URSACHEN MIKROBIOLOGISCHER BEFUNDE IN DER TRINKWASSERPROZESSKETTE INTERPRETIEREN UND IDENTIFIZIEREN Dr. Andreas Korth ANLASS UND INHALT In den letzten Jahren haben sich im Ergebnis von Forschungsprojekten und Untersuchungen bei WVU neue Erkenntnisse zum Verhalten hygienischer relevanter Bakterien ergeben Auf Basis des verbesserten Prozessverständnis können nachhaltige Maßnahmen abgeleitet werden Im Rahmen der Präsentation werden aktuelle Kenntnisse und Konsequenzen zu folgenden Parametern dargestellt: Coliforme Bakterien Enterokokken Pseudomonas aeruginosa Zur gezielten Auffindung von Kontaminationsstellen wurde eine Methode zur Schnellanreicherung von Bakterien entwickelt Coliforme Bakterien FALL 1: BEFUNDSITUATION IM NETZ 22 Messpunkt 1 20 Messpunkt 2 18 Messpunkt 3 14 Spezies: Citrobacter freundii 10 8 6 4 2 Entfernung Kontaminationpunkt 12 Desinfektion Coliforme pro 100 ml 16 0 08.09.15 28.09.15 18.10.15 07.11.15 27.11.15 17.12.15 06.01.16 26.01.16 15.02.16 UNSACHGEMÄSSER EINSATZ GLEITMITTEL UNTERSUCHUNG GLEITMITTEL AUF COLIFORME Reinkultur Citrobacter freundii FALL 2: BEFUNDSITUATION IM NETZ 20,0 18,0 Wassertemperatur in °C 16,0 Coliforme in 100 ml 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 Spezies: Enterobacter amnigenus (Umweltcoliformer) 4,0 2,0 0,0 9.3 29.3 18.4 8.5 28.5 17.6 7.7 27.7 VERKNÜPFUNG SPÜLUNG UND BEPROBUNG Ende Spülstrecke Durchfluss 100 225 90 200 80 175 70 150 125 Probe Probe Probe Probe 60 50 100 40 75 30 50 20 25 10 0 0 50 100 150 200 250 300 350 400 Spülstrecke in m 450 500 550 600 Durchfluss in m³/h Trübung in FNU Trübung 250 0 650 8 POSITION COLIFORME UND ABLAGERUNGEN Coliforme pro 100 ml Spülwasser 23 Spezies: Enterobacter amnigenus >200 23 ANSIEDLUNG COLIFORME IM NETZ Coliforme pro 100 ml Spülwasser Ergebnis aus Verknüpfung Spülung und Beprobung FAZIT AUS FÄLLEN MIT COLIFORMEN BAKTERIEN Tritt bei Befunden nur eine Spezies coliformer Bakterien auf (Monokultur) ist von einem Wachstum im Trinkwassersystem auszugehen Bei einem Wachstum (Nährstoffe) führt eine Desinfektion häufig zu keiner nachhaltigen Beseitigung Zur nachhaltigen Beseitigung ist die Nährstoffquelle zu identifizieren und beseitigen Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei der Produktion von Bauteilen für Trinkwassersysteme zum unsachgemäßen Einsatz von Substanzen kommt, die das mikrobiologische Wachstum fördern Visuelle Prüfung der Bauteile vor Einbau In Ablagerungen in Trinkwasserleitungen können sich bestimmte Spezies coliformer Bakterien ansiedeln und hierdurch zu Befunden im Wasser führen Systematische und regelmäßige Netzpflege FAZIT FÜR BEREICH BRUNNEN/GRUNDWASSER In Eisenablagerungen können sich bestimmte Spezies coliformer Bakterien (Umweltcoliforme) ansiedeln Ein verstärktes Wachstum kann bei Wassertemperaturen von >12°C auftreten Sind im Brunnen leicht verwertbare Nährstoffe vorhanden, (z.B. Gleitmittel) kann ein Wachstum auch bei niedrigeren Temperaturen auftreten Spülmaßnahmen sind dann erfolgreich, wenn hierdurch die Nährstoffquelle vollständig ausgetragen wird Haftende Beläge (Gleitmittel) sind durch Spülungen nicht immer vollständig entfernbar Desinfektionsmaßnahmen sind nur nachhaltig, wenn das Desinfektionsmittel die relevanten Bakterien erreicht Bakterien in Ablagerungen oder haftenden Belägen werden oftmals nicht vollständig abgetötet Enterokokken AUSGANGSSITUATION Im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2011 traten in Mecklenburg-Vorpommern großflächige Belastungen Enterokokken auf und Brandenburg des Trinkwassers mit Die von den Versorgungsunternehmen durchgeführten üblichen Maßnahmen führten häufig zu keiner vollständigen Beseitigung der Belastung In einem DVGW-Forschungsprojekt wurden die Ursachen des Auftretens der Enterokokken untersucht SITUATION BEI ORTSBEGEHUNGEN Handelsübliche Gaze gegen Insekten (Fliegengitter) bietet keinen ausreichenden Schutz gegen Mücken SAX SHO 59 48 59 S-AH 31 67 68 NR 56 57 32 100.000 10.000 1.000 100 10 42 43 54 55 62 63 29 25 53 50 51 52 64 65 66 60 61 40 41 1 20 21 22 30 2 3 4 5 6 13 16 9 18 8 14 15 17 10 11 12 19 23 24 26 27 28 7 38 39 36 37 0 44 45 58 46 47 1 33 Enterokokken in KBE / Individuum 1.000.000 34 35 BB MV HES BAY BW UNTERSUCHUNG VON MÜCKEN AUF ENTEROKOKKEN Bundesland (Region) und Probennummer Mücken aus verschiedenen Regionen aus Deutschland wiesen eine hohe Besiedlung mit Enterokokken auf FAZIT ZU ENTEROKOKKEN Die großflächigen Befunde wurden durch das Eindringen von Mücken in wasserwirtschaftliche Anlagen verursacht Von besonderer Relevanz sind Bereiche in der Trinkwasserprozesskette die einen ungenügenden Schutz gegenüber dem Eindringen von Mücken aufweisen Um eine Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Trinkwassers in der Prozesskette zu vermeiden, sind die Hinweise des DVGW-Regelwerkes umzusetzen Enterokokken sind nicht nur als Indikator für eine möglicherweise länger zurückliegende Verunreinigung zu werten, sondern auch Besiedlung von Anlagen durch Mücken fäkale für die Pseudomonas aeruginosa RELEVANZ: BEFUNDE FÜR PSEUDOMONAS AERUGINOSA DURCH WASSERZÄHLER zenner.com hamburgwasser.de globalmedicaldiscovery.com Konsequenz für die Praxis: Bauteile können im Prüfprozess mit Pseudomonas aeruginosa beimpft werden BESIEDLUNG VON OBERFLÄCHEN (BATCH) Materialien werden durch Pseudomonas aeruginosa intensiv besiedelt BESIEDLUNG VON OBERFLÄCHEN (DURCHFLUSS) 1,0E+07 1,0E+06 P.a. in KBE/cm² 1,0E+05 1,0E+04 1,0E+03 1,0E+02 1,0E+01 1,0E+00 1,0E-01 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 Versuchsdauer in d ES-oBF PE1-oBF PP1-oBF EPDM3-oBF EPDM6-oBF 220 DESINFEKTION IM DURCHFLUSS 0,1 mg/l Chlor 1,0E+06 1,0E+05 P. a. in KBE/cm² 1,0E+04 1,0E+03 1,0E+02 1,0E+01 1,0E+00 1,0E-01 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Versuchsdauer in d ES-oBF PE1-oBF PP1-oBF PVC-u1-oBF EPDM3-oBF EPDM6-oBF 15 WASSERSPÜLUNGEN 1,E+07 oBF 1 m/s oBF 3 m/s mBF 1 m/s mBF 3 m/s 1,E+06 P.a. in KBE/cm² 1,E+05 1,E+04 1,E+03 1,E+02 1,E+01 1,E+00 0 14 32 56 0 14 32 56 138 0 14 32 56 138 0 14 32 56 138 gespülte Leitungsvolumina PE2 PP2 PVC-u2 EPDM7 FAZIT ZU PSEUDOMONAS AERUGINOSA Neue Oberflächen werden intensiv besiedelt Sukzessive Verdrängung Trinkwasserbakterien durch autochthone Im Durchfluss keine Vermehrung auf Oberflächen, jedoch sehr lange Nachweisdauer Durch Wasser und Luft/Wasser-Spülungen vollständige Beseitigung von Oberflächen keine Bei Desinfektionsmittelrestkonzentrationen gemäß TVO Beseitigung von Oberflächen, mit Ausnahme von EPDM Desinfektionsmittelkonzentrationen entsprechend Bei Vorgabe für Anlagendesinfektion Beseitigung von Oberflächen, mit Ausnahme von EPDM SCHLUSSFOLGERUNGEN Bei anhaltenden Befunden von Pseudomonas aeruginosa ist von einer Material bedingten Kontaminationsstelle auszugehen (Vermehrung durch verfügbare Nährstoffe) In solchen Fällen ist die Wahrscheinlichkeit der vollständigen Beseitigung durch Spül- und Desinfektionsmaßnahmen als gering einzuschätzen Für eine nachhaltige Kontaminationsstelle zu beseitigen Beseitigung identifizieren ist und die zu FAZIT FÜR BEREICH BRUNNEN/GRUNDWASSER Pseudomonas aeruginosa ist kein natürliches Bakterium im Bereich Grundwasser und Brunnen Ein anhaltendes Auftreten von Pseudomonas aeruginosa im Bereich Brunnen/Grundwasser ist ein Indikator für das Vorhandensein leicht verwertbarer Nährstoffen Die Nährstoffquelle ist zu identifizieren und zu beseitigen Bei Brunnenmaßnahmen sollten nur Materialien (z.B. Schläuche, Dichtungen, Armaturen usw.) eingesetzt werden, die nicht durch Pseudomonas aeruginosa besiedelt sind Schnellanreicherung von Bakterien zur Erhöhung der Sensitivität DVGW-PROJEKT „MIKROSENS“ Die Routineverfahren der mikrobiologischen Gefährdungsanalyse sind nicht ausreichend, um Risikostellen in der komplexen Trinkwasserprozesskette eindeutig zu identifizieren Bei der Untersuchung von 100 ml Trinkwasser auf coliforme Bakterien wird erst eine Konzentration ab 10.000 Keimen pro m² erfasst Im Ergebnis des Projektes MikroSens wird für die Praxis Handwerkszeug zur Verfügung gestellt, um eine fundierte Gefährdungsanalyse der Trinkwasserprozesskette zu ermöglichen und mikrobiologische Einträge zu minimieren, im Ernstfall schneller und zielorientierter zu handeln, Maßnahmen zur Vermeidung mikrobiologischer Einträge eindeutiger zu bewerten und Auswirkungen von Managementstrategien (z.B. Instandhaltungs- und Desinfektionsstrategien) besser überprüfen zu können. SYSTEME FÜR VOR-ORT EINSATZ Mit Vordruck Ohne ausreichenden Vordruck VERGLEICH QUANTIFIZIERUNGSMETHODEN Quantifizierung coliformer Bakterien Colilert für Quantifizierung angereicherter Proben geeignet TTC für Quantifizierung angereicherter Proben ungeeignet BEPROBUNGSSERIE AN BRUNNEN Messpunkt Wassertemperatur (°C) filtriertes PV [l] Coliforme pro m³ Brunnen 1 Brunnen 2 Brunnen 3 Brunnen 4 Brunnen 5 Brunnen 6 Brunnen 7 Brunnen 8 Brunnen 9 12,4 12,6 13,1 12,6 12,2 11,8 11,8 12,1 12,3 200 201 215 200 200 200 200 205 200 328 0 2638 0 95 52 10 0 0 Einige Brunnen weisen eine geringe Belastung mit coliformen Bakterien auf ZUSAMMENFASSUNG Im Rahmen von MikroSens wird Handwerkszeug für eine Identifizierung von mikrobiologischen Kontaminationspunkten entwickelt Für die schnelle Vor-Ort Anreicherung von Bakterien wurden verschiedene Systeme getestet Membranmodule aus der Medizin weisen ein einfaches Handling und hohe Filtrationsleistung auf Zur Quantifizierung coliformer Bakterien nach Anreicherung ist Colilert geeignet Die Anreicherung kann mit der Identifizierung gekoppelt werden Der Ansatz ist geeignet, um die Nachhaltigkeit von Maßnahmen zur Beseitigung von mikrobiologischen Belastungen sensitiv beurteilen zu können DANKSAGUNG Das TZW bedankt sich bei: dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) für die Förderung des Projektes den beteiligten Unternehmen für die Unterstützung bei den Untersuchungen Vielen Dank für das Interesse! Dr. Andreas Korth DVGW-Technologiezentrum Wasser Karlsruhe (TZW) Außenstelle Dresden Wasserwerkstraße 2 01326 Dresden Tel.: +49 (0) 351 / 85211- 54 Fax: +49 (0) 351 / 85211- 10 E-Mail: [email protected]