissenschaftlicher Politikberatung zusammen? Das Buch endet mit mehreren Best Practice-Beispielen. In ihnen wird die zu Beginn des Bandes vorgeschlagene neue Rolle von Wissenschaft bei der Gestaltung von Kommunikationsprozessen durch konkrete Projekte verdeutlicht, ohne die Probleme bei der Umsetzung transdisziplinärer Vorhaben zu verschweigen. Vor dem Eintauchen in die Teile zwei bis vier empfehle ich, das Resümee am Ende des Buches zu studieren. So lässt sich, besser als anhand der Beitragstitel, die persönliche Spreu vom Weizen trennen und bei selektiver Lektüre manch spannendes „Körnchen Wahrheit“ gewinnen. Irritiert haben mich relativ viele Rechtschreibfehler in Einleitung und Schluss, hier wurde wohl mit heißer Nadel gestrickt. Doch inhaltlich bleibt zu sagen, dass das Thema 61 Rezensionen/Termine Selbstreflektion der Wissenschaft relevant und spannend ist, wenngleich das Format Buch den Leser notwendigerweise unbefriedigt lässt. Beim Lesen wünscht man sich vielmehr, in einer Diskussionsrunde mit den AutorInnen zu sitzen – um die konkreten Hintergründe für manch übergreifenden Gedanken zu erfragen, philosophischen Beistand für Wendungen wie die „Wissenschaft als doppelte Immanenz“ zu erbeten oder zu hören, wie die geschilderten Projekte aus- oder weitergingen. Es bleibt allen Beteiligten zu wünschen, dass ihr Buch den Diskurs innerhalb der Wissenschaft vielerorts vertiefen oder anstoßen kann! Egner, Heike & Schmid, Martin (Hrsg., 2012): Jenseits traditioneller Wissenschaft. Zur Rolle von Wissenschaft in einer vorsorgenden Gesellschaft, oekom, 2012, 243 Seiten, 34,95 € Dr. Birgit Thies Termine Geoökologie-Stammtische Stammtisch Augsburg Stammtisch Freiberg Treffpunkt wird per Mail bekanntgegeben. Ansprechpartner: Robert Sieland, Wolfram Canzler, Ansprechpartner: Eduard Würdinger, eduard_wuerdinger(at)yahoo.de, Tel.: 0821 / 311557 freiberg(at)geooekologie.de Ansprechpartner: Johannes Ruppert, johannes.ruppert(at)gmx.de Stammtisch Kassel/ Witzenhausen/Göttingen Stammtisch Leipzig Stammtisch Frankfurt/ Wiesbaden/Mainz Einladung und weitere Informationen werden jeweils zwei bis drei Wochen vorher per E-Mail verschickt. Stammtisch wurde vorläufig eingestellt. OrganisatorIn gesucht! Ansprechpartnerin für Fragen: Alexandra Oberthür, oberthuer(at)web.de Ansprechpartner: Stefan Reuschel, stefan.reuschel(at)geooekologie.de Cafe Filmdose, Zülpicher Str. 45, Bahnhof Köln-Süd (www.filmdosekoeln.de) Nach Absprache Ansprechpartnerin: Heike Büttcher, heike.buettcher(at)geooekologie.de Stammtisch München Ansprechpartner: Stammtisch Köln/Bonn/Düsseldorf Michael Außendorf, m.aussendorf(at)gmx.de, Tel.: 089 / 28626-265 Termine siehe www.geooekologie.de 62 FORUM GEOÖKOL. 24 (2), 2013