5. Das morphologische Teilsystem Morphologie befasst sich

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5. Das morphologische Teilsystem
Morphologie
befasst
sich
mit
den
Möglichkeiten
und
Gesetzmäßigkeiten
der
Zusammensetzung der kleinsten bedeutungstragenden Elemente zu Wortformen.
Die größten komplexen Einheiten, die zum Gegenstand der Morphologie gehören, sind die
Wörter.
Grenze „unten”: Phonologie, „oben”: Syntax
Morphe: Segmente, die nicht in kleinere sinnvolle Segmente geteilt werden können
Beispiel:
/zikɔmεnhɔtεan/ – /zi+kɔm+εn+hɔtε+an/
Wenn wir dabei nur davon ausgehen würden, welche Segmente über eine Bedeutung
verfügen, müssten wir /hɔtε/ weiter teilen, da /hɔ/ und /tε/ auch bedeutungstragend sind
(Heu und -te). Warum tun wir das nicht?
Erstens: Bedeutungen von Morphketten beinhalten die Bedeutungen ihrer Bestandteile. Das
Adverb heute hat mit dem Substantiv Heu und dem Präteritalsuffix -te nichts zu tun.
Zweitens: Es gibt morphologische Regeln, die Heu + -te ausschließen (morphologischen
Regeln – auf zwei Ebenen)
drei Regeltypen
1.Regeltyp:
mein
MEINEN
est
st
t
?
arbeit|est
heiß|t
←
Sprecher
2. P. Sg. Ind. Präs.
Akt.
fähr
FAHREN
t
←
Hörer
3.P.Sg.Ind.Präs.Akt.
2. P. Pl. "
ihr fahrt
2. P. Pl. Imp.
fahrt!
?
studiert
Part. Perf.
Wenn wir alle möglichen Umgebungen der Endungen -st, -est und -t untersuchen, können wir
Verallgemeinerungen vornehmen.
(1) "Wenn der Stamm arbeit ist, dann kommt die Endung est dazu".
+Konsonant [+Nasal]
-Liquid 
(nur bei unverändertem Stammvokal, vgl. lädst, trittst)
Merkmale: direkt beobachtbar
2. Regeltyp: Merkmale im Lexikon der Sprecher mit den Elementen eng verbunden. So z. B.
der Konjugationstyp (d. h. z. B. ob ein Verb den Umlaut bekommt:
klagen, klagst; schlafen, schläfst).
(paradigmatische Merkmale)
3. Regeltyp: nicht kontextabhängig
gewisse Glieder einer Gruppe werden von anderen Gliedern derselben Gruppe abgeleitet, z.B.
"Wenn ein Adjektiv- oder Verbalstamm auf -el auslautet, hat er auch eine Variante ohne e."
Z. B. sammel/n, samml/e, dunkel, dunkl/e
grammatische Beschreibungen: schriftlich oder mündlich
ein anderes Beispiel:
/zikǡmεnhɔtεan/
einziger Unterschied: im zweiten Morph
zwei Versionen:
(1) den Stammvokal behandeln wir als ein Infix, das mit dem Suffix -te in einem alternativen
Verhältnis steht
(2) mit dem Suffix -te alterniert ein Nullmorph, das sich an eine modifizierte Stammform
knüpft.
mach/te/n
kam/֙/en
wenn wir die Version (2) annehmen, haben wir es mit zwei Morphen mit derselben
Bedeutung zu tun: /kɔm/ und /kǡm/
eine Einheit: eine Gruppe von Morphen mit der gleichen Bedeutung: Morphem. Das
Morphem ist eine Abstraktion; Die Morphe, aus denen ein Morphem besteht, sind seine
Allomorphe. Ein jedes Morph ist also zugleich ein Allomorph eines Morphems.
freie Varianten: z.B. -֙ oder -e beim Imperativ
§ Morphem, das den Kern der lexikalischen Bedeutung trägt: S t a m m m o r p h e m
Die Morpheme bis auf das Stammmorphem nennt man zusammenfassend Affixe
§ von vorne angeschlossene Affixe: Präfixe (Vorsilben; trennbare: Halbpräfixe od.
Präfixoide)
§ von hinten angeschlossene Affixe: Suffixe
§ Stammvokalveränderung: Infixe (einfacher ist es hierbei von Allomorphen zu sprechen)
§ zwischen den Stammmorphemen der Komposita: Interfixe (Fugenzeichen)
§ Zirkumfix – diskontinuierliches Morph, dessen Bestandteile links und rechts am Stamm
stehen, z.B. be + recht + ig(en) (es gibt nämlich weder *berecht noch *rechtigen).
Konfix: Übergangstyp zwischen Affixen und Kompositionsgliedern (entlehnte Morpheme, die
aber in verschiedenen Wörtern vorkommen und in der Regel gebunden sind, z.B. inter(Intershop, international usw.) oder -ware (z.B. Hardware, Software, Freeware, Shareware
usw.).
§ die kleinsten bedeutungstragenden Elemente der Sprache nennt man M o r p h e m e
§ aufgrund der möglichen Endungen von Wörtern lassen sich Klassen, die man traditionell
W o r t k l a s s e n oder W o r t a r t e n nennt, bestimmen (z.B. Verb, Substantiv)
§ konkrete Formvarianten der möglichen Endungen legen innerhalb der Wortarten
F l e x i o n s p a r a d i g m e n fest (z.B. schwache Verben)
§ die Regeln der Morphologie geben an, wie sich die Morpheme miteinander verbinden
lassen
§ Was ist ein Wort?
Test: Wie viele Wörter kommen mit dem Anfangsbuchstaben h im folgenden Text vor:
Ein Auto überfährt ein Huhn. Der Fahrer trägt es zum nebenstehenden Hof und fragt
die Bäuerin: "Kommt das Huhn aus Ihrem Stall?" Die Bäuerin sieht es kritisch an und
meint: "Nein, so flache Hühner haben wir nicht!"
§ Antwort: 5 T e x t w ö r t e r (Wortvorkommen, Token), 4 W o r t f o r m e n (Type), 3
L e x e m e (Gesamtheit derjenigen Wortformen, die über eine gemeinsame lexikalische
Bedeutung verfügen)
§ Wortformen eines Lexems können Stämme enthalten, die keinen regelhaften formalen
Zusammenhang aufweisen − das nennt man Suppletivismus (gut − besser, sein − bin,
ist)
§ Wortformen aus mehreren Textwörtern − anal ytische Wortformen (z.B. wird zugemacht
worden sein, erholten sich), Wortformen aus einem Textwort − synthetische
Wortformen (z.B. machst, gäbe)
§ Besetzung der Paradigmenleerstellen: F l e x i o n (Affixe, Stammveränderungen,
Hilfsverben)
§ Flexion der Verben: Konjugation, andere flektierbare Wortarten: Deklination
§ Ausgangsform der Flexion (z.B. Nom. Sg. Bei Substantiven, Stamm des Infinitivs bei
Verben usw.)
§ Flexion: Formen eines Wortes werden gebildet; Wortbildung: andere Wörter werden
gebildet (Anmerkung: Komparativformen oder Konjunktivformen sind keine anderen
Wörter, auch wenn sie ihre eigenen Paradigmen haben)
§ Allomorphe können formal völlig unterschiedlich sein, z.B. s, es, n, en, ns, ens, 0 sind
Allomorphe des Gen. Sg. (Vater + s, Haus + es, Herr + n, Bär + en, Name + ns, Herz +
ens, Idealismus)
§ Wortform minus Flexionsendung = relativer Wortstamm
Wortbildung:
Affixation (Derivation, Ableitung), Zusammensetzung (Komposition) usw.
motivierte Wörter, Basiswörter
Morpheme tragen Bedeutungen: lexikalische Bedeutungen, grammatische Bedeutungen
gramm. Seme: ihre Kombinationen ergeben die konkreten grammatischen Bedeutungen, die
als eine Art Etikett je einer Leerstelle angehören. (z.B. 1.P. Sg. Ind. Präs. Akt.)
Seme können in Gruppen eingeteilt werden, je nachdem, welche von ihnen alternativ
auftreten. morphologische Kategorien, z.B. die 1., 2. und 3. P.: Kategorie der Person
6. Wortarten der deutschen Sprache
Lexeme können größernteils danach klassifiziert werden, d.h. in Wortklassen (Wortarten)
eingeteilt werden, über welche morphologischen Kategorien sie verfügen
• bei unflektierbaren Wörtern sind andere, v.a. syntaktische Einteilungskriterien nötig
• eine vollständige Klassifizierung kann weder rein morphologische, noch rein syntaktische
Kriterien haben
• zur gleichen Wortart gehören diejenigen flektierbaren Wörter, die ein gemeinsames
Paradigma vollständig oder nur teilweise mit ihren Formen ausfüllen (teilweise: z.B.
Subklasse der unpersönlichen oder der nicht passivfähigen Verben)
• die Paradigmenstellen festlegenden grammatischen Bedeutungen setzen sich aus
grammatischen Semen zusammen (z.B. Singular + Akkusativ)
• Seme, die einander innerhalb der gleichen grammatischen Bedeutung ausschließen, bilden
zusammen eine grammatische Kategorie od. Flexionskategorie (z.B. Singular und Plural:
Numerus)
• Flexionskategorien des Deutschen:
Numerus
Person
Modus
Tempus
Genus verbi
Kasus
Genus
Graduierung
Determiniertheit (schwache/starke Adjektivdeklination)
• eine flektierbare Wortart wird durch bestimmte Kombinationen dieser Kategorien
festgelegt (z.B. "Numerus+Person+Tempus+Modus+Genus verbi": Verb)
• einige Wortarten verfügen auch über Kategorien, die nicht im Flexionsparadigma der
betreffenden Wortart erscheinen, z.B. Genus beim Substantiv (es verändert sich nicht in
dieser Kategorie)
• Wortarten (eine mögliche Einteilung):
• als Flussdiagramm dargestellt:
Ist das Wort +
flektierbar?
_
<konstantes +
Genus>
Substantiv
_
<Determiniertheit>
_
<Tempus>
+
+
Adjektiv
Verb
_
Kongruiert
es mit einem
Substantiv +
und bildet
mit ihm eine
NP?
_
Artikelwort
substantivisches Pronomen
<konstanter +
Numerus>
Numerale
_
<konstanter +
Kasus>
_
Beantwortet
+
es Ergänzungsfragen?
_
Ist es ein
+
Fügeelement?
_
Ist es Bestandteil der Satz- +
struktur?
_
Kontaktstellung +
mit regierter NP?
_
Präposition
Kopulapartikel
(prädikatives Adj.)
Adverb
Konjunktion
Partikel
Satzäquivalent
\
Verhältnis der Wortarten und der Kategorien. +: Vorhandensein der Kategorie, Klammern:
nur für einen Teil der Wörter der Wortart charakteristisch, * in Klammern: Kongruenz
gleichzeitig mit dem Genus zweier Lexeme kongruieren
Worta
rtrt
Kategorie
Numerus
Person
Tempus
Modus
Genus verbi
Kasus
Genus
Graduierung
Determinierthei
t
Konstanter
Numerus
Konstante Person
Konstanter Kasus
Konstantes Genus
Verb
Subst
antiv
+
+
+
+
+
+
Artik
elwor
t
+
Subst
Adjek
.
Num
tiv
Prono
erale
men
+
+
Adve
rb
Präpo Prädika
sition tives Konj
Adjekti unkti
v
on
(+)
+
+
+(*)
+
+
(+)
+
+
(+)
+
(+)
(+)
(+)
+
(+)
+
(+)
+
Das Wortartensystem von W. Flämig
(+)
+
+
Satzä
Partik
quiva
el
lent
7. Das Konjugationssystem
•
das Verb ist nach den morphologischen Kategorien Numerus, Person, Tempus,
Modus, Genus verbi konjugierbar
• es kann den Kasus von Nomina regieren (reiner Kasus und Präpositionalkasus)
• das Paradigma des Verbs wird durch synthetische und analytische Formen besetzt
• manche Verblexeme enthalten außer dem Verbstamm weitere Stämme (z.B. totschlagen,
sich satt essen, teilnehmen, stattfinden, kennenlernen usw.)
• die Verben lassen sich innerhalb der Wortart in Subklassen einteilen, je nach dem, welche
Teilparadigmen sie ausfüllen (z.B. Impersonalia, passivfähige Verben usw.)
• es gibt auch lückenhafte Teilparadigmen, z.B. das des Imperativs
Finite und infinite Formen
• Verbformen mit den kategoriellen Merkmalen von Person und Numerus nennt man finite
Formen (finites Verb/Finitum/Verbum finitum)
• ein Verb kann 218 konjugierte Formen haben
• Verbformen ohne die kategoriellen Merkmale von Person und Numerus nennt man infinite
Formen
• diese sind entweder Infinitive oder Partizipien, letztere haben zwei Formen: Partizip I
(oder Partizip Präsens) und Partizip II (oder Partizip Perfekt)
• der Infinitiv hat 8 Formen (verschiedene Tempora und Genera verbi, z.B. machen, gemacht
haben, gemacht werden, gemacht worden sein usw.)
• das Paradigma der Partizipien ist ärmer: Genus v.: Aktiv sind Part. I (singend) und − bei
intransitiven perfektiven Verben − Part. II (angekommen); Passiv: Part. II von transitiven
Verben (gelöst); Tempus wird nicht ausgedrückt, nur relative Zeit, d.h. Vor- oder
Gleichzeitigkeit: Part. I: Gleichz., Part. II: im Aktiv Vorz., im Passiv bei perfektiven Vorz.
(der Wagen, von der Polizei abgeschleppt), bei durativen Gleichz. (der Wagen, von
Pferden geschleppt)
• aus den 36 Teilparadigmen sind es nur 4, die ausschließlich finite Verbformen beinhalten:
o 1(1) Aktiv, Indikativ, Präsens (z.B. gebe, gibst, ...),
o 1(2) Aktiv, Indikativ, Präteritum (z.B. gab, gabst, ...);
o 1(3) Aktiv, Konjunktiv, Präsens (z.B. gebe, gebest, ...);
o
(4) Aktiv, Konjunktiv, Präteritum (z.B. gäbe, gäbest, ...).
Die Kategorien der Konjugation
Person
• drei grammatische Personen: die erste Person ist der/die Sprechende, die zweite der/die
Angesprochene und die dritte der/die Besprochene
• die erste Person Plural ist nicht identisch mit der Mehrzahl der ersten Person Singular
• Höflichkeitsform: bezieht sich auf die angesprochene, d.h. die zweite Person, formal ist sie
aber der dritten Person Plural gleich
• Imperativsätze: die angesprochene Person wird pronominal meist nicht ausgedrückt (z.B.
Komm her!) − das Verb kongruiert mit dem logischen Subjekt
• unpersönliche Konstruktionen (d.h. ohne Subjekt): das Verb steht in der dritten Person Sg.,
z.B. Mir ekelt vor diesem Typ
Numerus
• zwei Werte: Singular (oder Einzahl) und Plural (oder Mehrzahl)
• das Verb übernimmt den Numerus des Subjekts (z.B. das Obst liegt/Äpfel liegen auf dem
Boden herum)
• in bestimmten Fällen semantische Kongruenz (z.B. eine Menge Waffen wurden/wurde
verkauft)
• mehrere Subjekte im Singular im Satz: das Verb steht in der Regel im Plural (z.B. ich und
du sind klug, er und sie sind verheiratet)
Tempus
genau 6 Tempora?
andere Versionen des deutschen Tempussystems:
Thieroff (1992): zwei grundsätzliche Auffassungen: 6 Tempora und 3 mal 3 = 9 Tempora.
Gleichzeitig sind Präsens, Präteritum und Futur I, vorzeitig sind Perfekt, Plusquamperfekt und
Futur II
noch drei „absolute“ Tempora kommen hinzu, was insgesamt 12 ergibt
Bauer (1830) hat alle 9 Leerstellen des kleineren Idealparadigmas ausgefüllt:
Zukunft
Gegenwart
vorzeitig
er wird getan haben
er hat getan
gleichzeitig
er wird tun
er tut
nachzeitig
0
er will, soll tun
Vergangenheit
er hatte getan
er tat
er wollte, sollte tun
Weinrich (1971): Einführung der „erzählenden Tempora“ und „besprechenden Tempora“
in beiden Gruppen gibt es Tempora der Rückschau (Perfekt, Plusquamperfekt) und solche der
Vorausschau (Futur I und Konditional) sowie je eine „Null-Stelle“ (Präsens und Präteritum)
Futur II und Konditional II kombinieren Rückschau und Vorausschau
Weinrich: Textgrammatik (1993): Futur II und die beiden Konditionale fehlen.
Tempusregister, Tempus-Perspektiven (Neutral-Perspektive, Rück-Perspektive, VorausPerspektive). Futur II fehlt (weil es „selten und fast nur mit der modalen Bedeutung
‚Wahrscheinlichkeit’ gebraucht“ wird).
Thieroff (1992) Umstrukturierung des Gesamtparadigmas
Leiss (1992) entfernt sein + Part. II aus dem traditionellen Tempussystem, indem sie das seinPerfekt und das Zustandspassiv als Resultativ(um) wie eine Kategorie zwischen Tempus und
Aspekt behandelt.
„Aus der Umkleide rechts, eine Treppe hoch, an einem der Zerberusse vorbei, links den Gang lang und
schon scheinen die Scheinwerfer. Pressekonferenz. Alles schön eng beieinander, und doch ist Zeit
genug, auf dem kurzen Dienstweg durchzuatmen, Contenance zu wahren und sich ein paar Sätze
zurecht zu legen. Jörg Berger ist langsam gegangen, ganz langsam und noch immer hat er sich
„zusammen reißen müssen, damit ich nicht sage, was ich wirklich denke.“
(R99/OKT.84095 Frankfurter Rundschau, 18.10.1999, S. 27).
Aktivische und passivische Zustandsformen des deutschen Verbs haben ein zu den
Vorgangsformen paralleles, vollständiges Paradigma mit allen Tempora (für mich ist die Zahl
nach wie vor 6). Eine mögliche Umstrukturierung des Paradigmensystems lässt sich mit
Korpusbelegen untermauern.
Zustandsaktiv: aktivisches, atelisches, gegenwartsbezogenes sein + Partizip II
Terminus für das Deutsche von Hermanns (1987) geprägt
fehlende 4. Zeile des Schemas von Helbig/Buscha (1972: 141):
„–prozessual” und
„+agenszugewandt”
• Eichinger (1995: 112 f.): sein-Perfekt und -Plusquamperfekt sind „Zustandpräsens“ bzw.
„Zustandpräteritum“
• Zustandsaktiv bei Ágel (1998: 40 ff.): in einem weiteren Sinn
•
•
•
Der Zug ist angekommen – Der Zug ist da, aber: Der Zug ist angekommen und nach 5
Minuten Aufenthalt ist er weitergefahren; oder: *Der Zug ist vor 10 Minuten angekommen
und er ist noch immer angekommen.
sein + Part. II von Verben wie zufrieren u.ä.: Kookkurrenz mit Adverbialen, die Gegenwart
und/oder atelische Aktionsart ausdrücken, außerdem: vollständiges Tempusparadigma
• „präsentisches” angekommen sein? keine weiteren Tempusformen
• ist/war angekommen gewesen: Doppelperfekt und -plusquam-perfekt von ankommen,
keine imperfektiven Formen
• (1) Der Klöntalersee ist vor dem 24. Dezember zugefroren. Doch dann kam der Föhn.
(SOZ06/JAN.01812 Die Südostschweiz, 12.01.2006)
•
(2) Der See Päijänne, an dem das Skigebiet liegt, ist schon seit Oktober zugefroren,
aber die Temperaturen sind ausgesprochen erträglich. (RHZ05/FEB.17883 Rhein-Zeitung,
16.02.2005)
Übersetzung ins Ungarische: Beleg (1) mit der Vergangenheitsform (befagyott), Beleg (2)
mit der Präsensform einer Zustandskonstruk-tion (be van fagyva)
• Vorgang oder Zustand? im Deutschen nur mit Hilfe des Kontextes bzw. von
Verträglichkeitstests bestimmbar
• im Ungarischen kommt der Unterschied auch morphologisch zum Ausdruck
• Verträglichkeit mit seit wann, wie lange schon usw. bzw. mióta, mennyi ideje usw. – nicht
alle resultativen Verben! Aber ihre Vergangenheitsformen können in beiden Sprachen
Gegenwarts-bezug ausdrücken:
•
•
a. Er ist vor Kurzem dahinter gekommen, dass … – Nemrég jött rá, hogy …
b. *Er ist seit Kurzem dahinter gekommen, dass … – *Nemrég óta jött rá,
hogy
…
eine ungarische Zustandskonstruktion *rá van jőve wird nicht gebraucht
etwas ist beleuchtet – valami meg van világítva: kein Folgezustand, aber atelisch und mit
denselben Adverbialen kompatibel
• synonymes werden-Passiv ̶ auch (kein) Zustandspassiv? terminologische Auswege:
„allgemeine Zustandsform” oder „sein-Passiv”
• analog: Zustandsverben ̶ auch (kein) Zustandsaktiv? (z.B. etwas grünt (≈ ist grün), etwas
ist vergilbt (≈ ist gelb))
•
•
„sein-Aktiv” wäre irreführend, die Form kann nämlich auch eventives Perfekt sein
besser: Bezeichnung nach der Hauptfunktion ‘Zustand’
Zustandsaktiv: ein Genus Verbi mit 6 Tempora
nur sein + Partizip II mit Zustand-Funktion ist ein Zustandspassiv oder Zustandsaktiv
(ebenso im Ungarischen: nur van + Verbaladverb)
• bekommen-Passiv: die Zustand-Variante ist das haben-Passiv
• Vorgang und Zustand teilen das deutsche Paradigma in zwei symmetrische Hälften:
• Präsens:
•
•
•
Von Mitte Oktober bis in den Juli hinein ist der Ozean zugefroren und Iqaluit nur auf
dem Luftweg zu erreichen.
(M04/JAN.05190 Mannheimer Morgen, 24.01.2004)
•
Präteritum:
Wo Boden, der seit Jahrhunderten gefroren war, auftaut, wird das Bauen viel
schwieriger und die Instandhaltung alter Gebäude – wenn sie überhaupt zu retten sind –
kostspielig.
(P00/JAN.00724 Die Presse, 08.01.2000)
•
Perfekt:
Da fast alle Seen und Kleingewässer monatelang zugefroren gewesen seien, hätten
sich die Vögel zu Hunderten auf wenigen Wasserlöchern am Starnberger und Ammersee
gedrängt.
(NUN06/MAI.01568 Nürnberger Nachrichten, 15.05.2006)
•
Plusquamperfekt:
Als die Polizisten den Wohnwagen zuvor nach einer Waffe durchsucht hatten, tauchte
der Hund des Dompteurs auf, der seit dem Tiger-Angriff spurlos verschwunden gewesen war.
Vor den Augen des Lebensgefährten rannte das Tier auf den Wohnwagen zu – und wurde von
einem Auto erfasst.
(HMP09/DEZ.01023 Hamburger Morgenpost, 10.12.2009)
•
Futur I:
Wie viel am Enthüllungstag noch gefroren sein wird, oder ob den Organisatoren nur
ein Schwall Wasser entgegenkommt, kann im Rahmen eines Gewinnspiels getippt werden.
(RHZ08/AUG.02064 Rhein-Zeitung, 02.08.2008)
•
Futur II:
Kopfschütteln erregte der junge Mann, dessen Mountainbike unterwegs den Geist
aufgegeben hatte und der sich nun in der Rolle des Joggers anscheinend recht wohl fühlte. Er
wird bei seiner Zielankunft jedenfalls nicht so verschmutzt gewesen sein wie seine radelnden
Kumpels. Zwei von denen, Armin Deuster (Kempenich) und Christian Groß (Niederzissen),
waren nach ihrem 50-Kilometer-Ritt durchs schlammige Gelände kaum noch wieder zu
erkennen.
(RHZ06/MAI.28653 Rhein-Zeitung, 30.05.2006)
•
•
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•
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•
•
•
•
•
ungarisches Paradigma: kein Rezipientenpassiv, kein Patiens-Vorgangspassiv, nur
(Vorgangs-)Aktiv bzw. Zustandsaktiv und Zustandspassiv, Letztere in der gleichen Form:
van + Verbaladverb
Bildbarkeit: v.a. transformative (mutative) Verben mit impliziertem Folgezustand
aktivisch: v.a. unakkusativische Geschehensverben (mediale Verben)
ambige deutsche Zustandsform bei labilen Verben, anders als im Ung.: schmelzen
(transitiv) – megolvaszt, schmelzen (intransitiv) – megolvad; dementsprechend: ist
geschmolzen (passiv/aktiv) – meg van olvasztva (passiv) oder meg van olvadva (aktiv)
(Ausnahme: ist ge-/zer-/eingebrochen – el/szét/be van törve: beides passiv/aktiv)
präziser: nicht aktivische, sondern mediale Form (da nicht agentiv)
nicht passivisches van + Verbaladverb: ein „Zustandsmedium“?
gäbe es dann auf der Vorgangsseite ein aktivisches und ein mediales Paradigma?
Unterteilung der Zustandsformen nur syntaktisch-tiefenstrukturell bzw. valenzgrammatisch
motiviert, morphologisch eine Form → eine Spalte
die eventive Variante ist aber nur scheinbar dieselbe Form: ein Tempus
deutsche Zustandsform: analytische Verbform oder Kopula + Adjektiv?
Argument für die analytische Version: Dependentien eines zugrunde liegenden eventiven
Prädikats können auch neben den Zustands-formen auftreten, z.B.
(5) Die Demokratin aus Kalifornien, die bislang auch vielen Amerikanern unbekannt ist,
würde nämlich bei einem Wahlsieg ihrer Partei in der nächsten Woche "Speaker of the
House", was mit "Parlamentspräsidentin" zwar nicht ganz falsch, aber doch unzulänglich
übersetzt wäre. (M06/NOV.85841 Mannh. Morgen, 07.11.2006)
(6) Zuletzt hat Tomasevic einen Roman geschrieben, der bereits aus dem Serbischen ins
Deutsche übersetzt ist und unter dem Titel "Ein verspäteter Bericht an eine Akademie" im
Frühjahr 2000 in der Edition Löwenzahn erscheinen soll. (I99/NOV.47907 Tiroler
Tagesztg., 25.11.1999)
Argument aus kontrastiver Sicht: im Ung. ist es eine Konstruktion aus einem Finitum und
einer infiniten Verbform
aber in der Hungarologie herrscht eine Vollverb + Adverbial-Version vor
Vorschlag fürs Deutsche: unabhängig von der jeweiligen Version ist eine Distinktion nötig
zwischen aktivischem, atelischem sein + Partizip/Adjektiv und telischem und/oder
eventivem sein + Partizip, denn nur Letzteres ist Aktiv Perfekt (Frage: Was ist geschehen?)
Der Würfel ist gefallen/geworfen ̶ ‘A kocka el van vetve’ ̶ , jedoch nicht in Bezug auf
Zustandskonstruktionen
8. Paradigmen der deklinierbaren Wortarten
Das Substantiv
nach den Kategorien Numerus und Kasus dekliniert
konstante, lexikalische Kategorie des Genus
Funktionen im Satz: Subjekt, Objekt, Prädikativ, Adverbialbestimmung, Attribut
Genus: wird von Determinantien (z.B. dieser, diese, dieses), als Attribut verwendeten
Adjektiven (z.B. kleiner, kleine, kleines) und bestimmten substantivischen Pronomina (z.B.
einer, eine, eines oder der, die, das als Relativpronomen) ausgedrückt
Zeichen für den Plural: Endung, Umlaut, Nullmorph und ihre Kombinationen
vier Kasus: Nominativ, Akkusativ, Genitiv, Dativ (meistens an den kongruierenden Wörtern
markiert)
Pluralbildung: 6 Typen, zwei davon haben auch einen Untertyp mit Umlaut:
Typ I. (a)
Typ II. (a)
Typ III.
Typ IV.
TypV.
Typ VI.
Hund-e
Lager-0
Lektor-en
Wäld-er
Auto-s
Deutsch-e/en
Hund-e
Lager-0
Lektor-en
Wäld-er
Auto-s
Deutsch-e/en
Hund-e
Lager-0
Lektor-en
Wäld-er
Auto-s
Deutsch-er/en
Hund-e-n
Lager-0-n
Lektor-en
Wäld-er-n
Auto-s
Deutsch-en
(b)
Füchs-e
Füchs-e
Füchs-e
Füchs-e-n
(b)
Väter-0
Väter-0
Väter-0
Väter-0-n
.
.
.
.
A.
T.
B.
R.
Die Mittel der Pluralbildung sind also:
I. (a) -e,
I. (b) —e
II.(a) −, II.(b) —
III. -(e)n
IV. —er
V. -s
VI. Adjektivendungen
Plural der Fremdwörter: mit ursprünglichen lateinischen, griechischen oder italienischen
Pluralformen
Die häufigeren fremden Pluralformen sind:
Abstraktum – Abstrakta, Femininum – Feminina, Neutrum – Neutra, Spezifikum – Spezifika,
Visum – Visa, Modus – Modi, Numerus – Numeri, Terminus – Termini, (aber: Termin –
Termine), Tempus – Tempora, Genus – Genera, Cello – Celli.
Anachronismus – Anachronismen, Basis – Basen, Datum – Daten, Drama – Dramen,
Epos – Epen, Firma – Firmen, Praxis – Praxen, Virus – Viren, Zentrum – Zentren usw.
Schwankungen:
Album – Alben/Albums, Konto – Konti/Konten/Kontos, Risiko – Risiken/Risikos, Atlas –
Atlanten/Atlasse, Examen – Examina/Examen, Index – Indizes/Indexe, Kodex –
Kodizes/Kodexe, Lexikon – Lexika/Lexiken, Matrix – Matrizes/Matrizen, Klima –
Klimate/Klimas, Komma – Kommata/Kommas, Pronomen – Pronomina/Pronomen, Schema –
Schemata/Schemas/Schemen, Semikolon – Semikola/ Semikolons, Tempo – Tempi/Tempos,
Spektrum – Spektren/Spektra usw..
Kasus
Deklination im Singular, vier Grundtypen:
I.
II.
III.
N. -0
N. -0
N. –0
A. -0
A. -(e)n
A. –0
G. -(e)s
G. -(e)n
G. –0
D. -(e)
D. -(e)n
D. –0
IV.
Adjektivendungen
Determinantien
• Determinantien werden nach den Kategorien Numerus, Kasus und Genus dekliniert
• zwischen das Determinans und das Substantiv kommen noch die dem Substantiv
untergeordneten Attribute, z.B. der mit einem scharfen Messer geschälte Apfel
• die Kategorie der Determiniertheit ist bei Determinantien eine feste Kategorie
• Determinans: Begleitwort − substantivisches Pronomen: Prowort
• das Determinans bildet eine gemeinsame Nominalphrase mit dem Substantiv (also ist nur
mit dem Substantiv und seinen Attributen zusammen verschiebbar)
• Determinantien sind:
o bestimmter Artikel
o unbestimmter Artikel
o Negationsform kein
o attributive Pronomina:
a) Possessivpronomina (z.B. mein)
b) Demonstrativpronomina (z.B. dieser)
c) Indefinitpronomina (z.B. irgendein)
d) Interrogativpronomina (z.B. welche)
o attributive Zahlwörter wie z.B. ein, beide, manche usw.
• Fehlen eines Determinans vor einem Substantiv: Nullartikel
• Einteilung der Determinantien in zwei Deklinationstypen:
o
dreiwertige: im Singular drei Nominativformen (z.B. der/die/das, dieser/diese/dieses
usw.)
o
zweiwertige: im Singular zwei Nominativformen (z.B. eine/ein, meine/mein usw.)
• Determinantien, deren Form unverändert bleibt: dessen, deren, wessen, bzw. solch, welch
Substantivisches Pronomen
• deklinierbar; ersetzt die Nominalphrase („Fürwort“), also hat kein eigenes Determinans
und Attribut; kein Genus
• heterogene Wortklasse, die nicht einheitlich charakterisiert werden kann
o
Deklinierbarkeit: einige mit 0-Endungen (etwas, nichts usw.) bzw. mit suppletiven
Formen (man − einen, ich − mich usw.)
o
Ersatzwort für NP: bei ich, du, wir, ihr wird das Verb anders konjugiert (NP ist immer
3. Person)
o
kein eigenes Determinans: aber ein jeder, alles beides, der deine (neben deiner) usw.
o
kein Attribut: aber nachgstellt: die des Vaters, einer meiner Freunde, jemand aus der
Gruppe usw.
o
kein Genus: aber: jemand, der … bzw. ich, der/die …, du, den/die … usw.
• Gruppen der substantivischen Pronomina:
Personalpronomen (ich, er),
Possessivpronomen (meiner, eure),
Demonstrativpronomen (das, dieser),
Reflexivpronomen (sich, mich),
Relativpronomen (der, denen),
Indefinitpronomen (etwas, einige),
Interrogativpronomen (wer, was),
Negationspronomen (nichts, niemand)
Das Adjektiv
• Wörter, die nach den Kategorien Genus, Numerus, Kasus und Determiniertheit
(schwach/stark) dekliniert werden können
• Deklination nur in attributiver Funktion (auch mit Null-Endungen, z.B. ein lila Kleid)
• Wörter, die nur eine prädikative Rolle haben können (z.B. futsch sein), bilden eine andere
Wortart (Kopulapartikeln)
• adjektivisch deklinierte Substantive sind wegen des festen Genus Substantive
• fünfte Kategorie: Graduierung − nur bei einer Subklasse
• nur schwache und starke Endungen, aber schwaches, starkes und gemischtes
Deklinationsparadigma
• Funktionen im Satz: Attribut (auch als Apposition), Prädikativ oder Adverbiale
• Einteilung nach der Graduierbarkeit, nach der Möglichkeit der prädikativen und
adverbialen Rolle:
Graduierbar?
Typ I
Typ II
Typ III
Typ IV
Typ V
Typ VI
Typ VII
Typ VIII
Typ IX
(schön)
(klein)
(stumm)
(tot)
(prima)
(lila)
(obere)
(ärztlich)
(Berliner)
+
+
–
–
–
–
+
–
–
Prädikative Adverbiale
Deklinierbar
Rolle
Rolle
?
möglich? möglich?
+
+
+
+
+
+
–
–
–
+
–
+
–
+
–
–
–(+)
–
+
+
+
+
–
–
+
–
–
Graduierung (oder Steigerung)
• 3 Stufen: Positiv oder Grundstufe, Komparativ oder Mehrstufe/Vergleichsstufe, Superlativ
oder Meiststufe/Höchststufe
• Bildung des Komparativs: mit dem Suffix -er, einige Stämme mit Umlaut
Beispiele:
Positiv Komparativ
klein
kleiner
groß
größer
dunkel
dunkler
klar
klarer
auch unregelmäßige, z.T. suppletive Formen
hoch höher
viel
mehr
gut
besser
usw.
Deklination des Adjektivs
• kongruiert in Genus, Numerus und Kasus mit dem Substantiv
• das Determinans bestimmt, ob es starke oder schwache Endungen hat (Determiniertheit)
• nachgestellte adjektivische Attribute werden nicht dekliniert (z.B. Sein Vater, alt und krank, konnte
den Garten nicht mehr bearbeiten)
• prädikativer Gebrauch der deklinierten Form: selten, meistens bei Bezugsadjektiven, z.B Die
Lösung kann nunmehr lediglich eine militärische sein
• feste Wortverbindungen: manchmal alte, undeklinierte Formen, z.B. ruhig Blut; Gut Ding will
Weile haben, Klein Fritzchen usw.; vor Orts-, Länder- oder Kontinentennamen werden ganz und
halb oft nicht dekliniert, z.B. Aus ganz Russland sind nur drei Gäste gekommen
Das starke, schwache und das gemischte Paradigma
• Endung des attributiven Adjektivs: entweder schwach oder stark
• nach einigen Determinantien: an bestimmten Paradigmenstellen (Nom. u. Akk. Sing.) starke, an
anderen schwache Endungen = gemischte Deklination
• starke Deklination: die Endungen stimmen größtenteils mit den Endungen der dreiwertigen
Determinantien überein − die genus-, numerus- und kasusmarkierende Funktion des Determinans
wird vom Adjektiv übernommen (determinierende Deklination)
o im Genitiv -n, weil es genügt, jede grammatische Bedeutung nur einmal zu markieren =
Prinzip der Monoflexion
o Kardinalzahlen sind keine Determinantien → stark, z.B. zwei alte Damen, aber: die drei alten
Damen
o gehäuften Attribute werden gleich dekliniert, z.B. klares, kühles Wasser usw.
o das dem anderen untergeordnete Adjektiv wird nicht dekliniert (z.B. politisch engagierte
Journalisten)
o nach den Adjektiven folgende, andere, viele, wenige bzw. nach einigen Determinantien (z.B.
mehrere, einige, manche, beide, alle, solche, welche, etliche, sämtliche) gibt es
Schwankungen
o nach dessen, deren, wessen, bzw. nach vorangestelltem Genitivattribut → stark
• schwache Deklination: nach dreiwertigen Determinantien: der/…, derselbe/..., derjenige/...,
dieser/..., jener/..., jeder/..., jeglicher/...
o schwankend nach aller/..., beide/..., sämtlicher/..., solcher/..., welcher/...
• gemischte Deklination: nach zweiwertigen Determinantien: ein (Artikel und ZahlwortDeterminans), kein, mein, dein, sein, ihr (Ihr), unser, euer
o der maskuline Singular Akkusativ kann auch als schwache Endung angesehen werden
Schwankungen:
Singular
Mask./
Neutr.
Dativ
allbeide
Mask.
Fem.
Neutr.
Andere
Nominativ Genitiv/
Nom./
Formen
Dativ
Akk..
schwach (stark: sehr selten, veraltet)
–
meistens
schwach
gewöhnlich
schwach
andereinig-
meistens
schwach
stark
gewöhnlich schwach
schwach
mehrere
–
sämtlich-
schwach
wenigwelchirgendwelch-
stark
gewöhnlich stark
manch-
viel-
schwach
gewöhnlich
schwach
schwach
Genitiv
Andere
Formen
gewöhn- schwach
lich
(stark:sehr
schwach
selten,
veraltet)
stark
etlichfolgend-
solch-
Plural
stark
gewöhnlich
schwach
meistens
stark
schwach
gewöhnstark
lich
schwach
stark
schwach (stark: sehr selten)
schwach oder stark
gewöhnlich stark
stark
meistens meistens
schwach
stark
stark (oder
gelegentlich)
schwach
meistens
stark
stark
stark
gewöhnoder
lich
schwach schwach
schwach oder
gelegentlich stark
gewöhnlich stark
stark
nach Personalpronomina: schwach oder stark, z.B. wir/ihr armen Teufel, uns(Akk) arme Leute, mir
armem/armen Mann
einige Adverbien haben Steigerungsformen:
(1) wohl – wohler – am wohlsten
(2) oft – öfter(s) – am häufigsten
(3) bald – eher – am ehesten (ENGEL 1992, 755 gibt neben eher auch die Formen
früher und bälder an)
(4) gern – lieber – am liebsten
Kardinalzahlen: zwei und drei im Genitiv -er (wenn ihnen kein Determinans vorangeht):
(1) a. die Unterkunft dreier Konferenzteilnehmer
b. die Unterkunft der drei Konferenzteilnehmer
zusammengesetzte Numeralia auf -ein sind fakultativ deklinierbar:
(2) a. von tausendein Nächten
b. von tausendundeiner [(?) tausend und einer] Nacht
nicht attributiv verwendete Numeralia bekommen von 2 bis 12 im Dativ die Endung -en:
(3) auf allen vieren
(4) zu dreien (vor den Computern sitzen)
einige weitere theoretische Vorschläge bezüglich des Deklinationssystems
„Gruppenflexion“ (Vertreter Fourquet 1970, Darski 1979, Durrell 1977): die flektierbaren
Wortarten bilden miteinander Syntagmen (z.B. D + A + N), die flexionsparadigmatisch eine
Einheit zeigen
Durrell (1977: 51): man hat es im Deutschen „nicht mit Wortparadigmen, sondern mit den
Paradigmen zwei- bis dreistelliger Wortgruppen zu tun“.
Ágel (1996): finites (und infinites) Substantiv
finit: wenn seine Flexionskategorien synthetisch oder analytisch auch formal ausgedrückt
werden, z.B. Äpfel, kleiner Mann, in der Josephstraße.
infinit ist z.B. Zucker im Satz Er kauft Zucker.
Endung des Substantivs: am Ende eines anderen Wortes (die starke Adjektivendung ist eigtl.
eine Substantivendung, nur die schwache ist die eigene Endung des Adjektivs)
9. Systematisierung der nicht flektierbaren Wörter
Adverb
• undeklinierbare Wörter, die selbstständige Satzgliedfunktion haben, z.B. hier, jetzt,
rittlings usw.
• Adjektiv in adverbialer Funktion ist kein Adverb (er schreibt schön)
• erststellenfähige Modalpartikeln (Modalwörter) sind keine Adverbien, da sie keine
Satzgliedfunktion haben, z.B. vielleicht, sicherlich
• Adverb ist eine Wortart, Adverbialbestimmung dagegen ein Satzglied
Konjunktionaladverbien
• sie entsprechen einerseits den Kriterien der Wortart Adverb, andererseits können sie die
Funktion von Konjunktionen übernehmen (z.B. deshalb, trotzdem usw.)
• sie sind alle koordinierend
das Verb steht direkt nach ihnen, sie sind anaphorisierbar (erfragbar)
die den interrogativen Adverbien entsprechenden indefiniten und negierenden Adverbien:
interrogativ
wo?
indefinit
irgendwo
negierend
nirgend(s)wo
nirgends
wohin?
irgendwohin
(Wohin gehst du?/Wo gehst du
nirgend(s)wohin
nirgend(s)hin
hin?)
woher? (von wo?)
irgendwoher
(Woher kommst du?/Wo kommst
nirgend(s)woher,
nirgend(s)her
du her?)
wann?
irgendwann
wie lange?
–
wie oft?
–
wie?
irgendwie
nie, niemals
–
niemals (keinmal)
(auf keine Weise)
warum? weshalb? weswegen?
–
–
wozu?
–
–
semantische Klassen: aus rein grammatischer Sicht nicht besonders wichtig
nur in folgenden Fällen:
a)
die obligatorische oder fakultative Ergänzung bestimmter Verben (z.B. wohnen –
wo? hier, im Haus, bei den Eltern usw.)
b)
das Attribut nicht deverbaler Substantive: nur Lokaladverb sein, z.B. das Haus
dort, der Weg dorthin usw.; neben deverbalen Substantiven: jede beliebige
Adverbialbestimmung, z.B. die Begegnung gestern, das Wandern barfuß usw.
vier semantische Klassen eingeteilt: Lokaladverbien, Temporaladverbien, Modaladverbien und Kausaladverbien; es kann weiter verfeinert werden (z.B. ob die Lokaladverbien
einen Ort oder eine Richtung ausdrücken)
Partikeln
• unflektierbare Wörter, die nicht erfragt werden können, keine Kasusrektion haben, aber
Teile der Satzstruktur sind
• eine heterogene Klasse, was ihren Bezugsbereich (Skopus), ihre Funktionen und ihre
Wortfolgeeigenschaften betrifft
• Partikeln sind im Satz entweder sekundäre Satzglieder oder Attribute
• sekundäres Satzglied: weder eine Ergänzung noch eine freie Angabe zum Prädikat (z.B.
Vielleicht hatte er recht; ohne Erststellenfähigkeit: Ich habe dich doch gewarnt)
• attributive Partikeln: sind bestimmten Satzgliedern untergeordnet und nur mit diesen im Satz
verschiebbar, z.B. nicht Wolfgang
• einige Adjektive stehen in undeklinierter Form nicht in adverbialer Funktion, sondern als
sekundäre Satzglieder im Satz, z.B. vermutlich, angeblich usw.
• Einteilung der Partikeln nach
o
Skopus:
1. Attribute, also einem Satzglied (nicht dem Prädikat!) untergeordnet: v.a. Gradpartikeln,
z.B. zu, sehr usw.
2. sekundäre Satzglieder, die
a) erststellenfähig sind und
a1) Entscheidungsfragen allein beantworten können, sind Modalpartikeln (oder
Modalwörter), z.B. vielleicht, sicherlich usw.
a2) Entscheidungsfragen nicht beantworten können, sind Rangierpartikeln, z.B.
eigentlich, gottlob, überhaupt usw.
b) nicht erststellenfähig sind, gehören i.d.R. zu den Abtönungspartikeln, z.B. mal, ja,
aber
o
•
Wortfolgeeigenschaften: die Partikel kommt vor dem finiten Verb
a) allein vor (z.B. vielleicht, beispielsweise usw.)
b) nur mit anderen Wörtern vor (z.B. recht, zu usw.)
c) nie allein vor (z.B. überhaupt, denn usw.)
die Klasse der Partikeln ist nicht geschlossen, ein produktives Suffix ist -(er)weise, z.B.
erstaunlicherweise, (un)glücklicherweise, möglicherweise usw.
Präposition
unflektierbare Wortart, mit Kasusrektion, Kontaktstellung (anders als Kopulapartikeln)
(1)
Gegenüber unserem Haus / Unserem Haus gegenüber ist ein Reisebüro.
(2) a. Noch immer war sie dem Jungen gram.
b. Dem Jungen war sie noch immer gram.
auch postpositiv, z.B. halber, zuliebe, zuwider
Präpositionen aus zwei Textwörtern: um ... willen, von ... an, von ... aus, von ... wegen.
eine bestimmte Gruppe der Präpositionen: sowohl mit Dativ als auch mit Akkusativ;
Präpositionen mit Genitiv: zumeist aus anderen Wortarten (außerhalb, bezüglich, jenseits
usw.). Schwankungen z.B. dank G/D, einschließlich G/A, entlang G/A/D
bei vielen Präpositionen, die grundsätzlich mit Genitiv stehen, gibt es eine regelmäßige
Schwankung: Pluralform mit Dativendung -n, z.B. Während vier Tagen hat es geschneit
prädikative Adjektive (Kopulapartikeln): nicht deklinierbar, können Kasusrektionen haben,
Kontaktstellung mit der Nominalphrase ist nicht nötig
(1) Ihre Firma ist pleite.
(2) Die Kinder sind ihrer Lehrerin sehr zugetan.
Konjunktionen: nicht flektierbar, nicht anaphorisierbar, keine Kasusrektion,
Funktion: Verbindung von Syntagmen, d.h. von Wörtern, Wortverbindungen, Teilsätzen und
ganzen Sätzen
(1)
Heute oder morgen soll er ankommen.
(2) Sie fährt mit dem Bus und er mit dem Zug zur Arbeit.
(3) Es beunruhigte ihn, daß sie noch immer nicht zu Hause war.
(4) Sie können jetzt gehen. Oder wollten Sie noch etwas fragen?
zwei Gruppen: subordinierende (unterordnende) Konjunktionen (z.B. weil, daß, ob), Verbum
finitum am Ende des Teilsatzes steht (auch Subjunktoren genannt),
koordinierende (nebenordnende) Konjunktionen (z.B. und, denn, also, sonst), bei anderen
Verbstellungen
mehrgliedrige Konj. (z.B. als ob, je..., desto; weder..., noch usw.).
Verbindung der Konjunktion mit einem Korrelat (z.B. es, so, dann, darauf)
(5) Ich wollte es vermeiden, dass er mich wieder anruft.
Bindewörter mit Satzgliedfunktion sind die sog. Konjunktionaladverbien (z.B.
deswegen, infolgedessen, trotzdem usw.)
Ein Teil der koordinierenden Konjunktionen (z.B. und, aber, sondern, denn) steht nicht
unmittelbar vor dem Verb. Die anderen koordinierenden Konjunktionen stehen entweder
direkt vor dem Verb oder im Feld nach dem Verb.
Unterscheidung
zwischen
Subordination
und
Koordination
basiert
auf
den
Wortfolgeeigenschaften.
(1) a.Er war zwar krank, trotzdem ging er in die Schule. (koordinierend)
b. Obwohl er krank war, er ging (trotzdem) in die Schule. (subordinierend)
Satzäquivalente: ungegliederte, selbständige Sätze, z.B. bitte und danke, ja, nein und doch,
bzw. die Interjektionen (z.B. ach, hallo, kikeriki)
auch bestimmte Partikeln und Adjektive können Entscheidungsfragen beantworten (z.B.
allerdings, eben, immerhin, schon, vielleicht, freilich, bestimmt, gewiss, sicher, vermutlich,
natürlich, selbstverständlich, unbedingt, wahrscheinlich usw.)
Interjektionen: drei funktionale Untergruppen:
a) Gefühl (ach, hoho, jucchee, i wo usw.)
b) Wille (heda, pscht, hü usw.)
c) lautmalerische und lautnachahmende Interjektionen (hatschi, tatütata, kikeriki usw.).
10. Wortbildung
• gewisse Wörter veralten, andererseits entstehen immer wieder auch neue Wörter
• Produktion von neuen Wörtern aus den vorhandenen Morphemen: Wortbildung
• Struktur der Wörter:
Morphemanalyse: Ver + voll + komm + n + ung
Wortbildungsanalyse: vollkommen → vervollkommnen → Vervollkommnung
bei Letzterer werden nur die Morpheme getrennt, deren Bedeutung in der Gesamtbedeutung
nachweisbar ist, deshalb wird vollkommen nicht in voll und kommen zerlegt (aber: voll + pumpen)
• die synchrone Wortbildungsanalyse weicht selten von der diachronen Etymologie des Wortes ab,
z.B. Freimut → freimütig, aber in Wirklichkeit ist es eine Rückbildung, d.h. freimütig > Freimut
• Grad der Produktivität von WBModellen/Affixen: keine neuen Bildungen sind z.B. heute mit dem
unproduktiven Suffix -sal zu erwarten (vgl. Schicksal, Drangsal usw.)
• sogar bei produktiveren Modellen sind konkrete Bildungen weitgehend unvorhersagbar (u.a. wegen
der ziemlich allgemeinen Affixbedeutungen und der Synonymie von Affixen), vgl. erleben
→Erlebnis, aber: beleben → Belebung
Wortbildungsarten
• nur selten werden ganz neue Formen geprägt − das nennt man Wortschöpfung, die nicht zur
Wortbildung gehört (z.B. Schallworte; sie sind in verscheidenen Sprachen ähnlich, z.B. dt.
tschilpen und ung. csiripel)
• neue Phonemreihen entstehen auch bei der Kurzwortbildung, jedoch auf der Grundlage des
vorhandenen Sprachmaterials, z.B. DaF, Azubi
• neue Wörter können auch Lehnwörter sein, aber das ist auch keine Wortbildung
• Arten der Wortbildung:
Komposition
Derivation
Konversion
Abbreviation
Doppelung
weitere besondere Formen wie Kontamination, Rückbildung, Zusammenbildung
Komposition
• keine Regel begrenzt die Zahl der Komponenten, vgl. Donauschifffahrtsgesellschaftskapitänsuniform J , aber: Vereinsjahreshauptversammlung oder Neugeborenenintensivpflegestation (vgl. Google-Suche)
• Klassifizierungsmöglichkeiten: nach der a) Zahl der Komponenten b) Wortart der Komponenten
c) inhaltlichen Beziehung zwischen den Komponenten
• ein Kompositum enthält mindestens zwei Stämme und eventuell auch Affixe
a. holen → erholen (sich) → Erholung
b. Erholung + Heim → Erholungsheim
a. Not + landen → notlanden
b. notlanden → Notlandung
• Fugenzeichen (Interfixe):
-e- – Haltestelle; (aus dem Plural) Händedruck
-er- – (aus dem Plural) Bücherschrank (aber: Buchhandlung)
-en-, -n- – (aus dem Plural) Bärenhunger, Lampenfieber, Themenkreis (aber: Themabestimmung)
-ns- – (aus dem Genitiv Sg.) Glaubensfreiheit, Namenstag (aber: Namenliste)
-es-, -s- – Freiheitskampf, Erholungsheim, Gottesdienst
-o- (-i-) – Chemotherapie, Elektromotor
• Bindestrich: bei Initialwörtern immer (z.B. U-Boot, CDU-Mitglieder), nur empfohlen, wenn
dadurch die Struktur transparenter wird (z.B. Herzinfarkt-Rehabilitationszentrum, ArmeeEinheiten, Gips-Schwefelsäure-Fabrik)
Klassifikation nach der Wortart
• zwei unmittelbare Konstituenten: Erstglied (Bestimmungswort) und Zweitglied (Grundwort)
• Konstituenten können selbst Komposita sein
• Wortart des Kompositums: zumeist identisch mit der des Zweitglieds, z.B.
einsteigen (V) + Bahnhof (N) → Einsteigebahnhof (N)
• aber das Kompositum kann suffigiert werden, wodurch oft auch seine Wortart verändert wird:
a. lang (A) + Weile (N) → Langeweile (N)
b. Lang(e)weile (N) + -ig → langweilig (A)
die Wortart wird also vom letzten Suffix bestimmt (es gibt kein Adjektiv *weilig)
Wortartenkombinationen der beiden unmittelbaren Konstituenten (UK):
I. Substantiv als Zweitglied
a) Subst. + Subst.
Straße + Bahn → Straßenbahn
b) Adj. + Subst.
privat + Geschäft → Privatgeschäft
c) Verb + Subst.
bestellen + Nummer → Bestellnummer
d) Pron. + Subst.
wem + Fall → Wemfall
e) Num. + Subst.
fünf + Kampf → Fünfkampf
f) Präp. + Subst. (diese Erstglieder können auch als Präfixe betrachtet werden)
aus + Weg → Ausweg
g) Adv. + Subst.
sofort + Aktion → Sofortaktion
II. Adjektiv als Zweitglied
a) Subst. + Adj.
Arbeit + unfähig → arbeitsunfähig
b) Adj. + Adj.
schwer + krank → schwerkrank
c) Verb + Adj.
triefen + nass → triefnass
d) Pron. + Adj.
selbst + sicher → selbstsicher
e) Num. + Adj.
dreiviertel + lang → dreiviertellang
f) Adv. + Adj.
rechts + radikal → rechtsradikal
g) Präp./Präfix + Adj.
mit + schuldig → mitschuldig
III. Adverb als Zweitglied
a) Adv. + Adv.
überall + hin → überallhin
b) Pron. + Adv.
aller + frühestens → allerfrühestens
IV. Verb als Zweitglied
a) Verb + Verb
spülen + bohren → spülbohren
Erstglied häufiger als Inf. oder Partiz.
kennen + lernen → kennenlernen (auch: kennen lernen)
b) Subst. + Verb
Kopf + rechnen → kopfrechnen
diese sind untrennbar; trennbar und daher eher lexikalisierte Wortverbindungen sind z.B.
kopfstehen (er steht Kopf), staubsaugen (auch: Staub saugen) usw.
c) Adj. + Verb
froh + locken → frohlocken
trennbare sind auch hier als Wortverbindungen zu behandeln, z.B. festhalten (er hält fest)
d) Adv. + Verb
rück + fragen → rückfragen (nur als Inf. oder im Nebensatz)
V. Präposition als Zweitglied
Wortart: hier nicht identisch mit der des Zweitgliedes, sondern Adverb oder Pronominaladverb
a) Adv. (hin/her) + Präp. → Adverb
hin + auf → hinauf
b) Adv. (da(r)/wo(r)/hier) + Präp. → Pronominaladverb
da + auf → darauf
c) Pron. + Präp. → Adverb (Zusammenbildungen)
dem + gegenüber → demgegenüber
VI. Pronomen als Zweitglied
i.d.R. Konjunktionaladverbien; Erstglied: Präp., das Pron. steht im regierten Kasus (also
Zusammenbildung)
außer + dem → außerdem
infolge + dessen → infolgedessen
neuere Präpositionen: Zusammenbildungen aus Präp. + Subst., z.B. in + Folge → infolge (auch: in
Folge)
Klassifikation nach dem Verhältnis zwischen den Komponenten
• nicht bestimmbar, wenn die ursprüngliche Motivation verblasst ist (z.B. Junggeselle) oder eine der
Komponenten als Wort nicht mehr existiert (z.B. Himbeere)
• koordinierendes Verhältnis: nur kopulativ (’und’), z.B. Strumpfhose: Strumpf und Hose zugleich;
manchmal ist die Reihenfolge variabel, z.B. Hosenrock/Rockhose, Uhrenradio/Radiouhr
• subordinierendes (und prädikatives) Verhältnis
Rektionskomposita: Satzglied- oder attributives Verhältnis − jeweils diverse semantische Rollen
(z.B. Danksagung: ’Dank sagen’ − Akkusativobjekt, semantisch: ’Inhalt’)
keine Rektionskomposita sind, in deren Paraphrasen weitere Lexeme erscheinen (z.B.
Maschinenfabrik: ’Fabrik, die Maschinen herstellt’)
subordinierende Komposita kann man in Determinativkomposita und Possessivkomposita teilen
• Arten der Determinativ- und Possessivkomposita:
a) Subjektkomposita
− das Erstglied ist das Subjekt, z.B. Völkerwanderung – ’die Völker wandern ’
− das Zweitglied ist das Subjekt, z.B. Lebewesen – ’Wesen, das lebt’
b) Objektkomposita
− das Erstglied ist das Objekt, z.B. Sprachunterricht – ’man unterrichtet die Sprache’
− das Zweitglied ist das Objekt, z.B. Trinkwasser – ’man trinkt das Wasser’
c) Adverbialkomposita
− Modalbest., z.B. Schnelldrucker – ’(das Gerät) druckt schnell’
− Instrumentalbest., z.B. Maschinenschrift – ’mit der Maschine geschrieben’
− Komitativbest., z.B. Wurstbrot – ’Brot mit Wurst’
− Lokalbest., z.B. Auslandsreise – ’Reise ins Ausland’
− Temporalbest., z.B. Abendzeitung – ’die Zeitung erscheint abends’
− Finalbest., z.B. Rasierapparat – ’der Apparat dient zum Rasieren’
− Konsekutivbest., z.B. Lachreiz – ’die Folge des Reizes ist Lachen’
d) Attributivkomposita
viele attributive Konstruktionen können auch in der Form von Komposita ausgedrückt werden:
Warmwasser – ’warmes Wasser’ (’das Wasser ist warm’)
Hemdkragen – ’Kragen des Hemdes’
e) weitere Beziehungen
− Zuständigkeit, z.B. Kinderarzt ’ein für Kinder(krankheiten) zuständiger Arzt’
− Name, z.B. Schillerstraße ’eine Straße mit dem Namen (von) Schiller’
− Gradbestimmung, z.B. hochverschuldet, superbillig
− Vergleich, z.B. schneeweiß ’weiß wie der Schnee’
− Rektion, z.B. blutarm ’arm an Blut’ (in der Umgangsspr. kann es auch ’sehr arm’ bedeuten, mit der
Betonung auf arm)
− Nebenordnung + Reihenfolge, z.B. deutsch-ungarisch (z.B. Wörterbuch), schwarz-rot-gold
die Paraphrase einiger Komposita enthält wesentlich mehr Lexeme als die Komponenten, z.B.
Luft-Boden-Rakete: ’eine von der Luftwaffe aus der Luft gegen Ziele auf dem Boden
abgeschossene Rakete’
Zusammenbildungen: die Beziehung der Elemente des Ausgangssyntagmas bleibt erhalten
(meistens einigermaßen verblasst), z.B. Schlagetot, Außerachtlassen usw.
Ableitung (oder Derivation)
• an ein Wort wird ein gebundenes Morphem angehängt, wodurch ein neues Lexem entsteht
• Abgrenzung gegen Komposition: bei Letzterer wird einem Wort ein anderes Wort angefügt
(1) Kind + -heit → Kindheit (Ableitung)
(2) Kind + Taufe → Kindtaufe (Komposition)
• Abgrenzung gegen Flexion: bei Letzterer entsteht kein neues Lexem
(3) Kind + -er → Kinder (Flexion)
(4) Kind + -heit → Kindheit (Ableitung)
•
Ableitungsaffix von rechts (hinten): Suffix
•
Ableitungsaffix von links (vorne): Präfix
•
weitere Ableitungssuffixe nach einem Suffix: lehr(en) + er → Lehrer; Lehrer + in → Lehrerin
•
formenbildende Suffixe nach Ableitungssuffixen: Freund + -lich → freundlich; freundlich + e →
freundliche; freundlich + er + e → freundlichere
•
Grundwort als Derivat: Lehrer + -in → Lehrerin
•
Grundwort als Kompositum: Landsmann + in → Landsmännin
•
Grundwort als Derivat und Kompositum: Deutschlehrer + -in → Deutschlehrerin
•
Suffix: kann die Wortart unverändert lassen (z.B. Mensch + -heit → Menschheit) oder verändern
(z.B. frei + -heit → Freiheit)
•
Präfix: verändert selten die Wortart (z.B. er- + blind → erblind(en))
•
Konfix: gebundenes Morphem fremder Herkunft; Stamm oder Affix? z.B. poly-, pseudo-, super-
Präfixe
•
treten von links (vorne) an das Grundwort
•
Funktion: Wortbildung (nur ge- hat z.T. formenbildende Funktion)
•
die meisten sind Verbalpräfixe
•
vor Verbstämmen können weitere Stämme stehen, die aber keine Präfixe sind (z.B. froh + locken
→ frohlocken: Kompositum, hinein + gehen → hineingehen: Wortverbindung, weil trennbar)
•
trennbare Präfixe (auch: Halbpräfixe, Präfixoide, Verbzusätze): selbstständige Textwörter, aber
keine Lexeme → mit Verbstämmen bilden sie Derivate (z.B. auf + stehen → aufstehen)
•
•
Verbalpräfixe: nicht nur mit Verbstämmen, z.B. Umweg, Ausland
nicht verbale Präfixe sind nie trennbar, z.B. ungünstig (aber verbale in Substantiven ebenfalls
nicht, z.B. Aufräumung)
Funktionen und/oder Bedeutungen der einzelnen Präfixe
•
Verbalpräfixe
be1. Transitivierung
z.B. dienen + Dat. → bedienen + Akk., kämpfen + gegen + Akk. → bekämpfen + Akk.
2. Objektverschiebung
z.B. liefern + Dat., Akk. → beliefern + Akk., mit + Dat., laden + auf + Akk., Akk. → beladen + Akk.,
mit + Dat.
3. transitive Synonyme von Transitiva, auch mit Intensivierung
z.B. fürchten → befürchten, fragen → befragen
4. Bildung von Transitiva aus Adjektiven
z.B. reich → bereichern (aus der Komparativform reicher), ruhig → beruhigen
(es gibt ja keine Verben *fähigen, *reichern oder *ruhigen)
aber nicht alle Verben mit be- sind transitiv, z.B. bedürfen + Gen.; der Stamm von begegnen und
beginnen existiert nicht als Wort
5. aus Substantiven: Adjektive i.d.B. ’ist versehen mit …’ (ornativ) (Zirkumfix be- …-t)
z.B. Brille → bebrillt, Moos → bemoost
nur Scheinpartizipien, *bebrillen und *bemoosen gibt es nämlich nicht
Ableitungssuffixe (De rivationssuffixe)
•
treten von rechts (hinten) an das Basiswort (Grundwort)
•
sie sind gebundene Morpheme
•
einige verändern die Wortart des Basiswortes
(4) (neue Wörter) bilden → Bildung (von neuen Wörtern) − ohne Bedeutungsveränderung
(5) (einen Text) vorlesen → Vorlesung (halten, besuchen usw.) − mit Bedeutungsveränderung
•
Gruppierung nach Wortart der Derivate − Wortart des Basiswortes kann auch bei einem Suffix
variieren:
(6) a. erlauben (Verb) + -nis → Erlaubnis
b. finster (Adj.) + -nis → Finsternis
c. Bund (Subst.) + -nis → Bündnis
a) Bildung von Substantiven
-ei (-elei, -erei)
1. aus Substantiven:
– ’Ort’
z.B. Karte → Kartei, Bäcker → Bäckerei, Bücher → Bücherei (aus dem Plural)
– ’für das Basiswortdenotat charakteristisches Verhalten/Ding’
z.B. Ferkel → Ferkelei, Teufel → Teufelei, Kinder → Kinderei (aus dem Plural)
– Sammelname
z.B. Staffel → Staffelei, Gauner → Gaunerei, Länder → Länderei (aus dem Plural)
2. aus Verben (v.a. in der Variante -erei)
– abwertend
z.B. brüllen → Brüllerei, essen → Esserei, recht haben → Rechthaberei, heucheln → Heuchelei
– ’Ergebnis einer Handlung’
z.B. häkeln → Häkelei, schnitzen → Schnitzerei
b) B i l d u n g v o n A d j e k t i v e n
-bar
1. aus Verben:
– ’die betreffende Handlung kann in Bezug auf den (Akkusativ)Objektreferenten ausgeführt werden’
z.B. waschen → waschbar, auffinden → auffindbar, deklinieren → deklinierbar
– ’der betreffende Vorgang kann in Bezug auf den Subjekt- oder einen (nicht akkusativischen)
Objektreferenten geschehen’ (nur aus Intransitiva)
z.B. gerinnen → gerinnbar (Subj.), (nicht) entrinnen → (un)entrinnbar (Dativobj.)
2. aus Substantiven:
– ’Eignung’ (selten)
z.B. Jagd → jagdbar, Schiff → schiffbar, Frucht → fruchtbar
in weiteren Bedeutungen: furchtbar, mittelbar
3. aus Adjektiven:
– Synonym des Basiswortes (ziemlich selten)
z.B. offen → offenbar
c) B i l d u n g v o n A d v e r b i e n
-s
1. aus Substantiven:
– ’Zeit’
z.B. Abend → abends, Anfang → anfangs, Sommer → sommers
aus Wortverbindungen: der heutige Tag → heutigentags
– ’Ort’ (nur aus Wortverbindungen)
z.B. viele Orte → vielerorts, alle Orte → allerorts, hinter dem Rücken → hinterrücks (auch
Modaladverb)
– ’Art und Weise’
z.B. Flug → flugs, Teil → teils, Ring → rings (kombiniert mit Lokaladverbialien mit um)
2. aus Adjektiven:
z.B. besonder → besonders, link- → links, ander- → anders, vergeben → vergebens (aus Partizip)
d) B i l d u n g v o n V e r b e n
-(e)l
1. aus Substantiven:
– ’etw. so / zu dem machen, was das Basiswort bezeichnet’
z.B. Falte → fälteln, Haufe(n) → häufeln, Stück → stückeln
– diminutiv und/oder iterativ
z.B. Frost → frösteln, Schlange → sich schlängeln, Herbst → herbsteln
– ’so sprechen wie die betreffende Menschengruppe (so einen Akzent haben)’
z.B. Sachse → sächseln, Franzose → französeln
2. aus Verben:
– diminutiv und/oder iterativ
z.B. lachen → lächeln, husten → hüsteln, streichen → streicheln, tanzen → tänzeln
3. aus Adjektiven (selten):
– ’sich verhalten wie jemand mit der betreffenden Eigenschaft’
z.B. fromm → frömmeln, blöd → blödeln, klug → klügeln
Konversion
• Veränderung der Wortart ohne die Verwendung irgendeines Affixes
• es wird selten auch die Bedeutung modifiziert, z.B. das Schreiben – 1. ’Schreiben als Handlung’
2. ’Produkt der Handlung’
• Konversionsprodukt: meistens Substantiv (alle Wortarten können substantiviert werden)
• Einteilung nach Wortarten:
Substantive
a) aus Verben:
1. aus dem Stamm, z.B. (der) Ruf
2. aus dem Infinitiv, z.B. (das) Lachen
3. aus einer finiten Form, z.B. (das) Muss
b) aus Adjektiven:
1. mit adjektivischer Deklination, z.B. (der/die/das) Deutsche, (der/die) Reisende, (der/die) Angestellte
2. mit substantivischer Deklination, z.B. (das) Deutsch, (das) Grün
c) aus Adverbien:
z.B. (das) Heute
d) aus Numeralia:
z.B. (die) Hundert, (das) Hundert
e) aus Pronomina:
z.B. (der) Jemand
f) aus Präpositionen:
z.B. (das) Für und Wider
g) aus Konjunktionen:
z.B. (das) Aber
h) aus Partikeln:
z.B. (das) Nur
i) aus Satzäquivalenten:
z.B. (das) Ja
Adjektive:
a) aus Verben:
z.B. wach
b) aus Substantiven:
z.B. schmuck, koralle
Verben:
a) aus Substantiven:
z.B. filmen
b) aus Adjektiven:
z.B. lahmen
• Richtung der Konversion:
a) aufgrund der allgemeinen semantischen Merkmale der Wortarten
z.B. Verb und Substantiv, die ein Geschehen ausdrücken − Basiswort ist das Verb (z.B. kaufen →
Kauf, aber: Film → filmen, da Film ein Gegenstand ist)
b) aufgrund der morphologischen Struktur
z.B. Verbalpräfix im Verb und Substantiv − Basiswort ist das Verb (z.B. besitzen → Besitz)
Stammvokalwechsel: keine Konversion, sondern implizite Derivation, z.B. werfen → Wurf,
verbieten → Verbot, binden → Band und Bund, Grund → gründen
Kurzwortbildung (Abbreviation)
• Teile von Stämmen werden weggelassen, z.B. Lokomotive → Lok, Omnibus → Bus, Newton → N
• Kombinationen mit anderen Wortbildungsarten:
mit Komposition: Geheime Staatspolizei → Gestapo, Technischer Überwachungs-Verein →
TÜV, Obergeschoss → OG
mit Ableitung: Trabant → Trab+i, logisch → log+o
• weggelassen werden können Wortteile von
a) dem Ende, z.B. Stefan → Stef, Fotografie → Foto, Oberkellner → Ober, Kilobyte → K
b) dem Anfang, z.B. Martina → Tina, Violoncello → Cello, Schallplatte → Platte
c) der Mitte, z.B. Sanitärraumzelle → Sanizelle, Apfelbaumplantage → Apfelplantage (diese
heißen auch Klammerformen)
d) dem Anfang und dem Ende, z.B. Sebastian → Basti, Elisabeth → Lisa
• Komposita aus Kurzwörtern:
1. Silbenwörter (z.B. Motorfahrrad → Mofa)
2. Initialwörter
a) buchstabiert (z.B. TV [tef], DAAD [de|a'de:] (Deutscher Akademischer Austauschdienst))
b) in phonetischer Gebundenheit (z.B. TÜV [tf], BAföG (Bundesausbildungsförderungsgesetz), bzw. fremde Initialwörter wie UNO, RAM, NATO usw.)
3. Kurzwort + Vollform (z.B. Schukostecker (Schutzkontakt → Schuko.), Kfz-Werksatt (Kraftfahrzeug → Kfz), U-Bahn (Untergrundbahn))
• Komposition und Derivation von Kurzwörtern: „Kurzwort-Wortbildung”
Doppelung (oder Reduplikation)
• keine Doppelung i.e.S.: emphatische Wiederholungen (z.B. sehr-sehr, viele-viele, ja-ja, los-los
usw.), lautmalerische Interjektionen (z.B. peng-peng, zack-zack), kindersprachliche Wörter (z.B.
Wauwau)
• als Wortbildungsprodukte gelten:
a) einfache Doppelung (z.B. halbe-halbe)
b) Reimdoppelung (z.B. Schickimicki, Schorlemorle)
c) Ablautdoppelung (z.B. Mischmasch, Singsang, Wirrwarr, Tingeltangel usw.)
Kombinationen von Wortbildungsarten
• gleichzeitige Anwendung verschiedener Wortbildungsarten
• Autoschlosser gehört nicht dazu, weil die Schritte nacheinander folgen:
(1) a. Schloss + -er → Schlosser
b. Auto + Schlosser → Autoschlosser
• aber bei fünfjährig vereinigen sich zwei Stämme und ein Suffix in einem Schritt:
(2) a. fünf + jahr + -ig → fünfjährig
b. *fünfjahr / * jährig
• eine Klassifizierung von Typ (2):
a) Wort + Wort + Suffix
z.B. fünfjährig, Holzfäller (es gibt weder *holzfällen noch *Fäller)
b) Präfix + Wort + Suffix
z.B. befriedigen (kein *friedigen), begnadigen (kein *gnadigen), unwiderstehlich (kein
*widerstehlich)
c) Präfix + Wort + Konversion
z.B. beglückwünschen (aus Glückwunsch, aber es gibt kein *glückwünschen)
verkraften (es gibt kein *kraften, nur Kraft)
d) Wort + Wort + Wort
z.B. Achtstundentag (es gibt weder *Achtstunden noch *Stundentag)
Neue Bildungen der letzten Jahrzehnte
• vorwiegend umgangssprachliche und jugendsprachliche Neubildungen
o
Abkürzung + Suffix -i
o
o
o
o
o
o
o
o
z.B. Student → Studi, Ostdeutscher → Ossi, Konzert → Konzi, Zigarette → Ziggi
einige Kurtzwörter enden auch ohne Suffix auf i
z.B. Universität → Uni, prominente Person → Promi
seltener auch die Suffixe -o und -e
z.B. Anarchist → Anarcho, logisch → logo, emanzipierte Frau → Emanze (pejorativ)
einige Kurtzwörter enden auch ohne Suffix auf o
z.B. Majonäse → Majo, Homosexueller → Homo
einige Silbenwörter enden auch ohne Suffix auf o, e oder i
z.B. Jungsozialist → Juso, Wasserwerfer → Wawe, Schiedsrichter → Schiri
diese Suffixe werden auch an vollständige Stämme angehängt
z.B. brutal → Brutalo, brumm(en) → Brummi ’großer Laster, Lastzug’
Suffix -e nach Verbstamm: nicht neu, aber es gibt umgangssprachliche Neubildungen
z.B. mögen → Möge ’Lust’, machen → Mache ’unechtes Gehabe’
-itis: fachsprachlich für Erkrankungen, später ugs. für krankhaft übertriebene Tätigkeiten
z.B. Sommer-Festival → Sommer-Festivalitis, Fotokopieren → Fotokopieritis, Mattscheibe →
Mattscheiberitis (ständiges Fernsehen)
Stämme englischer Herkunft mit deutschen Flexions- und Wortbildungsmorphemen
z.B. to leas → leasen (ich lease, du least, hast geleast usw.), to flip → flippen → ausflippen,
wegflippen, handicap → handicapen (handicapte, h. gehandicapt)
11. Lexikologie; paradigmatische Beziehungen in der Lexik
Lexikologie (auch: Wortkunde, Wortlehre): Teilbereich der Sprachwissenschaft
Gegenstand: Erforschung und Beschreibung des Wortschatzes
Teilbereiche: Semantik, Wortbildung, Stilistik (die nicht nur zu dieser Disziplin gehören).
formbezogene Systematik im Wortschatz: Wortbildung
inhaltsbezogene paradigmatische Beziehungen: Semantik
Lexikologische Semantik
Verhältnis von Lautung und Bedeutung in zwei Richtungen: Form → Inhalt = Semasiologie;
Inhalt → Form = Onomasiologie.
Denotat: das Bezeichnete (auch "Referenz eines Ausdrucks" genannt)
Bedeutung: entspricht dem Begriff, der die potentiellen Denotate eines Ausdrucks
zusammenfassend beschreibt; außerdem die Beziehung zwischen der sprachlichen Form und
dem Denotat; z.B. der Sieger von Austerlitz und der Verlierer von Trafalgar: ein
gemeinsames Denotat (B. Napoleon), aber ihre Bedeutungen sind verschieden.
Bedeutung: lexikalische, grammatische
Den einzelnen grammatischen Bedeutungen können verschiedene lexikalische Bedeutungen
entsprechen, z. B. dem "Akkusativ Singular" eine Zeitdauer (eine Stunde habe ich gewartet),
ein Zeitpunkt (wir treffen uns nächste Woche), ein Produkt (Mutti bäckt Pfannkuchen) usw.
Form und Bedeutung sind zwei Seiten eines Dings
Gleichheit der Bedeutungen: Synonymie
auf verschiedenen Ebenen: lexikalisch: Eile – Hast; morphologisch: fährt – wird fahren;
syntaktisch: es ist zu erreichen – man kann es erreichen
Synonyme unterscheiden sich: denotative Merkmale (Geruch, Gestank, Duft), wertende
Merkmale (Pfarrer, Pfaffe; Hund, Köter), stilistische Markierungen (schlafen, pennen),
verschiedene Kombinationsmöglichkeiten (dick mit Mann und Frau, mollig hingegen nur mit
Frau).
okkasionelle (gelegentlichen) Synonyme; z.B. bei H. Heine das Harzflüsschen Ilse: "der
muntere Bergbach", "Prinzessin Ilse", "das lustige Mädchen", "das liebliche Kind“
Formgleichheit bei unterschiedlicher Bedeutung: Homonymie – wenn zwischen ihren
Bedeutungen keinerlei verbindende Merkmale vorliegen, sonst ist es Polysemie (z. B. Fuchs
1. 'Raubtier mit rötlich-braunem Pelz, das als listig gilt' 2. 'listiger Mensch')
Formähnlichkeit: gleiche Lautketten, die nicht gleich geschrieben werden (z. B. her und Heer,
Mohr und Moor): Homophone, und gleiche schriftliche Formen, die nicht gleich
ausgesprochen werden (z. B. übersetzen und übersetzen, (Um)weg und (hin)weg):
Homographe
(Homonymie/Polysemie als viel diskutiertes Problemfeld soll später weiter thematisiert
werden)
Antonyme: Wörter mit gegensätzlichen Bedeutungen, z. B. oben – unten auf räumlicher,
Nacht – Tag auf zeitlicher oder schön – hässlich auf wertender Bezugsebene
antonymische Beziehungen: Komplementarität, Kontrarität, Konversität unterteilen.
Komplementär: nicht abstufbare Begriffe wie ledig und verheiratet, tot und lebendig usw.
Kontrarität: abstufbare Gegensätze wie jung und alt, schwer und leicht usw.
Konversität: Akte unter der Perspektive der verschiedenen Teilnehmer, z.B. geben und
bekommen, fragen und antworten usw.
Bedeutung kann auch analysiert werden
Elemente der Bedeutung: Seme.
an eine sprachliche Form gebundene Kombinationen von Semen sind die Sememe (ein
Semem ist eine Bedeutung eines Wortes)
komponentielle Analyse: beliebtes Verfahren der strukturellen Semantik war. Z.B. geben mit
den Argumenten A, B und C (d.h. A gibt dem B einen C): A verursacht, dass B den C hat und
A den C nicht hat, formaler: A caus [(B poss C) &not(A poss C)]
nicht weiter analysierbare Seme (semantic primitives)
Höhepunkt der paradigmatischen Systematisierung der Lexik: Wortfeldtheorie
Jost Trier (1931, 1973 usw.)
semantische Merkmalanalyse: auch in der Wortfeldforschung eine wichtige Rolle
Coseriu (1967) formuliert es folgendermaßen:
„Ein Wortfeld ist in struktureller Hinsicht ein lexikalisches Paradigma, das durch das
Aufteilen eines lexikalischen Inhaltskontinuums unter verschiedene, in der Sprache als Wörter
gegebene Einheiten entsteht, die durch einfache inhaltsunterscheidende Züge in unmittelbarer
Opposition zueinander stehen.“
Das Wortfeld der ‚hörbaren Schwingungen’ lässt sich beispielsweise wie folgt darstellen:
hörbar
Schall
Laut
Hall
Widerhall
Klang
Geräusch
Ton
+
+
+
+
+
+
+
absichtl.
erzeugt
O
+
O
O
O
allmähl.
schwindend
O
O
+
+
O
O
O
zurückgeworfen
O
O
O
+
O
O
O
rein
gleichmäßig
O
O
O
O
+
+
O
O
O
O
O
O
+
spezielle Art von Wortfeldern: Kohyponyme mit ihrem Hyperonym als Archilexem, z.B.
Rose, Tulpe, Nelke usw. mit dem Hyperonym Blume.
Hypothesen (und Prinzipien) der Wortfeldtheorie: (1) das Prinzip der Ganzheit, (2) das
Prinzip der Lückenlosigkeit, (3) das Prinzip der hierarchischen Ordnung, (4) das Prinzip der
wechselseitigen Bedeutungsbestimmung.
Wortfelder (auch als semantische oder lexikalische Felder, Bedeutungsfelder) werden auch
von der modernen Semantik erforscht (z.B. P. Lutzeier).
Sprachwandel kann die systematischen Beziehungen modifizieren
Bedeutungsveränderungen:
(1) Bedeutungserweiterung: machen früher: ’kneten, schmieren’
(2) Bedeutungsverengung: Hochzeit früher: ’alle Kirchenfeste’
(3) Bedeutungsverbesserung: Mut früher: 'Gesinnung', 'Stimmung'; Marschall früher
'Pferdeknecht'
(4) Bedeutungsverschlechterung: Hochmut ursprünglich: 'gehobene, edle Gesinnung'
(5) Bedeutungsübertragung (Metapher): aufgrund einer äußerlichen oder inneren Ähnlichkeit,
z. B. beißender (Schmerz), König (der Tiere), Löwenmaul.
(6) Bezeichnungsvertauschung oder -verschiebung (Metonymie): aufgrund eines realen
Kontaktes zweier Größen, z. B. Teil und Ganzes (auch Synekdoche genannt), Autor und
Werk, usw. Beispiele: Klinge für 'Schwert', Goethe lesen für 'Goethes Werke lesen'
(7) Volksetymologie (oder Fehletymologie): irrige Deutung eines Wortes auf Grund seiner
aktuellen Lautform, z. B. der Maulwurf: die althochdeutsche Form war muwerf, wobei mudie Bedeutung 'Haufen' hatte; in spätalthochdeutscher Zeit wurde mu- nach althochdeutschem
molta 'Erde, Staub' volksetymologisch umgedeutet; eine zweite volksetymologische
Umdeutung ins neuhochdeutsche Maul
12. Polysemie und Homonymie
Homographie, homophonie und lexikalische Homonymie
Begriff der lexikographischen Homonymie (vgl. Bárczi 1958, Kiss 1999).
eine Homonymie-Erscheinung, die in der Computerlinguistik ein zentrales Problem darstellt:
gleiche flektierte Formen von verschiedenen Wörtern (z.B. reiche, Lachen).
gemeinhin als Homographie bezeichnet (vgl. z.B. Haller 1980, Pajzs 1999).
man könnte dann auch in der Lexikographie diesen Terminus favorisieren (nur im Vorwort
von Wahrig 1997a)
die Rechtschreibreform beweist, dass es in den Wörterbüchern wirklich um Homographie
geht (Roß1 und Roß2 → Roß und Ross)
Wörterbuchtypen (vgl. z.B. Hausmann 1989b, Engelberg–Lemnitzer 2001, Kühn 1989): auch
solche, wo Gleichheit der Lemmata = Homophonie, z.B. das sog. phonologische Wörterbuch,
mit Stichwörtern in phonetischer/phonologischer Umschrift wie etwa he:r1, he:r2, he:r3 (z.B.
Muthmann 1996)
Homonyme sind im DUW 2001 Band1 (m), Band2 (n) und Band3 (f), deren Lautgestalt nicht
gleich ist
Bergmann (1973): lexikale Elemente, die gleich gesprochen, geschrieben und flektiert
werden, stellen ein und dasselbe Wort dar; demnach gebe es nur je ein polysemes Wort Ball,
Kater, Krug, Messe usw., auch wenn gewisse Bedeutungen von diesen weder synchronsemantisch noch sprachhistorisch zusammenhängen.
verschiedene Wörter: die nicht in allen Wortformen zusammenfallen („flexivische”
Homonymie), z.B. führe1 (führen 1. Pers. Sg. Indik. und 1./3. Pers. Konj. I) bzw. führe2
(fahren 1./3. Pers. Konj. II); hier handle es sich weder um Polysemie noch um Homonymie.
logischer Schluss: eine lexikale Homonymie existier nicht.
Gleichförmige Lemmata
Praxis der Wörterbücher: der (Quasi-)Homonym-Status betrifft nur das jeweilige Lemma
Substantive: Nominativ Singular ist gleich
Der Plural von Mutter ist z.B. nicht Mütter, sondern Muttern, wenn ’Schraubenmutter’
gemeint ist; DUW 2001: zwei homonyme Lemmata, Wahrig 1997b: im Wortartikel von
Mutter zwei Bedeutungsklassen
auch bei ungarischen Lemmata: daru; ÉKSz (2003): zwei Homonyme, HFU (2002a):
Polysemie oder anya, zu dessen Bedeutungen ‚Schraubenmutter’ und ‚Muttertier’ statt
anyja/anyjuk die Possessivformen anyája/anyájuk gebildet werden (vgl. Ennek a
nyúltenyésztőnek 12 anyja van)
Verben: weniger trivial, welche Form als Lemma fungieren soll
meistens der Infinitiv, aber z.B. in alten lateinischen Wörterbüchern: die 1. Person Singular
ungarische Lexikographie: erst war der Infinitiv gebräuchlich, dann die 3. Person Sg.
Kausative und mediale Verben/Bedeutungen
Kausative/mediale Verbpaare, z.B. gurít/gurul, szárít/szárad usw.
im Deutschen sind die Infinitive gleich, aber transitive im Perfekt mit haben, intransitive mit
sein (z.B. rollen, trocknen usw.) – labile Verben erscheinen in den Wörterbüchern gemeinhin
nicht als Homonyme; Ausnahmen: Halász 1952 und 1969
Bei einigen weicht auch die Flexion ab: Transitivum schwach, Intransitivum stark,
z.B. schwellen, schwellte, hat geschwellt bzw. schwellen, schwillt, schwoll, ist geschwollen –
in den meisten Wörterbüchern Homonyme; Ausnahmen: Wahrig (1997a und 1997b)
Synonymische Homonyme?
Sellerie im Handwörterbuch HFU (2002b): abweichendes Genus und abweichende Flexion →
zwei Lemmata, unabhängig von der Bedeutung
nur das Genus: „r/sZims”
nur die Flexion: „sKomma fn < ̴ s, ̴ s/ ̴ ta>“
Halász (1969): „rSellerie [ ̴ s, ̴ s], eSellerie [ ̴ , -i|en] zeller”.
Weder Polysemie, noch Homonymie – was ist es denn?
zwei Wege der Abgrenzung der Homonymie gegen Polysemie: (1) Gibt es einen
Zusammenhang zwischen den Bedeutungen aufgrund der synchronen Semantik? (2) Kann
eine gemeinsame Herkuft der beiden Bedeutungen sprachhistorisch nachgewiesen werden?
(vgl. z.B. Zöfgen 1989).
in der modernen Semantik gibt es eine dritte Möglichkeit: die semantische Vagheit (vgl. z.B.
Kiefer 2000). z.B. Schwiegermutter im Deutschen oder anyós im Ungarischen, da es allein
nicht ausdrücken kann, ob die Mutter der Ehefrau oder die des Ehemannes gemeint ist. aber
z.B. im Russischen heißt die Mutter der Frau anders als die des Mannes, und es gibt kein
Hyperonym für diese beiden. ein zweisprachiges Wörterbuch muss hier wählen: (1) zwei
glossierte Äquivalente geben, (2) zwei nummerierte Bedeutungen geben, Unter dem Aspekt
der semantischen Theorie der Vagheit ist die erste Variante besser.
eine andere Auffassung der Vagheit (vgl. z.B. Wichter 1988): die Unsicherheit bei der
Verwendung der Wörter in Bezug auf gewisse Denotate (z.B. bei den Übergängen auf der
kontinuierlichen Farbenskala)
Farbbezeichnungen können im Ungarischen nicht nur Adjektive, sondern auch Substantive
sein, weder Homonymie noch Polysemie: Bedeutungsklasse (dasselbe Wort mit verschiedenen grammatischen Eigenschaften)
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