Tsukuba Abschlusserklärung Anhang 2

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Anhang 2 zur Abschlusserklärung von Tsukuba
Empfehlungen – G7-Expertenworkshop zu Zukunft der Ozeane und Meere
Hintergrund
Die Weltmeere sind Hauptbestandteil des Erdsystems – sie bedecken über 70 % der
Erdoberfläche und sind das größte zusammenhängende Ökosystem. Sie bieten wichtige
Lebensgrundlagen, denn sie bestimmen weltweit das regionale Wetter und Klima und
liefern lebende und nicht lebende Ressourcen, wobei sie auch Gefahren bergen, die Leben
und Objekte bedrohen. Der direkte wirtschaftliche Nutzen der Ozeane und Meere lässt sich
auf über 2,5 Billionen Dollar jährlich beziffern (das Zehnfache bei Berücksichtigung eher
nicht-materieller Ökosystemleistungen)1, womit die Weltmeere allein die siebtgrößte
Volkswirtschaft der Welt wären. Allerdings basieren 90 % dieses Wirtschaftswerts auf
gesunden Meeresökosystemen, die zunehmend durch menschliche Aktivitäten belastet
werden.
Die Ozeane verändern sich, 30-35 % der wichtigen marinen Lebensräume sind übernutzt
oder zerstört, der Säuregehalt des Meeres ist um 26 % gestiegen und in Küsten-nahen
Bereichen nimmt der Sauerstoffgehalt gewöhnlich ab. Tatsächlich ist die Meeresgesundheit
von solch entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, dass ihr ein
eigenes UN-Nachhaltigkeitsziel (SDG 14) „Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne
einer nachhaltigen Entwicklung erhalten und nutzen“ gewidmet wurde. In ähnlicher Weise
würdigt das Nachhaltigkeitsziel SDG 13 mit Maßnahmen zum Klimaschutz die erheblichen
Auswirkungen des Klimawandels, der zu einem Anstieg des Meerespiegels, zu einem
Abnehmen der Meereisfläche und -dicke, zu Veränderungen in der Ökosystemproduktivität
und -biodiversität, zu extremen Wetterereignissen und zu Veränderungen im
Wettergeschehen führen kann, die alle unter dem Einfluss der Ozeane und Meere stehen.
Die Veränderung der Meeresumwelt ist ein globales Problem, das die nachhaltige Nutzung
der Ozeane durch künftige Generationen gefährdet. Dennoch sind große Teile der Tiefsee
nicht ausreichend untersucht, und wir stehen weiterhin vor der bedeutenden
Herausforderung, das Wissen zu erwerben und weiterzugeben, das erforderlich ist, um die
sich vollziehenden Veränderungen und ihre Auswirkungen auf Wirtschaft, Politik und die
nachhaltige Nutzung der Ozeane und Meere abschätzen zu können. Dieses Problem muss
im Rahmen abgestimmter internationaler Beobachtungsprogramme angegangen werden.
Satellitenbeobachtungen liefern großskalige Ansichten der Ozeane, allerdings nur von der
Oberfläche und erlauben nur in sehr begrenztem Maße die Erforschung tieferer
Wasserschichten und des Meeresbodens. Forschungsschiffe sind weiterhin wichtig für die
Untersuchung der ozeanischen Prozesse und für die Verifizierung von Daten autonomer
Systeme, aber Messkampagnen werden nicht häufig genug und nur geographisch begrenzt
durchgeführt. In den vergangenen 10 Jahren haben autonome Driftkörper (wie ARGO)
unsere Möglichkeiten zur Messung physikalischer Eigenschaften der Ozeane revolutioniert
und das hohe Entwicklungstempo bei Technologien für autonome Messplattfomen und
Sensoren verspricht einen verstärkten Zugang zur Tiefsee, um dort ein breites Spektrum
physikalischer, chemischer und biologischer Eigenschaften zu messen. Weitere
Innovationen sind jedoch notwendig, um einen Satz von Sensoren für die vollständige
1
Hoegh‐Guldberg, O. et al. 2015. Reviving the Ocean Economy: the case for action – 2015. WWF International,
Gland, Genf, Schweiz, 60 S.
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Erfassung zentraler biologischer Prozesse bereitzustellen, und es sind Optionen zu prüfen,
wie vorhandene Beobachtungsplattformen und -systeme die Meeresbeobachtung erleichtert
können.
Zusammen bilden diese Plattformen und Sensoren eine teure globale Forschungs- und
Überwachungsinfrastruktur, die als Ganzes verwaltet werden muss, um den Daten- und
Informationsgewinn aus dieser kollektiven Investitionen zu maximieren. Die Erfahrungen
aus dem Einsatz von Satelliten und ARGO sind lehrreiche Beispiele einer erfolgreichen
globalen Koordinierung zur Erleichterung der Meeresbeobachtung.
Vor dem Hintergrund, dass 93 % des Ozeans mehr als 200 m tief sind, sich über
verschiedene Hoheitsgebiete erstrecken und internationalem Recht unterliegen, ist die
Meeresbeobachtung als „Big Science“ zu sehen. Eine adäquate, dauerhafte, umfassende
und global koordinierte Beobachtung von Ozean und Meeresboden ist notwendig, damit
wir – insbesondere vor dem Hintergrund der vom Menschen verursachten Veränderungen
und der natürliche Variabilität – Daten und Wissen als Evidenzgrundlage für politische
Entscheidungen bezüglich der Nutzung der Ozeane zur Verfügung stellen können. Ein
umfassendes Meeresbeobachtungsprogramm müsste in einen sinnvollen internationalen
Rahmen eingebettet sein, damit i) der Einsatz der Mittel für die globale
Meeresbeobachtung koordiniert und somit ihre Verwendung optimiert, ii) die gemeinsame
globale Datennutzung gefördert und der internationale Datenzugang und die
Interoperabilität bestmöglich gestaltet und iii) regelmäßige, zuverlässige Bewertungen des
Zustands der Ozeane und ihrer Ökosysteme erstellt werden können. Mit der Entwicklung
eines solchen Systems werden wir in der Lage sein, die nachfolgend beschriebenen
zentralen Fragen anzugehen.
1) Verbesserung des Verständnisses und der Vorhersage der langfristigen globalen
und regionalen Veränderung und Variabilität. Dazu gehört, dass wir verstehen, welche
Rolle die Ozeane und Meere beim Klimawandel und dessen Folgen wie Veränderungen im
Wettergeschehen, Anstieg des Meeresspiegels, Veränderung von Wellen- und
Strömungsmustern, Verringerung des Sauerstoffgehalts, Erwärmung und Prozessen wie
Meeresversauerung spielen. Auch für verbesserte Vorhersagen und Szenarienanalysen
zum Zustand der Ozeane und Meere ist es notwendig, dass wir unser Wissen über die
Wechselwirkungen zwischen den oben genannten Veränderungen und der Biodiversität und
den Ökosystemfunktionen erheblich erweitern. Von diesem Wissensausbau hängt es ab,
wie gut wir Veränderungen für Zeiträume von bis zu zehn Jahren vorhersagen und damit
besser auf diese Veränderungen reagieren, uns auf sie einstellen und sie mindern können.
2) Erhaltung der Produktivität und Widerstandskraft der marinen Ökosysteme bei
zunehmender Belastung durch menschliche Aktivitäten. Wir müssen in der Lage sein,
die Auswirkungen von größeren Umweltveränderungen und Stressfaktoren auf die
vorherrschenden Bedingungen in unseren Meeren, beispielsweise in Folge von
Verschmutzung, Überdüngung, Umweltveränderung, Versauerung, Verlust von
Lebensraum und Raubbau der Ressourcen, abzuschätzen. Das voraussichtliche
Bevölkerungswachstum (wahrscheinlich 9,7 Milliarden bis 2050)2 könnte uns verleiten die
Ozeane und Meere als unbegrenzte Proteinquelle hoher Qualität mit Küstenaquakultur und
Hochseefischerei anzusehen. Wir brauchen einen frühzeitigen und konstanten
2
World Population Prospects: the 2015 Revision, United Nations,
http://esa.un.org/unpd/wpp/Publications/Files/Key_Findings_WPP_2015.pdf
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Informationsfluss zum Zustand des Ökosystems Meer, um die Bewirtschaftung der
lebenden Ressourcen durch den Menschen nachhaltig gestalten zu können.
3) Minimierung des menschlichen Einfusses auf die Ozeane und Meere durch
nachhaltige Gewinnung erneuerbarer und verantwortungsvolle Nutzung endlicher
Meeresressourcen. Aktivitäten wie die Erkundung/Gewinnung von Kohlenwasserstoffen
und mineralischen Rohstoffen und die Tiefseefischerei im großen Maßstab erreichen
voraussichtlich immer unwirtlichere und unzugänglichere Lebenswelten wie tiefere
Wasserschichten, den Meeresboden und hohe Breiten. Dadurch ergeben sich für uns neue
Fragen bezüglich dieser Aktivitäten und ihren Auswirkungen auf die Meeresfauna und -flora,
die außerdem neue technische Ansätze erfordern, was uns vor große Aufgaben im Umweltund Technologiebereich stellt.
Um Lösungsmöglichkeiten für diese Probleme auszuloten, wurde am 8./9.März im
britischen National Oceanography Centre in Southampton ein Workshop mit Fach- und
Politikvertretern aus den G7-Staaten veranstaltet. Nach zwei Tagen produktiver Diskussion
werden den G7-Wissenschaftsministern die folgenden Handlungsempfehlungen für eine
signifikante Verbesserung der Meeresbeobachtung vorgeschlagen. Die Arbeitsgruppe
stellte fest, dass auch viele andere Bereiche von einem abgestimmten Vorgehen
profitieren würden und begrüßte parallele Arbeiten der Umweltminister zu
Ressourceneffizienz und Meeresvermüllung. Da sich das Treffen aber schwerpunktmäßig
mit dem Thema der Meeresbeobachtung befasste, beziehen sich die nachfolgenden
Empfehlungen nur auf diesen Aspekt.
Empfehlungen
In der Erkenntnis, dass dauerhafte Meeres- und Ozeanbeobachtung von entscheidender
Bedeutung ist, um unser wissenschaftliches Verständnis des Meeresklimas, der
Meeresökosysteme und ihrer Gefährdung durch menschliche Einflüsse sowie der
Auswirkungen von Vorgängen im Meer auf das Wohl der Menschen zu verbessern,
empfiehlt die Expertengruppe den Wissenschaftsministern der G7, aufbauend auf
vorhandenen Beobachtungssystemen wie GOOS Maßnahmen zu ergreifen, um
1. die Entwicklung einer globalen Initiative für ein verbessertes, globales und
dauerhaftes Meeres- und Ozeanbeobachtungssystem zu fördern, wobei neue
Technologien entwickelt und neue physikalische, biogeochemische und biologische
Beobachtungen einbezogen und gleichzeitig wichtige laufende Beobachtungen bei
umfassender Koordinierung mit vorhandenen Mechanismen weitergeführt werden.
Dies sollte u. a. Folgendes beinhalten:
•
Stärkung des globalen ARGO-Netzwerks unter Verwendung von
biologischen
und
biogeochemischen
Sensoren
sowie
Tiefseebeobachtung;
•
Nutzung und Verbesserung der globalen Kapazitäten im Bereich
Gleiter/autonome Wasserfahrzeuge, um die Beobachtung auf offener See mit
dem Küstenbereich zu verbinden;
•
Entwicklung der erforderlichen Technologien für Beobachtungen an
festen Verankerungen und in der Tiefsee;
•
Entwicklung neuer und innovativer Sensortechnologien zur Verbesserung der
mehr
der
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Effizienz und Effektivität der Meeres- und Ozeanbeobachtung (vor allem
biogeochemischer
und
biologischer
Sensoren),
die
auf
den
unterschiedlichsten Plattformen zum Einsatz kommen können, u. a.
Tiefseeobservatorien, den o. g. Driftkörpern und autonomen Fahrzeugen und
Meeresbodenobservatorien;
•
Förderung und Beschleunigung der Entwicklung und Anwendung von
wichtigen ökosystem-/biodiversitätsbezogenen Meeresvariablen (Essential
Ocean Variables, EOV) für den Routineeinsatz;
•
Weiterentwicklung von Netzwerken und der Infrastruktur für die
Meeresspiegelbeobachtung für eine bessere Bereitstellung von globalen und
regionalen Meeresspiegelinformationen, insbesondere in Gebieten, die
zunehmend von Veränderungen des Meeresspiegels bedroht sind;
•
Fortführung kritischer regionaler Beobachtungen in den Tropen sowie Erhalt
und Ausbau unserer Beobachtungskapazität in der marinen Kryosphäre (Arktis
und Antarktis);
•
Verbesserung der effektiven Nutzung und internationalen Koordinierung von
Forschungsschiffen und -satelliten, um ihre einzigartigen Möglichkeiten im
Rahmen des Ozeanbeobachtungskonzepts auszuschöpfen;
•
Förderung einer verstärkten Zusammenarbeit mit der kommerziellen
Schifffahrt bei der Meeresbeobachtung, um eine stärkere Nutzung von
Handelsschiffen für die Beobachtung der Ozeane und Meere auszuloten.
2. ein verbessertes Meeresbewertungssystem im Rahmen des UN-Prozesses der
regelmäßigen globalen Berichterstattung und Bewertung zum Zustand der
Meeresumwelt zu fördern, das dazu beträgt, dass wir uns regelmäßig ein
gemeinsames Bild vom Zustand der Ozeane machen können. Dadurch wird es
möglich, Strategien für nachhaltiges Management innerhalb der Gruppe der G7 und
darüber hinaus zu entwickeln und umzusetzen.
Die verbesserte Bewertung sollte:
•
eine nachhaltige wissenschaftsbasierte Bewirtschaftung der
sicherstellen und Klarheit beim Ressourcenmanagement schaffen;
•
Beobachtungsaktivitäten sowie die gemeinsame Nutzung von Daten und die
Entwicklung von Produkten und Modellen fördern, die integriertes Wissen zum
Zustand der Ozeane liefern;
•
die Koordinierung mit einschlägigen Aktivitäten des Weltklimarats (IPCC) und
des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) fördern;
•
Fortschritte bei der Erreichung des Nachhaltigkeitsziels SDG 14 unterstützen
und verfolgen;
•
das Ansehen der Meeresforschung im Allgemeinen steigern und
•
die Zeitverzögerung zwischen dem Beobachtungsgeschehen und seiner
Anwendung in Diensten zum Nutzen der Gesellschaft durch einen
interdisziplinären Ansatz verringern.
Ozeane
In einer Zeit, in der sich die Erde rasch verändert, helfen aktuelle Informationen zur
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Meeresgesundheit entscheidend dabei, die Kosten von Abhilfemaßnahmen der
internationalen Staatengemeinschaft, die zur Erhaltung der Meeresressourcen
notwendig sind, zu minimieren und deren Wirksamkeit zu steigern.
3. die Verbesserung der globalen Infrastruktur für die gemeinsame Datennutzung wie
u. a. GEO/GEOSS zu fördern, damit sie nicht nur physikalischen und chemischen,
sondern auch biologischen Daten gerecht werden. Damit soll die Auffindbarkeit,
Verfügbarkeit und Kompatibilität eines breiten Spektrums von Meeresdaten (für
Forschung, Öffentlichkeit und Wirtschaft) sichergestellt werden.
4. kooperative Ansätze zu stärken und damit die Entwicklung von regionalen
Beobachtungskapazitäten und Wissensnetzwerken zu fördern. Durch den Ausbau
von globalen Koordinierungsmechanismen und Infrastrukturen sollen Kapazitäten
geschaffen werden, um globale Meeresinformationen besser zu nutzen und die
Ozeane besonders in Entwicklungsländern zu überwachen.
5. eine verstärkte politische Zusammenarbeit der G7 zu fördern und damit sowohl
derzeitige als auch künftige Routinebeobachtungen der Ozeane zu stärken, indem
weitere erforderliche Maßnahmen identifiziert werden, die eine wirksame und
zeitnahe Umsetzung der Empfehlungen 1 bis 4 ermöglichen.
Zur Unterstützung der oben beschriebenen Maßnahmen und zur Gewährleistung rascher
Anschlussmaßnahmen wird empfohlen, dass die Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit fortführt und
begleitet von einer Gruppe von G7-Verantwortlichen den Fortschritt verfolgt und die
jeweils führenden G7-Länder ermittelt, um bestimmte Aktivitäten voranzutreiben. Diese
Gruppe von Verantwortlichen sollte den Senior Officials Ende 2016 und im Vorfeld des
nächsten Treffens der Wissenschaftsminister 2017 in Italien über den Fortschritt Bericht
erstatten.
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