Dokumentation Workshop der AG Partizipative Gesundheitsforschung (KNP) in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Partizipative Gesundheitsforschung (Partnet) Thema: „Forschungsethik in der partizipativen Forschung mit sozial benachteiligten Menschen“ Datum: 8. März 2012, 13-17 Uhr Ort: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Reichpietschufer 50, 10785 Berlin (www.wzb.eu) Referentinnen: • Petra Narimani, Sozialpädagogin, Doktorandin FU, Stipendiatin der Alice Salomon Hochschule Berlin • Dr. Hella von Unger, Wissenschaftszentrum Berlin, Forschungsgruppe Public Health Unter den Workshop-Teilnehmer/innen waren Wissenschaftler/innen, Praktiker/innen, CommunityVertreter/innen sowie Zuwendungsgeber/innen. Übersicht über den Ablauf des Workshops: 1. Begrüßung und Vorstellungsrunde 2. Überblick über ethische Prinzipien in der Sozial- und Gesundheitsforschung, Public Health und Sozialer Arbeit, die in partizipativer Forschung relevant sind; 3. Vorstellung von ethischen Fragen, Herausforderungen und Abwägungsprozessen am Beispiel von praktischen Erfahrungen aus Projekten der Partizipativen Forschung; 4. Reflexion und Anwendung der ethischen Grundsätze auf Erfahrungen der Teilnehmenden; 5. Diskussion über mögliche besondere ethische Herausforderungen und Lösungsansätze in der Partizipativen Forschung mit sozial benachteiligten Menschen und Klärung von offenen Fragen Der Workshop begann mit einer persönlichen Vorstellungsrunde, in der die TN zum Ausdruck brachten, mit welchen Interessen und Erwartungen sie an dem Workshop teilnehmen. Dabei wurde unter anderem gesagt, man sei gekommen, um „unterschiedliche Perspektiven auf ethische Fragen behutsam zu beleuchten“. Es folgte ein Input der Referent/innen. Darin wurden ethische Grundsätze vorgestellt, die in der Sozial- und Gesundheitsforschung zur Anwendung kommen, wie 1 Schadensminimierung, Informiertes Einverständnis, Selbstbestimmung, Freiwilligkeit und Vertraulichkeit. Diese Grundsätze und die besonderen ethischen Herausforderungen, die sich in der Partizipativen Forschung mit sozial benachteiligten Menschen stellen, wurden anhand von konkreten Beispielen aus Praxis- und Wissenschaftsperspektive diskutiert. Was tun, wenn beispielsweise Community-Partner in Veröffentlichungen namentlich zitiert werden wollen? Einerseits ist dieser Wunsch, als Person sichtbar zu werden und die eigenen Worte und Erfahrungen mit dem eigenen Namen zu verbinden, Ausdruck von „Community-Ownership“ und „Empowerment“ – zwei Prinzipien, die in der partizipativen Forschung einen hohen Stellenwert haben. Andererseits gibt es forschungsethische Prinzipien, die im Widerspruch dazu stehen, wie z.B. die Vorgabe der Wahrung der Anonymität von Forschungsteilnehmenden. Dieses Beispiel und weitere ethische Fragen, die sich im Alltag des partizipativen Forschens stellen, wurden diskutiert. Erfahrungen mit ethischen Herausforderungen, Abwägungs- und Entscheidungsprozessen wurden aus zwei partizipativen Forschungsprojekten dargelegt: 1) einem Praxisforschungsprojekt der Sozialen Arbeit mit drogengebrauchenden Männern ohne deutsche Staatsbürgerschaft (Petra Narimani) und 2) partizipativer Forschung mit verschiedenen Migrantengruppen und Einrichtungen der HIVPrävention (PaKoMi; Hella von Unger). Anschließend hatten die Workshop-Teilnehmer/innen die Möglichkeit, eigene Erfahrungen mit ethischen Fragen zu reflektieren, die sich in der partizipativen Forschung stellen. Dabei wurden u.a. folgende Themen, Beispiele und offene Fragen diskutiert: • Unsicherheit und Selbstzensur von Wissenschaftler/innen aus Angst vor Vormachtstellung und Schaden („Schere im Kopf“); • eine Firma will nicht, dass negative Ergebnisse veröffentlicht werden („Wem gehören die Daten? Wie kritisch darf Wissenschaft sein?“); • Forscher berichteten negative Ergebnisse und treffen bei Praktiker/innen und Politiker/innen auf Unverständnis (Methodik und Ergebnisse waren nicht nachvollziehbar bzw. widersprachen eigener Dokumentation); • besondere Problematik von Community-Vertreter/innen, die forschen – Reduktion auf Community-Zugehörigkeit, bei stigmatisierten Gruppen: negative Zuschreibungen und Diskreditierung („Wie stelle ich mich vor?“) • Ethik der teilnehmenden Beobachtung: Wie kann das informierte Einverständnis realisiert werden? Wer ist in die Auswertung einbezogen? 2 • Verantwortlichkeit und Rollen in der Partizipativen Forschung: Flexibilität wenn die Bedürfnisse der TN es erfordern (z.B. Schilderung von Gewalterfahrungen) („Wen unterstützte ich?“ Für wen mache ich das?) Feedback der Teilnehmenden Der Workshop wurde sehr gelobt: alle TN fanden den Input und die Diskussion interessant und stimulierend und viele äußerten Interesse daran, die Diskussion fortzuführen: „der Austausch hat gut getan“; „hat mir einen Kick gegeben“; „Reflexionswerkstätten sind wichtig“, „hilfreich und anregend“; „hilfreich wäre es, einen Ethik-Codex zu haben, der dabei hilft, bestimmte Probleme am Anfang der Zusammenarbeit anzusprechen und auszuhandeln – im Sinne von Standards: worüber müsste gesprochen werden?“, „es geht nicht um abschließende Antworten, sondern darum, zu ermöglichen, das jeweils zu verhandeln“; „es war ein Luxus heute zu diesem Thema ein paar Stunden arbeiten zu können“; „gehe inspiriert und sensibilisiert hier raus“. Die Referent/innen haben allen für ihr Kommen gedankt und darauf hingewiesen, dass sie das Thema auch auf dem Kongress Armut und Gesundheit „Prävention wirkt“ vorstellen werden und dass sie planen, ein Discussion Paper zu verfassen. 3