LÖHLEINS TIERLEBEN NR.66 Indischer Riesenflughund Pteropus giganteus Verbreitung: Indien, Sri Lanka, Burma, Nepal, Malediven, Bangladesch, Pakistan. Lebensraum: Baumbewohner in Wäldern, Kulturlandschaften und als Kulturfolger sogar mitten in Städten und Dörfern Nahrung: Früchte, davon bevorzugt Fruchtfleisch und Fruchtsäfte Besonderheiten: hundeartiger Kopf, leistungsfähige Dämmerungsaugen, keine Echo-Ortung, neben dem Kalong die größte Art der Fledertiere mit ca. 120 cm Flügelspannweite und einer Größe von rund 23 cm Alter: in der Natur bis 18 Jahre, in Zoos bis 30 Jahre Lebensweise: nachtaktiv, verlassen exakt eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang ihre Schlafbäume Gefährdung: Lebensraumzerstörung, Bejagung (zur Fleischgewinnung und als Schädling von Obstplantagen) Bestand: gering gefährdet (IUCN) Hellabrunner Riesenflughunde: 9 ausgewachsene Männchen, die alle aus dem Zoo Berlin stammen. 13 14 LÖHLEINS TIERLEBEN Die zoologische Ordnung der Fledertiere teilt sich in zwei Unterordnungen: zum einen die Fledermäuse, die auch in unseren Breiten heimisch sind und auch im Stadtgebiet München mit rund acht Arten vertreten sind: Großer Abendsegler, Braunes Langohr, Zwergfledermaus, Rauhautfledermaus, Zweifarbfledermaus, Wasserfledermaus, Bartfledermaus und Mausohrfledermaus. Indischer Riesenflughund Pteropus giganteus DIE ZWEITGRÖSSTE ORDNUNG UNTER DEN SÄUGETIEREN SIND NACH DEN NAGERN DIE FLEDERTIERE. RUND 1.100 ARTEN SIND BEKANNT (IN LÖHLEINS TIERLEBEN 02/94 ÜBER DIE BRILLENBLATTNASEN WAR NOCH VON KNAPP TAUSEND ARTEN DIE REDE, ABER INZWISCHEN SIND 17 JAHRE VERGANGEN UND ZAHLREICHE NEUE ARTEN WURDEN SEITHER BESCHRIEBEN). TROTZ IHRER ARTENVIELFALT SIND FLEDERTIERE NICHT GERADE DIE TIERE, ÜBER DIE DIE ALLGEMEINHEIT VIEL WEISS. DAS LIEGT SICHER MASSGEBLICH AN DER NÄCHTLICHEN LEBENSWEISE, MIT DER SICH DIE FLEDERTIERE UNSEREN BEOBACHTUNGEN ENTZIEHEN. Zum anderen die Flughunde, um eine deren größten Arten es hier geht: den Indischen Riesenflughund. Das Leben der Flughunde ist der Allgemeinheit noch weniger bekannt als das der Fledermäuse, denn im Gegensatz zu ersteren leben sie nicht in Mitteleuropa. Sie kommen nur in den Tropen und Subtropen vor. Dazu sind sie ebenfalls nachtaktiv. Umso erfreulicher, dass seit einiger Zeit gleich zwei Arten in Hellabrunn leben: Der über weite Teile Afrikas verbreitete Palmenflughund und der Indische Riesenflughund, der mit einer Spannweite von rund 1,20 Meter eine der eindrucksvollsten Flughundarten ist. Beide Flughundarten leben im Hellabrunner Dschungelzelt und verstecken sich tagsüber in der hohen Vegetation von Ficus und anderen Pflanzen, wo sie kaum zu entdecken sind. Lediglich wenn die Sonne im Sommer auf das Zeltdach brennt, kommen die Flughunde in die unteren Vegetationsschichten, insbesondere in den Schatten des rechten Pylons der Zeltkonstruktion, um dort den kühleren Temperaturbereich aufzusuchen. Wer eine Abend- oder Nachtführung in Hellabrunn besucht, wird die beeindruckende Erscheinung der Flughunde sogar beim Flug erleben. Dennoch bleiben die größten der Fledertiere den meisten Besuchern leider verborgen, was wirklich schade ist. Aber viel- LÖHLEINS TIERLEBEN leicht ändert sich das ja im Laufe der Zeit. Im Moment leben nämlich nur neun männliche Indische Riesenflughunde in Hellabrunn. Für die Zukunft ist aber vorgesehen, dass auch Weibchen aus dem Zoo Berlin dazu kommen sollen. Dann kann die Kolonie wachsen und sich möglicherweise nicht mehr so gut verstecken. Schon jetzt gibt es unter den Männchen regelmäßig Streitereien um die besten Ruheplätze, die je nach Rangordnung eine bestimmte Entfernung zu den Nachbarn fordern. Eigentlich gelten die Indischen Riesenflughunde auch nicht als scheu. Ganz im Gegenteil: Als Kulturfolger besiedeln sie in Kolonien von mehreren hundert Tieren große Bäume und Baumgruppen. Ich selbst habe enorm große Kolonien schon auf Bäumen an stark befahrenen Verkehrskreuzungen mitten in Städten auch in Sri Lanka gesehen. Nicht selten sind die Schlafbäume relativ kahl, denn wenn so viele große Tiere, die sich auch noch um die Schlafplätze streiten, auf einem Baum leben, leidet natürlich die Belaubung. In Hellabrunn leben neben den Indischen Riesenflughunden auch noch die mit rund 300 Gramm und einer Flügelspannweite von 75 cm deutlich kleineren Palmenflughunde. Auch von dieser Art leben nur Männchen in Hellabrunn, glaubte man zumindest. Bis dann im Juli vorletzten Jahres plötzlich ein dritter Palmenflughund, und zwar ein frisch geborenes Jungtier entdeckt wurde. ZOOLOGISCHES Der Indische Riesenflughund ist neben dem Kalong die größte Art der Fledertiere. Er erreicht eine Körperlänge von 23 cm bei einem Gewicht von fast 1,5 kg eine Flügelspannweite von etwa 120 cm. Der pelzig behaarte Körper ist braun gefärbt, die Flügel sind schwarz und das Gesicht trägt eine spitze, hundeartige Schnauze. Tagsüber hängen die Flughunde kopfunten in großen Kolonien, die auch mitten in Dörfern und Städten gelegen sind. In diesen Kolonien geht es gelegentlich auch tagsüber sehr laut zu, wenn um Schlafplätze gestritten wird. Die Männchen dulden nur Weibchen in ihrer unmittelbaren Umgebung und verteidigen ihr kleines Schlafrevier mit lautem Geschrei und Gestreite gegen andere Männchen. Genau eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang (man kann fast die Uhr danach stellen) fliegen die Indischen Riesenflughunde mit ruhigen, langsamen Flügelschlägen in größerer Höhe zu ihren Futterplätzen. Diese befinden sich in ihrem Revier von 15 bis 18 qkm Größe, das meist von Flußläufen oder anderen Gewässern geprägt ist. Dabei überqueren sie in langgestrecktem Formationsflug auch Meerarme. Innerhalb ihres Reviers haben die Flughunde ein erstaunlich exaktes Gedächtnis dafür, wo und wann Bäume reife Früchte tragen. In Obstplantagen können sie erhebliche Schäden anrichten. Sie ernähren sich von Fruchtsäften und Fruchtfleisch. Dazu pressen, lecken, kauen oder lutschen sie reife Früchte aus. Schale und sonstige Fruchtbestandteile werden nach dem Auslutschen ausgespuckt und fallengelassen. So tragen sie zur Verbreitung vieler Früchte bei, wenngleich diese Methode in Obstplantagen weniger gern gesehen wird und ein Grund für die Bejagung durch die örtliche Bevölkerung ist. Insbesondere während der 140-150tägigen Trächtigkeit und der nachfolgenden Säugezeit nehmen Weibchen zusätzlich vermehrt Insekten auf, um den Proteinbedarf zu decken. Die Paarungszeit dauert von Juli bis August. Indische Riesenflughunde sind polygam, es gibt also keine feste Paarbindung. Das Jungtier (selten zwei) wird Anfang Februar geboren und mehrere Wochen von der Mutter getragen. Danach macht es erste Ausflüge im Geäst und beginnt im Alter von etwa drei Monaten mit den ersten Flugversuchen. Mit spätestens fünf Monaten wird das Jungtier abgestillt, das mit 18 Monaten selbst geschlechtsreif wird. Die Lebenserwartung beträgt 15 -18 Jahre in der Natur und bis zu 30 Jahre unter Zoobedingungen. FÜTTERUNG DER RIESENFLUGHUNDE Abends erhalten die Flughunde eine ordentliche Menge reifes Obst, das dann über Nacht gefressen oder viel mehr ausgelutscht wird. Dr. Wolfgang Löhlein Stellvertretender Vorsitzender Tierparkfreunde Hellabrunn e.V. 15