Der Laufsport aus orthopädischer Sicht Positive Effekte auf den Bewegungsapparat Überlastungssyndrome-erkennen und (be-)handeln Dr. med. Andreas Theel Facharzt für Orthopädie • Warum Laufen so gesund ist oder wer sich regelmäßig bewegt, tut seinem Körper etwas Gutes. • Laut WHO werden im Jahr 2020 70% aller Erkrankungen durch unseren Lebensstil mitverursacht sein • Schon heute ist Bewegungsmangel ein wesentlicher Faktor. • Aktuelle Studien zeigen: • Bei ca. 27 verschiedenen Erkrankungen ist Sport die richtige- primäre oder unterstützende Therapie. So z. B. bei Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Herz-Lungenerkrankungen, Krebserkrankungen, Osteoporose, chronischen Wirbelsäulenbeschwerden und vielen anderen. • Welche Effekte hat Laufsport auf den menschlichen Bewegungsapparat? • Exkurs Bewegungsapparat • Aktiver Bewegungsapparat: • Die Muskulatur, die direkt an der sportlichen Bewegung teilnimmt Passiver Bewegungsapparat: • Knochen, Knorpel, Sehnen, Bänder, Gelenkkapseln Unterschiedliche Anpassungsgeschwindigkeiten der verschiedenen Gewebe auf Trainingsreize: Schnellere Adaptation der Muskulatur aufgrund der vorhandenen KapillarenHaarkranzgefäße-, als Bänder, Knorpel oder Knochen. Die letztgenannten werden zum Teil durch Diffusion aus dem umgebenden Milieu ernährt. • Der passive Bewegungsapparat • Der Aufbau des menschlichen Knochens Reagiert auf Belastungsreize mit einem Reglersystem. Reglergröße ist der Knochenquerschnitt, Störgröße ist die Beanspruchung durch äußere Kräfte. Zu niedrige Spannung verursacht Knochenatrophie und der Querschnitt nimmt ab. Ziel des Knochens ist es, ein Fließgleichgewicht zwischen den Spannungsverhältnissen zu erreichen. Unterscheidung: Kortikalishypertrophie: Zunahme der kompakten Knochenrinde. An den Ansatzzonen von Muskeln, Sehnen und Gelenkkapseln werden Hohlräume, gefüllt mit embryonalem Gewebe, gebildet. Spongiosahypertrophie: Dies ist die Verstärkung der Knochen durch Bildung von Knochenbälkchen, auch als Substantia spongiosa bezeichnet. Knochenverbindungen und lokale Knochenreaktionen werden hierdurch flexibler. Beispiel Weltraumfahrt: Kehrt ein junger Astronaut nach einer mehrwöchigen Mission aus dem Weltraum zurück, hat er durch die fehlende Schwerkraft die Knochen und Muskeln einer untrainierten 70-jährigen Frau. Der passive Bewegungsapparat • Der Aufbau des Gelenkknorpels Morphologische und funktionelle Effekte von Laufsport auf den Knorpel Bei der morphologischen Anpassung wird die Zellzahl vergrößert , vermehrt und die Faserstruktur verändert. Der Knorpel hypertrophiert, er wird dicker. Bei der funktionellen Anpassung wird der Zellstoffwechsel gesteigert, die chemische Zusammensetzung optimiert, sowie Druckelastizität und Stoßdämpfung verbessert. Der passive Bewegungsapparat • Sehnen, Bänder Belastungsreize führen zu einer Zunahme der Zugfestigkeit und einer Hypertrophie der Sehnenquerschnittes. Fazit: Ziel der Adaptationen am passiven Bewegungsapparat ist die Resistenz gegenüber höheren Belastungen. Verstärkte Knochen fangen den Druck bei Laufbelastungen besser ab und verteilen ihn gleichmäßiger. Knochenbrüche werden vermieden. Eine höhere Wasserbindungsfähigkeit des Knorpels hat eine geringere Abnutzung zur Folge. Verstärkte Bänder und Sehnen lassen eine stärkere Belastbarkeit der beteiligten Muskulatur zu. Der aktive Bewegungsapparat • • Muskulatur Aufbau und Funktions weise Der menschliche Körper verfügt über 639 Muskeln. Männer bestehen zu 50% ihres Gewichtes aus Muskulatur, Frauen zu 35%. Ab einem Alter von 30 Jahren verliert der Körper ohne entsprechenden sportlichen Ausgleich pro Lebensjahrzehnt 3kg Muskeln, dies wird wissenschaftlich auch als Sarkopenie bezeichnet. Die Muskelfasern werden in slow twitch (ST)-langsam zuckend- und fast twitch (FT)- schnell zuckend unterschieden. Die Verteilung der einzelnen Muskelfasern ist stark anlagebedingt und nur zum Teil veränderbar. So gibt es deshalb den geborenen Sprinter oder Langläufer. Anpassungen des Muskels laufen überwiegend auf Stoffwechselebene ab. Oxidativ ausgerichtete Muskel werden unter spezifischem Training in Richtung anaerob und umgekehrt verschoben. Durch gezieltes Training sind bereits nach 4-8 Wochen Trainingseffekte in der Muskulatur feststellbar. Wird das Training abgesetzt, bilden sich die erzwungenen Veränderungen rasch zurück. Biochemische Veränderungen in der Muskulatur: Steigerung der Mitochondrienzahl= Kraftwerke der Zelle,Vergrößerung des Glykogenspeichers und eine Vermehrung des Myoglobingehaltes. Resultate sind eine verbesserte aerobe Leistungsfähigkeit des Körpers und Widerstandsfähigkeit gegenüber Ermüdung. Die Muskulatur ist das größte wichtigste Stoffwechselorgan des menschlichen Körpers. Es werden bei körperlicher Belastung bis zu mehrere Hundert verschiedene Signalstoffe -sogenannte Myokine- ausgesendet. Diese Botenstoffe haben zum Teil hormonähnliche Wirkungen und funktionieren nach dem SchlüsselSchloss-Prinzip an den Zellen bestimmter Organe. D.h.durch das Andocken an spezifische Organzellen werden spezifische Stoffwechselvorgänge ausgelöst. Wer regelmäßig läuft ,tut seinem Körper etwas Gutes. Muskeln, Knochen, Knorpel, Sehnen und Bänder werden gekräftigt. Altersbedingten Erkrankungen/Veränderungen wie Muskelschwund, Osteoporose, Sturzneigung, Stoffwechselerkrankungen etc. wird entgegengewirkt. Überlastungssyndrome beim Laufsport • Laufen an sich ist gesund, hält fit und akute Verletzungen sind selten. Einer Studie zufolge klagen jedoch 30 - 50% der Freizeitläufer pro Jahr über trainingsabhängige Beschwerden. Lernen Sie, was Sie dagegen tun können. Gesicherte Risikofaktoren von laufbedingten Beschwerden sind: Laufstrecke von mehr als 80 km/Woche Lauferfahrung (in den ersten Jahren erhöhte Beschwerdeanfälligkeit) vorangegangene Verletzungen Trainingsaufbau Körper- oder Fußfehlhaltung • Mögliche Risikofaktoren laufabhängiger Beschwerden: Laufschuhe • Dehnen (es wird empfohlen nur nach dem Laufen zu dehnen) • Körpergewicht (Übergewichtige sollten vor dem Training einen Sportarzt konsultieren und sich beraten lassen) • Ausgleichssportarten ( ob die Durchführung zusätzlicher sportlicher Betätigung verletzungsmindernd wirkt, ist zumindest umstritten) • Laufuntergrund (z.B. Asphalt, Waldboden mit Wurzeln) • Alter und Geschlecht Typische Überlastungsbeschwerden bei Läufern: • Knieschmerzen (Läuferknie, Patellasehnenreizung, Schmerzen um die Kniescheibe, Kniebinnenverletzungen) • Beschwerden der Lendenwirbelsäule • Achillessehnenbeschwerden • Läufer-Hüfte • Knochenhautreizungen • Stressfrakturen (Ermüdungsbrüche) • Entzündungen der Plantarfaszie (Fußsohle) Erste Hilfe bei Laufbeschwerden • • • • • PECH-Schema: P (Lauf-) Pause E EIS C Compression H Hochlagern Laufen gehört mit zu den gesündesten Sportarten, dennoch ist laufen für Menschen mit folgenden Veränderungen nicht geeignet: • stark veränderten Beinachsen (O- oder XBeine) • schweren Knorpelschäden (Arthrosen) • Hüfterkrankungen (angeborene Hüftdysplasie) • Gleitwirbel im fortgeschrittenem Stadium • mit deutlichem Übergewicht Beim Laufschritt werden die Hüftgelenke z.B. mit dem 2-4 fachen des Körpergewichts belastet. Besonders ist die vermehrte Belastung beim Bergablaufen zu beachten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit