Fäden des Lebens 50 Jahre DNA - Doppelhelix http:\\www.ice.mpg.de Münchner Wissenschaftstage 16. - 20. Juli 2003 Bakterien machen Antitumorwirkstoff in Käfern Wirkstoffe aus Tieren: vielversprechend, aber schwierig zu beschaffen Viele Tiere enthalten Naturstoffe, mit denen sie sich chemisch gegen Feinde verteidigen können. Solche Substanzen wirken beim Menschen oft gegen Krankheiten wie Krebs, Infektionen oder Entzündungen. Daher gelten viele Tierwirkstoffe bereits jetzt als vielversprechende Medikamente der Zukunft. Eine Gewinnung der Substanzen aus den Tieren wäre aber wegen der benötigten großen Substanzmengen ökologisch nicht zu verantworten. Wer ist der Täter – Tier oder Bakterium? Bestimmte Käfer und Schwämme enthalten die Antikrebswirkstoffe Pederin und Mycalamid. Weil diese Substanzen fast gleiche chemische Strukturen besitzen, die Tiere aber nicht miteinander verwandt sind, wird auch hier vermutet, dass Bakterien in den Tieren die wahren Produzenten sind. OH OMe OH OMe MeO OH Insekt Koralle Nacktschnecke O O H N O OH OMe Pederin aus Kurzflügelkäfern So könnte ein Bild/eine Grafik eingefügt werden. Schwamm Moostierchen Manteltierchen Wichtige Tiergruppen, in denen Wirkstoffe für mögliche Arzneimittel der Zukunft entdeckt wurden. Bakterien könnten das Versorgungsproblem lösen kultivierbares Bakterium OMe O O Mycalamid aus Meeresschwämmen Durch genetische Untersuchungen konnte erstmals die Existenz von wirkstoffproduzierenden Symbionten bewiesen werden. Die DNA aus den Käfern wurde nach Genen durchsucht, die für die Produktion des Wirkstoffs Pederin verantwortlich sind. Diese Gene wurden schließlich auch gefunden – aber sie lagen nicht auf dem Genom des Käfers, sondern auf dem eines in den Käfern lebenden Bakteriums. Dieser Mikroorganismus konnte zwar bisher nicht kultiviert werden, jedoch gelang seine Sichtbarmachung im Käfer mit einer genetischen Färbetechnik namens in-situ-Hybridisierung. Damit ist nun der Weg für eine alternative Produktionsmethode für Pederin frei. Pederin Die Gentechnik kann auch bei der Erzeugung völlig neuer Arzneimittelkandidaten helfen veränderte Wirkstoffgene wirkstoffproduzierendes Bakterium Ökologisch nachhaltige Gewinnung von Tierwirkstoffen Übertragung von Produktionsgenen in ein Bakterium. H N O Die Käfer (links) enthalten große Mengen eines symbiontischen Bakteriums (Mitte), das für sie den Wirkstoff Pederin produziert. Pederin schützt die Käfer vor Feinden. So könnte ein Bild/eine Grafik eingefügt werden. Wirkstoffgene aus nichtkultivierbarem Bakterium O Entdeckung der Wirkstoffgene in Käferbakterien Es wird schon lange vermutet, dass die wahren Produzenten vieler Tierwirkstoffe bakterielle Symbionten sind, die in den Tieren leben. Weil noch keines dieser Bakterien kultiviert werden konnte, gab es bis vor Kurzem keinen Beweis für diese Theorie. Wirkstoffe werden in Bakterien durch das Zusammenspiel vieler Gene gebildet, die als Gruppe auf einer bestimmten Stelle des Genoms liegen. Wenn man eine solche Gengruppe (Gencluster) in ein leicht kultivierbares Bakterium übertragen könnte, würde dieser Mikroorganismus unbegrenzte Mengen des Wirkstoffs produzieren. So könnte die Gentechnik dazu beitragen, Medikamente auf ökologisch nachhaltige Weise zu gewinnen. Tier mit Wirkstoff MeO OH O durch verbessertes Medikament Bakterien können nicht nur damit beauftragt werden, bekannte Wirkstoffe zu produzieren. Wenn man Gene für die Wirkstoffproduktion verändert, kann der Mikroorganismus auch neuartige Arzneimittel mit verbesserten Eigenschaften herstellen, die in der Natur nicht vorkommen. Fäden des Lebens 50 Jahre DNA - Doppelhelix Münchner Wissenschaftstage 16. - 20. Juli 2003 Insekten helfen Pflanzen: Indirekte Verteidigung Martin Heil & Christian Kost, Abteilung Bioorganische Chemie, Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie, Winzelaer Str. 10, D-07745 Jena. Tel: 03641-571820. E-mail: :[email protected] Wie Pflanzen Insekten zum Schutz gegen Fraßfeinde nutzen… „Hilferuf“ Blattfra Herbivor (=Fraßfeind) Direkte In d ss Abwehr ire k te Ab w eh r Blattfrass Herbivor Pflanze Zahlreiche mexikanische Akazienarten haben große, hohle Dornen, in denen Ameisenkolonien leben (Bild 1). Diese Ameisen ernähren sich ausschließlich von Futterkörperchen (Bild 2) und sog. extrafloralem Nektar (Bild 3). Dieser wird von sog. extrafloralen Nektarien ausgeschieden, die sich an den Blattstielen befinden und nicht der Bestäubung dienen. Von ihrem Wirtsbaum mit Wohnraum und Nahrung versorgt, patrouillieren diese Ameisen ständig die Pflanzenoberfläche und verteidigen sie gegen Fraßfeinde, wodurch für die Pflanze ein sehr effizienter Schutz resultiert. 1 Bild 2 PseudomyrmexArbeiterin mit Futterkörperchen 2 2 3 Bild 3 Arbeiterinnen beim Trinken an den Nektarien. Andere Akazien-Arten haben keine eigene Ameisenkolonie, können aber auch extrafloralen Nektar produzieren um Ameisen anzulocken. Diese jagen auf der Pflanze und bewirken damit ebenfalls eine indirekte Verteidigung. Bei diesen Arten wird der Nektarfluss durch Blatfraß oder mechanische Schädigung der Blätter angeregt. Diese Reaktion kann auch durch künstliche Applikation (=Aufsprühen) des Pflanzenhormons Jasmonsäure ausgelöst werden: Jasmonsäure (JA) wird nach Fraß vermehrt in der Pflanze produziert und wirkt dann als Signalstoff, welcher den Fluss des extrafloralen Nektars aktiviert (Bild 4). 750 Nektarproduktion Mexikanische Ameisen-Akazien 500 Acacia farnesiana 500 250 250 0 0 Kontrollen Bild 1 Acacia hindsii: Zu erkennen sind die an den Blattfiedern sitzenden, orange-gelben Futterkörperchen ( = Ameisennahrung), die extrafloralen Nektarien (auf dem Blattstiel) sowie die stark vergrößerten Dornen. Verteidigung durch Duft: die Limabohne Indirekte Verteidigung kann auch über andere Insekten als Ameisen erfolgen: Die aus Mexiko stammende, weit verbreitete Nutzpflanze Limabohne (Bild 5) produziert nach Fraßschädigung Duftstoffe, welche verschiedenste Insekten und andere Arthropoden anlocken können. Die Produktion dieser Duftstoffe wird über Jasmonsäure geregelt (Bild 6). 100 6 Duftstoffmenge [%] 5 Kontrollen JA 50 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Zeit [min] Bild 5 Limabohne (Blütenstand). Bild 6 Induktion der Duftstoffe bei Limabohne (Gas-Chromatogramme einer unbehandelten Kontrolle (rot) und einer mit Jasmonsäure behandelten Pflanze (blau). IS = Interner Standard. M JA Bild 4 Produktion von extrafloralem Nektar nach mechanischer Schädigung (M) und Jasmonsäure-Applikation (JA) bei zwei Akazien- Arten. Regelmäßig mit Jasmonsäure behandelte Limabohnen zeigen im Freiland viel weniger Fraßschäden als unbehandelte Kontrollen (Bild 7). Allerdings produziert auch die Limabohne extrafloralen Nektar, welcher zusätzlich als induzierte indirekte Abwehr in Frage kommt. Zukünftige Arbeiten müssen die unterschiedlichen Mechanismen trennen, um den Beitrag der Duftstoffe zum Schutz der Limabohne im Freiland eindeutig zu bestimmen. JA 100 0 M IS 50 Acacia cochliacantha K Bild 7 Regelmäßig mit Jasmonsäure behandelte (JA) und unbehandelte Kontrollblätter (K) der Limabohne. Fäden des Lebens 50 Jahre DNA - Doppelhelix http://www.ice.mpg.de Biologische Bedeutung von N-Acylaminosäuren aus dem Speichelsekret von Insekten Ein Signalmolekül des Schädlings löst die pflanzliche Abwehr aus Wirkung Pflanzen von N-Acylaminosäuren auf Wird eine Pflanze von einem Insekt z.B. einer Schmetterlingsraupe (Lepidoptera) angefressen, startet dies eine Vielzahl von Abwehrreaktionen, die durch Sekrete aus dem Insekt ausgelöst werden. Dabei werden von der Pflanze auch Duftstoffe freigesetzt (Abb. B), die die natürlichen Feinde (Carnivoren) dieser Insekten (Her-bivoren) anlocken, zum Beispiel eine parasitische Wespe. Aktiver Bestandteil solcher oralen Sekrete sind NAcylglutamine (amidverknüpfte Konjugate aus der Aminosäure Glutamin und Fettsäuren). N-Acylglutamine aus dem Darmsekret von Insekten (z.B. Schmetterlingslarven) sind amphiphile Verbindungen, d.h. sie besitzen eine polare Kopfgruppe und eine lange unpolare Seitenkette. Sie unterstützen als Bioemulgatoren die Verdauung des Insekts, indem sie Lipide der pflanzlichen Nahrung micellar in Lösung bringen. Regurgitat ~30 N/m . N-LinolenoylL-glutamin 100 mg/ml 30 N/m Micelle Wasser 74 N/m N-Acylaminosäuren können aber auch mit den Membranlipiden der Pflanzenzellen wechselwirken und ihre Permeabilität beeinflussen. Durch Kanalbildung bricht das Membranpotential zusammen und es findet Depolarisation statt. Ca2+-Ionen strö-men in die Zelle und starten die Abwehrkaskaden (z.B. Duftproduktion). Lea-Gln 2µg/ml Lea-Gln 10µg/ml Lea-Gln 50µg/ml Lea-Gln 200µg/ml 4 [Ca2+]cyt (µM) Das Speichelsekret von Schmetterlingslarven ist ein komplexes Gemisch aus sekretorischen Enzymen und Vorderdarminhalt. Durch HPLC lassen sich die Einzelkomponenten auftrennen (Abb. A). Bislang wurden mehr als 20 unterschiedliche NAcylglutamine entdeckt. Typische Hauptkomponente: N-Linolenoyl-glutamin. O N H unpolar COOH polar z.B. N-Linolenoyl-glutamin Darmbakterien aus Spodoptora exigua Im Darm der Schmetterlingslarven findet man zahlreiche Bakterien, die an der Biosynthese der N-Acylglutamine beteiligt sind. Es wurden mehr als 50 verschiedene Mikroorganismen isoliert, von denen etwa 60% in der Lage sind, N-Acylglutamine zu produzieren. Die Fettsäure des Konjugats stammt von der Pflanze, die Aminosäure vom Insekt. 2 1 10 pA 1s CONH2 3 0 2 µl Regurgitat S. littoralis, bilayer PC, Spannung -80 mV. Depolarisierung der Zellmembran 0 1 2 3 4 5 Time (min) Einstrom von Ca2+ nach Depolarisierung Identifizierung von Darmbakterien durch FISHTechnik Die Mehrzahl der Darmbakterien ist nicht kultivierbar. Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) wird zur Analyse von Gemeinschaften nicht kultivierbarer Mikroorganismen genutzt. Der Fluoreszenz-Farbstoff ist an einen Oligonukleotid-Marker gebunden (1), der mit einer komplementären ribosomalen DNA-Sequenz eines Bakteriums hybridisiert (2). Da sich die Sequenzen der einzelnen Bakterienarten unterscheiden, können sie mit spezifischen Sonden (3) unter dem Fluoreszenzmikroskop (4) detektiert werden. (4) Stamm Species Produktion von Konjugaten p5st5 Acinetobacter sp. DSM 590 + SE 67 Bacillus pumilus + SE 26 Corynebacterium propinquum + SE 17 Entereobacter cloacae -- SE 51 Enterococcus flavescens -- SE 52 Enterococcus rottae -- SE 12 Enterococcus mundti -- SE 4 Klebsiella oxytoca -- SE 5 Leucobacter komagatae -- SE 14 Microbacterium arborescens + SE 39 Micrococcus luteus -- SE 9 Ochrobactrum sp. PR17 + SE 60 Paenibacillus amylolyticus + SE 2 Pectobacterium cypripedii + III 7 Pseudomonas sp. ML2 + SE 8 Staphylococcus saprophyticus + (1) I IA IIA (3) (2) Aufnahmen von Darmbakterien mit dem Rasterelektronenmikros-kop. Gezeigt ist die Darminnen-wand von Spodoptora exigua. Alle isolierten Bakterien wurden mittels ihrer 16S rDNA identifiziert. Ihre Stoffwechselleistungen wurden mittels HPLC-MS untersucht. II Aufnahmen von FISH-markierten Bakterien (Abb. I und II). Der CY3-Farbstoff sorgt für Emission von rotem Licht. Der DNA-Farbstoff DAPI ist blau (Abb. IA und IIA) und färbt alle Bakterien. In der Mitte ein Darm. Darstellungen in den Ecken ent-sprechen den Schritten des FISH-Experimentes.