MRSA – eine Handreichung für Hausärzte

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444 LEITLINIE / GUIDELINE
MRSA – eine Handreichung für Hausärzte
Neue S1-Handlungsempfehlungen der
Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
MRSA – Recommendations Assisting Family Physicians
New Guidelines published by the
German College of General Practitioners and Family Physicians (DEGAM)
Brigitte Fassbender, Klaus Weckbecker
Einleitung
Multiresistente Keime wie z.B. der Methicillin-resistente Staphylokokkus aureus
(MRSA) stellen in Krankenhäusern und
Pflegeeinrichtungen ein zunehmendes
Problem dar. Für Patienten mit bestimmten Risikoparametern besteht bei jedem
Krankenhausaufenthalt die Gefahr, mit
MRSA besiedelt zu werden. Diese Besiedelung verläuft häufig unbemerkt und
verursacht keine Krankheitssymptome,
sodass die Patienten häufig mit einer unerkannten MRSA-Besiedelung aus dem
Krankenhaus entlassen werden.
Auch wenn MRSA für die gesunde
Bevölkerung kein unmittelbares Gesundheitsrisiko bedeutet, ist die unerkannte Verbreitung des Keimes ein großes Problem. Denn jeder Träger von
MRSA lebt mit der Gefahr, im Laufe seines Lebens auch eine Infektion mit dem
Keim zu erleiden, die dann aufgrund der
multiplen Resistenzen nur schwer zu
therapieren ist und mit einer erhöhten
Mortalität einhergeht.
Im Umgang mit multiresistenten
Keimen bestehen im ambulanten Bereich viele Unstimmigkeiten. Zwar formieren sich immer mehr regionale Netzwerke, die Informationsmaterialien veröffentlichen, Fallbesprechungen und
Fortbildungen anbieten, der Bedarf an
schnell verfügbarer und übersichtlicher
Information zum Umgang mit MRSA in
der Hausarztpraxis und im Altenheim ist
aber dennoch groß. Eine deutschsprachige Leitlinie zum Vorgehen im hausärztlichen Arbeitsgebiet fehlte bisher.
Die DEGAM initiierte daher die Erstellung einer S1-Handlungsempfehlung zu
diesem Thema.
Institut für Hausarztmedizin, Universitätsklinik Bonn
DOI 10.3238/zfa.2013.0444–0445
■ © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2013; 89 (11)
Zur besseren Übersichtlichkeit wurde die Leitlinie mit dem Titel „MRSA –
eine Handreichung für Hausärzte“ in die
drei Bereiche „Diagnostik“, „Therapie“
und „Altenheime“ aufgeteilt.
Methodik
Die systematische Literaturrecherche erfolgte über die Datenbanken Medline,
Cochrane Library, Embase und Google
Scholar. Gesucht wurde in allen Feldern
(title, subject heading, abstract, etc.)
nach den Begriffen „mrsa“, mrsa antibiotic resistance“ „mrsa methicillin resistance“, „mrsa community“ „mrsa
hospital“, „mrsa epidemiology“, „mrsa
management, „mrsa altenheim“, „mrsa
prevention“ und „mrsa search and destroy“. Zusätzlich wurden die Referenzlisten der eingeschlossenen Arbeiten auf
weitere relevante Arbeiten durchsucht.
Die Suche erfolgte bis Juni 2013. Aus allen Ergebnissen konnten 57 relevante
Arbeiten als Grundlage der Handlungsempfehlung ausgewählt werden. Die
vollständige Literaturliste kann von der
Autorin angefordert werden.
International wurden seit 1999 mehrere Übersichtsarbeiten zur Epidemiologie von MRSA und anderen multiresistenten Keimen veröffentlicht. 2003 veröffentlichte die Society for Healthcare
Epidemiology of America ihre „Guideline
for Preventing Nosocomial Transmission
of Mulidrug – Resistant Strains of Staphylococcus Aureus and Enterococcus“. Die
Dänischen Guidelines für MRSA in
Krankenhaus, Pflegeheimen und ambulanter Versorgung wurden von der Infection Prevention Working Party zuletzt
2012 revidiert. Randomisierte Studien
liegen nicht vor. Sowohl international
als auch aus dem deutschsprachigen
Raum liegen kontrollierte Studien zur
Infektionsprophylaxe des MRSA in
Krankenhäusern und Altenpflegeheimen sowie zur Kosteneffektivität von
Screeningprogrammen vor. Reviews
und Expertenmeinungen zu verschiedenen Aspekten von MRSA sowie praktikable Strategien aus regionalen MRE-Netzwerken ergänzen die Informationen, sodass sich für alle drei Handlungsempfehlungen der Empfehlungsgrad B und
C herleiten lässt.
Ergebnisse:
die neuen Leitlinien
Teil 1: Diagnostik
Um die unerkannte Verbreitung von
MRSA zu verhindern, kommt dem Hausarzt eine besondere Rolle zu. Bei ihm
liegt nach Entlassung aus dem Krankenhaus die Entscheidung, ob bei einem
symptomlosen Patienten nach MRSA
gesucht wird. Teil 1 der Handlungsempfehlung stellt den Entscheidungsprozess
dar und informiert über Hygienemaßnahmen in der Praxis sowie über Abrechnungsfragen (Seite 446 f.).
Teil 2: Therapie
Die weitere Betreuung eines MRSA-besiedelten Patienten fordert vom Hausarzt die Entscheidung, ob eine Sanierung durchgeführt werden soll sowie die
Sicherstellung der korrekten Ausführung der Sanierung. Zur Ermittlung der
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LEITLINIE / GUIDELINE
Sanierungseignung sowie zur Darstellung der genauen Durchführung einer
Sanierung wurde die zweite DEGAMHandlungsempfehlung „MRSA-Therapie“ entwickelt (Seite 448 f.).
Teil 3: Altenpflegeheime
Bei der Betreuung von Patienten in Altenpflegeheimen stellen sich zusätzliche Fragen: Die Entscheidung für oder
gegen einen Sanierungsversuch sowie
die Art der Hygienemaßnahmen muss
hier individuell entschieden werden.
Auch vonseiten des Pflegepersonals gibt
es häufig Unsicherheiten, sodass sich
Teil 3 der Handlungsempfehlung explizit auch an die Pflegenden richtet (Seite
450 f.).
Korrespondenzadresse
Dr. med. Brigitte Fassbender
Institut für Hausarztmedizin
Universitätsklinik Bonn
Sigmund-Freud-Str. 25
53127 Bonn
[email protected]
Interessenkonflikte: keine angegeben.
Dr. med. Brigitte Fassbender …
… ist Weiterbildungsassistentin der Allgemeinmedizin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Hausarztmedizin der
Universitätsklinik Bonn.
Literatur zu den S1-Handlungsempfehlungen MRSA
1.
2.
3.
4.
5.
Datta R, Huang SS. Risk of infection
and death due to methicillin-resistant
Staphylococcus aureus in long-term
carriers. Clin Infect Dis 2008; 47:
176–81
Huang SS, Platt R. Risk of methicillinresistant Staphylococcus aureus infection after previous infection or colonization. Clin Infect Dis 2003; 36: 281–5
RKI. RKI – RKI-Ratgeber für Ärzte – Staphylokokken-Erkrankungen, insbesondere Infektionen durch MRSA 2009.
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/
EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Staphylokokken_MRSA.html (letzter Zugriff 15.10.2013)
Kluytmans-Vandenbergh MF, Kluytmans JA. Community-acquired methicillin-resistant Staphylococcus aureus:
current perspectives. Clin Microbiol Infect 2006; 12 Suppl 1: 9–15
Diederen BM, Kluytmans JA. The emergence of infections with communityassociated methicillin resistant Staphylococcus aureus. J Infect. 2006; 52:
157–68
6.
Muto CA, Jernigan JA, Ostrowsky BE, et
al. SHEA Guideline for preventing nosocomial transmission of multidrug-resistant strains of Staphylococcus aureus
and Enterococcus. Infect Control Hosp
Epidemiol 2003; 24: 362–86
7. Infection Prevention Working Party.
MRSA Hospital; 2007
8. Kassenärztliche
Bundesvereinigung
(KBV). MRSA in der Praxis – Suchen,
Finden und Sanieren! Kassenärztliche
Bundesvereinigung (KBV); 2012
9. Arbeitskreis Krankenhaus und Praxishygiene der AWMF. Maßnahmen beim
Auftreten multiresistenter Erreger; 2012.
http://www.awmf.org/fileadmin/user_
upload/Leitlinien/029_AWMF-AK_
Krankenhaus-_und_Praxishygiene/
HTML-Dateien/029–019l_S1_
Massnahmen%20bei%20Auftreten%
20multiresitenter%20Erreger.htm
(letzter Zugriff 15.10.2013)
10. Poppa. Informationsblatt MRSA-Sanierung im niedergelassenen Bereich;
2012
11. Wischnewski N, Mielke M. Übersicht
über aktuelle Eradikationsstrategien
bei Methicillin-resistenten Staphyllococcus aureus (MRSA) aus verschiedenen Ländern. Hyg Med 2007; 32:
389–394
12. Bradley SF. Issues in the management
of resistant bacteria in long-term–care
facilities. Infect Control Hosp Epidemiol 1999; 20: 362–7
13. Infection Prevention Working Party.
MRSA nursing home; 2012. 6. Infection
Prevention Working Party. MRSA residential home care; 2012
14. Mody L, Maheshwari S, Galecki A,
Kauffman CA, Bradley SF. Indwelling
Device Use and Antibiotic Resistance in
Nursing Homes: Identifying a HighRisk Group. J Am Geriatr Soc 2007; 55:
1921–6
15. Bradley SF. Staphylococcus aureus Infections and Antibiotic Resistance in
Older Adults. Clin Infect Dis 2002; 34:
211–6
© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2013; 89 (11) ■
446 LEITLINIE / GUIDELINE
DEGAM S1-Handlungsempfehlung
MRSA – eine Handreichung für Hausärzte
Teil 1: Diagnostik
Einleitung
Generell muss zwischen Kolonisation und Infektion mit Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA)
unterschieden werden.
• Kolonisation: Wachsen und Persistieren von MRSA nach Kontamination auf Haut oder Schleimhaut.
• Infektion: Entzündliche Reaktionen mit weiteren Symptomen durch MRSA.
Zu den Risikofaktoren für eine MRSA-Kolonisation gehört auch die Antibiotikatherapie – der sparsame und
differenzierte Einsatz von Antibiotika ist daher von großer Bedeutung.
Mit MRSA kolonisierte Menschen haben ein erhöhtes Risiko, eine Infektion durch MRSA zu erleiden. Häufig
eentstehen
tste e dann
da schwere
sc e e Infektionen
e t o e wiee Pneumonien
eu o e und
u d Weichteilinfekte
e c te
e te [1,
[ , 2].
]
Meist erfolgt die Übertragung von MRSA im Krankenhaus (hospital-aquired = HA-MRSA). In den letzten Jahren
wurden weltweit auch Fälle von ambulant erworbenen MRSA-Infektionen (community-aquired = CA-MRSA)
registriert [3, 4]. Bei Haut- und Weichteilinfektionen wie Furunkeln oder nekrotisierender Fasziitis muss an CA-MRSA
gedacht werden [5].
Epidemiologie/Versorgungsproblem
In Deutschland ist der MRSA-Anteil bei Infektionen seit 1990 von 3 % auf 20 % gestiegen. Um eine weitere
Ausbreitung zu verhindern, bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von stationärer und ambulanter
medizinischer Versorgung [3, 6]. Eine Meldepflicht besteht für MRSA nicht.
Ein Teil der im Krankenhaus erworbenen Übertragungen bleibt unbemerkt, sodass diese Patienten nach ihrer
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Entlassung
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Verbreitung
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des resistenten
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Aufdeckung
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Träger durch den Hausarzt ist von entscheidender Bedeutung, um den Kreislauf der MRSA-Verbreitung zu
unterbrechen.
Während des Krankenhausaufenthaltes kann eine begonnene Sanierung meist nicht abgeschlossen werden, daher
fällt die Fortführung der Therapie in den Aufgabenbereich des Hausarztes.
Einteilung in Risikogruppen
Wird ein Patient aus dem Krankenhaus entlassen, so fällt der Hausarzt die Entscheidung, ob Abstriche zur Diagnostik
von MRSA erfolgen sollen. Grundlage der Entscheidung ist die Einteilung der Patienten in Risikogruppen, wie sie auf
der folgenden Seite schematisch dargestellt ist.
Insbesondere die Risikogruppe 2 verdient Aufmerksamkeit: In dieser Gruppe sind – selten – symptomfreie Träger zu
finden, deren Behandlung entscheidend zur Eindämmung der MRSA-Verbreitung beitragen kann [7, 8].
Diagnostik
Zum Nachweis oder zum Ausschluss einer MRSA-Besiedelung werden bei Patienten der Risikogruppen 1 und 2 nach
Entlassung aus dem Krankenhaus Abstriche entnommen: mit einem sterilen Tupfer je ein Abstrich aus beiden
Nasenvorhöfen, dem Rachen, ggf. aus Wunden oder Kathetereintrittsstellen. Bei trockenen Entnahmestellen ist der
Tupfer vorher steril anzufeuchten.
Bei Ekzemen oder zur Kontrolle eines Vorbefundes können Abstriche an weiteren Stellen notwendig sein.
Der Abstrich zur Kontrolle des Sanierungserfolges erfolgt nach einer Behandlungspause von mindestens 48 Std., um
g
Ergebnisse
g
auszuschließen. Nach negativem
g
Ergebnis
g
gilt
g der Patient als vorläufigg saniert,, die MRSAfalsch-negative
spezifischen Hygienemaßnahmen können beendet werden.
Nach Abschluss einer Sanierung werden zweimalig Kontrollabstriche entnommen: nach 3–6 Monaten und nach 12
Monaten. Erst danach gilt der Patient als endgültig saniert [9]. Patienten mit geringem Risiko (Gruppe 3 + 4) erhalten
keinen Screening-Abstrich [8].
Hygienemaßnahmen in der Praxis
Die Händedesinfektion und die Wischdesinfektion patientenberührter Flächen sind die wichtigsten Maßnahmen in
der Praxis. Transportpersonal und weiterbehandelndes Personal sollten immer informiert werden.
Therapie
Bei Nachweis von MRSA sollte
sollte, wenn möglich
möglich, eine Sanierung begonnen werden
werden. Auch wenn in manchen Fällen eine
Sanierung nicht sinnvoll ist, müssen bei bekanntem Trägerstatus Hygienerichtlinien eingehalten werden, die eine
Verbreitung unterbinden.
Für genauere Informationen zur Therapie verweisen wir auf die Handlungsempfehlung „MRSA-Teil 2: Therapie“.
Bitte informieren Sie sich auch zu anderen multiresistenten Erregern bei Ihrem regionalen MRE-Netzwerk.
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Stand 2013 © DEGAM www.degam-leitlinien.de
DEGAM Leitlinien
Hilfen für eine gute Medizin
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LEITLINIE / GUIDELINE
Risikogruppe 1
Nachgewiesener MRSA
Belegt durch Abstriche
Therapie‐Entscheidung und Kontroll‐
Abstriche (Teil 2 der Handreichung)
Risikogruppe 2
Erhöhtes Risiko einer Besiedelung mit MRSA
1. Stationäre Behandlung in den letzten 6
Monaten (min. 4 Tage Verweildauer)
und
2a. Sanierte MRSA‐Besiedelung i.d.
Vorgeschichte
und/oder
/
2b. Zwei der folgenden Risikofaktoren
‐ chron. Pflegebedürftigkeit (min. Stufe I)
‐ Antibiotikatherapie i.d. letzten 6 Mon.
‐ Katheter (z.B. PEG, Blasenkatheter)
‐ Hauterkrankungen (Ulcus, Gangrän,
chron. Wunden)
‐ Tiefe Weichteilinfektionen
‐ Dialysepflichtigkeit oder Immunsuppression
Diagnostik
(GOP 86770 + 86780)
Abstriche mit ggf. angefeuchtetem sterilen Tupfer
aus:
‐ beiden Nasenvorhöfen
‐ Rachen
‐ ggf. Wunden, Zugänge
‐ ggf. Prädilektionsstellen entspr. älterer Befunde
Negativ:
kein weiterer Abstrich
Positiv: Sanierung von
Eintrittspforten,
Beginn Eradikation
(Siehe Teil 2)
Risikogruppe 3
Geringes Risiko einer Besiedelung mit MRSA
Stationärer Aufenthalt in Krankenhaus, aber kein
direkter Kontakt zu MRSA‐Patienten und keine
weiteren Risikofaktoren
Keine
Diagnostik
Risikogruppe 4
Kein Risiko einer Besiedelung mit MRSA
Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung
Hygienemaßnahmen in der Arztpraxis
Die hygienische Händedesinfektion und die
Wischdesinfektion handberührter Flächen in der
Patientenumgebung sind die wichtigsten
Maßnahmen in der Praxishygiene
Praxishygiene.
Eine Isolierung des Patienten oder generelles
Anziehen von Schutzkleidung sind nicht erforderlich.
Einmalhandschuhe ersetzen nicht die
Händedesinfektion sondern schützen vor
Verschmutzungen z.B. beim Verbandwechsel. Bei
Manipulationen der besiedelten Regionen mit
Spritzgefahr müssen zusätzlich Schutzkittel und
Mundschutz getragen werden.
Abrechnung von MRSA‐Kontrollabstrichen
Voraussetzung zur Abrechnung von MRSA‐Diagnostik ist
eine Zertifizierung des Hausarztes. Diese kann bei der KBV
online
li vorgenommen werden
d (http://www.kbv.de/mrsa‐
(htt //
kb d /
ebm.html).
Unter Anderem können diagnostische Abstriche bei
Verdacht auf MRSA‐Besiedelung oder ‐Infektion, die
Beratung und Behandlung von MRSA‐Besiedelten oder
infizierten Patienten sowie Kontrollabstriche abgerechnet
werden.
(Anpassung und Ergänzung der Vergütungsvereinbarung
der KBV, zunächst befristet bis 31.3.14)
Autoren: B. Fassbender, K. Weckbecker, C. Rösing
Konzeption und wissenschaftliche Redaktion: M. Scherer, C. Muche-Borowski, A. Wollny
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Stand 2013 © DEGAM www.degam-leitlinien.de
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448 LEITLINIE / GUIDELINE
DEGAM S1-Handlungsempfehlung
MRSA - eine Handreichung für Hausärzte
Teil 2: Therapie/Sanierung
Einleitung
Teil 1 der Handreichung stellt die Einteilung der Patienten in Risikogruppen dar, nach der die Entscheidung zur
Diagnostik gefällt wird. Bei positivem Ergebnis des MRSA-Abstriches erfolgt die Entscheidung zur Sanierung wie hier
beschrieben.
Durchführungsschritte [10]
• Ermittlung der Sanierungseignung
• Sicherung von Ausgangsbefunden
• Auswahl und Festlegung der Sanierungsmittel und -maßnahmen
• Durchführung der Sanierungsmaßnahmen
• Einhaltung einer Pause von mindestens 48 Stunden
• Durchführung von Kontrollabstrichen
Ermittlung der Sanierungseignung
Offene Wunden, Hauterkrankungen oder liegende Zugänge wie z.B. Blasenkatheter oder PEG gefährden den Erfolg
der Sanierung und sollten zuvor behandelt bzw. beseitigt werden.
Wenn die Beseitigung nicht möglich ist, muss die Indikation zur Sanierung in Frage gestellt werden: Nur bei erhöhter
Gefahr einer Ausbreitung (z.B. im Altenpflegeheim, bei Dialysepflichtigkeit oder vor geplanten weiteren stationären
Aufenthalten) ist ein Sanierungsversuch sinnvoll, da hierdurch eine Keimlastsenkung erzielt werden kann [11].
Therapie
Die Sanierung sollte 5 Tage lang durchgeführt werden [9, 11]:
• 3 x täglich Applikation von antibakterieller Nasensalbe in beide Nasenvorhöfe (z.B. Mupirocin Nasensalbe, frisches
Wattestäbchen für jedes Nasenloch)
• 3 x täglich Mundpflege und Behandlung der Mundpflege- und Zahnputzutensilien bzw. der Zahnprothese mit
einem für die Mundschleimhaut geeigneten Antiseptikum (z.B. Octenidol®-Lösung)
• 1 x täglich Desinfektion der Haut und der Haare, d.h. Duschen oder Ganzkörperpflege inkl. einer Haarwäsche mit
einer geeigneten desinfizierenden Waschlotion (z.B Octenisan®-Waschlotion)
Die Pflegeprodukte können momentan noch nicht rezeptiert werden. Eine Änderung der Arzneimittelrichtlinien ist in
Arbeit.
Kontrolle des Sanierungserfolges
Erster Kontrollabstrich nach einer Behandlungspause von mindestens 48 Std. (Vermeidung falsch-negativer
Ergebnisse).
Bei MRSA-negativem Abstrich (vorläufiger Sanierungserfolg): Kontroll-Abstriche nach 3–6 und nach 12 Monaten.
Mehr als zwei Sanierungsversuche sind in der Regel nicht sinnvoll, evtl. Besprechung im Netzwerk [9].
Begleitende Maßnahmen zu Hause
Desinfektion aller Gegenstände, die mit Haut oder Schleimhaut Kontakt haben: Zahnbürste und Prothesen mit
Octenidol®-Lösung reinigen und einlegen. Gebrauchsgegenstände wie Kamm oder Hörgerät mit vorgetränkten
g Utensilien für die Zeit der Eradikation auf Einmalprodukte
p
Einmaltüchern ggründlich abwischen. Evtl. kann bei einigen
zurückgegriffen werden.
Wischdesinfektion der handberührten Umgebung (praktisch mit vorgetränkten Einmaltüchern) oder Abdeckung mit
täglichem Austausch/Desinfektion der Abdeckung.
Wechsel von Handtüchern und Waschlappen sofort nach Gebrauch. Täglicher Wechsel der Bett- und Leibwäsche.
Wäsche und alle Gebrauchsgegenstände desinfizierend reinigen.
Häufige Händedesinfektion: Patient vor jedem Verlassen der Wohnung und vor sozialen Kontakten, bei allen
Kontaktpersonen.
Hinweise zu Hygienemaßnahmen in der Arztpraxis
Wichtigste Maßnahme: hygienische Händedesinfektion und die Wischdesinfektion handberührter Flächen in der
P ti t
Patientenumgebung.
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K
Keine
i offenen
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Verbrauchsmaterialien
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Die Isolierung des Patienten oder generelles Anziehen von Schutzkleidung sind nicht erforderlich. Einmalhandschuhe
ersetzen nicht die Händedesinfektion sondern schützen vor Verschmutzung z.B. beim Verbandwechsel. Bei
Manipulationen der besiedelten Regionen mit Spritzgefahr müssen zusätzlich Schutzkittel und Mundschutz getragen
werden [3, 9].
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LEITLINIE / GUIDELINE
Produkte/Sets sollten zwingend alle Komponenten enthalten, d.h. Händedesinfektion, Mundspülung, Waschlotion und Wipes.
Fakultativ Einmalprodukte. Mupirocin Nasensalbe ist in keinem Set enthalten, muss immer separat rezeptiert werden
(z.B.: anti MRSA-Set® Fa. Schülke (ca. 45,- Euro)).
Autoren: B. Fassbender, C. Rösing, K. Weckbecker
Konzeption und wissenschaftliche Redaktion: M. Scherer, C. Muche-Borowski, A. Wollny
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450 LEITLINIE / GUIDELINE
DEGAM S1-Handlungsempfehlung
MRSA - eine Handreichung für Hausärzte
Teil 3: Altenpflegeheime
Einleitung
Wird ein Bewohner aus einem Krankenhaus in ein Altenpflegeheim verlegt, besteht meistens ein erhöhtes Risiko
einer MRSA-Besiedelung. Bei Risikopatienten (Definition: Teil 1 der Handreichung) sollte der Hausarzt einen Abstrich
zum Ausschluss von MRSA veranlassen.
Grund: Unerkannte Träger von MRSA können die Ausbreitung des resistenten Keims unerkannt befördern und leben
selbst mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko [1, 2].
Die Einteilung in Risikogruppen und die Durchführung der Eradikation werden in Teil 1 und 2 dieser Handreichungen
definiert.
Nicht bei allen Bewohnern ist ein Eradikationsversuch sinnvoll: Bei Vorliegen von Faktoren wie chronischen Wunden
oder Hauterkrankungen, Zugängen wie Blasenkatheter, Tracheostoma oder PEG und nach mehreren erfolglosen
Sanierungsversuchen muss eine individuelle Entscheidung getroffen werden: Ein Leben mit MRSA und mit den damit
verbundenen Vorkehrungen kann für den Bewohner weniger belastend sein als wiederholte frustrane
Sanierungsversuche.
Ziel
MRSA-besiedelte Bewohner sollten barrierearm in die Heimgemeinschaft integriert werden. Zwar ist die
Übertragungsgefahr in Altenpflegeheimen höher als in einer häuslichen Umgebung, die notwendigen
Hygienemaßnahmen dürfen aber keinesfalls zur Stigmatisierung oder Isolierung und Vereinsamung des Bewohners
führen.
Unterbringung
Das Zimmer sollte nicht öffentlich interpretierbar gekennzeichnet werden! Am besten Unterbringung im
Einzelzimmer. Mitbewohner im Mehrbettzimmer dürfen nicht immungeschwächt oder antibiotisch behandelt sein
und keine offenen Wunden (z.B. Ulcus cruris), Katheter, Sonden oder ein Tracheostoma aufweisen.
Soziale Kontakte
Besuche sind uneingeschränkt gestattet. Besucher müssen keine Schutzkleidung anlegen! Die Teilnahme an
gemeinsamen Mahlzeiten und sozialen Aktivitäten ist ebenfalls möglich. Vorher muss der MRSA-Träger immer die
Hände desinfizieren, offene Wunden oder andere Austrittsöffnungen müssen keimdicht verbunden werden.
Händehygiene
g , Reinigungskräfte,
g g
, Besucher und nicht zuletzt Bewohner selbst müssen vor Verlassen des Zimmers
Ärzte,, Pfleger,
eine hygienische Händedesinfektion durchführen. Die Händedesinfektion ist die wichtigste und effektivste
Maßnahme bei MRSA.
Pflege
Der betroffene Bewohner darf nur von geschultem und gesundem Personal gepflegt oder betreut werden.
Personen mit Hauterkrankungen oder unter antibiotischer oder immunschwächender Therapie werden von der
Pflege des MRSA-Trägers ausgeschlossen (erhöhte Gefahr, selber zum chronischen Träger von MRSA zu werden).
Bei der Pflege, beim Betten machen, Verbandswechseln oder sonstigen Maßnahmen mit Körperkontakt müssen
Schutzkittel getragen werden. Bei kurzärmeliger Dienstkleidung kann auch eine Einmalschürze getragen werden,
wenn anschließend eine gründliche Desinfektion der Unterarme erfolgt. Bei möglicher Bildung von infektiösen
Aerosolen (z.B.
(z B Tracheostomapflege oder Absaugung) muss ein Mundschutz getragen werden
werden. Haube oder
Überziehschuhe sind nicht nötig.
Einmalhandschuhe ersetzen auf keinen Fall die Händedesinfektion, sondern schützen vor Verschmutzungen.
Flächendesinfektion
Alle horizontalen Flächen (besonders handberührte und Flächen im Sanitärbereich), sollten täglich mit einem
Flächendesinfektionsmittel gereinigt werden. Es müssen dafür Einmaltücher oder gesonderte Putzutensilien benutzt
werden.
Taxifahrten
Bei Transporten von MRSA-Trägern in Taxen oder öffentlichen Verkehrsmitteln besteht für das Personal oder andere
Kunden kein besonderes Risiko
Risiko. Für den Fahrer und den Innenraum des Taxis sind nach Abschluss des Transportes
keine besonderen Maßnahmen nötig.
Krankentransporte
Das Transportpersonal und das Ziel-Krankenhaus müssen rechtzeitig informiert werden. Quellen: [9, 12–15]
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LEITLINIE / GUIDELINE
Übersicht für das Pflegepersonal
Heimgemeinschaft
Voraussetzung
Bewohner darf am sozialen Leben/an gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen und keinesfalls sozial
isoliert werden.
Bewohner muss Hygienemaßnahmen (Händedesinfektion, Abdeckung von Wunden) einhalten.
Aufklärung
Bewohner und Angehörige müssen über den Sinn der Hygienemaßnahmen informiert werden und
in die Technik der hygienischen Händedesinfektion eingewiesen werden.
Unterbringung
Möglichst Einbettzimmer
Besuche
Besuche sind immer erlaubt.
Besucher in hygienische Händedesinfektion einweisen, keine Schutzkittel.
Wer darf pflegen?
Geschultes, gesundes Pflegepersonal
(keine Hauterkrankung, keine antibiotische Therapie)
Händehygiene
ALLE Kontaktpersonen bei Verlassen des Zimmers oder nach Körperkontakt
Einmalhandschuhe
Ersetzen nicht die Händedesinfektion! Zusätzlich zum Schutz vor Verschmutzungen
Schutzkittel
Bei allen Pflegemaßnahmen mit Körperkontakt und beim Bettenmachen
Mundschutz
Nur bei Tracheostomapflege, Absaugen oder bei Husten des Bewohners
Haube/
Überziehschuhe
Nicht notwendig
Pflegehilfsmittel,
Instrumente,
Geschirr
Im Zimmer sammeln, ohne Zwischenlagerung in die desinfizierende Aufbereitung
Gebrauchsgegenstände
Bewohnergebunden verwenden, im Zimmer belassen (während einer Sanierung täglich
desinfizieren)
(Körperpflege, Telefon,
Fernbedienung …)
Wäsche
Wäschesack im Zimmer, Schmutzwäsche nicht auf den Boden werfen. Grundsätzlich
desinfizierendes Waschen
Reinigungspersonal
Einweisung in hygienische Händedesinfektion:
immer vor Verlassen des Zimmers, immer nach Ablegen der Schutzhandschuhe
Zimmerreinigung
Gesonderte Putzutensilien oder Putzen als letztes Zimmer. Dann desinfizierend waschen und
trocknen
k
Flächendesinfektion
Wischdesinfektion aller horizontalen und handberührten Flächen
Abfall
Im Zimmer sammeln, dann sofort entsorgen
Krankentransporte
Zieleinrichtung und Fahrdienst informieren.
Beachten der Hygienemaßnahmen, keine komplette Vermummung des Fahrpersonals
Autoren: B. Fassbender, C. Rösing, K. Weckbecker
Konzeption und wissenschaftliche Redaktion: M. Scherer, C. Muche-Borowski, A. Wollny
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