Max Planck Institute for Chemical Ecology - Max-Planck

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Max-Planck-Gesellschaft
Presse-Information
PRI B 52 / C 24 / 2002 (101)
17. Oktober 2002
Käfer mit bakteriellen Waffen
Jenaer Max-Planck-Wissenschaftler identifizieren Bakterien, die in
Symbiose mit Käfern therapeutisch interessante Wirkstoffe
produzieren
Wirbellose Tiere wie Schwämme, Korallen und Manteltierchen
enthalten oftmals Substanzen, die vielversprechende therapeutische
Eigenschaften besitzen. Viele dieser Naturstoffe gelten bereits heute
als mögliche Medikamente der Zukunft im Kampf gegen Krebs und
Infektionskrankheiten, lassen sich aber nur selten in größeren
Mengen gewinnen. Jörn Piel vom Max-Planck-Institut für
chemische Ökologie in Jena ist es jetzt gelungen, den Produzenten
des Wirkstoffs Pederin in Käfern der Gattung Paederus auf die
Spur zu kommen (Proceedings of the National Academy of Sciences
of the United States of America, online edition, 14. Oktober 2002).
Dieser Fund könnte neue Perspektiven eröffnen, um tierische
Wirkstoffe auf ökologisch nachhaltige Weise zu produzieren.
Vieles deutet heute darauf hin, dass die wahren Produzenten von
Naturstoffen häufig nicht die Tiere selbst sind, sondern mit ihnen
gemeinsam lebende Bakterien. Dafür spricht zum Beispiel, dass diese
Naturstoffe bakteriellen Stoffwechselprodukten sehr ähneln oder dass
fast identische Naturstoffe in Tieren vorkommen, die nicht miteinander
verwandt sind. Ein Beweis dieser bereits vor mehreren Jahrzehnten
aufgestellten Symbiontentheorie stand jedoch bisher aus, da alle
Versuche fehlschlugen, solche Bakterien zu züchten.
Jörn Piel, Wissenschaftler am Jenaer Max-Planck-Institut für chemische
Ökologie, ist diesen Bakterien jetzt auf die Spur gekommen. Dazu
untersuchte er Antitumor-Wirkstoffe der Pederin-Gruppe, die sowohl in
Käfern der Gattungen Paederus und Paederidus als auch in
Meeresschwämmen vorkommen. Die Käfer benutzen Pederin als
chemische Waffe, um sich und ihre Nachkommenschaft vor
Fraßfeinden wie beispielsweise Spinnen zu schützen. Der Abwehrstoff
wird nur in den weiblichen Käfern gebildet und bei der Eiablage auf das
Gelege übertragen. Dadurch werden nicht nur die Eier, sondern auch
die Larven der nächsten Generation vor Feinden geschützt.
Um einen Hinweis auf den tatsächlichen Produzenten des Pederins zu
erhalten, suchte Piel in der aus Käfern isolierten DNA nach Genen, die
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ISSN 0170-4656
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für die Bildung dieses Wirkstoffs verantwortlich sein könnten. Diese Arbeiten führten zur
Isolierung eines 100 Kilobasen großen Genombereichs, der in allen untersuchten Käferarten
vorkommt, jedoch nur jeweils in den „Wirkstoff-produzierenden“ Weibchen. Dieser
Genombereich enthält acht Gene, die für die Pederin-Synthese zu erwarten waren. Dass diese
Gene nicht zum Käfer gehörten, zeigte eine weitere Analyse dieser Genomregion: Die meisten
dieser zusätzlich anwesenden Gene waren denen des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa
täuschend ähnlich. „Mit diesem Fund war der Symbiont identifiziert,“ sagt Jörn Piel, „denn ein
Pseudomonas-Bakterium in der Mikroflora von Pederin-versprühenden Käfern hatte bereits eine
Forschergruppe an der Universität Bayreuth nachgewiesen. Unklar war bis jetzt, ob dieses bisher
nichtkultivierbare Bakterium auch tatsächlich der Pederin-Produzent ist.“
Abb.: Der Kurzflügler Paederus
fuscipes.
Foto: R.L.L. Kellner,
Universität Bayreuth
Der jetzt vorliegende Nachweis, dass derartige Wirkstoff produzierende Bakterien tatsächlich
existieren, könnte wichtige Konsequenzen für die Gewinnung von Medikamenten aus niederen
Organismen haben. Die Gruppe um Jörn Piel arbeitet zur Zeit daran, die Pederin-Gene in ein
leicht kultivierbares Bakterium zu übertragen. Ein solches Bakterium könnte dann den
gewünschten Wirkstoff in ökologisch nachhaltiger Weise in theoretisch unbegrenzten Mengen
herstellen. Außerdem untersuchen die Forscher momentan, ob es ähnliche symbiontische
Bakterien auch in Meeresschwämmen gibt. „Wir gehen davon aus, dass derartige Bakterien bei
Meerestieren eher die Regel als die Ausnahme sind,“ erklärt Jörn Piel. „Der Transfer der
Wirkstoff-Gene aus diesen Symbionten in andere, einfach kultivierbare Bakterien könnte deshalb
eine allgemein anwendbare Methode sein, um viele marine Arzneimittel-Kandidaten in
gewünschter Menge herstellen zu können.“
Originalarbeit:
Jörn Piel, A polyketide synthase-peptide synthetase gene cluster from an uncultured bacterial symbiont
from Paederus beetles. PNAS published October 14, 2002, 10.1073/pnas.222481399
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