Max-PlanckInstitut für marine Mikrobiologie Inhalt 1 Das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie 3 Abteilung Mikrobiologie 4 – AG Magnetotaktische Bakterien 5 Abteilung Biogeochemie – AG Biogeochemie 6 – AG Mikrosensoren 7 – AG Mathematische Modellierung 8 – AG Mikrobielle Habitate 9 Abteilung Molekulare Ökologie 10 – AG Mikrobielle Genomik 11 Selbständige Nachwuchsgruppe – Nutrientengruppe 12 Faszinierte Wissenschaftler 13 Ohne Nicht-Wissenschaftler keine Wissenschaft 14 Lehre und Lernen 15 Kooperationspartner 16 Die Max-Planck-Gesellschaft 17 Anfahrt und Kontakt Impressum Herausgeber: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit · Celsiusstr. 1 · D-28359 Bremen Telefon: +49 (0)421 2028-704 · Fax: +49 (0)421 2028-790 E-Mail: mschloes @ mpi-bremen.de · Internet: www.mpi-bremen.de Konzept und Textredaktion: Franziska Badenschier · Dr. Manfred Schlösser Fotos: A. Dübecke · J. Harder · M. Schlösser · T. Stührmann Gestaltung: H. Wittig · E-Mail: harald.wittig@ gmx.de Januar 2006 Editorial Während zwei Dritteln der Erdgeschichte beherrschten die Mikroorganismen unseren Planeten und entwickelten im Ozean sowie in Binnengewässern komplexe Lebensgemeinschaften. Durch ihre fast vier Milliarden Jahre lange Evolutionsgeschichte haben die prokaryotischen Organismen, also Bakterien und Archaeen, eine enorme Stoffwechselvielfalt entwickelt. Noch heute sind es die Mikroorganismen, die die vielfältigen Prozesse zum Abbau organischer und anorganischer Substanzen katalysieren. Dabei spielen sie eine Schlüsselrolle für die Steuerung der globalen Stoffkreisläufe und tragen dazu bei, dass unsere Erde weiterhin bewohnbar bleibt. Sie sorgen auch dafür, dass fast alle Abfallprodukte im Meer abgebaut und recycelt werden, damit sich giftige Ver- Geschäftsführender Direktor Prof. Dr. Bo Barker Jørgensen bindungen nicht ansammeln und so weder Tiere noch Pflanzen gefährden. Obwohl die marine Mikrobiologie kein neues Forschungsgebiet ist, wissen wir noch sehr wenig über die Mikroorganismen im Meer und ihre funktionelle Bedeutung. Nur etwa ein Prozent der Mikroorganismen sind heute bekannt, aber ständig werden neue Arten mit neuen Fähigkeiten entdeckt. Beispiele solcher Entdeckungen sind die Symbiosen von Archaeen und Bakterien, die das Treibhausgas Methan tief im Meeresboden mit Hilfe von Sulfat abbauen. Obwohl dieser Schlüsselprozess im globalen Kohlenstoffkreislauf lange bekannt war, sind erst heute die beteiligten Mikroorganismen identifiziert. Ein anderes Beispiel ist die Anaerobe Ammonium-Oxidation, kurz Anammox, mit Nitrit oder Nitrat: ein neu entdeckter Prozess, der vielleicht die wichtigste Stickstoff-Senke im ozeanischen Nährstoffkreislauf darstellt. Die verantwortlichen Anammox-Mikroorganismen wurden in den 90er Jahren in einer industriellen Kläranlage entdeckt. Und die erfolgreiche Suche nach ähnlichen Bakterien im Meer eröffnete ganz neue Perspektiven zur Regulierung der marinen Stickstoffbilanz. Diese Beispiele zeigen, wie die Erforschung der Prozesse im Meer und der Mikroorganismen im Labor in Wechselwirkung unser Wissen über die Stoffkreisläufe und Lebensbedingungen voranbringt. Am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie arbeiten Mikrobiologen, Molekularbiologen und Biogeochemiker zusammen, um das mikrobielle Leben im Meer zu verstehen. Der Fokus ist dabei die Sauerstoff-freie Welt unterhalb der Sedimentoberfläche, weil hier interessante und noch wenig bekannte Lebensformen vorkommen, die eine entscheidende Rolle für die Kopplung der Stoffkreisläufe spielen – und dadurch für die Chemie der Ozeane. Die Forscher am Institut decken eine große Palette an Fachrichtungen und Expertisen ab: von Mikrosensoren bis Mikrobiologie, von Geochemie bis Genomanalyse und von Molekularökologie bis mathematische Modellierung. Diese Broschüre soll Ihnen einen vertieften Einblick in dieses spannende Forschungsfeld und in die Arbeitsaufgaben der Wissenschaftler und anderen Mitarbeiter am Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie geben. Ihr Was wir wissen, ist ein Tropfen; was wir nicht wissen, ein Ozean. Isaac Newton – Und was wir über Ozeane wissen, ist ein Tropfen. Das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie Sie sind unscheinbar und doch allgegenwärtig, sie sind nur einige Tausendstel Millimeter groß und doch die wahren Herrscher über die Welt, sie leben im Untergrund und beeinflussen doch weltweit das Klima bis hinauf in die oberen Schichten der Erdatmosphäre: Sie, das sind die Mikroorganismen der Meere – und am Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie die Objekte der Begierde. Hier versuchen Wissenschaftler, neue Mikrobenarten zu isolieren und zu kultivieren, denn bisher ist nur jede hundertste Art identifiziert. Sie erforschen die marinen Lebensräume dieser Einzeller, vor allem im Sediment des Meeresbodens, aber auch in Schlammvulkanen, Schwämmen und Steinkorallen. Und sie wollen herausfinden, was die Mikroorganismen alles können und bewirken. Die MPI-Mitarbeiter analysieren, wie die Meeresmikroben Stoffe umwandeln und was diese Prozesse für die globalen Stoffkreisläufe der Elemente Kohlenstoff, Schwefel, Stickstoff und Eisen bedeuten. Dabei konzentrieren sie sich einerseits auf die bereits entdeckten besonders wichtigen Reaktionen, darunter die Anaerobe Oxidation von Methan (AOM), die Anaerobe Ammonium-Oxidation (Anammox) und die Sulfatreduktion; andererseits suchen sie nach neuen, noch unbekannten Stoffwechselwegen. Auch versuchen sie herauszufinden, wie die Einzeller an Wo geforscht wurde und wird ihre Umgebung angepasst sind und auf Veränderungen reagieren und wie sich all das wiederum auf deren Lebensraum, die Erde sowie das Klima auswirkt. Die MPI-Mitarbeiter untersuchen außerdem faszinierende Eigenheiten einzelner Arten, wie zum Beispiel Nitrat speichernde Vakuolen in überdurchschnittlich großen Schwefelbakterien oder mikrobielle Kompassnadeln aus magnetischen Kristallen. Um die Mikro-Lebewesen zu untersuchen, sind – neben speziellen Mikro-Sensoren – vor allem Makro-Geräte nötig, darunter Forschungsschiffe, Tiefsee-Roboter, Spektrometer und große Fräsmaschinen. Auch der Aufwand ist alles andere als minimal: Die Wissenschaftler gehen auf Exkursion, experimentieren, schreiben und lesen Fachpublikationen und nehmen an Kongressen teil; Ingenieure und Technische Angestellte entwickeln Messgeräte und bauen sie; die EDV-Abteilung, ein Vielfalt Rolle Eigenschaften 1 Bibliothekar und viele andere Mitarbeiter des Instituts tragen dazu bei, dass die Wissenschaftler überhaupt arbeiten können. Viel Wirbel also um einen Hauch von mikrobiellem Nichts!? Nur so lässt sich die Mikrobiologie der Meere erforschen. Nur so können wir alle die Welt Stück für Stück besser verstehen. Und nur so können die Wissenschaftler ihre Grundlagenforschung auf höchstem Niveau halten. Das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie wurde offiziell am 1. Juli 1992 gegründet, gut ein Jahr nach seinem Pendant, dem Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. 1996 bezog das Institut einen Neubau im Technologiepark Universität Bremen; zu den Nachbarn zählen mittlerweile das Universum Science Center, das MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen sowie das Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT). Das MPI gehört mit seinen drei Abteilungen Biogeochemie, Mikrobiologie und Molekulare Ökologie und einer Selbständigen Nachwuchsgruppe zu den weltweit führenden Meeresforschungsinstituten. Das Max-Planck-Institut in Zahlen 1 3 6 1 88 76 14 7 42 10 25 3 bis 4 8 13 4840m 2 50 1 11 1 ˜ 150 7000 ˜ 100 14 von 78 Instituten der Max-Planck-Gesellschaft Abteilungen Arbeitsgruppen Selbständige Nachwuchsgruppe Wissenschaftliche Mitarbeiter (Frauenanteil: 45,5%) Mitarbeiter im wissenschaftlich-technischen Service (Frauenanteil: 55,2%) Mitarbeiter im administrativ-technischen Bereich (Frauenanteil: 42,8%) Habilitanden Doktoranden Diplomanden Nationen große Ausfahrten pro Jahr unter Leitung des MPIs; ˜ 11 kleinere Ausfahrten Gestelle für selbstständig arbeitende Tiefsee-Roboter (Lander) Messsysteme, die in die Geräterahmen der Lander eingebaut werden können Hauptnutzfläche Labore Thermokonstantraum (25°C bis 38°C) Kühlräume (2°C bis 25°C) Gefrierraum (-18°C) Publikationen pro Jahr (Aufsätze in Zeitschriften, Büchern und Fachliteratur) Bände in der Bibliothek laufend gehaltene Zeitschriften in der Bibliothek Patente angemeldet, 2 davon industriell verwertet Das Sediment aus dem Meeresboden hat es in sich: In sechs Fingerhüten Sediment leben rund sechs Milliarden Mikroorganismen – so viel wie Menschen auf der Erde. Forschungsschiff „Heincke“ (AWI) 2 Abteilung Mikrobiologie Prof. Dr. Friedrich Widdel Direktor Leiter Abteilung Mikrobiologie Cyanobakterien: Chromatiumund Desulfonema-Arten unter dem Lichtmikroskop Mikroorganismen sind weltweit die Abbauchemiker schlechthin, auch im Wasser: Verbände aus Archaeen und Bakterien vernichten einen Teil des vom Meeresboden aufsteigenden Treibhausgases Methan, andere Mikroben zersetzen Öl, Eisen korrodierende Bakterien zerstören Pipelines. Wie und unter welchen Bedingungen diese Prozesse biochemisch ablaufen, untersucht die Abteilung Mikrobiologie. Sie erforscht dabei auch, wie diese Umsetzungen dazu beitragen, die weltweit wichtigen Stoffkreisläufe von Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel und Eisen in Gang zu halten. Die Erkenntnisse helfen auch, dem Klima zu Grunde liegende biologische Prozesse besser zu verstehen. Und wenn man die bakteriellen Mechanismen versteht, lassen sich neue Ansätze für die Biotechnologie schaffen. Doch bevor die Forscher die Stoffwechselprozesse in einer Bakterienart genau untersuchen können, müssen sie diese zunächst von den anderen in der Probe isolieren und zu einer Reinkultur heranzüchten. Das kann ein paar Wochen, aber auch ein, zwei Jahre dauern. Erst dann lassen sich die Stoffwechselprozesse gut untersuchen. Dafür nutzen die Mikrobiologen immer häufiger auch Genanalysen, unter anderem in Zusammenarbeit mit der Abteilung Molekulare Ökologie und dem Berliner MPI für molekulare Genetik. Wonach wählen Sie und Ihre Mitarbeiter aus, welche Arten und Stoffwechselwege untersucht werden? Wir wollen mehr über die Mikroorganismen und ihre Enzymreaktionen, die den Umweltprozessen zu Grunde liegen, erfahren. Deswegen gehen wir von global oder ökologisch wichtigen Forschungsthemen oder Organismen aus. Andererseits müssen wir die Augen offen halten für neue Phänomene. Angetrieben werden wir dabei von der Neugier und der Gewissheit, dass Wissen besser ist als Unwissen. [email protected] · www.mpi-bremen.de/Abteilung_Mikrobiologie.html Fermenter zur Aufzucht von Schwefel oxidierenden Bakterien 3 Dinh HT, Kuever J, Mußmann M, Stratmann M, Hassel AW, Widdel F (2004) Iron corrosion by novel anaerobic microorganisms. Nature 427: 829-832. Rabus R, Kube M, Heider J, Beck A, Heitmann K, Widdel F, Reinhardt R (2005) The genome sequence of an anaerobic aromatic-degrading denitrifying bacterium, strain EbN1. Arch. Microbiol. 183: 27-36. AG Magnetotaktische Bakterien Der Mikrobiologe Dirk Schüler und seine Mitarbeiter nehmen außergewöhnliche Mikroben unter die Lupe: in Schlamm lebende Bakterien mit einer eigenen Kompassnadel, das heißt mit einer Kette von bis zu 80 Kristallen aus dem magnetischen Eisenmineral Magnetit. Mit diesen Magnetosomen richten sich die Bakterien am Erdmagnetfeld oder an den viel stärkeren Labormagneten aus. Ähnliche Minerale wurden bisher bei einigen Fischen und Vögeln nachgewiesen. Ungewöhnlich sind die Biochemie und Genetik, die den Bakterien-Magnetosomen zu Grunde liegen. Die Gene für die Magnetosom-Bildung haben die Forscher vor kurzem entdeckt. Nun untersuchen sie, welche Funktionen die einzelnen Gene haben. Außerdem wollen sie die Größe und die Hülle der Magnetosomen sowie die Kristallform genetisch manipulieren und so andere Nano-Magneten herstellen. Auch wenn sich die Arbeitsgruppe der Grundlagenforschung widmet, gibt es bereits Ideen, wie sich die in Bakterien hergestellten magnetischen Nanopartikel später anwenden lassen: in der Hitze-Behandlung von Tumoren, als Nachweisreagenzien für Krankheiten oder als Kontrastmittel bei der Magnetresonanztomographie. Dabei sind die Bio-Magneten den nicht biologisch hergestellten überlegen: Die künstlichen Magnetit-Kristalle sind einfach nicht so perfekt wie die von Bakterien. Dabei wurde lange angezweifelt, dass solche ungewöhnlich geformten Kristalle in der Natur überhaupt vorkommen. Magnetotaktische Bakterien sind ein sehr spezielles Forschungsgebiet, zumal sich nur wenige Arten im Labor züchten lassen. Wie kommt man auf solch ein Thema? Kristallformen von Magnetosomen aus verschiedenen Magnetbakterien Elektronenmikroskopische Aufnahme von Magnetospirillum gryphiswaldense. In der Zelle sind als schwarze Punkte Magnetosomenkristalle zu erkennen, die in einer Kette angeordnet sind und aus dem magnetischen Eisenmineral Magnetit bestehen. Das Bakterium ist eine der wenigen magnetotaktischen Mikroorganismen, die sich im Labor züchten lassen und dient Dirk Schüler und seinen Mitarbeitern als Modell für die Untersuchung der biologischen Magnetitkristallbildung. Weltweit gibt es neben meiner Arbeitsgruppe nur etwa drei andere Teams, die sich mit diesen Bakterien beschäftigen. Ich selbst bin schon seit meiner Diplomarbeit von den Organismen fasziniert. Damals hatte ich in einer Schlammprobe aus dem Fluss Ryck eine neue Art entdeckt. Die wurde dann nach meinem Studienort Greifswald benannt: Magnetospirillum gryphiswaldense. [email protected] · www.magnum.mpi-bremen.de/magneto/ Ullrich S, Kube M, Schübbe S, Reinhardt R, Schüler D (2005) A hypervariable 130 kb genomic region of Magnetospirillum gryphiswaldense comprises a magnetosome island, which undergoes frequent rearrangements during stationary growth. J. Bacteriol. 187: 7176-7184. Grünberg K, Müller E, Reszka R, Linder D, Schüler D (2004) Biochemical and proteomic analysis of the magnetosome membrane in Magnetospirillum gryphiswaldense. Appl. Environ. Microbiol. 70: 1040-1050. Dr. Dirk Schüler Leiter Arbeitsgruppe Magnetotaktische Bakterien 4 Abteilung Biogeochemie AG Biogeochemie Prof. Dr. Bo Barker Jørgensen Direktor Abteilungs- und Arbeitsgruppenleiter Biogeochemie Biogeochemie: Was zunächst eine sehr spezielle Wissenschaft vermuten lässt, ist in Wirklichkeit eine nützliche Mischung an Disziplinen, denn: Nur mit Fachwissen und Messdaten aus den Bereichen Biologie, Geologie und Chemie lässt sich erforschen, wie in Meeressedimenten Stoffkreisläufe gesteuert werden, welche Prozesse dabei ablaufen, welche Mikroorganismen daran beteiligt sind und wie dann die ökologischen Bilanzen aussehen. Deswegen analysieren die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Biogeochemie die wichtigen Kreisläufe von Eisen, Mangan, Stickstoff und Schwefel in marinen Sedimenten. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Tiefe Biosphäre im Meeresboden. Dort unten können trotz unwirtlicher Umweltbedingungen – Hitze, hoher Druck, kaum Nahrung, kein Sauerstoff – Mikroben leben, wie Bo Barker Jørgensen nachweisen konnte. Bei einer Expedition im Rahmen des internationalen Tiefseebohrprogramms IODP fanden er und seine Mitarbeiter in Tiefen von bis zu 420 Meter unter dem Meeresgrund, also in bis zu 40 Millionen Jahre alten Sedimenten, aktive Mikroorganismen. Nun stellen sich neue Forschungsfragen: Wo ist die Grenze zum Leben? Wie kommen die Mikroben mit so wenig Energie aus? Was bedeuten die Ergebnisse für die Paläo-Ozeanographie? Und wie können die Untersuchungsmethoden noch sensibler werden? Welche Mikroorganismen faszinieren Sie besonders? Thiomargarita namibiensis, eine riesige Schwefelbakterie von der Küste Namibias Die großen Schwefelbakterien wie die schon länger bekannte Thioploca und die von einer Kollegin aus dem Institut entdeckte Thiomargarita namibiensis. Diese Bakterien lassen sich im Gegensatz zu fast allen anderen Bakterien mit bloßem Auge erkennen. Ungewöhnlicherweise wandeln sie giftigen Schwefelwasserstoff nicht mit Sauerstoff in Sulfat um, sondern mit Nitrat. Und das wird in Vakuolen gespeichert, obwohl solche Organellen für Bakterien untypisch sind. Das alles ist faszinierend. Und wichtig für den Schwefel- und Stickstoffkreislauf. [email protected] · www.mpi-bremen.de/AG_Biogeochemie.html Thioploca sp., eine Nitrat und Schwefel speichernde Schwefelbakterie, lebt in dichten Matten. 5 Brüchert V, Jørgensen BB, Neumann K, Riechmann D, Schlösser M, Schulz H (2003) Regulation of bacterial sulfate reduction and hydrogen sulfide fluxes in the central Namibian coastal upwelling zone. Geochimica et Cosmochimica. Acta, 67: 4505-4518. Schippers A, Neretin LN, Kallmeyer J, Ferdelmann TG, Cragg BA, Parkes RJ, Jørgensen BB (2005) Prokaryotic cells of the deep sub-seafloor biosphere identified as living bacteria. Nature 433: 861-864. AG Mikrosensoren Eine Werkstatt im Labor: Hier bauen Technikerinnen und Ingenieure in mühevoller Kleinarbeit winzige Sensoren, die mit fünf Mikrometern nur ein Zehntel mal so dick sind wie ein menschliches Haar. Diese elektrochemischen Sensoren messen im Watt und in anderen marinen Sedimenten bis zu 6000 Meter unter der Wasseroberfläche, in Biofilmen sowie in Mikrobenmatten die Konzentrationen von Sauerstoff, Schwefelwasserstoff, Stickstoffverbindungen oder anderen Substanzen – und das alle 0,01 bis 0,1 Millimeter und direkt vor Ein CO2 -Mikrosensor im Vergleich Ort. Durch diese detaillierten In-Situ-Messunzu einem menschlichen Haar gen erhalten die Mikrobiologen Informationen, die entnommene und später im Labor untersuchte Proben nicht liefern könnten. Mit den Mikrosensoren können die Wissenschaftler genau untersuchen, in welcher hauchdünnen Schicht die Mikroben welche Stoffe umsetzen und wie sie so Stoffkreisläufe regulieren. Dabei kooperieren der Gruppenleiter Dirk de Beer und seine Mitarbeiter oft mit der Arbeitsgruppe Mikrobielle Habitate und der Abteilung Molekulare Ökologie. Mikrosensoren kann man auch kaufen. Warum entwickelt und baut Ihre Arbeitsgruppe die Messsonden selber? Ein handelsüblicher Mikrosensor kostet etwa 500 Euro und ist nicht immer optimal für unsere Vorhaben. Die perfekten Sensoren bauen unsere Technischen Angestellten. Wir brauchen auch oft komplexe Geräte wie optische Sensoren, so genannte Optoden, die die Sauerstoffverteilung in zwei Dimensionen gleichzeitig messen können. Dann entwickeln wir zusammen komplett neue Sensoren: Die Mikrobiologen unserer Gruppe sagen, was sie messen wollen; die Physiker und Chemiker loten die Grenzen des Machbaren aus, unsere Ingenieure bauen dann den Sensor und optimieren ihn. Diese Angewandte Entwicklung ist für uns sinnvoll. Dabei sind auch ein Patent, Lizenzvereinbarungen und Know-how-Transfers herausgekommen. Dr. Dirk de Beer Leiter Arbeitsgruppe Mikrosensoren [email protected] · www.mpi-bremen.de/AG_Mikrosensoren.html Ludwig R, Al-Horani FA, De Beer D, Jonkers, HM (2005) Photosynthesis controlled calcification in a hypersaline microbial mat. Limnology & Oceanography 50 (6): 18361843. Polerecky L, Franke U, Werner U, Grunwald B, de Beer D (2005) High spatial resolution measurement of oxygen consumption rates in permeable sediments. Limnol. Oceanogr. Methods 3: 75-85. 6 AG Mathematische Modellierung Strömungsbedingte Ausbildung von Rippeln auf dem Meeresboden In den Sedimenten von Gewässern ist immer viel los: Stoffkonzentrationen verändern sich, Sandkörner und andere Teilchen werden fortgetrieben, Druck und Temperatur schwanken. Die Vorgänge sind so komplex, dass das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren nur mit Hilfe von Computersimulationen beschrieben werden kann. Dazu entwickeln der Arbeitsgruppenleiter Arzhang Khalili und seine Mitarbeiter mathematische Modelle, denen physikalische Vorgänge und Gesetze zu Grunde liegen, beispielsweise Bewegungsgleichungen und der Energieerhaltungssatz. Dann werden in das System chemische Reaktionen und andere Faktoren eingebaut. Hinzu kommen noch Messdaten von Exkursionen anderer Arbeitsgruppen. So kann die Arbeitsgruppe die Strömungen und den Stoffaustausch zwischen Meereswasser und Porenwasser beschreiben. Ob die Modelle richtig sind, wird in sehr genau kontrollierten Laborversuchen überprüft. Ihr wichtigstes Forschungsgebiet ist die Hydrodynamik, die sich mit Gas- und Flüssigkeitsströmen befasst. Warum ist die gerade bei Meereswissenschaften so schwierig? Strömung an der WasserSediment-Grenzfläche Eine ankommende Strömung über dem Sediment wird durch den Widerstand eines porösen Rippels teilweise in das Sediment umgelenkt. Dadurch werden im Sediment Meereswasser und Porenwasser ausgetauscht. So können Inhaltsstoffe, die sich im Meer befinden, in das Sediment gelangen und umgekehrt. Diese computergenerierten Grafiken zeigen den zeitlichen Verlauf der Konzentrationsverteilung eines im Sediment befindlichen Stoffes (rot) durch solche (Advektions-) Strömungen. 7 Prof. Dr. Arzhang Khalili Leiter Arbeitsgruppe Mathematische Modellierung Bisherige Modelle konnten Vorgänge entweder nur im Sediment oder nur im Wasser beschreiben. Uns interessiert aber, was in den porösen Sedimenten am Meeresgrund und an der Grenzfläche zwischen Sand und Wasser, der so genannten benthischen Grenzschicht, passiert. Deswegen haben wir nun ein neues hydrodynamisches Modell entwickelt, das darstellt, wie sich Stoffe an der Grenzfläche austauschen. Der Clou: Wir müssen nicht einmal die Randbedingungen an der Grenzfläche wissen. [email protected] www.mpi-bremen.de/AG_Mathematische_Modellierung.html Goharzadeh A, Khalili A, Jørgensen BB (2005) Transition layer thickness at a fluidporous interface. Phys. Fluids 17: 057102-1 – 057102-10. Khalili A, Basu AJ, Pietrzyk U, Raffel M (1999) An experimental study of recirculating flow through fluid-sediment interfaces. J. Fluid Mech. 383: 229-247. AG Mikrobielle Habitate Wie vielfältig sind die Lebensräume im Meer, welche biologischen, geologischen und physikalischen Umweltfaktoren beeinflussen diese Habitate und wie werden dadurch Gruppen von Mikroorganismen selektiert? Diese umfangreiche Frage stellt sich die Arbeitsgruppe (AG) Mikrobielle Habitate. Um sie zu beantworten, untersuchen die rund 25 Mitarbeiter hauptsächlich die extremen Lebensräume der Tiefsee, aber auch, wie Küstensand und Wattenmeer organisches Material aus dem Wasser filtern oder wie Schwämme und Korallen zu ökologischen Nischen von Mikroben werden. Ein weiterer – zudem sehr wichtiger – Schwerpunkt der Arbeitsgruppe ist die Methanforschung, weil im Meeresboden viel Methan gebildet wird. Ein Großteil wird von den Ozeanen in Gashydraten gespeichert oder von Mikroorganismen wieder verbraucht; der Rest steigt in Blasen auf und kann in die Atmosphäre gelangen. Und weil Methan wie Kohlenstoffdioxid ein wichtiges Treibhausgas und somit verantwortlich für den Klimawandel ist, ist es wichtig zu verstehen, wie marine Lebewesen Methan im Meer zurückhalten. Einen potenziellen Klimaretter entdeckte 1999 die AG-Leiterin Antje Boetius in Tiefseesedimenten: Methan zehrende Archaeen. Wie diese Mikroben das Gas biochemisch umsetzen, erforschen derzeit alle Arbeitsgruppen des Instituts gemeinsam. Prof. Dr. Antje Boetius Leiterin Arbeitsgruppe Mikrobielle Habitate Eine Methan fressende Symbiose aus Archaeen (rot) und Sulfat reduzierenden Bakterien (grün) Wie untersucht man die Ökosysteme im Wasser am besten? Am günstigsten ist es, wenn wir direkt vor Ort, also am Meeresgrund beobachten und messen können, wissenschaftlich ausgedrückt: „in situ“. Nur so können wir die Vielfalt der Lebensräume richtig unter die Lupe nehmen und mikrobielle Umsatzprozesse fehlerfrei messen. Allerdings tauchen wir meistens nicht selbst ab, sondern Tauchroboter, die vom Schiff aus gesteuert werden, oder so genannte Lander, die selbständig arbeiten und aufsteigen. In beide Systeme bauen wir Messgeräte ein, mit denen wir dann am Meeresboden arbeiten. Die verschiedenen Geräte, mit denen wir die mikrobiellen Habitate erforschen, entwickeln und bauen die Wissenschaftler und Techniker meiner Arbeitsgruppe selbst. In-Situ-Messung mikrobieller Stoffflüsse an Überresten eines Wals. Wal-Leichen sind besondere Lebensräume für chemosynthetisches Leben in der Tiefsee. [email protected] · www.mpi-bremen.de/AG_Mikrobielle_Habitate.html Boetius A, Ravenschlag K, Schubert C, Rickert D, Widdel F, Gieseke A, Amann R, Jørgensen BB, Witte U, Pfannkuche O (2000) A marine microbial consortium apparently mediating anaerobic oxidation of methane. Nature 407: 623-626. Witte U, Wenzhöfer F, Sommer S, Boetius A, Heinz P, Pfannkuche O, Aberle N, Sand M, Cremer A, Abraham WR, Jørgensen BB (2003) In situ experimental evidence of the fate of a phytodetritus pulse at the abyssal seafloor. Nature 424: 763-766. Beprobung von Bakterienmatten an einem Tiefsee-Schlammvulkan 8 Abteilung Molekulare Ökologie Prof. Dr. Rudolf Amann Direktor Leiter Abteilung Molekulare Ökologie Nur was man kennt, lässt sich schützen. Allerdings ist nur jede hundertste Art bekannt, schätzen Wissenschaftler, vor allem weil sich die meisten Mikroben nicht kultivieren und somit auch nicht untersuchen lassen. Die Arbeitsgruppe Molekulare Ökologie identifiziert marine Mikroorganismen deswegen anhand ihrer Erbsubstanz, und zwar mit Hilfe von Gen-Sonden. Mit weiteren molekularbiologischen Methoden weisen die Wissenschaftler bestimmte Gene in Umweltproben nach und untersuchen, wann und warum sich Bakterienpopulationen an einem Ort wie verhalten sowie für welche biogeochemischen Prozesse die Mikroben verantwortlich sind. So versuchen Mitarbeiter des Abteilungsleiters Rudolf Amann herauszufinden, welche Enzyme bei der Anaeroben Oxidation von Methan eine Rolle spielen. Besonders interessant sind auch Lebensräume mit geringer biologischer Vielfalt wie Würmer-Mikroben-Symbiosen und Orte mit hoher Biodiversität, beispielsweise das Watt, wo sich in einem Kubikzentimeter viele 1000 verschiedene Mikrobenarten befinden. Ihre Abteilung entdeckt, beschreibt und beziffert die biologische Vielfalt. Entwickeln Sie die Methoden hierfür auch selbst? An der Küste Namibias liegt eines der fischreichsten Gebiete der Welt. Die hohe biologische Aktivität im Oberflächenwasser führt zu einer starken Sauerstoffzehrung in den tieferen Wasserschichten. Das Bild zeigt eine Bakteriengemeinschaft aus diesen Sauerstoff-freien Wasserschichten. Unter dem Fluoreszenz-Mikroskop kann man die verschiedenen Bakterienarten unterscheiden. Der blaue Farbstoff markiert alle Mikroorganismen auf Grund ihres DNA-Gehalts, in grün werden Bakterien einer bestimmten Gattung mittels FISH identifiziert. Der Nachweis dieser Bakterien deutet darauf hin, dass der wichtige Schwefeloxidationsprozess in den unteren Wasserschichten abläuft. 9 Meistens ja. Wir entwickeln immer wieder innovative Techniken, auch wenn sich im Nachhinein mal eine als unbrauchbar herausstellt. Für erste Charakterisierungen reichen auch „Brot-und-Butter-Technologien“, also Standardmethoden wie die vergleichende Sequenzanalyse und die Fluoreszenz-In-SituHybridisierung, kurz FISH. Diese passen wir dann unseren Fragestellungen an und verfeinern sie. Unsere CARD-FISHTechnik beispielsweise ist viel sensitiver: Das fluoreszierende Farbsignal ist etwa zehn- bis hundertmal stärker als bei einem herkömmlichen FISH-Experiment. [email protected] www.mpi-bremen.de/Abteilung_Molekulare_Oekologie.html Pernthaler A, Amann R (2004) Simultaneous fluorescence in situ hybridization of mRNA and rRNA in environmental bacteria. Appl. Environ. Microbiol. 70: 5426-5433. Krüger M, Meyerdierks A, Glöckner FO, Amann R, Widdel F, Kube M, Reinhardt R, Kahnt J, Böcher R, Thauer RK, Shima S (2003) A conspicuous nickel protein in microbial mats that oxidize methane anaerobically. Nature 426: 878-881. AG Mikrobielle Genomik Seit ein paar Jahren lässt sich das gesamte Erbgut einer Mikrobe, das so genannte Genom, innerhalb weniger Tage entschlüsseln – und seitdem wächst das Interesse am genetischen Potenzial dieser Mikroorganismen. Unter welchen Umweltbedingungen sie bestimmte Gene ein- und ausschalten und wie sie sich damit an ihre Umgebung anpassen, wollen Frank Oliver Glöckner und die Mitarbeiter seiner Arbeitsgruppe Mikrobielle Genomik herausfinden. Zunächst analysieren sie am Computer mit bioinformatischen Methoden das Erbgut. Danach untersuchen sie mit moderner Chip-Technologie, welches Gen wofür zuständig ist, denn im Prinzip ist ein Gen nur dann aktiv, wenn es der Organismus für einen bestimmten Prozess braucht. Zu Hause schaltet man ja auch nicht alle Küchengeräte gleichzeitig an, wenn man sich nur Tee kochen möchte. Schließlich können die Wissenschaftler vorhersagen, wie die Mikroben auf Umweltveränderungen reagieren. Wenn sich beispielsweise die Meere weltweit erwärmen: Werden die Organismen entgegenwirken oder wird sich alles aufschaukeln? Mit den Informationen beraten die Wissenschaftler Politiker und andere Entscheidungsträger. Außerdem soll die Anfang 2005 aus der Arbeitsgruppe ausgegründete Firma Ribocon GmbH Wirtschaftsunternehmen Know-how und Produkte zur Verfügung stellen. Prof. Dr. Frank Oliver Glöckner Leiter Arbeitsgruppe Mikrobielle Genomik Lange Zeit haben Umweltbiologen ökologisch bedeutende Bakterien untersucht, ohne deren genetische Informationen zu kennen. Was bringt die noch recht junge Disziplin Umweltgenomik? Erst die modernen genomischen Techniken haben es ermöglicht, ein umfassendes Bild über die im Erbgut codierten Fähigkeiten eines Organismus zu gewinnen. Der Schlüssel dazu, die marinen Ökosysteme zu verstehen, wird letztendlich aber in der Kombination aus traditionellen Techniken und der neuartigen Umweltgenomik liegen. Darstellung des Genoms von Rhodopirellula baltica [email protected] · www.mpi-bremen.de/Mikrobielle_Genomik.html Teeling H, Meyerdierks A, Bauer M, Amann R, Glöckner FO (2004) Application of tetranucleotide frequencies for the assignment of genomic fragments. Env. Microbiol. 6 (9): 938-947. Glöckner FO, Kube M, Bauer M, Teeling H, Lombardot T, Ludwig W, Gade D, Beck A, Borzym K, Heitmann K, Rabus R, Schlesner H, Amann R, Reinhardt R (2003) Complete genome sequence of the marine planctomycete Pirellula sp. strain 1. PNAS 100: 8298-8303. 10 Selbständige Nachwuchsgruppe Nutrientengruppe Die Chance, eigenverantwortlich zu forschen, die Freiheit, sich das Forschungsteam selbst zusammenzustellen, und die Sicherheit, mindestens fünf Jahre lang über einen gewissen Etat verfügen zu können: Das bietet die MaxPlanck-Gesellschaft (MPG) begabten jungen Wissenschaftlern im Rahmen von Selbständigen Nachwuchsgruppen. So sammeln die Forscher erste Erfahrungen als Gruppenleiter und schaffen eine Basis für ihre wissenschaftliche Karriere. Und die jeweiligen Institute, bei denen die Gruppen angesiedelt werden, gewinnen neue innovative Köpfe. Im Schnitt fördert die MPG 40 Nachwuchsgruppen pro Jahr, Tendenz steigend. Der Stickstoffkreislauf im Meer hat ein Leck: die Anaerobe Ammoniak-Oxidation, kurz Anammox. Der Prozess wurde ursprünglich in einem Bioreaktor entdeckt; doch AnammoxBakterien kommen auch in der Natur vor, wie der Geochemiker Marcel Kuypers und einige Kollegen 2003 und 2005 an verschiedenen Stellen nachgewiesen haben. Im Schwarzen Meer und in fast Sauerstoff-freien Ozeangebieten setzen Mikroben Ammoniak zu gasförmigem Stickstoff um, der dann in die Atmosphäre aufsteigt. So verlieren die Meere viele Nährstoffe, denn Stickstoffverbindungen sind der Dünger für Algen und somit die Grundlage für das gesamte Nahrungsnetz im Meer bis hin zum Fisch essenden Menschen. Die Anammox ist damit wichtiger als bislang vermutet wurde. Noch mehr Details zum Thema will die im Mai 2005 gegründete Selbständige Nachwuchsgruppe von Kuypers erfahren. Demnächst sollen noch andere Nährstoffprozesse erforscht werden – und zwar nicht nur die Senken, also Prozesse, bei denen Stoffe verloren gehen, sondern auch die Quellen, in denen beispielsweise Stickstoff in Nährstoffe überführt wird. Sie und Ihr Team untersuchen, wie Bakterien und Archaeen mit Nährstoffprozessen zusammenhängen. Wie gehen Sie dabei vor? Zunächst fahren wir hinaus aufs Meer und messen dort von der Wasseroberfläche bis in 400 Metern Tiefe alle halben oder einen Meter den Gehalt an Nährstoffen und Sauerstoff. Auf dem Schiff bestimmen wir unter anderem, wie viele Zellen sich in den Proben befinden. Im Labor an Land analysieren wir dann noch viel mehr. Bei alledem bringen wir verschiedene Disziplinen zusammen: Biogeochemie, Ozeanographie, Molekularbiologie, Organische Chemie und andere. Neue Prozesse lassen sich nämlich nicht mit nur einer einzelnen Methode nachweisen, weil jede Fehler und ihre Grenzen hat. [email protected] · www.mpi-bremen.de/Nutrient-Gruppe.html Dr. Marcel Kuypers Leiter Selbständige Nachwuchsgruppe 11 Kuypers MMM, Sliekers AO, Lavik G, Schmid M, Jørgensen BB, Kuenen JG, Sinninghe Damsté JS, Strous M, Jetten MSM (2003) Anaerobic ammonium oxidation by anammox bacteria in the Black Sea. Nature 422: 608-611. Kuypers MMM, Lavik G, Woebken D, Schmid M, Fuchs BM, Amann R (2005) Massive nitrogen loss from the Benguela upwelling system through anaerobic ammonium oxidation. PNAS 102: 6478-6483. Faszinierte Wissenschaftler Was erforschen Sie und warum begeistert Sie dieses Thema? „Ich untersuche die Stoffwechselvorgänge und Stammesgeschichte von Schwefelbakterien in mikrobiellen Matten. Das sind geschichtete Systeme mit viel organischem Material, das von unterschiedlichen Mikroorganismen-Arten gebildet wird. Die Mikrobenmatten kommen weltweit vor – und zwar immer an extremen Standorten. Diese Bakterienmatten gibt es schon seit über drei Milliarden Jahren und deswegen zählen sie zu den ältesten Lebensgemeinschaften der Erde. Mit ihnen lässt sich also vielleicht auch die frühe Erdgeschichte besser verstehen. Durch die Zusammenarbeit von verschiedenen Wissenschaften – Chemie, Ökologie, Genetik, Geologie und anderen – können wir ökologische Gesamtsysteme begreifen lernen, so wie hier am Max-Planck-Institut.“ Dipl.-Biol. Susanne Hinck, Doktorandin, AG Mikrosensoren „Tausende Dinge sind spannend, aber jeder muss sich für ein, zwei Themen entscheiden und sich eine Nische suchen. Ich untersuche die Physiologie der Anaeroben Oxidation von Methan (AOM) und versuche herauszufinden, ob die AOM von beiden beteiligten Arten durchgeführt wird, also in einer Symbiose oder nur von einer Mikrobenart. Außerdem ist es toll, dass hier am Institut sich so viele mit dem Thema beschäftigen, denn so können wir uns untereinander austauschen und helfen.“ Dipl.-Biol. Mirko Basen, Doktorand, Abt. Mikrobiologie „Ich begeistere mich besonders für Forschungsthemen, die umweltrelevant sind wie die Anaerobe Oxidation von Methan, oder die eine faszinierende Welt darstellen wie hydrothermale Lebensräume in der Tiefsee. Dabei interessieren mich die Gene und Genome, weil sie die „Grundausstattung“ der Mikroorganismen sind und somit die Antwort auf viele Fragen beinhalten. Weil aber nur ein geringer Teil der auf der Erde vorkommenden Mikrobenarten in Reinkultur gebracht werden kann, führe ich als Molekularbiologin Metagenom-Analysen durch. Dabei betrachte ich alle (mikrobiellen) Genome in einer Umweltprobe: Ich untersuche, welche (Schlüssel-)Gene vorhanden sind, und versuche, sie einem bestimmten Mikroorganismus zuzuordnen.“ Dr. Anke Meyerdierks, Wissenschaftlerin, Abt. Molekulare Ökologie „In meiner Doktorarbeit erforsche ich Bakteriengemeinschaften in küstennahen sandigen Sedimenten des Schleswig-Holsteinischen Wattenmeers. Dafür untersuche ich, wie sich die Zusammensetzung und Aktivität dieser Bakteriengemeinschaften im Jahresverlauf oder über unterschiedliche Sedimenttiefen hinweg verändern. Und ich versuche herauszufinden, welche Umweltparameter für diese Veränderungen eine Rolle spielen. Ich schaue zum Beispiel, welchen Einfluss die Wassertemperatur oder Nährstoffeinträge durch Algenblüten auf die Bakterien haben. Eines haben die im Sand lebenden Bakterien gemeinsam: Sie sind wesentlich an dem Abbau und der Remineralisierung von partikulärem organischem Material beteiligt und tragen damit erheblich zur Filterfunktion dieses Ökosystems bei. Allerdings beanspruchen die Menschen die küstennahen Gewässer immer mehr – und der Filterleistung des Sandes sind Grenzen gesetzt. Bisher wissen wir jedoch noch nicht, wo diese Grenzen sind. Vielleicht hilft meine Arbeit ein klein wenig weiter, die Prozesse im Sand besser zu verstehen.“ Dipl.-Biol. Simone Böer, Doktorandin, AG Mikrobielle Habitate „Wir können nur lokal forschen, als Biogeochemiker müssen wir aber auch global denken. Wenn wir an einem Ort gemessene oder aus Laborexperimenten erhaltene Daten extrapolieren, also in globalen Zusammenhang bringen, dann müssen wir akzeptieren, dass wir mehr oder weniger spekulieren. Ich bin gerne im Labor, aber es ist genauso schön, existierende Datensätze zu analysieren und zu kombinieren. Wenn diese Ergebnisse faszinierende Schlussfolgerungen erlauben, ist das für mich eine große Motivation und Bestätigung meiner Arbeit.“ Dr. Volker Brüchert, Wissenschaftler, Abt. Biogeochemie 12 Ohne Nicht-Wissenschaftler keine Wissenschaft Für neuartige Untersuchungsmethoden und ungewöhnliche Forschungsorte nützen handelsübliche Messapparate und Geräte nicht viel. Was es zu kaufen gibt, wird also umgerüstet; was es nicht zu kaufen gibt, wird selbst konstruiert und gebaut – und zwar in den institutseigenen, gut ausgerüsteten Werkstätten für Elektronik und Mechanik. Beide haben ihre eigenen Die technischen Angestellten in den Laboren sind in unterMitarbeiter und Räume, sie arbeiten aber oft zusammen. schiedlichen ArbeitsbereiSo stellt die eine Werkstatt feinmechanische Geräte und weitere chen gefordert. Bauteile im Millimeter-Maßstab her; die andere fügt die Elektronik hinzu. Allein die Elektronikwerkstatt hat seit der Institutsgründung knapp 200 Funktionalitäten Entwickelt und konstruiert entwickelt, darunter diverse Steuerin den MPI-Werkstätten: elektroniken und eine neuartige Ein sehr fein justierbarer Messtechnik mit optischen statt Motorantrieb steuert das Heben und Senken der chemischen Sensoren. empfindlichen MikroDamit die Wissenschaftler forschen sensoren in die können, sind sie aber nicht nur auf die Sedimentschicht. Werkstätten angewiesen, sondern auch auf weitere „Nicht-Wissenschaftler“, beispielsweise auf die Computerspezialisten der EDV-Abteilung und die drei Mitarbeiter der Gebäudebetriebstechnik, die täglich Lüftungs-, Kühl-, Brandmelde-, Zutritts- und andere technische Anlagen warten, kleine Störungen selbst beheben oder reparieren sowie für größere Probleme und aufwändigere Vorhaben spezielle Firmen anfordern. Das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie hat außerdem eine sehr gut ausgestattete Bibliothek mit zahlreichen Fachbüchern, Journalen, tagesaktuellen Zeitungen und eigenem Bibliothekar. Dazu kommen mehrere Verwaltungsmitarbeiter, die sich um Buchhaltung, Personalwesen und um den Einkauf von Büro- und Laborutensilien kümmern. Die sensible Messelektronik erhält zum Schutz einen stabilen Druckzylinder als Ummantelung. 13 Und damit die Wissenschaftler nicht nur in Fachmagazinen publizieren und sich auf Kongressen präsentieren, sorgt die Pressestelle dafür, dass auch die Öffentlichkeit von der Forschungsarbeit und den bedeutenden Ergebnissen erfährt – mit Pressemitteilungen, Führungen durch das Institut, Informationsmaterial und diversen Aktionen, beispielsweise am jährlich statt findenden Girls’ Day oder im Rahmen von der Stadt der Wissenschaft 2005 Bremen/Bremerhaven. Lehre und Lernen Am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie wird nicht nur geforscht, sondern auch gelehrt und gelernt. Auf vielfältige Weise bilden die Meereswissenschaftler von heute die Meereswissenschaftler von morgen aus. So haben einige Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts Lehraufträge an der Universität Bremen (Fachbereiche Biologie und Geowissenschaften), an der International University Bremen (beispielsweise im Studiengang Bioinformatics & Computational Biology) oder bei anderen Einrichtungen. International Max Planck Research School of Marine Microbiology – marmic Das kombinierte Master- und Doktoranden-Programm der 2002 gegründeten International Max Planck Research School of Marine Microbiology, marmic, steht für exzellente Graduiertenförderung: Die hochbegabten Nachwuchsforscher studieren bei weltweit angesehenen Wissenschaftlern des Max-PlanckInstituts für marine Mikrobiologie, des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, der Universität Bremen und der International University of Bremen. Jährlich beginnen bis zu zwölf ausgewählte Studierende mit einem zwölfmonatigen Training aus verschiedenen Vorlesungen, Tutorien und Praktika. Anschließend schreiben sie eine Masterarbeit und starten in die dreijährige Promotionsphase. Danach gehören die marmic-Absolventen zu einer neuen Generation von Meereswissenschaftlern: Interdisziplinär und fachspezifisch ausgebildet werden sie mikrobielles Leben und deren Auswirkungen auf die Biosphäre erforschen. www.marmic.mpg.de Der Ansatz von Kulturen, Probenentnahmen und Analysen sind nur einige der täglich anstehenden Aufgaben für die angehenden Meeresbiologen. Probennahme auf Sylt: marmic-Studenten sind mit Begeisterung dabei. International Studies in Aquatic Tropical Ecology / Internationaler Studiengang Aquatische Tropenökologie – ISATEC Der Name ist Programm: Wer an dem zweijährigen Master-Studiengang International Studies in Aquatic Tropical Ecology (ISATEC) teilnimmt, der forscht ein Semester lang an einem Institut in Brasilien, Costa Rica, Indonesien oder einem anderen Tropen-Land. Doch zuvor müssen die bis zu 22 Studierenden eines Jahrgangs Vorlesungen besuchen und erste Praktika absolvieren. Das Studienprogramm bietet die Universität Bremen in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) an. Auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie halten für die ISATEC-Studierenden Vorlesungen und leiten einige Praktika. Schicht für Schicht tragen die angehenden Meeresbiologinnen die Kerne für die Analyse ab. www.isatec.uni-bremen.de 14 Das MPI als Ausbildungsbetrieb für Chemielaboranten Fertigung und Prüfung der Mikrosensoren unter dem Lichtmikroskop Seit einigen Jahren bildet das Bremer Max-Planck-Institut Realschul-Abgänger zu Chemielaboranten aus. Nach einem zwei- bis dreimonatigen Grundpraktikum beim Kooperationspartner, der Universität Bremen, durchlaufen die Auszubildenden verschiedene Arbeitsgruppen des Instituts. Dabei arbeiten sie hauptsächlich im Labor, so wie die angestellten Chemielaboranten auch: Unter anderem wiegen sie Proben ein, reinigen Substanzen, führen Routineversuche durch und organisieren Arbeitsabläufe. Während der dreieinhalbjährigen Ausbildung sind die angehenden Chemielaboranten zwei Tage pro Woche am Schulzentrum SII Utbremen, wo sie in Chemie, Gerätetechnologie, Laborsicherheit und anderen Themenbereichen unterrichtet werden. Das MPI stellt pro Jahr einen Auszubildenden oder eine Auszubildende ein. www.chemie.uni-bremen.de/azubis/Laborantenseite.htm Kooperationspartner www.awi-bremerhaven.de www.hausderwissenschaft.de www.iu-bremen.de www.mpg.de www.uni-bremen.de 15 Die Max-Planck-Gesellschaft Die Max-Planck-Gesellschaft ist eine traditionsreiche und doch moderne Forschungsorganisation. Mit immer wieder weiterentwickelten Methoden und Geräten suchen die Mitarbeiter seit Jahrzehnten nach dem, was – frei nach Goethe – die Welt im Innersten zusammenhält. Diese Grundlagenforschung schafft zudem die Basis für neuartige Therapien und Technologien. „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“, meinte auch der Physiker und Nobelpreisträger Max Planck (1858 – 1947), nach dem die Gesellschaft benannt wurde. Der Mitbegründer der Quantentheorie setzte sich für die Grundlagenforschung und für die Freiheit der Wissenschaft ein – so wie die MPG noch heute. Der derzeitige Präsident, Prof. Peter Gruss, schrieb einmal: „Es gilt, die Forschung weltweit zu vernetzen, ohne dabei die jeweilige Vielfalt aufzugeben. Dabei muss sich die Wissenschaft die Freiheit bewahren, Themen und Ziele selbst zu setzen.“ Das entspricht auch der „Mission“ der Forschungsorganisation: Mit ihrer Vielfalt an Lebens-, Natur- und Geisteswissenschaften soll sie die Arbeit an Universitäten und anderen Einrichtungen ergänzen sowie das Wissen frei zugänglich machen. Deutschlandweit gibt es 78 Max-Planck-Institute, die in drei Bereichen organisiert sind: der Biologisch-Medizinischen, der Chemisch-Physikalisch-Technischen und der Geisteswissenschaftlichen Sektion. Im Ausland gibt es drei weitere Forschungseinrichtungen sowie mehrere Außenstellen. Insgesamt beschäftigt die MPG über 12 000 Mitarbeiter, von denen etwa jeder dritte Wissenschaftler ist. Dazu kommen noch mehr als 10 000 Diplomanden, Doktoranden, Postdoktoranden und Gastwissenschaftler, die an den Instituten lernen und forschen. Umgekehrt gastieren Max-Planck-Wissenschaftler bei anderen Einrichtungen auf der ganzen Welt. National und international genießt die MPG einen sehr guten Ruf, was nicht zuletzt daran liegt, dass sie bisher 16 Nobelpreisträger hervorgebracht hat – einen mehr als ihre Vorgänger-Organisation, die 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Diese war weltweit angesehen, doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auch in der deutschen Wissenschaft ein Neuanfang nötig. Daraufhin wurde am 26. Februar 1948 die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. gegründet. Auch wenn sie sich größtenteils über öffentliche Mittel von Bund und Ländern finanziert, so ist sie doch keine staatliche Einrichtung, sondern eine gemeinnützige und unabhängige Organisation. Max Planck Nobelpreisträger der MPG 2005 Theodor W. Hänsch (Physik) 1995 Paul J. Crutzen (Chemie) 1995 Christiane NüssleinVolhard (Medizin) 1991 Erwin Neher (Medizin) 1991 Bert Sakmann (Medizin) 1988 Johann Deisenhofer (Chemie) 1988 Robert Huber (Chemie) 1988 Hartmut Michel (Chemie) 1986 Ernst Ruska (Physik) 1985 Klaus von Klitzing (Physik) 1984 Georges Köhler (Medizin) 1973 Konrad Lorenz (Medizin) 1967 Manfred Eigen (Chemie) 1964 Feodor Lynen (Medizin) 1963 Karl Ziegler (Chemie) 1954 Walther Bothe (Physik) 16 Fin Bremerhave dor n ff / Wa lle A27 ulri ng Ausfahrt Horn-Lehe Universität sch ulri Leo ben Ho ch ng itäts alle zub ahn tob rsität u A ive Un ❸ e ❻ Innenstadt / Hauptbahnhof Vom Flughafen und vom Hauptbahnhof: Straßenbahnlinie zur Universität, Bibliothekstraße Haltestellen der Bus- und Straßenbahnlinien Celsiusstraße Wiener Straße ❸ ❹ Spittaler Str. 630 670 Par k Hotel Munte vers Hamburg Hannover Osnabrück ❾ er tr. Uni ❶ ❷ ❽ ring liot hek s ❷ Bib Wie Universum Fallturm ❺ ❹Universität Str. Atlantic Hotel alle e er S Wie eg nw abe hgr Ku MPI Ja Cel ❶ Wa messiu tt-S sst tr. r. Fah ren hei tstr . ner Stadtwald tr. ner Str. Ho chs ch So finden Sie uns A27 Universität/NW1 Universität/Zentralbereich ❺ ❻ ❼ =Straßenbahn ❼ ❿ =Bus Achterstr. Universität/Klagenfurter Str. Lise-Meitner-Straße Berufsbildungswerk ❽ ❾ ❿ Horn Linzer Straße Spittaler Straße Kremser Straße Celsiusstraße 1 · D-28359 Bremen Kontakt: Telefon: +49 (0)421 2028-50 Fax: +49 (0)421 2028-580 Internet: www.mpi-bremen.de E-Mail: contact@ mpi-bremen.de Pressesprecher: Dr. Manfred Schlösser Telefon: +49 (0)421 2028-704 Fax: +49 (0)421 2028-790 E-Mail: [email protected]