AN-9701 Applikationsschrift Treiberleistung richtig berechnet Was bei der Dimensionierung eines IGBTTreibers beachtet werden sollte von Heinz Rüedi und Peter Köhli Einleitung Zur korrekten Auswahl und Dimensionierung von IGBT-Treibern treten oft Fragen oder Unklarheiten auf. Teilweise ist dies durch die Spezifikationen der IGBTs selbst begründet. Weit verbreitet ist so beispielsweise die Annahme, der in den IGBT-Datenblättern angegebene Wert der Eingangskapazität Ciss entspreche der in der Anwendung wirksamen Eingangskapazität. Und weil kaum jemand für die Auswahl eines Treibers so viel Zeit aufwendet, wie für die Dimensionierung seiner Leistungsendstufe, ist schon der eine oder andere, ansonsten begabte Entwickler, in diese Falle getappt... Für die leistungsmässig korrekte Dimensionierung einer Ansteuerschaltung hat sich das Vorgehen bewährt, welches im folgenden beschrieben ist. Bestimmen von Gateladung und Gatekapazität bei IGBTs Der wichtigste Parameter, welcher für eine leistungsmässig korrekte Dimensionierung des Treibers bekannt sein muss, ist die Gateladung. Nun steht dieser Parameter teilweise gar nicht im Datenblatt der IGBTs oder es ist nicht klar spezifiziert, unter welchen Bedingungen (bei welchem Spannungshub am Gate) diese Ladung gilt. Die Gateladung kann aber relativ einfach durch eine Messung bestimmt werden. Dabei wird der IGBT mit einem Treiber angesteuert. Am besten wird dies mit dem eigentlich vorgesehenen Treiber durchgeführt. Zumindest sollte die Schaltung aber die in der Anwendung gewünschten Gatespannungen (zum Beispiel ±15V) generieren können. Dabei kann die Messung vorerst ohne Spannung im Lastkreis erfolgen. Seite 1 AN-9701 Applikationsschrift Die Messung ohne Spannung im Lastkreis ist in der Regel genügend genau. Da die Gateladung mit der Kollektorspannung geringfügig zunimmt, sollte für eine ganz präzise Bestimmung die Messung so erfolgen, indem am Kollektor auch die in der Anwendung vorhandene Spannung geschaltet wird. Die Gateladung berechnet sich aus der Formel Q = ∫ idt = C • ∆U Für die Bestimmung von Q wird der Gatestrom gemessen und (am einfachsten mit dem Oszilloskop) integriert. Bei der Messung kann gleichzeitig der Spannungshub DU (Treiber- oder Gatespannung) auf dem Oszilloskop abgebildet werden (siehe Abb. 1). Jetzt kann mit der Formel CIN = Q die wirksame Eingangskapazität berechnet werden. ∆U Anmerkung: Wir nennen die in der Anwendung wirksame und für die Auslegung eines Treibers relevante Eingangskapazität in dieser Applikationsschrift C IN. Hinweis zu Ciss und Faustformel zur Umrechnung Der in den Datenblättern angegebene Wert Ciss stellt für die Applikation keine pratikable Grösse dar. Dieser Wert wird mit einer Messbrücke gemessen. Die dabei verwendete Messpannung ist zu klein, um die Gate-Schwellspannung (gate threshold voltage) zu erreichen, somit bleiben die beim Schalten auftretenden Rückwirkungseffekte (Millereffekte) bei dieser Spezifikation unberücksichtigt. Dazu wird bei dieser Messanordnung am Kollektor eine Spannung von 25V angelegt. Bei dieser Spannung sind die Kapazitäten kleiner als bei Vce=0V. Der Wert Ciss kann also nur für einen direkten Vergleich von IGBTs verwendet werden. Als Faustformel kann nach unserer Erfahrung für IGBTs von SIEMENS und EUPEC mit ausreichender Genauigkeit folgende Umrechnung für die Eingangskapazität angewendet werden: CIN @ 5 • Ciss Der Wert Ciss kann dem Datenblatt entnommen werden. Berechnung der Ansteuerleistung Die gespeicherte Energie in der Eingangskapazität berechnet sich: W = ½ CIN • DU 2 Zu Beachten: DU ist der gesamte Spannungshub am Gate, also 30V bei ±15V Ansteuerung. Seite 2 AN-9701 Applikationsschrift Da das Gate mit jedem Taktimpuls zweimal umgeladen wird, lässt sich die Leistung, welche benötigt wird, um einen IGBT anzusteuern, wie folgt berechnen: Wenn CIN nach der weiter vorne genannten Faustformel mit CIN @ 5 • Ciss angenommen wurde: P = f • CIN • DU 2 Oder präziser, wenn vorher die Gateladung messtechnisch bestimmt wurde: P = f • Q • DU Diese Leistung muss also pro IGBT von einem Treiber aufgebracht werden, um diesen anzusteuern. Das Gate des IGBTs selber wird praktisch ohne Verluste umgeladen, die Verluste fallen in den externen oder internen (im IGBT-Modul- oder IGBT-Chip integrierten) Gatewiderständen an. Somit ist die Baugrösse der Gatewiderstände hier gleichzeitig gegeben. Hinweis: Es muss beachtet werden, dass die berechnete Leistung die eigentliche NettoAnsteuerleistung darstellt. In der Treiberschaltung und in der Spannungsversorgung des Treibers fallen weitere Verluste an. Bei intelligenten Treibern von CONCEPT wird die Leistung am Ausgang des integrierten DC/DC-Wandlers angegeben. Bei den Halbbrücken-Treibern ist die gesamte Wandlerleistung angegeben, somit steht pro Kanal noch die Hälfte der angegebenen Ausgangsleistung zur Verfügung. Hiervon muss noch die Leistungsaufnahme der Treiberelektronik gedeckt werden. Diese setzt sich zusammen aus dem Eigenverbrauch des Treibers (konstanter, statischer Anteil) und den Verlusten in der Treiber-Endstufe (anwendungsabhängiger Anteil). Es ist also ratsam, die Treiberleistung nicht zu allzu knapp zu wählen. Bei schwierigen Designs kann auf die Dienstleistungen von CONCEPT zurückgegriffen werden (siehe Abschnitt „Weitere Unterstützung“). Der statische Eigenverbrauch der Treiber beträgt: IHD215/280/680 pro Kanal ca IHD580Fx pro Kanal ca IGD608/615Ax total ca IGD508/515Ex (ohne LWL-Bauteile) ca 0,4W 0,8W 0,5W 0,5W Bei den IGD508/515 ist der Eigenverbrauch der LWL-Sender und –Empfänger zusätzlich in die Kalkulation mit aufzunehmen. Da auch die 5V-Versorgung für den LWLEmpfänger mittels eines Linearreglers aus der internen 16V-Versorgung abgeleitet wird, ist die Stromaufnahme des Empfängers mit 16V und nicht mit 5V zu multiplizieren. Eine Messung des Eigenverbrauchs eines Treiberkanals kann wie folgt durchgeführt werden: Die eingangsseitige Spannungsversorgung (vor dem DC/DC-Wandler) wird abgeschaltet. Anstelle dessen erfolgt die 16V-Versorgung direkt auf die Pins Cs und COM (am sekundärseitigen Abblockkondensator). Am in die Zuleitung eingeführten Seite 3 AN-9701 Applikationsschrift Amperemeter kann nun direkt die Stromaufnahme des Treibers im statischen Zustand (ohne Taktimpulse am Eingang) sowie auch den Verbrauch mit der gewünschten Taktfrequenz abgelesen werden. Eine Kontrolle der Leistungsaufnahme sollte analog der im Absatz „Auswahl des passenden Treibers“ beschriebenen Ueberprüfung der Eingangsstromaufnahme erfolgen. Berechnung des Gatestromes Der maximale Ausgangsstrom des Treibers muss gleich oder grösser sein als der ∆U maximale Gatestrom, welcher mit IG max = berechnet werden kann. RG (min) Zu Beachten: DU ist der gesamte Spannungshub am Gate, also 30V bei ±15V Ansteuerung, RG(min) ist der kleinste Wert des Gatewiderstandes, wenn unterschiedliche Gatewiderstände für das Ein- und Ausschalten verwendet werden. Hinweis: Verschiedene IGBTs enthalten bereits im Modul oder im Chip integrierte Gatewiderstände (zB. SIEMENS IGBTs der 2. Generation und auch die EUPEC IHMModule). Dies ist bei der Berechnung des Gatestromes zu berücksichtigen. Auswahl des passenden Treibers Bei der Auswahl eines leistungsmässig geeigneten Treibers müssen folgende Punkte beachtet werden: 1) Der Treiber muss die benötigte Leistung abgeben können. 2) Der maximale Ausgangsstrom des Treibers muss gleich oder grösser sein als der maximale Gatestrom. Der Eingangsstrom darf die im Datenblatt angegebene maximale Stromaufnahme des Treibers nicht oder zumindest nicht repetitiv überschreiten. Dies ist insbesondere bei hohen Gatekapazitäten (Parallelschaltungen) und bei relativ tiefen Taktfrequenzen zu beachten und zu überprüfen. Dasselbe gilt bei intermittierenden Pulspaketen. In beiden Fällen ist die mittlere Stromaufnahme – gemessen mit einem Amperemeter – zwar geringer als der Datenblattwert, der grössere Effektivwert des Eingangsstromes kann aber dennoch zu einer Ueberlastung des DC/DC-Wandlers im Treiber führen . Für die Ueberprüfung soll die Strommessung mit einer DC-Stromprobe (oder einem Shunt) und einem Oszilloskop zwischen dem eingangsseitigen Abblockkondensator und dem Versorgungsspannungsanschluss des Treibers erfolgen. Hinweis: Die Welligkeit des Eingangsstromes des Treibers, welche der integrierte DC/DC-Wandler des Treibers übertragen muss, kann dadurch reduziert werden, indem Seite 4 AN-9701 Applikationsschrift die sekundärseitigen Abblockkondensatoren möglichst niederinduktiv und nah am Treiber angeordnet werden und Typen mit möglichst niedrigem ESR gewählt werden. Oder anders formuliert: Mit einem gut abgeblockten Treiber können grössere Gatekapazitäten angesteuert werden. Berechnungsbeispiel Es soll ein geeigneter Treiber gefunden werden für ein 200A-IGBT Modul von SIEMENS Typ BSM200GB120DN2, welches mit einer Taktfrequenz von 8kHz angesteuert werden soll. Als erstes wird die Gateladung durch eine Messung bestimmt (siehe Abb. 1). Gatespannung 5V/Div <-- 0V DU=30V 2,9A--Gateladung = 300nAs/Div Gatestrom 0,5A/Div O SC4216 <-- 0A t=1us/Div <-- 0nAs Abb. 1 Gatespannung, Gatestrom und Gateladung mit BSM200GB120DN2 Aus der Messung (Abb. 1) können die beiden Werte Q und DU entnommen werden: Q = 2150nAs DU = 30V Jetzt kann die Gatekapazität berechnet werden: CIN = 2150nAs Q = = 71,6nF 30V ∆U Demnach ist die benötigte Treiberleistung: P = f • Q • DU = 8kHz • 2150nAs • 30V = 0,516W Jetzt werden die 0,4W Eigenverbrauch des Treibers addiert: 0,516W + 0,4W = 0,916W Seite 5 AN-9701 Applikationsschrift Die taktfrequenzabhängigen Verluste fallen bei 8kHz kaum ins Gewicht. Da ausserdem die Gatespannungen mit knapp ±14V kleiner als die bei der Berechnung verwendeten ±15V sind, ist hier noch etwas Reserve gegeben. Und der Gatestrom beträgt bei einem Gatewiderstand von 4,7Ω: IG max = ∆U 30V = = 6,4 A RG 4,6Ω Der zu dieser Anwendung passende Treiber ist also der intelligente Halbbrücken-Treiber IHD280 mit einer Wandlerleistung von 2W (pro Kanal 1W) und einem maximalen Gatestrom von 8A. Weitere Unterstützung Für spezielle und schwierige Fälle kann CONCEPT eine kompetente und individuelle Beratung und Unterstützung anbieten. Dazu sind neben den eigentlichen Fragen möglichst präzise Angaben zur Schaltung, Topologie und Anwendung an CONCEPT zu faxen. Seite 6 AN-9701 Applikationsschrift FAX-Antwort ✘, Bitte mit einem Fotokopierer auf DIN-A4 vergrößern, zutreffendes bitte ankreuzen Absender ausfüllen und an CONCEPT oder Ihren CONCEPT-Vertriebspartner faxen! Bitte senden Sie uns weitere Informationen: ❏ Uebersicht über alle Ansteuerschaltungen von CONCEPT ❏ Uebersicht über DC/DC-Wandler mit hoher Isolationsspannung von CONCEPT Bitte senden Sie uns: ❏ Produkt-Information und Preisliste zu den Evaluation-Boards Wir interessieren uns für folgende Dienstleistungen: ❏ Beratung und Schulung ❏ Trouble-Shooting & Support (Unterstützung bei technischen Problemen) ❏ Applikation (Dimensionierung von Leistungsstufen) ❏ Kundenspezifische Geräte Unsere Anschrift: Vorname, Name Abteilung/Funktion Firma Telefon Fax E-Mail Wir sind tätig im Bereich: Seite 7 AN-9701 Applikationsschrift Hinweise zu den Applikationsschriften Diese Dokumentation ist als Starthilfe für die Entwicklung eigener Leistungsendstufen durch den Anwender gedacht. Die Autoren können keine Gewähr für die Einhaltung der einschlägigen Normen und Vorschriften, die Reproduzierbarkeit und das Langzeitverhalten der Applikationsbeispiele übernehmen. Dies liegt allein in der Verantwortung des Anwenders. Alle Schaltungen, technischen Angaben und Formelansätze in dieser Applikationsschrift wurden von den Autoren mit Sorgfalt erarbeitet, zusammengestellt, teilweise im eigenen Labor erprobt, sowie unter Einhaltung weiterer Kontrollmassnahmen reproduziert. Trotzdem können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. CONCEPT und die Autoren sehen sich deshalb gezwungen, darauf hinzuweisen, dass sie weder eine Garantie für die Richtigkeit noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für Folgen, die auf fehlerhafte Angaben zurückgehen, übernehmen können oder werden. Für weitere Anregungen und die Mitteilung eventueller Fehler sind die Autoren jederzeit dankbar. Richten Sie Anregungen und eventuelle Rückfragen wenn immer möglich in schriftlicher Form (per Fax, E-Mail oder Brief) an CONCEPT. Die Autoren und die CT-Concept Technologie AG übernehmen weiterhin keine Gewähr dafür, dass die hier veröffentlichten Schaltungsunterlagen, Beschreibungen, Berechnungen, Verfahren oder technischen Hinweise frei von Patent-, Genehmigungspflicht- und Schutzrechtsansprüchen Dritter sind. Die Unterlagen sind ausschliesslich für Studien- und Lehrzwecke sowie als Grundlageninformation für die eigene Entwicklung des Anwenders gedacht. Bei gewerblicher und ähnlicher Nutzung der Unterlagen empfiehlt es sich daher für den Anwender, die Patentsituation entsprechend zu klären und sich gegebenenfalls um Lizenzen zu bemühen. Die Autoren und CONCEPT können hierüber keine Auskunft geben. Bei geplanten Serienfertigungen sind genaue Bauelementespezifikationen mit deren möglichen Applikationen direkt bei den Herstellern einzuholen sowie eigene Messreihen zur Absicherung durchzuführen. Bei sämtlichen Versuchsaufbauten, die Teile des VDE oder anderer gültiger Sicherheitsvorschriften berühren, sind vorher die Schriften über die einschlägigen Schutz- und Sicherheitsbestimmungen einzulesen und dann in der Praxis zu berücksichtigen. Herausgeber Ihr Vertriebspartner CT-Concept Technologie AG intelligente Leistungselektronik Hauptstrasse 3 CH-2533 Leubringen / Evilard (Switzerland) Tel ++41 (0)32 / 322 42 36 Fax ++41 (0)32 / 322 22 51 E-Mail [email protected] Copyright 1997 by CT-Concept Technology Ltd. - Switzerland. Technische Aenderungen ohne vorherige Ankündigung vorbehalten. Seite 8 Alle Rechte vorbehalten. AN-9701.DOC Version 1.0