Rückengesundheit im Karate durch Aufrichtung der oberen Körperhälfte (vgl. Mandel im DKV-Heft 2/2011, 4) Richtige Aufrichtung und Ausrichtung des Skeletts, insbesondere der Wirbelsäule, macht jede Karate-Technik effektiver und schützt gleichzeitig den Rücken. Eine Erfahrung, die vielen, gerade fortgeschrittenen Karateka eine Hilfe sein könnte. Warum also nicht mal zu den Quellen des Karate schauen – nach China: in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) finden sich altbewährte Übungen und Weisheiten, die sich ideal in das Karate-Training einbauen lassen (Hintergründe zur TCM: Hecker, 2003). Nach der TCM ist es wichtig, die Wirbelsäule gerade aufzurichten, um das Ki (chin.: Qi) frei fließen zu lassen. Abb. 1 und 1 a.: ‚In den Wolken sitzen‘ ist mit Partner leichter, die Linien zeigen die unterschiedliche Ausrichtung des unteren Rückens Um die S-Form der Wirbelsäule zu begradigen, ist es notwendig, nicht etwa mit Muskelkraft das Becken zu kippen, denn das würde dem freien Energiefluss durch die Muskelanspannung entgegen wirken. Richtig dagegen ist, das Steißbein fallen zu lassen, eine für Ungeübte komplexe Bewegungsanforderung, die ohne Hilfe und zunächst langsames Üben mit Partner nicht umzusetzen wäre. In der Partnerübung in Abbildung 1 und 1 a (‚In den Wolken sitzen‘) ist zu sehen, wie sich durch den Druck des Partners der untere Rücken nach unten außen wölbt, so dass eine passive Begradigung der Wirbelsäule im unteren Bereich erspürt werden kann. Dieses Körpergefühl kann zu einem festen und abrufbaren Bewegungsprogramm werden. Gleichzeitig wird der höchste Punkt des Kopfes (chin.: Bahui) nach oben gedrückt. So wird die Wirbelsäule im oberen Teil begradigt. Durch die Bewegung während der Technik verbunden, wird so entlang der Meridiane (=Energieleitbahnen für das Ki/Qi), die parallel zur Wirbelsäule verlaufen, eine Pumpbewegung aktiviert, die Leitbahnen werden durchlässig. In Abbildung 2 ist das Modell der Wirbelsäule in der Aufrichtung zu sehen, wie es sich durch das Sinken lassen des Steißbeines bei gleichzeitigem Aufsteigen des Scheitelpunktes ergibt. Durch den durchlässigen Bereich des unteren Rückens (chin.: Mingmen) kann die Kraft aus dem Abdruck der hinteren Fußfläche am Boden im Zenkutsu-Dachi ungehindert in die Technik übertragen werden. Hier wird deutlich, was es heißt, wenn immer gesagt wird: ‚Im Karate holen wir die Kraft aus der Erde.‘ (chin. Bezeichnungen vgl. Hempen, 2005). Abb. 2.: Die Aufrichtung der Wirbelsäule im Modell, © Natalie Mandel Da häufig eher mit ständiger Muskelanspannung trainiert wird, wird verhindert, dass Körpergewicht und Druck-Impulse der Füße am Boden die Energie (physikalisch: die Gegenkraft zur Gravitationskraft) in die Technik übertragen können. Denn schwer fällt im Karate häufig das Loslassen der Muskulatur, das Entspannen. Dabei lebt jede Technik genau davon: dem gezielten Wechsel von An- und Entspannung, dem Gegensatz von hart und weich, wie es besonders im Goju Ryu geübt wird. Dies wird in der Philosophie durch die beiden Pole Yin und Yang versinnbildlicht. Die innere Energie (Yin) des Menschen muss nach der TCM im ausgeglichenen Einklang mit der äußeren (Yang) stehen. Um den Körper gesund zu erhalten darf weder ein Mangel noch ein Überfluss an einem der beiden Pole entstehen (vgl. Lind, 2001, 684). Als ersten Schritt in diese Richtung kann man versuchen, das ‚In den Wolken sitzen‘ zu verinnerlichen. Der Rücken dankt es – wie viele meiner Schüler/innen bestätigen denn durch den anatomisch sinnvollen Einsatz des eigenen Körpers können körpereigene Ressourcen anatomisch optimal genutzt werden. Durch die Rundung und die ständige leichte Bewegung zwischen den einzelnen Wirbelkörpern wird die Rückengesundheit optimal unterstützt.