Endspurt Vorklinik Physiologie 3 3., vollständig überarbeitete Auflage Die Inhalte dieses Werkes basieren überwiegend auf dem Kurzlehrbuch Physiologie von Jens Huppelsberg und Kerstin Walter, erschienen im Georg Thieme Verlag 47 Abbildungen Georg Thieme Verlag Stuttgart • New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Ihre Meinung ist uns wichtig! Bitte schreiben Sie uns unter: www.thieme.de/service/feedback.html © 2015 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstr. 14 70469 Stuttgart Deutschland www.thieme.de Printed in Germany Zeichnungen: Malgorzata & Piotr Gusta, Paris; Heike Hübner, Berlin Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Satz: L42 Media Solutions, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten ISBN 978-3-13-153463-7 Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-166733-5 eISBN (epub) 978-3-13-203773-1 123456 Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 3 Auf zum Endspurt! Das Physikum naht, und „richtige“ Bücher scheinen alle zu dick? Dann laufen Sie mit unseren Endspurtskripten in die Zielgerade ein! Kurz und knapp finden Sie hier schwerpunktmäßig die Inhalte, auf die das IMPP mit seinen Physikumsfragen zwischen Frühjahr 2008 und Herbst 2014 abzielte. Doch beschränkt haben wir uns darauf nicht, denn schließlich überlegt sich das IMPP immer neue Fragen, und auch das Mündliche will bestanden werden. Ganz herzlichen Dank an alle Leser, die uns wieder geduldig auf inhaltliche Mängel hingewiesen haben. Durch ihre Hilfe sind unsere Skripten jetzt noch weiter verbessert worden. Festgehalten haben wir wieder an dem bewährten Aufbau unserer Hefte: Lernpakete. Sie stellen in unseren Skripten eine Lerneinheit dar. Wenn Sie ein Lernpaket pro Tag durcharbeiten, bringt Sie unser Zeitplan in 70 Tagen zum Physikum – und zwar einschließlich zwei Wochen Zeit zum Wiederholen mit 1 Skript pro Tag. Da das Lerntempo sehr unterschiedlich und auch abhängig vom bereits vorhandenen Wissen ist, können unsere Lernpakete nur ein Vorschlag sein. Vielleicht kommen Sie auch schneller oder eben etwas langsamer voran. Zum individuellen Planen finden Sie unseren Lernkalender unter www.thieme.de/endspurt. Prüfungsrelevante Inhalte. Inhalte, zu denen das IMPP seit Frühjahr 2008 Fragen gestellt hat, sind im Text gelb hervorgehoben. Wenn Sie nur diese Inhalte lernen, sind Sie für die Beantwortung der Altfragen gut gewappnet. FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN – Die Fazitkästen sind zum Wiederholen der Altfragen-Inhalte gedacht – oder für die ganz Eiligen unter Ihnen. Sie listen die gelb markierten Antworten des vorangehenden Abschnitts noch einmal ohne die Zwischentexte auf. – Die Anzahl der ! zeigt an, wie häufig der Inhalt zwischen Frühjahr 2008 und Herbst 2014 vom IMPP gefragt wurde: – ! Hierzu gab es seit 2008 eine Frage. – !! Dieser Sachverhalt wurde zwei- oder dreimal gefragt. – !!! Zu diesem Thema stellte das IMPP vier oder mehr Fragen. Lerntipps und Co. Weitere Unterstützung beim Lernen bieten Ihnen unsere Lerntipps, Rechenbeispiele und Apropos-Texte. LERNTIPP In diesen Kästen finden Sie Hinweise darauf, welche Inhalte auch mündlich besonders gern gefragt werden, welche Tücken in bestimmten IMPP-Fragen auf Sie warten oder wie Sie sich manche Fakten besser merken können. RECHENBEISPIEL In einigen Fächern können Sie mit richtig gelösten Rechenaufgaben viele Punkte ergattern. Damit dies gelingt, finden Sie Übungen zu Rechenaufgaben, wie auch das IMPP sie stellt. Natürlich ist der auch Lösungsweg detailliert angegeben! Die Apropos-Texte sind unser Motivationsschub für Sie. Hier finden Sie spannendes Zusatzwissen, das hoffentlich hilft, dass Sie sich die „Warum muss ich das eigentlich Lernen?“-Frage nur selten stellen. Kreuzen mit examen online. Auf examenonline.thieme.de sind Prüfungssitzungen zusammengestellt, die exakt auf die jeweiligen Lernpakete zugeschnitten sind. So können Sie nach jedem Lernpaket direkt prüfen, ob Sie den Inhalt verstanden und behalten haben. Viele Unis stellen ihren Studierenden einen kostenlosen Zugang bereit – erkundigen Sie sich! Das Verzeichnis der teilnehmenden Universitäten finden Sie ebenfalls auf examenonline. thieme.de. Sollte Ihre Uni nicht dabei sein, können Sie natürlich auch privat einen Zugang erwerben. In den Lernpaketen werden übrigens ab Frühjahr 2015 die neuen Examensfragen ergänzt, damit Ihnen keine Frage entgeht! Fehlerteufel. Viele Augen sehen mehr! Sollten Ihre Augen in unseren Skripten etwas entdecken, das nicht richtig ist, freuen wir uns über jeden Hinweis! Schicken Sie Ihre Fehlermeldung bitte an [email protected] oder benutzen Sie den Link auf www. thieme.de/endspurt. Wir werden sie in einem Erratum sammeln und unter „Aktualisierungen“ auf www.thieme.de/endspurt online stellen. Und sollten Ihnen unsere Hefte gefallen: Lob ist natürlich ebenso willkommen ☺. Alles Gute für Ihr Physikum wünscht Ihnen Ihr Endspurt-Team Endspurt – Physiologie 3 Dieses Heft enthält als Schwerpunkt die Neurophysiologie. Sie finden daher Kapitel zur Muskelphysiologie, zum vegetativen Nervensystem, zur Motorik, zur somatoviszeralen Sensibilität, zu den Sinnesorganen und den integrativen Funktionen des Gehirns. Nehmen Sie ggf. unterstützend Ihr Anatomie-Skript 3 zur Hand, um sich die Anatomie der betreffenden Strukturen noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. 4 Inhaltsverzeichnis © Sebastian Kaulitzki/fotolia.com Physiologie 3 5 Somatoviszerale Sensibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tastsinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Temperatursinn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tiefensensibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nozizeption und Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Visuelles System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 6.2 6.3 6.4 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dioptrischer Apparat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Signalverarbeitung in der Retina. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationsverarbeitung in der Sehbahn . . . . . . . . . . . 30 30 30 32 32 33 34 34 34 38 41 LERNPAKET 10 LERNPAKET 8 1 Allgemeine Neurophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung und Weiterleitung zellulärer Erregung . . . . . Die interzelluläre Weitergabe einer Erregung . . . . . . . . . Grundlagen der Signalverarbeitung im Nervensystem . . Prinzipien sensorischer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Muskulatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 2.2 2.3 Allgemeine Muskelphysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quer gestreifte Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glatte Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Vegetatives Nervensystem (VNS). . . . . . . . . . . . . 3.1 3.2 3.3 3.4 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionelle Anatomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechanismen der Signaltransduktion im VNS . . . . . . . . Der Einfluss des vegetativen Nervensystems auf verschiedene Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamentöse Beeinflussung der vegetativen Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 5 5 5 9 11 12 13 13 14 18 20 20 20 21 22 23 LERNPAKET 9 4 Motorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motorischer Kortex und wichtige Bahnsysteme . . . . . . . Einfluss des Rückenmarks auf das motorische System . . Motorische Funktion des Hirnstamms. . . . . . . . . . . . . . . Basalganglien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleinhirn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 24 24 25 28 28 29 7 Auditorisches System und Gleichgewichtssinn 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Akustik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peripheres Hörorgan (äußeres Ohr und Mittelohr) . . . . Innenohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hörprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwerhörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Hörbahn und kortikale Repräsentation . . . . . . Der Gleichgewichts- und Lagesinn . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Stimme und Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 8.2 8.3 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peripherer Sprechapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimmbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Geruchs- und Geschmackssinn. . . . . . . . . . . . . . . 9.1 9.2 9.3 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geruchssinn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschmackssinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Integrative Leistungen des zentralen Nervensystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 44 44 45 46 48 49 49 49 52 52 52 52 53 53 53 54 10.1 Funktionen der Großhirnrinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Integrative Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 55 58 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 L E R NPAK E T 8 5 © Sebastian Kaulitzki/fotolia.com Physiologie 3 L E R NPAK E T 8 1 Allgemeine Neurophysiologie 1.1 Überblick Die Neurophysiologie behandelt die Weitergabe und Bearbeitung von Informationen innerhalb und zwischen verschiedenen Nervenzellen (Neuronen), sowohl im zentralen Nervensystem (ZNS) als auch in der Peripherie. Für die Weitergabe von Signalen unterscheidet man 2 Richtungen: Afferente (= herbeiführende) Fasern führen Informationen aus der Peripherie zum ZNS. Efferente (= wegführende) Fasern senden Impulse dagegen vom ZNS in die Peripherie. Innerhalb eines Neurons wird ein Signal elektrisch, meist in Form eines sogenannten Aktionspotenzials (AP), weitergegeben. Die Übergabe einer Information von einem an ein anderes Neuron erfolgt an der Synapse. Selten kann diese Übergabe auch elektrisch erfolgen; meistens aber wird das elektrische Signal in einen chemischen Reiz übersetzt. 1.2 Entstehung und Weiterleitung zellulärer Erregung Zellen sind in der Lage, über ihre Membran ein elektrisches Potenzial aufzubauen (Membranruhepotenzial, s. Physiologie-Skript 1). Erregbare Zellen (z. B. Neurone) besitzen zudem die Fähigkeit, bei Abnahme dieses Membranpotenzials (Depolarisation) ein Aktionspotenzial (AP) auszubilden. Unter einem AP versteht man eine kurze elektrische Umladung, die erst mit Hilfe von bestimmten Natriumkanälen zustande kommen kann. Die Depolarisation, die das AP auslöst, kann zum Beispiel durch ein chemisches Signal an einer Synapse, aber auch durch adäquate Reizung einer Sinneszelle bedingt sein. Das AP selbst löst nun eine Kettenreaktion aus, indem es naheliegende Membranabschnitte so weit depolarisiert, dass auch dort ein AP ausgelöst wird. Dadurch wandert das AP über die Zellmembran. Die „Laufgeschwindigkeit“ des AP hängt von der Isolierung der Nervenzelle ab. 1.2.1 Aufbau der Nervenzelle (Neuron) Neurone sind meist riesige Zellen mit einem kleinen Zellleib (Soma), vielen Dendriten und einem Axon. Über die Dendriten werden die Informationen aus der Umgebung zum Soma geleitet; das Axon leitet Signale vom Soma weg. Das Axon beginnt am Axonhügel, an dem das Aktionspotenzial entsteht, und kann sich in seinem Verlauf aufspalten, um so mit mehreren Zellen Synapsen zu bilden (Abb. 1.1).