Bericht | Text: Susanne Wasielewski | Interview: Sabrina Kipp | Fotos: Bernd Goldschmidt Lassen Sie sich umflattern! Tropisches Schmetterlingsparadies vor Albachten Aus Münster fahre ich die Weseler Straße stadtauswärts. Rechts fällt mir ein Hinweis „Orchideen“ auf. Hinter dem kleinen Wäldchen – der Kirchturm von Albachten ist schon zu sehen - biege ich rechts ab. Dann noch einmal rechts und schon stehe ich vor der ehemaligen Orchideengärtnerei Lohmann. Das Schild „Spezialgärtnerei und Schmetterlingsfarm“ macht mich neugierig. Aus der Februarkälte kommend schlägt mir aus dem Gewächshaus feuchtwarme Luft entgegen. Prompt beschlägt meine Brille. Irgendwo niest jemand. War das einer der beiden Rosakakadus in der Voliere? Das war Jacko, bestätigt der junge Gärtner Sven Mönnigmann. Das Rosakakadu-Männchen macht Menschenstimmen täuschend echt nach. Jacky, das jüngere Weibchen, wird noch angelernt. Mönnigmann hat die Gärtnerei vor 3 Jahren übernommen und betreibt sie unter dem Namen OrchiCultura - Orchideenzucht Münster. Im Gewächshaus stehen und hängen überall tropische Pflanzen. Neben Orchideen in unterschiedlichen Größen und Mustern sehe ich Passionsblumen, Farne, Ananaspflanzen und eine Menge mehr. Auf einer weißen Blüte sitzt ein hübscher blauweißschwarzer Schmettterling mit ausgebreiteten Flügeln. Er ist als allererster in diesem Jahr geschlüpft. Mönnigmann weiß nicht, um welche Art es sich hier handelt: „Er stammt aus einer Mischung.“ Alle anderen Falter befinden sich noch im Puppenstadium. Seit 2015 beherbergt die Gärtnerei knapp 60 tropische Schmetterlingsarten. Die ersten Schmetterlingspuppen ließ sich der Gärtner aus Costa Rica schicken. Inzwischen züchtet er sie selbst. Ab Mai geht es mit dem Schlüpfen so richtig los, freut er sich: „Von Mitte Mai an flattern hier 1000 bis 1500 Schmetterlinge umher.“ Er ist stolz, die einzige Schmetterlingsfarm im Münsterland zu haben. 6 Manche Besucher finden sogar, hier sei noch mehr zu sehen als im Schmetterlingshaus des Maximilianparks in Hamm. Zu sehen ist im Sommer beispielsweise der Atlasfalter, dessen Weibchen über 25 cm Spannweite haben. Sehr hübsch ist der Blaue Himmelsfalter, unter Fachleuten als Morphofalter bezeichnet. Den Indischen Blattfalter übersieht man Mönnigmann. Die Schmetterlinge können hier gut leben, weil auch die Pflanzen unter möglichst natürlichen Bedingungen aufwachsen. Statt chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel werden Nutzinsekten eingesetzt. Zwischen die Orchideen setzt der Gärtner Schalen mit Obststücken, aus denen die Schmetterlinge den Saft saugen. Als Futterpflanzen für die Schmetterlingsraupen dienen die Bananenpflanze (für den Bananenfalter), aber auch Erdnusspflanzen, Blauregen und Brennessel. Der junge Gärtner liebt ganz offensichtlich, was in seiner tropischen Oase wächst und gedeiht. Dazu gehören auch die beiden fast einen halben Meter großen, noch längst nicht ausgewachsenen afrikanischen Spornschildkröten Belladonna und Angelus, die er mit einem Handtuch abstaubt, bevor sie über zwei Salatköpfe herfallen dürfen. In einem weiteren Gehege futtern drei erwachsene Pantherschildkröten und ihre Jungen Salat. leicht, denn er ähnelt einem verdorrten Buchenblatt. Ebenfalls unauffällig sei der recht kleine Glasflügler (Greta oto), der durchscheinende Flügel hat. Besucher sind willkommen. Auf der Homepage www.OrchiCultura.com erfährt man, ob und welche Falter geschlüpft sind. Bei sonnigem Wetter sind die Schmetterlinge besonders aktiv. Besucher müssen den Boden im Auge behalten, damit sie nicht auf Falter treten, die sich dort ausruhen. Besonders attraktiv finden Falter parfümierte Besucher und solche, deren Kleidung mit Weichspüler gewaschen wurde. Darauf fliegen die Schmetterlinge geradezu. Ein Junge war von Kopf bis Fuß von Schmetterlingen bedeckt; vermutlich hatte seine Mutter ihn in Weichspüler gebadet, vermutet Rund 500 Orchideenarten hat die Gärtnerei vorrätig, darunter eigene Neuzüchtungen. Die winzigsten ausgewachsenen Orchideen sind viel kleiner als eine 1 ¤ Münze. Gute, blühfreudige Orchideen erkennt man am dichten Wurzelwerk und an den festen Blättern. „Unsere Orchideen haben Blätter wie Schuhsohlen“, schwärmt Mönnigmann. Von Mai bis Oktober öffnet die Gärtnerei jeden Samstag von 9 bis 18 Uhr und jeden Sonntag von 9 bis 16 Uhr. Dann muss an den Wochenenden Eintritt bezahlt werden (Erwachsene 2,50 ¤, Kinder ab 3 Jahre 1,50 ¤), der bei einem Einkauf verrechnet werden kann. Bei Besuchen unter der Woche wird um eine Spende für die Tiere gebeten. Zur Schmetterlingszeit gibt es nach Voranmeldung knapp einstündige Führungen für Gruppen (pro Person 2,50 ¤). # ~: Ich gehe davon aus, dass Sie ursprünglich Gärtner sind? OrchiCultura - Orchideenzucht Münster neu gegründet. S. Mönnigmann: Ja, ich bin gelernter Gärtner im Fachbereich Blumen- und Zierpflanzenbau. ~: Woher kommt Ihre Liebe zu den Schmetterlingen? ~: Sind sie Münsteraner? S. Mönnigmann: Nein, ich bin gebürtiger Sassenberger, und die Gärtnerei hat mich nach Münster verschlagen, als ich dort 2011 als Betriebsleiter angefangen habe. Im November 2013 habe ich die Gärtnerei gepachtet und die Spezialgärtnerei S. Mönnigmann: Naja, grundsätzlich muss man von Natur aus etwas verrückt sein und einen Bezug zur Natur haben. Schon als Kind war ich von Pflanzen, insbesondere Orchideen, fasziniert. Zudem sind Schmetterlinge sehr bemerkenswerte Lebewesen. Wenn man die Verwandlung von Raupe zum Falter beobachtet. Die bekannteste Orchidee, die Phalaenopsis, heißt zu Deutsch ja auch Schmetterlingsorchidee, welche Ergänzung wäre somit passender? ~: War das von Anfang an geplant, Orchideen und Schmetterlinge und andere Exoten? S. Mönnigmann: Nein, das war nicht geplant. Wir haben im Winter 2014 überlegt, wie wir unsere Gärtnerei zu einem noch größeren Erlebnis für die ganze Familie verwandeln können, und so wurde die Idee mit den Schmetterlingen geboren. 7 ~: Waren große Umbauten an der bestehenden Gärtnerei nötig, um das zu verwirklichen? S. Mönnigmann: Nun ja, die ganze Gärtnerei musste komplett mit einem speziell für uns angefertigten Spezialnetz versehen werden, damit die Falter nicht über die Lüftung in die hiesige Fauna entkommen können. Der Flugbereich der Schmetterlinge musste mittels einer Durchgangsschleuse gesichert werden. ~: Die ersten Schmetterlingspuppen kamen aus Costa Rica? Mit wie vielen hat es wann angefangen? S. Mönnigmann: Ja, die ersten Schmetterlingspuppen haben wir bei einer Organisation in Costa Rica bestellt, die sich dafür einsetzt, den dort ansässigen Bauern eine Möglichkeit zu bieten, durch Schmetterlingszucht die Lebenssituation zu verbessern. Angefangen haben wir mit ca. 300 Puppen aus Costa Rica. ~: Ist eine Schmetterlingsaufzucht kompliziert? 8 S. Mönnigmann: Schon, denn man muss optimale Lebensbedingungen sowohl für die Tiere als auch die Pflanzen schaffen. Man muss genau wissen, welcher Falter welche Futterpflanze benötigt, damit die Tiere ihre Eier auf den jeweilen Pflanzen ablegen, aus denen sich dann die Raupen entwickeln und sich von den Pflanzen ernähren können. Einige Falter werden direkt nach dem Schlupf paarweise separiert, um eine gezielte Paarung vorzunehmen. Von einigen Futterpflanzen müssen wir regelmäßig Eier absammeln, um so zu verhindern, dass zu viele Raupen eine Pflanze besiedeln, denn sonst kann dies dazu führen, dass die Pflanze zu stark verkotet wird, und das wiederum führt zu Krankheiten der Raupen. Die abgesammelten Eier werden aber dann ebenfalls zum Schlupf gebracht und die Raupen auf andere Pflanzen verteilt. Regelmäßig muss kontrolliert werden, ob die Raupen sich gesund verhalten, schwache und kranke werden aussortiert, um den gesunden Bestand nicht zu gefährden. Nicht nur die Raupen brauchen bestimmte Futterpflanzen, auch die Schmetterlinge benötigen einige bestimmte Blütenpflanzen zur Nahrungsaufnahme. Wir bieten unseren Schmetterlingen aber auch Früchte und einen speziellen Nektarersatz, der alle wichtigen Nährstoffe beinhaltet, damit die Falter vital bleiben und länger leben. Diesen Nektarersatz mischen wir mittlerweile auch selbst in unserem Labor an. Ebenfalls bestellen wir einmal im Jahr eine kleine Neu-Population in Costa Rica, um eine Inzucht der Falter zu vermeiden und so frisches Blut in die Schmetterlingszucht zu bringen. ~: Müssen sie immer wieder an den Pflanzen Schmetterlingseier absammeln? S. Mönnigmann: Nein, wir müssen nicht alle Eier absammeln. Beim Bananenfalter zum Beispiel haben wir ziemlich große Futterpflanzen, wo sich die Population der Raupen gut verteilen kann. ~: Wie und wo werden die Raupen groß gezogen? S. Mönnigmann: Wie gesagt, teilweise in speziellen Zuchtboxen, aber auch auf den jeweiligen Pflanzen direkt im Gewächshaus. ~: Sterben alle Schmetterlinge im Winter? S. Mönnigmann: Die meisten Schmetterlinge schon, aber einige wenige sind so robust, dass sie einige Wochen in den Winter hineinflattern. Dieses ist aber abhängig von den jeweiligen Wetterverhältnissen, insbesondere vom Licht. ~: Können sich verschiedene Schmetterlingsarten untereinander paaren? S. Mönnigmann: Ja, vor allem die Heliconius-Falter, oder verständlicher ausgedrückt: die Passionsblumen-Falter. Auch verschiedene Arten der BananenFalter und Morpho-Falter können sich innerhalb ihrer Familie verpaaren, daher wird hier gezielt separiert, um dies zu vermeiden. # 9