Thieme: Zoologie

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1
1 Das System der Tiere
– Sinneszellen: Zellen, die mittels besonderer Rezeptorstrukturen von außen
kommende Reize in nervöse Erregung umwandeln und diese auf nervöse Leitungselemente übertragen.
– Kontraktile Zellen („Muskelzellen“) in Form von Epithelmuskelzellen (Myoepithelzellen). Dabei handelt es sich um Zellen des Epithels, die an ihrer Basis myofibrillenhaltige Fortsätze, d. h. kontraktile Strukturen, haben.
– Einen im Grundmuster sackförmigen Darm.
1.3
Cnidaria (Nesseltiere)
= Tesserazoa + Anthozoa
Ausschließlich im Wasser lebende diploblastische Formen, d. h. nur aus den zwei
Keimblättern Ekto- und Entoderm bestehend, dazwischen mit der gallertigen
Mesogloea als Stützschicht. Darmsystem mit nur einer (Mund-After-)Öffnung,
die von Tentakeln umstanden ist. Auf den Tentakeln mit Nesselzellen. Das Nervensystem ist ein Nervennetz. Die Körperbewegungen werden von Epithelmuskelzellen generiert. Die Hydrozoa, Cubozoa, Scyphozoa zeichnen sich durch einen
Generationswechsel aus und daher durch die geschlechtlich oder per Knospung
entstandenen Polypen und die ungeschlechtlich entstandenen Medusen, welche
als Geschlechtstiere Gameten erzeugen. Die Anthozoa haben keine Medusengeneration; die Gameten werden von den Polypen erzeugt. Bei den Medusen
kommen Sinnesorgane vor.
Ca. 9000 Arten. Die Cnidaria sind radiärsymmetrische aquatische Organismen mit
Epidermis (Ektoderm) und Gastrodermis (Entoderm), die durch eine gallertartige
(primär zellfreie) Stützschicht (Mesogloea) voneinander getrennt sind. Die Körperwand ist also dreischichtig (Abb. 1.7). Sie umgibt einen zentralen Hohlraum
(Gastrovaskularraum, Coelenteron, Gastrocoel), der mit einer Öffnung, die Mund
und After zugleich ist, nach außen mündet. Die Mund-After-Öffnung wird von
Fangarmen (Tentakeln) umstanden. Im Gastrovaskularraum erfolgt extrazellulär
die Verdauung (in ihn hinein sezernieren Drüsenzellen Verdauungsenzyme). Zugleich verteilt er die Nährstoffe und Abbauprodukte (S. 672). Der Gastrovaskularraum der Polypen ist bei den Hydrozoen nicht unterteilt, bei den Scyphozoa
durch 4 bzw. bei den Anthozoa durch 6, 8 oder bis zu 100 Septen untergliedert.
Die Mesogloea der Hydrozoen- und Scyphozoenpolypen ist lediglich eine dünne
Stützlamelle. – Für die Polypen der Teiltaxa der Cnidaria sind auch die eleganteren
Bezeichnungen Hydro-, Scypho- und Cubopolypen gebräuchlich.
Die Muskulatur ist meist Bestandteil des Epithels (Epithelmuskelzellen). Reine
Muskelzellen mit glatten Fasern, denen ein epithelialer Teil fehlt (Myocyten), bilden die Muskulatur der Körperwand der Scyphopolypen und zumindest z. T. der
Cubopolypen.
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1.3 Cnidaria
Sinneszelle
interstitielle
Zellen
Epithelmuskelzelle
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Cnidocil
Nesselzelle
Glykokalyx
Epidermis
LŠngsmyofibrillen
Kollagenfibrilen
Mesogloea
Ringmyofibrillen
Gastrodermis
Nervenzelle
Nahrungsvakuole
Zellverbindung
Gastrovaskularraum
NŠhrmuskelzelle
Sekretvesikel
Flagellum
DrŸsenzelle
Abb. 1.7 Aufbau der dreischichtigen Körperwand von Hydra (Hydrozoa). Bei den Anthozoa und Cubozoa kann die Mesogloea aus dem Ektoderm eingewanderte Zellen enthalten.
(Nach Schäfer, in Westheide, Rieger, 2007.)
Das Nervensystem besteht aus Nervenzellen, die zu epithelialen Nervennetzen
zusammentreten, sowie aus Sinneszellen. Als Sinneszellen kommen bei Polypen
Mechano-, Foto- und Chemorezeptoren vor, bei Medusen können sie Augen, Statocysten oder (bei den Rhopaliophora, S. 25) Rhopalien bilden. Der Zusammenschluss bestimmter Zelltypen führt zu Ansätzen von Geweben.
Von einer eigenen Wand abgegrenzte Geschlechtsorgane fehlen: Die im Epithel
(Ekto- oder Entoderm) gebildeten Geschlechtszellen häufen sich, manchmal nach
amöboidem Wandern, an bestimmten Stellen an.
Ihren Namen verdanken die Cnidaria einer einzigartigen Zellform, den Nesselzellen (Cnido- oder Nematocyten, Abb. 1.8), die entweder einzeln oder in Verbänden (Nesselbatterien) im Epithel liegen.
Diese Zellen enthalten Nesselkapseln (Cniden; Derivate des Golgi-Apparates),
eine der komplexesten Formen von Organellen überhaupt. Die Nesselkapseln liegen nahe der äußeren Oberfläche der Nesselzellen und erreichen einen Durchmesser zwischen 0,003 und 0,1 mm. Sie haben eine doppelte Wandung. Die Nesselkapseln enthalten einen Tubulus, einen fadenähnlichen, vom Pol aus eingestülpten
Schlauch (eine Fortsetzung der inneren Kapselwand), der bei Berührung ausgeschleudert wird, aber mit der Kapsel in Verbindung bleibt. Insgesamt wurden
rund 60 Typen von Nesselkapseln unterschieden, die sich zwei Grundtypen zuordnen lassen: den Nematocysten (Nesselkapsel im engeren Sinn, bei allen Cnidaria,
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1 Das System der Tiere
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Operculum Cnidocil
(Deckel)
Stilett
Mikrovillus
Cnidocyste
Tubulus
(Nesselschlauch)
Nucleus
Abb. 1.8 Nesselzelle (Cnidocyte) mit sich entladender Nesselkapsel (Cnidocyste) nach
Berührung des Cnidocils durch ein Fremdobjekt. Dargestellt sind das Durchschlagen der
Cuticula eines anderen Organismus, das Aufklappen des Stilettapparates und das Eindringen
des Tubulus durch die frisch geschlagene Öffnung. (Nach Holstein, 1981, in Westheide, Rieger, 2007.)
mit einem langen Faden) und den Spirocysten (Klebkapseln, nur Hexacorallia, mit
einem Hauptfaden und in dessen Inneren mit einem seitlichen Quellfaden). Der
Quellfaden befindet sich nach der Entladung außen am Hauptfaden und umläuft
diesen spiralig. Distal löst sich der Quellfaden in einem Schleimnetz auf, worauf
die Haftfunktion zurückzuführen ist. In den Nematocysten ist der Schlauch so aufgewunden, dass er sich bei der Entladung unter Drehung streckt und so in die Beute
einbohrt. Die Entladungszeit beträgt 3–6 Millisekunden. Die Dornen, die auf unterschiedlicher Höhe stehen, dienen zunächst als Bohrzähne, dann spreizen sie sich ab
und verankern so den Faden im Gewebe. Ein und dasselbe Individuum kann mehrere Formen von Nesselzellen aufweisen, der gesamte Satz an Nesselzellen wird als
Cnidom bezeichnet.
Bei den Anthozoa sind die Nesselzellen mit einem Cilium (noch mit Basalkörper) versehen, bei den Hydrozoa, Scyphozoa und Cubozoa hingegen mit einem Cnidocil, einem zu einer starren, borstenförmigen Struktur abgewandelten Cilium, das
von einem Saum von Mikrovilli umstanden ist und dem der Basalkörper fehlt. Nach
Reizung des Cnidocils wird der Tubulus in einem Umstülpungsprozess ausgeschleudert. Anschließend stirbt die Nesselzelle ab. Bisweilen ist der Tubulus als giftsezernierender Nesselschlauch entwickelt. Andere Formen von Cniden enthalten
keine toxischen Stoffe.
Früher wurden (nach Untersuchungen an den Nesselkapseln bei Hydra) mehrere Funktionstypen unterschieden. Als Penetranten bezeichnet man jene Kapseln, die mit einem Sti-
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1.3 Cnidaria
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lettapparat aus drei Dornen ein Durchschlagen der Körperwand eines anderen Tieres bewirken. Dabei tritt der Faden in das Opfer ein, und aus seiner distalen Öffnung tritt giftiger
Kapselinhalt aus. Die Gifte wirken in erster Linie auf das Nervensystem und verursachen
Lähmungen. Volventen (Wickelkapseln) können mit ihrem Schlauch beispielsweise Borsten
von Beutetieren umwickeln. Glutinanten sind Haft- oder Klebkapseln. Diese beiden Typen
weisen keine Gifte auf.
Fortpflanzung. Bei den Hydrozoen, Cubozoen und Scyphozoen kommt es im Gegensatz zu den Anthozoa zu einem Generationswechsel (Metagenese) mit zwei
Generationsformen: Dem meist sessilen, schlauchförmigen Polypen und der freischwimmenden Meduse (Abb. 1.9, Abb. 1.10).
Die Polypen entstehen durch Knospung aus bereits bestehenden Polypen oder
über eine Larve, die allseits bewimperte Planula-Larve. Die Planula ist meist
oval-birnenförmig und geht aus der Blastula hervor (2-schichtig). Bei manchen
Arten hat sie einen aboralen Wimpernschopf. Die tentakeltragende ActinulaLarve entsteht aus einem befruchteten Ei. Die Larve setzt sich fest und wächst
zum Polyp aus, der mit der der Mundöffnung gegenüberliegenden (aboralen)
Seite, der Basalplatte (animaler Pol), festsitzt. An der Oralseite (vegetativer Pol) befinden sich in der Regel mehrere Tentakel.
Die Medusen entstehen auf ungeschlechtlichem Wege – entweder durch Querteilung des Polypen und Lösung des abgeschnürten Teiles vom restlichen Polypenkörper (Strobilation), durch Knospung (Hydrozoa) oder durch Metamorphose des
ganzen Polypen (Cubozoa). Die Meduse ist die Geschlechtsgeneration der Hydrozoa
und Scyphozoa und entwickelt „Gonaden“ (Ovarien und Hoden), die die Geschlechtszellen nach außen abgeben.
Die Medusen sind schirm- oder glockenförmig. Die konvexe Schirmoberseite
wird als Exumbrella bezeichnet. Die konkave Unterseite (Subumbrella) entspricht
dem Mundfeld der Polypen. Sie wird durch eine kontraktile Ektodermfalte, dem
Velum, umgeben. Der Rand des Schirms trägt Tentakel. Mit der Genese der Medusen ist also eine Achsenumkehr verbunden.
Mesogloea
Mesogloea
Gastrodermis
Epidermis
Gastralraum
Gastrodermis
Gastralraum
Septum
Septaltrichter
Hydrozoa
Septum
Scyphozoa
Cubozoa
Epidermis
Retraktormuskel
Anthozoa
Abb. 1.9 Querschnitte von Polypen der vier Hauptgruppen.
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1 Das System der Tiere
Der Gastralraum der Medusen ist wegen der stark entwickelten Mesogloea sehr
eingeengt. Er bildet eine zentrale Magenhöhle und, von ihr ausgehend, ein System
aus einem Ringkanal und mehreren Radiärkanälen (Gastrovaskularsystem). Nach
außen öffnet sich der Gastralraum über einen Magenstiel (Manubrium).
Die Medusen haben in Anpassung an die freischwimmende Lebensweise mit
Sinnesorganen die einzigen echten Organe unter den Cnidaria. Sie bestehen aus
Anhäufungen von Sinneszellen und bilden Lichtsinnesorgane (Ocellen) und
Schweresinnesorgane.
Autapomorphien der Cnidaria:
– Nesselzellen,
– vielleicht die tetraradiale Symmetrie,
– die Planula-Larve.
1.3.1
Tesserazoa
= Hydrozoa + Rhopaliophora
Autapomorphien:
– Starres Cnidocil.
– Medusen. Allerdings könnte die Meduse schon in den Grundplan der Cnidaria
gehören und bei den Anthozoa verlorengegangen sein.
1.3.1.1
Hydrozoa
= Hydroida + Trachylida + Siphonophora
Ca. 2700 Arten. Bei den Hydrozoa ist der Gastralraum nicht durch Septen unterteilt
(Abb. 1.9). Polypen („Hydropolypen“) meist klein und koloniebildend, Meduse mit
Statocysten als Sinnesorgane (Gleichgewichtsorgane).
Der Entwicklungszyklus ist sehr unterschiedlich. Viele bilden eine frei
schwimmende Meduse, bei anderen ist das Medusenstadium unterschiedlich
weit zurückgebildet; bisweilen fehlt das Polypenstadium.
Bei den Hydroida (ca. 2300 Arten) sind die Polypen meist stockbildend, d. h. die Tochterpolypen bleiben mit dem Mutterpolypen in Verbindung, sodass Stöcke aus manchmal Tausenden von Einzelpolypen (Zooiden) entstehen.
Beispiele: Hydra (Süßwasserpolyp). H. viridissima (wegen Einlagerung symbiontischer
Algen grün), H. vulgaris. Ohne Meduse (Medusengeneration unterdrückt). Fortpflanzung
durch Knospung des Oopolypen. In Extremsituationen bilden sie männliche und weibliche
Geschlechtszellen.
Hydractinia echinata, marin, findet sich oft auf Schneckengehäusen. Kolonien polymorph, mit Fresspolypen (Gastrozooiden), Geschlechtspolypen (Gonozooiden) und anderen. Spiralzooide (= Dactylozooide) sind Wehrpolypen, die nur entwickelt werden, wenn
das Gehäuse von einem Einsiedlerkrebs bewohnt wird.
Bei den Trachylida fehlt die Polypengeneration. Nach der Befruchtung und der Larvenentwicklung entsteht aus der Planula ein Actinula-ähnliches Stadium, das zu einer Meduse heranreift (z. B. Aglaura, wenige Millimeter groß).
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1.3 Cnidaria
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Siphonophora. Ohne Medusengeneration. Physalia physalis (Portugiesische Galeere), mit
stark ausgeprägtem Polypenpolymorphismus. Wird durch eine gasgefüllte Blase an der
Oberfläche gehalten. Die Blase trägt einen segelartigen Fortsatz, der der windabhängigen
Fortbewegung dient. Gründungspolyp riesig (bis 30 cm lang), liegt waagerecht im Wasser.
Auf der Unterseite mit weiteren „Personen“. Fangfäden bis 50 m lang, mit sehr giftigen Nesselzellen. Gefangene Beute wird durch Kontraktion der Fangfäden zum Mund der sogenannten Nährpolypen gebracht.
Ob die Hydrozoa die Schwestergruppe aller übrigen Cnidaria oder mit den Cubozoa + Scyphozoa nächstverwandt sind (mögliche Synapomorphien der drei Taxa: Nesselzellen mit
modifiziertem Flagellum, Cnidocil; Podocyten; lineare mt DNA), ist umstritten.
1.3.1.2
Rhopaliophora
= Scyphozoa + Cubozoa
Autapomorphie: Medusen mit Schweresinnesorganen (Rhopalien, Sing. Rhopalium).
Scyphozoa. Ca. 200 Arten. Gastralraum durch Septen in vier Gastraltaschen untergliedert (Abb. 1.9). Medusen meist groß (Abb. 1.10).
Beispiele: Aurelia aurita (Ohrenqualle), Chrysaora (Kompassqualle).
Cubozoa (Würfelquallen). Schirm annähernd würfelförmig, eine oder mehrere
Tentakel an jeder Ecke. In Vertiefungen der Exumbrella liegen 4 Randsinnesorgane
mit Becheraugen oder komplizierten Linsenaugen. Getrenntgeschlechtlich. Medusen meist unter 4 cm groß; die Polypen ähneln denen der Hydrozoa. Nach der Befruchtung durch die von den Medusen produzierten Gameten setzt sich die Planula-Larve fest und wird zum Polyp, die Polypen pflanzen sich ungeschlechtlich
durch Knospung fort. Adulte Polypen wandeln sich in ihrer Gesamtheit zu einer
Meduse um.
Beispiel: Chironex fleckeri, Seewespe. Extrem starkes Nesselgift; gehört zu den gefährlichsten Meerestieren, Indopazifik.
1.3.2
Anthozoa
= Hexacorallia + Octocorallia
Ca. 6000 Arten. Marin. Ohne Medusengeneration (es ist strittig, ob die Meduse primär oder sekundär fehlt). Die Gameten werden somit vom Polypen gebildet. Meist
stockbildend, d. h. die Polypen bilden durch Knospung neue Polypen, die mit dem
Mutterpolypen in Verbindung bleiben. Gastralraum durch mehr als vier Septen unterteilt (bis zu 100, Abb. 1.9).
Verwandtschaftsbeziehungen. Wenn die Anthozoa die Schwestergruppe der Scyphozoa
sind, fehlt den Anthozoa die Medusengeneration sekundär.
1.3.2.1
Hexacorallia
Actinarida (Seeanemonen).
Beispiel: Actinia equina.
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Randlappen
Ephyra
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Scyphozoa
Mund
Stammlappen
Gastralfilamente
Mesogloea
Magen
Epidermis
Velarlappen
Entoderm
Exumbrella
Gonade
RadiŠrkanal
SubRingkanal
genitalhšhle
Rhopalium
Velum
Strobilation
Tentakel
Mund
Spermium
Mundarme
seitliche
Knospung
geschlechtliche
Fortpflanzung
reife Meduse
befruchtetes Ei
Polyp
Planula
Abb. 1.10 Metagenetischer Lebenszyklus der Ohrenqualle Aurelia aurita (Scyphozoa).
Die Spermien werden ins freie Wasser abgegeben, die Oocyten können im Gastrovaskularsystem befruchtet werden. Die befruchteten Eier entwickeln sich in Taschen der Mundarme oder
in den Gonaden (rechts). Die freie Larvalphase (allseits bewimperte Planula-Larve) dauert
mehrere Tage, die Larve setzt sich dann fest und metamorphosiert zum Polypen. Die Polypen
vermehren sich asexuell durch laterale Knospung. Die terminale Abschnürung (Strobilation)
führt zur Bildung von Medusen, der Geschlechtsgeneration, und mit der Bildung von Gameten beginnt der Zyklus von neuem. (Nach Bayer und Owre, 1968, in Westheide, Rieger, 2007,
und Kükenthal, 2009.)
Madreporarida, Scleractinia (Steinkorallen). Die Hauptmasse der Korallenriffe besteht aus ihren kalkigen Außenskeletten (Cuticularskeletten): Vom Ektoderm wird
nach außen ein Skelett gebildet, das als Sockel die Weichteile der Polypenkolonie
stützt; die Weichkörper liegen als Schicht auf dem Sockel.
Beispiele: Lophelia, bildet Riffe am Schelfrand Nord- und Westeuropas. Tropische Riffkorallen leben meist mit lichtabhängigen einzelligen Algen (Zooxanthellen) in Symbiose und
kommen daher meist in flacheren Gewässern vor. Acropora, Porites.
1.3.2.2
Octocorallia (Octokorallen)
Stets koloniebildend. Die einzelnen Polypen haben 8 Septen und Gastraltaschen
und 8 Tentakel. Meist getrenntgeschlechtlich.
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1.4 Acrosomata
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Hornkorallen.
Beispiel: Corallium rubrum, Edelkoralle.
Seefedern (Pennatularia). Fortpflanzung: Der Stamm der Kolonie geht aus dem
Gründungsprimärpolypen hervor, der aus der Planula entstanden ist.
Bezüglich der verwandtschaftlichen Stellung der Cnidaria bzw. Ctenophora gibt es zwei
Annahmen: Engste Verwandtschaft zwischen den Cnidaria und Ctenophora oder ein
Schwestergruppenverhältnis zwischen den Bilateria und Ctenophora (Einzelheiten s. u.,
Alternative zur Acrosomata-Hypothese).
Riff: Erhebung unter dem Wasserspiegel, Untiefe. Felsriffe werden nicht von Organismen produziert, aus biogenem Gestein bestehen die Korallen-, Muschel-, Bryozoen-,
Schwamm- sowie die kambrischen Archaeocyathidenriffe und andere. Heute herrschen Korallenriffe vor.
Kolonie (Tierkolonie): Vergesellschaftung von artgleichen Individuen der Animalia.
Diese können miteinander körperlich verbunden sein (Stockbildung; Cnidaria, Bryozoen, Tunicaten u. a.) oder auch nicht (Kolonien von Vögeln, Säugetieren wie Robben
oder Fledermäusen; unter den Insekten z. B. Ameisen, Termiten, Bienen; aber auch
von Crustaceen, Anneliden, Crinoiden usw.).
Stock (Tierstock): Gemeinschaft aus genetisch übereinstimmenden Individuen, die
bei Leistung unterschiedlicher Aufgaben unterschiedlich strukturiert sein können.
Tierstöcke entstehen durch Knospung, ohne dass sich die Tochterindividuen voneinander trennen. Stockbildende Tiere sind insbesondere Poriferen, Hydrozoen und
Anthozoen, Bryozoen, Kamptozoen und Tunicaten.
1.4
Acrosomata
= Ctenophora + Bilateria
Apomorphien:
– Im Spermium werden die akrosomalen Vesikel durch ein einheitliches Akrosom
ersetzt. Unter ihm ist jetzt ein Perforatorium angelegt (subakrosomale Substanz). – Allerdings haben auch einige Porifera und z. B. auch die Staatsqualle
Muggiaea kochi ein Akrosom.
– Die Bilateria und Ctenophora haben ein Muskelgewebe, d. h. einen eigenen Gewebetyp aus Myocyten, genauer: Sie haben glatte Fasermuskelzellen. Die Myocyten liegen bei den Ctenophora zum Teil in der Mesogloea. Damit kann man bereits hier von den ersten Stadien einer Mesodermbildung sprechen (das Mesoderm ist primär das muskulaturbildende Keimblatt). Epithelmuskelzellen sind
oft weiterhin vorhanden, fehlen aber den Ctenophora.
Auch bei einigen Cnidaria gibt es in der Mesogloea Muskelzellen, z. B. bei den Medusen der Scyphozoa und Cubozoa.
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