Geht es auch ohne sie? Energie- versorger im Dilem

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Geht es auch
ohne sie?
Energieversorger
im Dilemma der
Energiewende
Die Energiewelt befindet sich im Umbruch. Die Anforderungen der Kunden wandeln sich, neue Unternehmen treten in
den Markt. Zwar wird es das Commodity-Geschäft auch in Zukunft
geben, aber dessen Bedeutung wird kontinuierlich abnehmen. Energieversorgungsunternehmen sollten daher Trends aufspüren, neue Geschäftsfelder besetzen und sich für zukünftige Anforderungen positionieren.
VON MICHAEL PRINZ UND DR. ROMAN DUDENHAUSEN
Ressourcenknappheit sowie Steuern,
Subventionen und Abgaben immer
weiter erhöhen werden. Um weiterhin
Mit dem Energiekonzept 2010 hat die
Bundesregierung (ihrer Ansicht nach)
Sich verändernde Rahmenbedingungen
eine bezahlbare Energieversorgung zu
gewährleisten, ist deshalb ein Umdenken erforderlich – eine weitsichtige Be-
einen Meilenstein für einen Übergang
trachtung ist daher angezeigt.
in eine umweltschonende, zuverlässige
Vor dem Hintergrund des Atomausstiegs und des be-
und bezahlbare Versorgung gelegt. In
wussten Einsatzes erneuerbarer Energien als Ersatz
den dort benannten Handlungsfeldern
spielt die Frage nach der Entwicklung der Energie-
Dementsprechend wird ein Schlüssel
sind bereits eine Vielzahl von Punkten
preise heute und in Zukunft eine immer bedeutendere
der neuen Energiewelt die Energieeffi-
genannt worden, die im Zusammen-
Rolle. Es ist davon auszugehen, dass sich die Energie-
zienz sein und in Zukunft eine immer
spiel miteinander dieses angestrebte
preise auch in Zukunft aufgrund des erhöhten Roh-
stärkere Bedeutung erlangen. Neben
Ziel erreichen sollen.
stoffbedarfs aufstrebender Länder oder schlicht durch
ersten Diskussionen und mit bereits
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existierenden Förderungen von Sanie-
Abb. 1
Der sechste Zyklus „Lebensqualität“ (eigene Darstellung nach Leo A. Nefiodow)
rungsmaßnahmen im Altbau sind die
ersten zaghaften Schritte getan.
Viel stärker und schneller als von der
„Energiewende“
Bedarf
Kleidung
Transport
Massenkonsum
Information
Kommunikation
Individuelle
Mobilität
Gesundheit
Lebensqualität
Politik wird der Prozess hin zu mehr
Energieeffizienz vor allem von den eigenen Kunden und auch den Wettbewerbern vorangetrieben. Aus der Historie
lässt sich ein Zusammenhang beobachten zwischen wirtschaftlichen Entwick-
Innovation
Textilindustrie
Dampfmaschine
Stahl
Eisenbahn
Elektrizität
Chemie
Automobil
Petrochemie
Informationstechnik
Biotechnologie
Green Energy
lungen und bedeutenden Innovationen.
Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung
des MP3-Formats für die Musikbran-
Urbanes
Zeitalter
che. Eine ganze Industrie wurde unvorhergesehen grundlegend verändert und
Teile sind sogar ganz verschwunden.
Zeitalter
1750
1800
Frühe Industrialisierung
Der Grund für die MP3-Entwicklung
1850
1900
Späte Industrialisierung
1950
Dienstleistung
2000
Globalisierung
2050
Life Science
war ursprünglich ein ganz banaler: Die
Sportübertragungen aus den Stadien in
tungen auch für den zukünftigen Markt ausreichend
Von vielen Unternehmen und heutigen
die Hörfunkstudios waren über Telefon-
sind. Und können die Unternehmen diese Frage heute
Marktplayern werden diese Autarkie-
leitungen nur in einer sehr schlechten
wirklich überzeugend mit „Ja“ beantworten…?
bestrebungen als großer Unsinn abgetan
oder aus Angst vor der Kannibalisierung
Qualität möglich und Standleitungen
mit höheren Übertragungsraten zu teu-
Die Zukunft der „Energie“
des traditionellen Commodity-Geschäfts
abgelehnt. Dennoch sollte man die Be-
er. Aus diesem Grund hat man nach
einer Möglichkeit gesucht, „Sprache“
Paradigmenwechsel Nachhaltigkeit
dürfnisse der Kommunen und Bürger
zu komprimieren und über bestehende
Schaut man sich die verschiedenen Entwicklungen aus
ernst nehmen und entsprechende Ener-
Leitungen zu übertragen. Alle nachfol-
den Bereichen Gesellschaft, Umwelt und Technologie
giekonzepte erarbeiten und erläutern.
genden Geschäftsmodelle haben darauf
an, stellt man fest, dass hier ein Wandel stattfindet. Das
Denn die Kunden werden diese Themen
aufgesetzt: MP3-Player, Music Stores,
eigene Leben wird bereits heute in vielen Gesellschafts-
umsetzen – mit oder ohne „ihren“ Ener-
Musiktauschbörsen wie Napster etc.
schichten von nachhaltigem und ökologischem Denken
gieversorger. Das Schlimmste, was den
Mittlerweile ist eine Milliarden-Dollar-
geprägt. Die Konsumenten entscheiden sich individuell
stark regional verbundenen Versorgern
Industrie entstanden. Dieses und viele
und ganz bewusst für die Produkte, die ihren Bedürf-
passieren kann, ist eine arrogante Ab-
andere Beispiele zeigen, wie wichtig es
nissen entsprechen und die ihr Lebensgefühl am besten
lehnung dieser Wünsche und Bedürfnis-
sein wird, sein eigenes Geschäftsmo-
widerspiegeln.
se. Zahlreiche Wettbewerber und neue
Dienstleister sind mit diesen Themen
dell insbesondere vor dem Hintergrund
technologischer Entwicklungen grund-
Ein Aufzwängen von vermeintlich guten Produkten
bereits bei den Kunden und Kommunen
legend und kontinuierlich zu hinterfra-
ist aufgrund der Informiertheit und der bestehen-
unterwegs. Da ist die „Abwarten-“ oder
gen und sich mit den Zukunftstrends
den Transparenz heute nicht mehr möglich und wird
„Rechnet-sich-nicht-Strategie“ der Ener-
zu beschäftigen, auch wenn sie aus
auch in Zukunft sehr viel schwieriger. Kunden agie-
gieversorger ohne intensive Beschäfti-
heutiger Sicht nicht ökonomisch dar-
ren immer mehr nach dem Motto: „Vom Wohlstand
gung nicht passend für eine dauerhafte
stellbar sind.
zum Wohlgefühl“.
und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Aber sollen sich Energieversorger des-
Auf die Energiewirtschaft übertragen kann dies eben-
Hilfreich ist auch ein Blick auf den Kon-
wegen auf neue Technologien ausrichten
falls zu einem Umdenken führen. Neben einem gerin-
dratieff-Zyklus bzw. die Interpretation
und nach der zukünftigen „Killerinnova-
geren Energieverbrauch rückt für die Bürger auch die
durch Nefiodow (Abb. 1). Hier ist zu
tion“ Ausschau halten? Nein, das nicht.
eigene grüne „Autarkie“ zunehmend in den Vorder-
erkennen, dass wir uns in der Anwen-
Was aber zwingend für einen weiteren
grund. Und wenn diese nicht auf das eigene Haus zu
dungsphase des Zyklus der „Informati-
Geschäftserfolg nötig sein wird, ist die
beziehen ist, dann sind regionale Erzeugungsanlagen
on und Kommunikation“ befinden. Dies
Beschäftigung mit der Frage, ob die heu-
zu nutzen und der restliche Bedarf über bekannte und
bedeutet, dass wegweisende Innovati-
te angebotenen Produkte und Dienstleis-
zertifizierte Quellen zu beziehen.
onen in diesem Bereich nicht mehr zu
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Abb. 2
Maßnahmen im Bereich des Marketing)
Herausforderungen im urbanen Raum
das Thema Infrastruktur, zusätzlicher
Kommunikation/IT
Ökostromabsatz und sogar Abrechnung
Ernährung
Sicherheit
gesehen. Branchenfremde Unternehmen
Mobilität u. Ver kehrsmanagement
Urbane
Produktion
Gebäude und
Wohnen
gehen das Thema anders an: Sie denken
in ganzheitlichen urbanen Lösungen von
der nutzerspezifischen Mobilitätsanalyse
über die Bereitstellung bedarfsgerechter
Politik und
Verwaltung
Mobilität bis hin zur Auswertung der
Umwelt und Klima
im Fahrzeug gewonnenen Daten (z. B.
innerstädtische Stauprognosen, realtime
informationsgestützte
Bildung
Intermodalkon-
zepte etc.). Hier verfolgt man bereits den
Transport und
Logistik
Katastrophenschutz
etwas weiter gefassten Gedanken, die
Gesundheit
Mobilität in den Städten nachhaltig und
ganzheitlich zu betrachten.
Service und DL
Energie -/Ressourcen-Infrastruktur
…
Welche Betrachtungsweise ist nun aus
Kundensicht die interessanteste? Wichtig
für den Erfolg eines Geschäftsmodells ist
erwarten sind, und dass nun die Basi-
gehenden Betrachtung von Kommunen bzw. urbanen
schließlich die Befriedigung der Kunden-
sinnovation der Informationstechnik als
Räumen. Die althergebrachte Sichtweise von Commo-
bedürfnisse – und nicht das, was man
Grundlage für weitere Zyklen dient. Im
dity-Verkauf und Commodity-nahen Dienstleistungen
selbst als Unternehmen als vermeintlich
sechsten Zyklus steht dabei die Lebens-
hat dabei ausgedient. Vielmehr sollte die Sicht auf die
gutes eigenes Produkt wahrnimmt!
qualität im Vordergrund.
Herausforderungen im urbanen Raum gelegt werden.
Aber warum denken viele Energiever-
Vor diesem Hintergrund wird auch klar,
Als ein Beispiel sei hier das bei Energieversorgern be-
sorger nicht in diese Richtung? Dies ist
dass die zur Zeit zu beobachtenden und
liebte Thema der Elektromobilität genannt. Als Ge-
sicherlich der Situation geschuldet, dass
stattfindenden Entwicklungen der „grü-
schäftsmodell der Zukunft wird heute (neben den
man bisher als ganzheitlich integrierter
Dienstleister für das Thema Energie über-
nen Energie“ die (z. T. schon bestehende) Technik als Basis nutzen. Die immer
wieder diskutierte Verknüpfung zwischen Energie- und Informations- und
Kommunikationsthemen
unterstreicht
diese Sichtweise. Die technischen Voraussetzungen sind da, der sechste Zyklus kann beginnen und einen ähnlichen
Umbruch markieren wie die vorhergehenden Zyklen auch. Treiber des gesamten Prozesses sind die Bedürfnisse der
Kunden und damit auch der Gesellschaft
und die findige Bedienung dieser Bedürfnisse durch Unternehmen, die diese
Chance verstanden haben.
Aber auch wenn man die Kommunen
nicht in der Umsetzung von alternativen
unterstützen
Die Ökostadt Masdar City wird zurzeit in den Vereinigten
Arabischen Emiraten errichtet. Hier sollen später auf sechs
Quadratkilometern knapp 50.000 Menschen wohnen und
arbeiten. Die Stadt soll sich rein aus erneuerbaren Energien
versorgen. Müll und Wasser werden wiederverwendet und
kann
oder möchte, liegen die Chancen und
gleichzeitig auch die Herausforderungen
für die Energieversorger in der weiter-
all und immer „gesetzt“ war. Mit einer immer weiter voranschreitenden Vernetzung
der Themen wird das Thema Energie/
Commodity zukünftig immer weniger losgelöst zu betrachten sein. Und damit wird
sich auch die integrierte Sichtweise der
Unternehmen auflösen (Abb. 2).
es soll keine fossil betriebenen Fahrzeuge geben. Verglichen
mit heute soll der Energieaufwand pro Kopf auf 25 Prozent
sinken. Da es zu erheblichen Bauverzögerungen gekommen
ist, verzögert sich die Fertigstellung von Masdar City um
mindestens vier Jahre auf 2020.
Innovation City Bottrop
Im Süden der Ruhrgebietsstadt Bottrop – hier lebt etwa die
Urbane Räume als Dreh- und Angelpunkt
Energiekonzepten
Masdar City
Hälfte der insgesamt 120.000 Einwohner – soll der Energiebedarf bis 2020 halbiert werden. Geplant sind unter anderen die energetische Sanierung von Häusern, die intelligente
Steuerung von Strom- und Wärmenutzung sowie die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen und ein UntertagePumpspeicherkraftwerk.
Nur wenige zukünftige Themen werden aus einer Hand kommen – diese
Kompetenz haben die wenigsten Unternehmen und ein eigener Aufbau (einer
vermeintlich) allumfassenden Kompetenz ist auch schädlich. Der Erfolg im
zukünftigen Geschäft wird sich vielmehr
daran festmachen lassen, inwieweit die
Kundenbedürfnisse unter Zuhilfenahme
von Partnern und Dienstleistern schnell
befriedigt werden können.
Die
Betrachtung
der
ganzheitlichen
Kundenbedürfnisse wird damit zur dau-
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erhaften Kernaufgabe der Energieversor-
sammenhang, lassen sich folgende maßgebliche Treiber
bis zu 500.000 Kombinationen für ein
ger gehören müssen!
feststellen, an denen sich die verschiedenen Themen
Auto möglich – von der Beschriftung
der Zukunft ausrichten lassen:
am Heck bis hin zur Farbauswahl der
einzelnen Pedale;
Weitere Treiber und Bedürfnisse aus
dem urbanen Umfeld können dabei sein:
Commodity-Geschäft
! Betrachtung der Umwelt und des Kli-
Das Geschäft mit der Commodity wird auch weiter das
destens auch die individuelle Nut-
mas in den Städten und Regionen zur
Geschäftsfeld mit den mittelfristig noch höchsten Ergeb-
zung selbst bestimmter lokaler Erzeu-
Steigerung der Lebensqualität (vom
nisbeiträgen bleiben. Hierzu gehören neben der Stan-
gungskapazitäten, die sich der Kunde
Wohlstand zum Wohlgefühl);
dardbelieferung mit Strom und Gas auch Commodity-
aussucht oder bereitstellt.
! Stromversorgung: in der Zukunft min-
! die Bevorzugung von urbanen und
nahe Dienstleistungen. Jedoch sollte man sich hierbei
regionalen Produkten (gilt sowohl für
vor Augen führen, dass heute alle Energieversorger mehr
Effizienz
Lebensmittel als auch für Energie);
oder weniger das gleiche Produkt anbieten. Bei einem
Auch der Begriff der Effizienz muss erst
! der bewusste Umgang mit den Roh-
Ökostromprodukt von einem Alleinstellungsmerkmal
einmal weiter gefasst werden, um aktu-
stoffen der Natur und der schonende
oder von einer signifikanten Differenzierung zu spre-
elle gesellschaftliche Entwicklungen zu
Einsatz derselben;
chen, ist daher falsch.
verstehen und weiterzudenken. Einen
! eine neue Mobilität in den Städten
Vorschub in Sachen Effizienz erfahren
verstehen und nutzen (Eco-Mobilität,
Vor diesem Hintergrund ist ein Halten oder gar Steigern
wir immer dann, wenn Zeitaufwand
Shared Space etc.).
der Kundenzahlen und die Erreichung eines angemes-
und Kosten sich in eine Richtung bewe-
senen Ergebnisbeitrages maßgeblich von der eigenen
gen, die für Kunden nicht mehr tragbar
Der Blick Richtung Masdar City in den
internen Leistung abhängig. Das Commodity-Geschäft
ist. Bei den Energiekosten findet dieses
Vereinigten Arabischen Emiraten ist si-
wird es weiter geben, jedoch wird es in Zukunft immer
Umdenken schon statt. Eine großange-
cherlich etwas weit gegriffen und die
größere Anstrengungen benötigen, um kontinuierlich
legte Sanierungswelle im Altbaubestand
Voraussetzungen sind dort auch andere
Geld zu verdienen. Das heißt, im Bereich der Commo-
ist zwar momentan noch nicht zu erwar-
als in Deutschland. Was man aber aus
dity wachsen können nur Unternehmen, die ihre eige-
ten, eine individuelle „Betrachtung“ der
diesem Projekt lernen kann und soll, ist
ne Leistung ständig hinterfragen und alle Prozesse des
eigenen Energieverbräuche gehört je-
die vernetzte Herangehensweise zur Errei-
Unternehmens kontinuierlich effizienter gestalten. Das
doch heute schon in den meisten Haus-
chung des Ziels. Dort wurde erkannt, dass
fängt beim Vertrieb an und hört bei der Abrechnung
halten zum ganz normalen Verhalten.
Energie nie losgelöst und allein betrachtet
auf. Dazu gehört auch die unbedingte Bereitschaft zu
Hierbei ist die Sensibilität in erster Li-
werden kann. Natürlich wurde dort eine
harten Einschnitten und Outsourcing von Themen, wie
nie bei den Heizkosten vorhanden. Das
Stadt auf der „grünen Wiese“ – oder bes-
IT und Abrechnung, an Spezialisten.
heißt, es werden in Baumärkten elektronische Thermostatsteuerungen gekauft,
ser mitten im Sand – geplant. Aber die
urbanen Herausforderungen in heutigen,
Dezentralität und Individualisierung
die eine Anpassung der Heizleistung an
etablierten Städten sind meist die gleichen
Unter Dezentralität wird oftmals direkt die regenera-
die Gewohnheiten der Bewohner ermög-
– nur auf einem anderen Niveau. Genau
tive und dezentrale Erzeugung verstanden. Man kann
lichen. Wenn man so will – ein erster
das führt jedoch wieder zu verschiedenen
allerdings noch einen Schritt weiter gehen. Guckt man
Schritt ins „Smart Home“.
Lösungen unabhängig von der Größe der
sich das Verhalten der Gesellschaft an, kann man fest-
Stadt und unabhängig von der Größe des
stellen, dass viele angebotene Produkte das Leben im-
Eine interessante Entwicklung ist aller-
Energieversorgers. Und wenn man genau-
mer individueller gestalten lassen. Die fortschreitende
dings auf industrieller und gewerblicher
er hinschaut, gibt es bereits in Deutsch-
Transparenz ermöglicht weitergehende Möglichkeiten.
Ebene zu beobachten. Die Energiekos-
land erste „ähnliche Projekte“ (z. B. In-
Die nachfolgenden Beispiele zeigen, dass die individu-
ten werden immer stärker zum Wettbe-
novation City Bottrop), die bisher aber
elle Befriedigung der Bedürfnisse des Kunden oberste
werbs- und zum Imagefaktor. Neben der
eher belächelt und nur unzureichend un-
Priorität hat:
Etablierung von Energiemanagement-
terstützt werden. Aber auch Amsterdam
! Reisebuchungen: früher als Pauschalreise im Paket
systemen werden auch die eigenen Fir-
und Kopenhagen zeigen hier schon eine
gebucht, heute über verschiedenste Anbieter völlig
men- und Bürogebäude immer effizien-
Vielzahl an guten Ideen auf dem Weg zu
individuell unter Einbeziehung dezentraler Angebote
ter ausgelegt. Dieser Trend zur Effizienz
einer smarten City.
am Reiseort zusammenstellbar;
wird sich auch in den nächsten Jahren
! Fotografie: die Digitalisierung hat dazu geführt, dass
weiter fortsetzen und auch durch die
Treiber der Energiewelt von morgen
Fotos jederzeit und in jedem Drogeriemarkt oder
von der EU geforderte Effizienzrichtlinie
Beschäftigt man sich weitergehend mit
sogar zu Hause sofort bearbeitet und ausgedruckt
in allen Bereichen weiter verstärken.
den Trends und Bedürfnissen der Kun-
werden können („Polaroid reloaded“);
den und führt die Ergebnisse in einen
! Autokauf: hier ist eine ganz besondere Individua-
Der ganze urbane Raum wird einer „Ef-
für die Energiewirtschaft relevanten Zu-
lisierung festzustellen. Bei einigen Herstellern sind
fizienzüberprüfung“ unterzogen. Und
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kann für eine Vielzahl von weiteren Ideen und Modellen
kontinuierliche interne Verbesserungs-
marktreifen Ideen:
genutzt werden (z. B. für innerstädtische Stausysteme).
prozesse, Kostensenkung und günstige
! „kalte Nahwärmekonzepte“ auf Basis
Auch hier ist der Profiteur der Kunde, dessen Bedürf-
Beschaffung möglich (wie in manchen
verschiedener regenerativer Energien,
nisse nach Pünktlichkeit und Planbarkeit zur Erfüllung
klassischen
z. B. auch Wärme aus Abwasser,
eines effizienten Tagesplans befriedigt werden.
z. B. der Lebensmittelbranche). Gleich-
bereits heute gibt es eine Vielzahl von
! Wärmepumpentechnologie für ganze
Einzelhandelsbranchen,
zeitig sind die Kunden immer besser
Für die Energiewirtschaft lassen sich ebenfalls Ideen ent-
informiert und können damit Entschei-
wickeln, die die Vernetzung als Basis haben. Die heu-
dungen einfacher treffen. Es ist eine
te geführte Diskussion um Smart Meter und mögliche
vollkommene Transparenz des Marktes
lienhäuser,
Datenstrecken ist dabei völlig fehlgeleitet und nur die
vorhanden. Zudem muss bedacht wer-
Kälte-Versorgung,
abgeschottete Sicht der Energiewirtschaft auf die eige-
den, dass Versorger das Kundenbedürf-
moderne Intermodalkonzepte,
nen Kernkompetenzen. Auch hier wird die Vernetzung
nis bisher nur auf den Energiebedarf fo-
Abfallmanagement,
Einzug halten, denn die Smart Meter werden auf jeden
kussieren – eine Fehleinschätzung der
bedarfsgerechte Straßenbeleuchtung.
Fall kommen. Eine übergreifende Entwicklung von Ge-
eigenen, relevanten EVU-Kompetenzen
schäftsmodellen wird möglich und notwendig sein.
ist damit meist vorprogrammiert.
nur in Bezug auf Energie festzustellen,
So wird es in naher Zukunft vielleicht schon effizien-
Im Zusammenhang mit den sich ver-
sondern auch in anderen Bereichen (IT,
tere dezentrale und regenerative Erzeugungsanlagen
ändernden Kundenbedürfnissen muss
Telekommunikation etc.). Diese Fort-
geben, sodass die „Besitzer“ ihre Überschüsse ver-
hinterfragt werden, welchen Nutzen
schritte bieten einen idealen Nährboden
markten oder mit anderen teilen wollen. Aber warum
die EVU künftig für ihre Kunden er-
für immer wieder neue und erweiterte
geht man immer davon aus, dass diese überschüssige
bringen können. Die Bedürfnisse sind
Geschäftsmodelle in der Energiewirt-
Energie auf einem Marktplatz verkauft werden soll?
vernetzt und lassen sich, wie bereits
schaft, aber auch für andere branchen-
Was wäre, wenn es beispielsweise ein altruistisches
erwähnt, nicht mehr nur auf die reine
fremde und neue Unternehmen.
Netzwerk geben würde, in dem man die Energie an-
Commodity zurückführen. Dabei sind
deren zur Verfügung stellen kann und bei Bedarf selbst
Individualität, Transparenz und Nach-
Das Thema der Effizienz wird ein weite-
Energie von anderen beziehen kann? Dieser Peer-to-
haltigkeit als Grundanforderung zu
rer zentraler Treiber in der zukünftigen
Peer-Energy-Gedanke kommt dem Gedankengut der
verstehen. Die Commodities Strom und
Entwicklung sein. Vor diesem Hinter-
damaligen Musiktauschbörse Napster schon sehr nahe
Gas werden zunehmend nur Teil eines
grund ist auch hier die ganzheitliche
und wird durch die starke Vernetzung noch eher mög-
größeren Pakets sein. Die Befriedigung
Betrachtung der Effizienzentwicklungen
lich sein. Das sogenannte „Sharing“ von Gütern und
ganzheitlicher Kundenbedürfnisse sind
für die lokalen und regionalen Energie-
Dienstleistungen ist in der heutigen Gesellschaft ein
für ein lokales oder regionales Energie-
versorger von entscheidender Bedeu-
schnell wachsender Trend. Das Car-Sharing mit bereits
versorgungsunternehmen ohne Partner
tung, um eigene und auch neue Ge-
mehreren Hunderttausend Nutzern in Deutschland ist
allerdings nicht realistisch. Eine Zu-
schäftsmodelle zu entwickeln.
ein gutes Beispiel.
sammenarbeit von Energieexperten wie
Vernetzung
Aber auch wenn man diese Ideen als groben Unfug
für die neuen Herausforderungen wird
Das vielfach zitierte „Internet der Din-
oder ferne Zukunft klassifiziert, sollte jedes Energie-
zum entscheidenden Wettbewerbsvor-
ge“ wird auch weiterhin zu einer immer
versorgungsunternehmen sich fragen, was es für das
teil in der Zukunft führen.
weitreichenderen Vernetzung von Men-
eigene Geschäftsmodell heißt, wenn jemand die Ener-
schen, Geräten und Produkten führen.
gieversorgung an ihnen vorbei organisiert.
Stadtviertel,
! Nutzung Stadt- und Häuserwinde,
! Solarthermie – nicht nur für Einfami!
!
!
!
Der Drang zur Effizienz ist aber nicht
den Energieversorgern mit Spezialisten
immer interessantere Geschäftsmodelle
Eine weitere, anhaltende und wichtige
Entwicklung ist, dass neue Player in
Mithilfe dieser Vernetzung lassen sich
Fortbestand des klassischen EVU
den klassischen Markt der Energieversorger drängen. Damit sind Energiethe-
entwickeln, die für die Kunden einen
Das klassische EVU wird fortbestehen und das immer
men kein „Hexenwerk“ mehr und nicht
wieder angesprochene Stadtwerkesterben wird es in
mehr nur von Spezialisten zu bedienen.
Beispielsweise existieren bereits Model-
den nächsten Jahren nicht geben. Dennoch sollte man
Aufbrechende
le, die auf Basis aus- und zusteigender
sich über einige Aspekte im Klaren sein. So wird es das
ermöglichen auch in der Zukunft eine
Personen an den einzelnen U-Bahn-Stati-
klassische Commodity-Geschäft zwar auch in Zukunft
Vielzahl von Angriffspunkten. Auch Un-
onen dynamische Fahrplan- und Verspä-
geben. Allerdings agieren in diesem Geschäftsfeld
ternehmen der erneuerbaren Energien
tungsinformationen entwickeln. Dieses
alle Unternehmen gleich und alle verkaufen die glei-
drängen immer stärker in Richtung End-
passive Crowdsourcing über Mobilfunk
chen Produkte. Die Unterscheidung erfolgt nur über
kunde und erweitern so ihr ursprüngli-
ohne einzelne Aktivität des Individuums
Preisdifferenzierung. Wachstum ist damit nur über
ches Geschäft.
speziellen Nutzen darstellen.
Wertschöpfungsketten
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Handlungsmöglichkeiten
! Nach Partnern und guten Ideen Ausschau halten und
Klassische Energieversorgungsunterneh-
Kooperationen schmieden. Die komplexen Anforde-
men haben auch in der Zukunft eine
rungen können oft nur Kooperationen von Spezialis-
Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten.
ten meistern. Neue Geschäftsmodelle entstehen gera-
Natürlich kann das klassische Geschäft
de. Diese sind zurzeit unsicher, aber nur jetzt kann
weiter wie bisher profitabel betrieben
man sich kostengünstig positionieren. Das Risiko einer Fehlinvestition besteht, ist aber Unternehmertum.
werden – jedoch sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
! Das „Abwarten“ auf den ersten Schritt eines Wettbe-
! Kontinuierlichen Verbesserungspro-
werbers, um dann zu folgen, ist der falsche Ansatz,
zess einleiten (niemals ausruhen) –
wenn man sich in dem schnell verändernden Markt
in anderen Branchen ist dies schon
positionieren und etablieren will. Das heißt auch nicht,
lange üblich, aber für die Energie-
dass man immer große Investitionen tätigen muss.
wirtschaft ist es (über alle Wertschöpfungsstufen) Neuland.
Die Energieversorgungsunternehmen werden in ihrem
! Nur durch Verwaltung des bestehenden
bisherigen Kerngeschäft schrumpfen. Weiter sinkende
Geschäftsmodells und Senkung von Kos-
Margen, rückläufige Mengen bei hohen nicht einfach
ten ist kein Wachstum möglich.
zu verändernden Kostenstrukturen machen das Ge-
! Neue Bedürfnisse, Trends und Ideen
werden von Wettbewerbern entwi-
schäft aber nicht unprofitabel. Sie erfordern jedoch große Anstrengungen und Einschnitte.
ckelt und führen zu einer kontinuierlichen Reduzierung des eigenen
Will man sich als Unternehmen weiterentwickeln
Geschäfts und werden die Konkur-
und auch andere Geschäftsmodelle durchdenken, so
renzsituation in allen Belangen bele-
gibt es rund um die oben dargestellten Treiber eine
ben. Eine aktive Mitgestaltung sollte
Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten für die Unter-
daher das Gebot der Stunde sein.
nehmen. Insbesondere, wenn man diese Treiber auf
! Die Kundenbedürfnisse sind kontinu-
den gesamten urbanen Raum bezieht, ergeben sich
ierlich, auch über die Energiethemen
dort eine Vielzahl von zukünftigen Fragestellungen,
hinaus zu hinterfragen (nicht abzufra-
die gelöst werden wollen. Jedes Unternehmen sollte
gen) und zu entwickeln. Dabei sind
sich daher mit der Frage beschäftigen, wie sich die
auch branchenfremde Geschäftsmodel-
regional anstehenden Probleme und Herausforderun-
le und Möglichkeiten anzudenken, um
gen zukünftig gemeinsam mit anderen Partnern lösen
zumindest einen möglichen Einfluss
lassen. Dieser „neue Markt“ für die Energieversorger
auf das Kerngeschäft abzuleiten.
bedeutet aber zudem den Umgang mit Risiken und
! Der urbane Raum sollte als Betäti-
möglichen Fehlinvestitionen. Auch in den Unterneh-
gungsfeld der Zukunft zu verstehen
men muss somit zwingend eine „Wende“ stattfinden.
sein. Politik ist dabei nicht das ge-
Aber nur so werden Energieversorger auch in Zu-
staltende Element, sondern als „zu
kunft eine wesentliche Rolle in der urbanen Versor-
gestaltendes Element“ zu verstehen.
gung spielen.
zur Person
Michael Prinz
Dr. Roman Dudenhausen
• Jahrgang 1972
• Jahrgang 1969
• Studium der Elektrotechnik und des Wirtschaftsingenieurwesens
• seit 2001 con|energy ag
• Studium der Betriebswirtschaftslehre in Essen und
Toronto mit anschließender Promotion
• 1996 Gründung der con|energy ag und Vorstand
des Unternehmens
• seit 2009 Geschäftsführer der con|energy
unternehmensberatung
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