Die Kraft der Elternliebe - Wie Zuwendung das kindliche Gehirn prägt. Die englische Psychotherapeutin zeigt die Bedeutung der elterlichen Zuwendung für Babys und Kleinkinder auf und setzt sie in Verbindung mit deren Hirnentwicklung. Es wird ein Bezug vor allem zwischen Neurowissenschaft und Bindungstheorie hergestellt. Eine Besprechung von Burghard Behncke Zuerst sind in der Psyche des Babys Basisemotionen als Mittel zum Überleben, wie Angst und Ärger, vorhanden, basierend auf der Amygdala als einem der ersten Teile seines reifenden emotionalen Gehirns. Dann wird das Kind emotional komplexer und wissender und entwickelt mehr Alternativen im Umgang mit anderen. Das erfordert Denkfähigkeit, Reflexions- und Sprachvermögen und führt zum Ausbau des Cortex. Dabei hat der präfrontale Cortex eine einzigartige Rolle inne, indem er die Gefühle kontrolliert, dass sie nicht außer Kontrolle geraten, indem er die Amygdala dann ausbremst. Man kann die Reifung des kindlichen Gehirns nicht sich selbst überlassen. „Wenn Babys nicht genügend einfühlsame Aufmerksamkeit bekommen, … entwickelt sich das Hirn nicht so gut.“ (126). So ist es z.B. ohne eine liebevolle eins-zu-eins Sozialerfahrung mit einem fürsorglichen Erwachsenen, normalerweise der Mutter, unwahrscheinlich, dass sich sein orbitofrontaler Cortex, auch in der Größe, angemessen entwickelt. Da er wesentlich für das Einfühlungsvermögen und die soziale Intelligenz des Kindes ist, wird dessen Fähigkeit des befriedigenden Miteinanders durch mangelnde Liebe beeinträchtigt. Viele unserer Neuronen haben wir schon bei der Geburt, aber wir brauchen zahlreiche Verbindungen zwischen ihnen, damit das Gehirn gut arbeitet. Mit 6 – 12 Monaten zeigt das Baby normalerweise eine Explosion von synaptischen Verbindungen im präfrontalen Cortex. Bei guter Elternbeziehung ist die Dichte besonders groß, was die Fähigkeiten des Kindes ansteigen lässt. Schon das Anschauen und Anlächeln eines Babys durch die Mutter hilft dem Wachstum seines Gehirns und gibt wichtige Impulse für sein soziales, emotionales und intelligentes Gedeihen. Das Baby nimmt ihre erweiterten Pupillen als Information auf, dass ihr sympathisches Nervensystem in angenehmer Erregung ist, was sich auf ihn überträgt. Sein Herzschlag nimmt zu und die Bildung von selbst produzierten Opiaten wie Dopamin wird angeregt. Diese führen nicht nur zu einem wohligen Gefühl, sondern beeinflussen auch die Regulation von Glucose und Insulin, was zum vermehren Wachstum von Neuronen im präfrontalen Gehirn führt. Ein unfreundliches Gesicht bewirkt dagegen die Auslösung des Stresshormons Cortisol, welches die Endorphin- und Dopamin-Neuronen hemmt. Ist das Kleinkind oft Unfreundlichkeit oder gar früher Mutter-Kind-Trennung ausgesetzt, ohne einen adäquaten eins zu eins Ersatz, so entsteht hoher Stress, ausgelöst vom Hypothalamus über die Adrenalin-Drüse, welche vermehrt Cortisol freisetzt. Das Cortisol bremst das Immunsystem sowie die Fähigkeit zu lernen wie sich zu entspannen. Dauert der Stress an und bleibt viel Cortisol im Körper, kann es zu irreversiblen Schäden in Hirn, Körper und Psyche kommen. Die frühen Erfahrungen sind es, welche über Wohl und Unwohl evtl. des ganzen Lebens des Kindes entscheiden. Die genetische Komponente gibt der psychischen Entwicklung zwar Basisimpulse, wesentlich für Charakterbildung und Bindungsfähigkeit sind aber die Umwelterfahrungen. Eine gute Elternbeziehung kann auch eine ursprüngliche Schüchternheit und Ängstlichkeit eines Kindes gut kompensieren. Zahlreiche kindliche Fehlentwicklungen werden mit ihren Niederschlägen im Hirn und ihrem häufigen Fortbestand als Jugendliche und Erwachsene ausführlich, auch mit Fallbeispielen, dargestellt. Immer wieder ist es vorwiegend elterliches Fehlverhalten, welches dazu führt. Übrigens sind viele versagende Eltern häufig selbst als Baby oder Kleinkind misshandelt, vernachlässigt oder früh separiert worden und zu eigenbedürftig, um sich in ihre Kinder adäquat einzufühlen. Das Buch schließt ab mit einer kritischen Beleuchtung der heutigen schwierigen Situation von Familien in der westlichen Welt. Die Autorin macht verschiedene Verbesserungsvorschläge, welche sich auch an Politiker wenden. Bibliografische Angaben: Sue Gerhardt: Die Kraft der Elternliebe – Wie Zuwendung das kindliche Gehirn prägt. Patmos Verlag, 2006. 260 Seiten, ISBN: 978-3-530-42208-5, 24,90 €