Skriptenreihe zur Vorlesung Mathematik für Elektrotechnik Analysis Institut für Analysis R. Löwen, A.E. Schroth, K.-J. Wirths Vorwort zur 1. Auflage M anuskripte und Skripte zu den Vorlesungen über Mathematik für Elektrotechnik, gehalten von H.-J. Kowalsky und K.-J. Wirths waren u.a. die Vorlage für die von R. Löwen in den Jahren 1988–1990 gehaltene Vorlesung. Das von ihm verteilte Manuskript wurde von den Studenten J. Kunst, L. Figge und W. Willinghöfer getippt und in den folgenden Jahren an interessierte Studierende verkauft. Diese Version, sowie das Orginalmanuskript von R. Löwen diente als Vorlage für das vorliegende Skript. Es wurde von A.E. Schroth um einige Anmerkungen und Beispiele ergänzt und in einem in der Mathematik üblichen Textsystem gesetzt. Das Skript ist vor allem für das Nachbereiten der Vorlesung und die Vorbereitung auf Klausuren gedacht. Das Skript ersetzt jedoch auf keinen Fall den Besuch der Vorlesung! Denn, auch wenn es der Titel der Veranstaltung nahelegt, Mathematikvorlesungen beschränken sich nicht auf das bloße Vorlesen eines Skriptes, sondern bieten noch weitere Hinweise und Erklärungen. Sie machen die Materie erst lebendig und verständlich. Das Skript soll zudem den Rahmen für den Stoff der Vorlesung abstecken. Dennoch ist es möglich, daß verschiedene Dozenten den Stoff verschieden gewichten und mitunter zusätzlichen Stoff einbringen. Allerdings sollte der in diesem Skript behandelte Stoff zum Bestehen der Klausuren ausreichend sein. Bei dem Skript wird großen Wert auf Beispiele gelegt. Manche der Beipiele, insbesondere in der Linearen Algebra, greifen zukünftigen Stoff auf. Solche Beispiele sind hauptsächlich für ein Aufarbeiten der Vorlesung vor Prüfungen gedacht. Braunschweig, den 21. August 1995 Anmerkung zur 2. Auflage Die Änderungen gegenüber der 1. Auflage sind weitgehend technischer Natur. Inhaltliche Änderungen beschränken sich auf die Korrektur einiger Tippfehler. Braunschweig, den 8. Oktober 1997 Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 1 Mengen und Aussagen . . . . . . . . . . . . . A 1.1 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . A 2 Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 2.1 Beweise durch Induktion . . . . . . . . A 2.2 Weitere Zahlensysteme . . . . . . . . . A 2.3 Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . A 2.4 Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 2.5 Rechnen in C . . . . . . . . . . . . . . A 2.6 Binomialkoeffizienten . . . . . . . . . . A 3 Anordnung und Absolutbetrag . . . . . . . . . A 3.1 Absolutbetrag . . . . . . . . . . . . . . A 4 Folgen in R und C, Konvergenz . . . . . . . . A 4.1 Konvergenzsätze für Folgen . . . . . . A 5 Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 5.1 Konvergenzkriterien für Reihen . . . . A 5.2 Potenzreihen C . . . . . . . . . . . . A 5.3 Summe und Produkt von Potenzreihen A 6 Reelle Funktionen, Stetigkeit . . . . . . . . . . A 6.1 Polynome C . . . . . . . . . . . . . . A 6.2 Rationale Funktionen C . . . . . . . . A 6.3 Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . A 6.4 Potenzreihenfunktionen C . . . . . . A 6.5 Sätze über stetige Funktionen . . . . . A 7 Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 7.1 Ableitungsregeln . . . . . . . . . . . . A 7.2 Der Logarithmus . . . . . . . . . . . . A 7.3 Allgemeine Potenzen . . . . . . . . . . A 8 Kurvendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . A 8.1 Lokale Extrema . . . . . . . . . . . . . A 8.2 Wendepunkte . . . . . . . . . . . . . . A 8.3 Die trigonometrischen Funktionen und ihre Umkehrfunktionen . . . . . . . . . A 9 Die Regeln von Bernoulli - de l’Hospital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 3 4 4 5 5 6 6 7 7 9 10 11 12 13 14 15 16 17 17 17 18 19 19 21 23 24 24 24 26 . . . . . . . . . . 26 . . . . . . . . . . 27 A 10 Integration stetiger reeller Funktionen . . . . . . . . . . . . . . A 10.1 Das Riemann-Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 10.2 Eigenschaften des Integrals . . . . . . . . . . . . . . . . A 10.3 Tabelle von Stammfunktionen . . . . . . . . . . . . . . A 10.4 Partielle Integration; Produktintegration . . . . . . . . A 10.5 Substitutionsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 11 Integration rationaler Funktionen; Partialbruchzerlegung . . . A 12 Uneigentliche Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 13 Taylorpolynome und Taylorreihen . . . . . . . . . . . . . . . . A 14 Fourierreihen; Harmonische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . A 14.1 Fourierkoeffizienten symmetrischer Funktionen . . . . . A 15 Punktfolgen und Punktmengen in Rn . . . . . . . . . . . . . . A 15.1 Offene und abgeschlossene Mengen . . . . . . . . . . . A 16 Funktionen Rn → Rm : Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . A 16.1 ε-δ-Kriterium für Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . A 17 Funktionen Rn → R: Differenzierbarkeit . . . . . . . . . . . . A 17.1 Lokale Extrema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 17.2 Totales Differential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 17.3 Tangentialebene von Gf . . . . . . . . . . . . . . . . . A 18 Funktionen Rn → Rm : Differenzierbarkeit . . . . . . . . . . . . A 19 Höhere Ableitungen; Potentiale; exakte Differentialgleichungen A 19.1 Mehrfache partielle Ableitungen . . . . . . . . . . . . . A 19.2 Potentialfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 19.3 Exakte Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . A 19.4 Eulerscher Multiplikator . . . . . . . . . . . . . . . . . A 19.5 Potentialfunktionen in R3 . . . . . . . . . . . . . . . . A 19.6 Rotation eines Vektorfeldes . . . . . . . . . . . . . . . A 20 Taylorformel und lokale Extrema . . . . . . . . . . . . . . . . A 20.1 Taylorformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 20.2 Hinreichende Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . A 21 Satz über implizite Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . A 21.1 Parameterbeschreibung gleichungsdefinierter Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 22 Extrema mit Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . A 22.1 Multiplikatorenregel von Lagrange . . . . . . . . . . . . A 23 Kurven und Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 23.1 Parameterdarstellung eine Kurve . . . . . . . . . . . . A 23.2 Äquivalente Parameterdarstellungen . . . . . . . . . . A 23.3 Implizite Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 23.4 Länge von Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 23.5 Parameterdarstellungen von Flächen . . . . . . . . . . A 23.6 Kurve auf einer Fläche . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 23.7 Rotationsflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 23.8 Implizite Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 29 30 31 32 32 34 36 39 40 41 42 43 44 46 47 47 50 50 52 55 55 55 56 58 59 60 60 61 61 64 . . . . . . . . . . . . 65 66 66 68 68 69 70 70 72 72 74 74 A 24 Kurvenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 24.1 Konservative Vektorfelder . . . . . . . . . . . A 24.2 Einfache Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . A 25 Mehrfachintegrale, Parameterintegrale . . . . . . . . A 25.1 Integration über Normalbereiche . . . . . . . . A 26 Allgemeine Bereichsintegrale, Transformationsformel . A 26.1 Berechnung von Bereichsintegralen . . . . . . A 26.2 Anwendungen der Transformationsformel . . . A 27 Satz von Stokes im R2 . . . . . . . . . . . . . . . . . A 28 Flächenintegrale im R3 . . . . . . . . . . . . . . . . . A 28.1 Flächeninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 28.2 Fluß eines Vektorfeldes durch eine Fläche . . . A 29 Integralsätze im R3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A 29.1 Satz von Gauß . . . . . . . . . . . . . . . . . A 29.2 Satz von Stokes in R3 . . . . . . . . . . . . . . Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 76 77 77 79 82 83 83 87 89 89 91 92 92 94 96 Einleitung Hauptgegenstand der Analysis ist die Untersuchung hinreichend schöner Funktionen. Die zentralen Begriffe sind ,,Stetigkeit“, ,,Ableitung“ und ,,Integral“. Alle drei Begriffe werden durch Grenzübergänge definiert. Daher werden zu Beginn, nach der Einführung elementarer Begriffe und Strukturen, Folgen und die Konvergenz von Folgen untersucht. Betrachtet werden sowohl reelle als auch komplexe Folgen. Sie liefern ein Konzept, mit dem sich Grenzübergänge gut und anschaulich beschreiben lassen. Anschließend werden der Reihe nach die Begriffe Stetigkeit, Ableitung und Integral eingeführt und behandelt. Die Stetigkeit und Ableitung werden für reelle und komplexe Funktionen betrachtet, das Integral hingegen wird nur für reelle Funktionen eingeführt. Damit ist die Untersuchung eindimensionaler reeller Funktionen im wesentlichen abgeschlossen. Die weitere Untersuchung komplexer Funktionen ist Gegenstand der Funktionentheorie. Der zweite Teil der Analysis widmet sich der mehrdimensionalen Analysis, d.h. der Untersuchung mehrwertiger Funktionen mehrerer Veränderlicher. Der Begriff der Stetigkeit läßt sich ohne Probleme übertragen, aber bereits bei der Ableitung tauchen neue Phänomene auf. Dies führt zu verschiedenen Ableitungsbegriffen, nämlich der partiellen Ableitung und der totalen Ableitung, die jedoch, zumindest für hinreichend schöne Funktionen, zusammenhängen. Anwendung findet die Ableitung von Funktionen mehrerer Veränderlicher bei der Bestimmung lokaler Extrema. Je nach Gestalt des Definitionsbereichs gibt es hierzu verschiedene Verfahren. Auch für mehrdimensionale Funktionen werden Integrale eingeführt. Allerdings können die Integrationsbereiche nun sehr verschieden ausfallen, was zu verschiedenen Integralbegriffen führt. So gibt es beispielsweise Wegintegrale, Flächenintegrale und Bereichsintegrale. Das Skript schließt mit Integralsätzen, die eine Verbindung zwischen verschiedenen Integraltypen herstellen. 2 Analysis A1 Mengen und Aussagen In diesem Abschnitt werden die grundlegenden Begriffe der Mathematik, wie Mengen, Aussagen und logische Verknüpfungen vorgestellt. Außerdem wird die für die Vorlesung gebräuchliche Schreibweise eingeführt. Im Folgenden sind A, B, . . . Aussagen. Mit A(x) wird eine Aussage über x bezeichnet. Beispiele: Aussagen: A: Es gibt unendlich viele Primzahlen (wahr) B: Jede Primzahl ist ungerade (falsch wegen 2) C: Jede gerade Zahl 6= 2 ist Summe zweier Primzahlen (unbekannt) Aussagen über x: P (x): ,,x ist Primzahl“ P (5): wahr P (6): falsch Zwischen Aussagen sind folgende Verknüpfungen definiert: A⇒B ,,Aus A folgt B“ (Implikation), (nicht mit B ⇒ A verwechseln!) A 6⇒ B ,,Aus A folgt nicht B“ A ⇐⇒ B ,,Aus A folgt B und aus B folgt A“ A(x) ⇐⇒ B(x) ,,A(x) genau dann wahr, wenn B(x) wahr“ Über Aussagen lassen sich Mengen definieren: M = {x | A(x)} x∈M x∈ /M M ⊆N M =N ∅ = {} ,,Menge aller x, für die A(x) gilt.“ ,,x ist Element von M “ ,,x ist nicht Element von M “ ,,x ∈ M ⇒ x ∈ N “; Teilmenge ,,x ∈ M ⇐⇒ x ∈ N “ oder ,,M ⊆ N und N ⊆ M “ ,,leere Menge“ Für Mengen sind folgende Operationen definiert: M ∩ N := {x | x ∈ M M ∪ N := {x | x ∈ M M \ N := {x | x ∈ M und x ∈ N} oder x ∈ N } und x∈ / N} Durchschnitt Vereinigung Differenz Diese Operationen genügen folgenden Rechenregeln: M ∪ (N ∩ L) = (M ∪ N ) ∩ (M ∪ L) Distributivgesetz M ∩ (N ∪ L) = (M ∩ N ) ∪ (M ∩ L) M \ (N ∪ L) = (M \ N ) ∩ (M \ L) De Morgan’sche Regeln M \ (N ∩ L) = (M \ N ) ∪ (M \ L) Als Quantoren bezeichnet man die Symbole ∀ (für alle) und ∃ (es gibt ein). A 1 Mengen und Aussagen 3 Beispiel: ∀x ∈ M : A(x) ,,Für alle x ∈ M gilt die Aussage A(x)“ ∃x ∈ M : A(x) ,,Es gibt (wenigstens ein) x ∈ M , für das A(x) gilt“ Die Reihenfolge von Quantoren kann nicht beliebig vertauscht werden! Beispiel: Die Aussage ∀n ∈ N ∃m ∈ N: m > n ist wahr, denn m := n + 1 erfüllt die Bedingung, aber die Ausssage ∃m ∈ N ∀n ∈ N: m > n ist nicht wahr, denn für n := m ist die Aussage falsch. Weitere mathematische Objekte sind Paare (x, y). Für zwei Paare (x, y) und (u, v) gilt: (x, y) = (u, v) ⇐⇒ x = u und y = v. Noch allgemeiner ist der Begriff des n-Tupels (a1 , . . . , an ). Für zwei n-Tupel gilt: (a1 , . . . , an ) = (b1 , . . . , bn ) ⇐⇒ ∀ni=1 : ai = bi Für Mengen von Paaren und Mengen von Tupeln gibt es folgende Schreibweisen: M × N := {(x, y) | x ∈ M und y ∈ N } (Produktmenge) Mn := {(a1 , . . . , an ) | alle ak ∈ M } Somit gilt als Sonderfall: M 2 = M × M . Beispiel: Z × Z: Menge aller Paare ganzer Zahlen. A 1.1 Abbildungen Eine Abbildung oder Funktion f : A → B zwischen zwei Mengen A und B ist eine Vorschrift, die jedem a ∈ A eindeutig ein b ∈ B zuordnet. Gilt b = f (a), so heißt b das Bild von a und a das Urbild von b. Eine Funktion f heißt: surjektiv, falls jedes b ∈ B mindestens ein Urbild hat injektiv, ” höchstens ” bijektiv, ” genau ” Beispiele: Abbildungen: f : R → R: mit f (x) = x2 g: R → Z: mit g(x) := größte ganze Zahl z mit z ≤ x =: [x] h: R2 → R: (x, y) 7→ x + y Nur surjektiv: f : N → N: n 7→ n+1 2 Nur injektiv: g: N → N: n 7→ n + 1 bijektiv: h: Z → Z: n 7→ n + 1 4 Analysis A2 Zahlen Der zentrale Zahlbegriff in der Mathematik sind die natürlichen Zahlen N = {1, 2, 3, . . .}. Mit N0 wird N ∪ {0} bezeichnet. Für eine natürliche Zahl n ∈ N ist definiert: n X k=1 n Y k=1 ak := a1 + · · · + an ak := a1 · · · · · an Beispiele: n Y k =: n! Fakultät, 0! := 1 k=1 n X 1 k = n(n + 1) 2 k=1 n X q n+1 − 1 qk = q−1 k=0 A 2.1 (für ak ∈ N und allgemeiner) arithmetische Summenformel geometrische Summenformel (s.u.) q 6= 1; auch für q ∈ R, C Beweise durch Induktion Die wesentlichen Eigenschaften der natürlichen Zahlen sind, daß sie einen Anfang haben, nämlich bei 1, und daß jede natürliche Zahl n genau eine nachfolgende Zahl hat, nämlich n + 1. Unmittelbar auf dieser Eigenschaft fußt das Prinzip des Beweises durch Induktion. Um die Aussage A(n) für alle n ∈ N nachzuprüfen, wird wie folgt vorgegangen: 1. Induktionsanfang: Prüfe A(1). 2. Induktionsschritt: Prüfe A(n + 1), benutze dabei A(n). (Induktionsannahme IA) Bei 2) wird also A(n) ⇒ A(n + 1) gezeigt. Beispiel für vollständige Induktion: Behauptung: n X k=0 q k q n+1 − 1 = q−1 (geometrische Summenformel, q 6= 1 beliebige Zahl) 1. Induktionsanfang (n = 1): 1 X qk = q0 + q1 = 1 + q q k=0 1+1 −1 q2 − 1 (q + 1)(q − 1) = = =q+1 q−1 q−1 q−1 5 A 2 Zahlen 2. Induktionsannahme: n X q n+1 − 1 qk = q−1 k=0 3. Induktionsschritt: n+1 n X X qk = q k + q n+1 k=0 k=0 n+1 − 1 + q n+1 (q − 1) = q−1 n+1 q − 1 + q n+2 − q n+1 = q−1 n+2 q −1 = q.e.d q−1 IA A 2.2 q Weitere Zahlensysteme Außer den natürlichen Zahlen gibt es noch weitere wichtige Zahlensysteme. Für uns interessant sind: N ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R ⊂ C, wobei: Z = {. . . , −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .} Q = { pq | p, q ∈ Z, q 6= 0} R = Menge aller (abbrechenden und nicht abbrechenden) Dezimalbrüche C = {a + bj | a, b ∈ R} mit j 2 = −1 ganze Zahlen rationale Zahlen reelle Zahlen komplexe Zahlen Die ganzen, rationalen und reellen Zahlen werden als bekannt vorausgesetzt. Das Rechnen mit komplexen Zahlen wird in Abschnitt A 2.5 genauer beschrieben. A 2.3 Gruppe Im ersten Abschnitt haben wir bereits Mengen kennengelernt. Mengen sind relativ schwache Strukturen. Im wesentlichen handelt es sich bei einer Menge nur um eine Ansammlung von Objekten. Interessanter wird es, wenn die Objekte verknüpft werden können und die Verknüpfungen bestimmten Regeln gehorchen. So sind die ganzen Zahlen Z nicht nur ein Ansammlung von Zahlen, sondern mit diesen Zahlen kann auch gerechnet werden. Mit (Z, +) bezeichnen wir die ganzen Zahlen unter Einbeziehung der Addition. Die Struktur (Z, +) ist eine Gruppe, denn für a, b, c ∈ Z gilt: 1. ∀a, b ∈ Z: a + b ∈ Z (Abgeschlossenheit) 2. ∀a, b, c ∈ Z: (a + b) + c = a + (b + c) (Assoziativgesetz) 3. ∃0 ∈ Z: ∀a ∈ Z: a + 0 = a (0 ist Neutralelement) 4. ∀a ∈ Z∃ − a ∈ Z: a + (−a) = 0, (Existenz inverser Elemente) Die Gruppe (Z, +) ist kommutativ, d.h. a + b = b + a In jeder Gruppe ist die Gleichung a + x = b eindeutig lösbar. 6 Analysis A 2.4 Körper Ganze Zahlen können zwar auch miteinander multipliziert werden, aber nicht alle von 0 verschiedenen ganzen Zahlen haben ein multiplikatives Inverses. Bei den Zahlensystemen Q, R und C hingegen hat jedes von 0 verschiedene Element auch ein inverses Element bezüglich der Multiplikation. Somit sind Q, R und C typische Beispiele für Körper. Definition: Ist K eine Menge mit Operationen + und ·, so heißt (K, +, ·) Körper, falls: 1. (K, +) und (K \ {0}, ·) sind kommutative Gruppen mit Neutralelementen 0 bzw. 1. 2. ∀a, b, c ∈ K : a · (b + c) = (a · b) + (a · c) (Distributivgesetz) Die Forderung, daß (K \ {0}, ·) eine Gruppe ist, bedeutet: (a · b) · c = a · (b · c) (Assoziativgesetz) a·1 =a (1 ist Neutralelement) 1 a· =1 (Existenz inverser Elemente) a In jedem Körper gilt: a) Division durch 0 unmöglich (!) b) Die Gleichung a · x + b = c ist eindeutig lösbar für a 6= 0. A 2.5 Rechnen in C Komplexe Zahlen haben die Form z = a + bj mit a, b ∈ R. Wie bei Paaren gilt: a + bj = c + dj ⇐⇒ a = c und b = d. Abkürzend wird a + 0 · j = a und 0 + bj = bj gesetzt. Die Rechenoperationen sind wie folgt definiert: (a + bj) + (c + dj) = (a + c) + (b + d) · j (a + bj) · (c + dj) = (ac − bd) + (ad + bc) · j 1 a − bj = 2 a + bj a + b2 Die Regel für die Multiplikation folgt durch distributives Rechnen mit j 2 = −1. Das neutrale Element bezüglich der Addition ist 0 + 0j = 0, das neutrale Element bezüglich der Multiplikation ist 1 + 0j = 1. Schreibweisen: Für z = a + bj heißt Re(z) = a der Realteil und Im(z) = b der Imaginärteil von z. Die komplexen Zahlen lassen sich mit dem Vektorraum R2 identifizieren. Die Abbildung z = a + bj 7→ (a, b) bildet C als Menge auf R2 ab. Die Addition von C geht dabei in die Addition von R2 über und die Multiplikation einer 7 A 3 Anordnung und Absolutbetrag komplexen Zahl mit einer reellen Zahl geht in Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar über. Die Multiplikation zweier komplexer Zahlen bewirkt eine Drehstreckung in R2 (L 9.2). Die verschiedenen Zahlbereiche unterscheiden sich in der Lösbarkeit bestimmter Gleichungen: a+x=b a 6= 0: a · x = b x2 = 2 x2 = −1 A 2.6 N − − − − Z + − − − Q + + − − R + + + − C + + + + Binomialkoeffizienten Die Binomialkoeffizienten sind wie folgt definiert: n n! := ∈N für 0 ≤ k ≤ n; k, n ∈ N ∪ {0} k k! · (n − k)! Es gilt: n = k n = 0 n = 1 n n + = k 1+k n n−k n =1 n n n+1 k+1 Mit den Binomialkoeffizienten hat die binomische Formel folgende Form: n (a + b) = n X n k=0 A3 k · ak · bn−k für a, b ∈ R oder C, n ∈ N. Anordnung und Absolutbetrag Ein wesentliches Kennzeichen der reellen Zahlen ist, daß zwei Zahlen der Größe nach verglichen werden können. Man sagt, daß R eine Anordnung besitzt. Es gilt: Eindeutigkeit: Für a, b ∈ R gilt genau eine der Aussagen: a < b, a = b, a>b Transitivität: Aus a < b und b < c folgt a < c. Monotonie: Aus a < b folgt a + c < b + c für jedes c und a · c < b · c für c > 0 aber a · c > b · c für c < 0. 8 Analysis Folgerungen: Es gilt stets a2 ≥ 0. Für 0 < a < b ist 0 < 1/b < 1/a und a2 < b2 . Vereinbarung: a > 0 heißt: ,,a positiv“; a ≥ 0 heißt: ,,a nicht negativ“ Über die Anordnung lassen sich Intervalle definieren: [a, b] := {x ∈ R | a ≤ x ≤ b} ]a, b[ := {x ∈ R | a < x < b} abgeschlossenes Intervall offenes Intervall Ist A ⊂ R eine Teilmenge von R und x ∈ R eine reelle Zahl, so heißt x: obere Schranke von A, falls ∀a ∈ A: a ≤ x Maximum von A, falls x ∈ A und A ≤ x Supremum von A, falls x kleinste obere Schranke (A ≤ x) (x = max A) (x = sup A) Analog werden untere Schranke (x ≤ A), Minimum (min A) und Infimum (inf A) definiert. Eine Menge A heißt nach oben (unten) beschränkt, falls eine obere (untere) Schranke existiert. Beschränkt (schlechthin) heißt nach oben und nach unten beschränkt. Beispiele: 1. Die Mengen A = R und A = Z sind weder nach oben noch nach unten beschränkt. 2. Die Menge A = { n1 | n ∈ N } ist beschränkt, denn 0 ≤ A ≤ 1. Sie hat ein Maximum (1 = max A), aber kein Minimum, denn wäre m = min A so 1 hätte m die Form m = n1 , und somit m > n+1 ∈ A, ein Widerspruch. Anmerkung: Jeder Teilbereich von R erbt die Anordnung. Somit sind auch N, Z und Q angeordnet. Die komplexen Zahlen hingegen lassen sich nicht anordnen. Neben der Anordenbarkeit ist die Vollständigkeit ein wesentliches Kennzeichen von R. Das heißt, gibt es für eine Menge A ⊂ R ein Element x mit A ≤ x, so existiert auch sup A. Ebenso: ∃x: x ≤ A ⇒ ∃ inf A. Anmerkung: Die Vollständigkeit überträgt sich nicht auf Teilmengen. So ist Q ⊂ R beispielsweise nicht vollständig. Die Menge A := {x ∈ Q | x2 ≤ 2} ist zwar beschränkt (−2 ≤ A ≤ 2), hat aber weder ein Infimum noch ein Supremum in Q. A 3 Anordnung und Absolutbetrag A 3.1 9 Absolutbetrag Über die Anordnung läßt sich der Absolutbetrag in R wie folgt definieren: |x| := max{x, −x} Eigenschaften: |x| ≥ 0; |x| = 0 ⇐⇒ x = 0; |x| = |−x|; |a| < b ⇐⇒ −b < a < b |a · b| = |a| · |b|; |a + b| ≤ |a| + |b| (Dreiecksungleichung); |a − b| mißt den Abstand von a zu b. Obwohl die komplexen Zahlen nicht anordenbar sind, läßt sich über die reellen Zahlen auch auf C ein Absolutbetrag definieren. Dazu wird der Begriff der konjugierten Zahl benötigt. Für eine komplexe Zahl z = a + bj ∈ C heißt z := a − bj die zu z konjugierte Zahl. Für das Konjugieren gilt: z = z, z · w = z · w, z + w = z + w, z · z = a2 + b2 ist reell und nicht negativ Mit der letzten Eigenschaft kann auch für komplexe Zahlen ein Absolutbetrag definiert werden. Für z = a + bj ist: √ √ |z| := z · z = a2 + b2 Wird C mit R2 identifiziert, so beschreibt |z| den Abstand von z zum Nullpunkt. Die Menge {z ∈ C | |z − w| < r} ist also eine Kreisscheibe in C = R2 mit Mittelpunkt w ∈ C und Radius r > 0. Für den komplexen Absolutbetrag gilt: |z| ≥ 0; |z| = 0 ⇐⇒ z = 0; |z · w| = |z| · |w|; |z + w| ≤ |z| + |w| Dreiecksungleichung. Ist r eine positive reelle Zahl, so beschreibt K = {z ∈ C | |z − a| = r} einen Kreis in der komplexen Zahlenebene mit Mittelpunkt a und Radius r. Für β ∈ C und α, γ ∈ R mit α 6= 0 ist K = {z ∈ C | αzz − βz − βz + γ = 0} einen p Kreis in der komplexen Zahlenebene mit Mittelpunkt β/α und Radius r = ββ − αγ · 1/ |α|, sofern ββ − αγ > 0. Für α = 0 beschreibt obige Gleichung eine Gerade mit Steigung − Re(β)/ Im(β) und y-Achsenabschnitt γ/(2 Im(β)) sofern Im(β) 6= 0 und eine Parallele zur imaginären Achse durch γ/(2 Re(β)) falls Im(β) = 0. 10 Analysis A4 Folgen in R und C, Konvergenz Fast alle zentrale Begriffe der Analysis werden durch Grenzwerte definiert. Daher ist es unumgänglich, daß zunächst ein Konzept für Grenzwerte geschaffen wird. Wir beginnen unsere Betrachtung mit Zahlenfolgen und Grenzwerten von Zahlenfolgen. Definition: Eine Abbildung f : N → R (oder f : N → C) heißt reelle (oder komplexe) Zahlenfolge. Statt f (n) wird üblicherweise an und statt f gewöhnlich (an )n∈N geschrieben. Beispiel: an := 1 2 · n(n + 1). Definition: Eine Folge (an )n∈N konvergiert gegen a ∈ R oder C, geschrieben an → a, falls ∀ε > 0 ∃N ∈ N: ∀n > N |an − a| < ε. In diesem Fall ist a durch (an )n∈N eindeutig bestimmt und heißt der Grenzwert (oder Limes) der Folge (an )n∈N , geschrieben a = limn→∞ an . Beispiele: 1. 1 n → 0; 2. für q ∈ R oder C gilt: |q| < 1 ⇒ q n → 0 Für komplexe Folgen (zn )n∈N mit zn = an + bn j gilt: zn → z = a + bj ⇐⇒ an → a und bn → b Somit lassen sich Grenzwertbetrachtungen in C durch Aufspalten in Real- und Imaginärteil auf Grenzwertbetrachtungen in R zurückführen. Rechengesetze: Aus an → a und bn → b (in R oder C) folgt: an + b n → an − b n → a n · bn → Ist zudem b 6= 0 und alle bn 6= 0 so gilt: an → bn a+b a−b a·b a b Aus den Rechengesetzen folgt unter anderem, daß das Grenzwertbilden linear ist (L 2.1 Beispiel 3). Vereinbarung: Da R im Gegensatz zu C anordenbar ist, sind nicht alle Aussagen über reelle Folgen auch für komplexe Folgen wahr. Daher werden ab jetzt alle Aussagen, die nur für reelle Folgen gelten, mit R und alle Aussagen, die sowohl für reelle als auch für komplexe Folgen gelten, mit C gekennzeichnet. R : Für reelle Folgen (an )n∈N wird definiert: lim an = +∞ n→∞ lim an = −∞ n→∞ ⇐⇒ ⇐⇒ ∀r ∈ R ∃N : ∀n > N : an > r ∀r ∈ R ∃N : ∀n > N : an < r 11 A 4 Folgen in R und C, Konvergenz A 4.1 Konvergenzsätze für Folgen Über die Existenz und Lage von Grenzwerten einer Folge geben die nachstehenden Sätze Auskunft: Vergleichssatz R : Aus an ≤ bn für alle n folgt limn→∞ an ≤ limn→∞ bn . (an < bn nützt nichts) Beispiel: Für an = limn→∞ bn . n n+1 und bn = n n gilt an < bn jedoch limn→∞ an = 1 = Supremumsprinzip R : Jede beschränkte, monoton wachsende Folge konvergiert gegen ihr Supremum. Jede beschränkte, monoton fallende Folge konvergiert gegen ihr Infimum. Teilfolgen, Häufungspunkte C : Ist (nk )k∈N eine streng monoton wachsende Folge natürlicher Zahlen, d.h. gilt ∀k ∈ N: nk+1 > nk , so heißt (ank )k∈N eine Teilfolge der Folge (an )n∈N . Grenzwerte von Teilfolgen heißen Häufungspunkte der ursprünglichen Folge. 1 Beispiel: Die Folge an := (−1)n + n1 hat Teilfolgen a2k = 1 + 2k → 1 1 und a2k+1 = −1 + 2k → −1. Also sind 1 und −1 die Häufungspunkte von (an )n∈N . Satz über Häufungspunkte R : Ist (an )n∈N eine reelle und beschränkte Folge, d.h. ∃K: ∀n: −K ≤ an ≤ K. Dann gilt für die Menge H der Häufungspunkte von (an )n∈N : 1. H 6= ∅ und −K ≤ H ≤ K 2. Es gibt einen größten und einen kleinsten Häufungspunkt. Der größte Häufungspunkt wird mit lim an := max H bezeichnet und n→∞ heißt limes superior, der kleinste Häufungspunkt wird mit lim an := n→∞ min H bezeichnet und heißt limes inferior. Für nach oben bzw. nach unten unbeschränkte Folgen (an )n∈N wird lim an := ∞ bzw. lim an := −∞ gesetzt. n→∞ n→∞ Konvergenzkriterium R : Für reelle Folgen gilt: an → a ⇐⇒ (an )n∈N beschränkt und lim an = lim an n→∞ n→∞ Cauchy-Kriterium C : (an )n∈N konvergent ⇐⇒ ∀ε > 0 ∃N : ∀n, m ≥ N : |an − am | < ε 12 A5 Analysis Reihen C : Reihen, insbesondere Potenzreihen sind ein wichtiges Objekt in der Analysis. Auf der einen Seite lassen sich Potenzreihen einfach ableiten und integrieren, auf der anderen Seite ist jede hinreichend schöne Funktion zumindest lokal durch eine Potenzreihe beschreibbar (A 13). P Ist (an )n∈N eine Folge, so heißt sn := nk=1 an die n-te Partialsumme. Die Folge der Partialsummen (sn )n∈N wird eine Reihe genannt. Falls die Reihe konvergiert, so ist ∞ n X X ak := lim sn = lim ak n→∞ k=1 n→∞ k=1 die ,,Summe“ (Grenzwert) der Reihe, also im Prinzip die Summe der Folgenglieder der Folge (ak )k∈N . P Schreibweisen: Obwohl eigentlich der Ausdruck ∞ k=1 ak nur für konvergente Reihen definiert ist, wird er auch als Abkürzung für die Reihe der Partialsummen benutzt, unabhängig davon, ob sie konvergiert oder nicht. Gelegentlich ist es sinnvoll, eine Reihe nicht bei 1, sondern bei 0 beginnen zu lassen. Für die Konvergenz ist dies unerheblich, für den Grenzwert hingegen nicht. Beispiele: Geometrische Reihe: Für q ∈ C mit |q| < 1 gilt: ∞ X 1 1−q qn = k=0 Harmonische Reihe: Die Reihe limn→∞ sn existiert nicht. Rechenregeln: Sind P∞ k=1 ∞ X ∞ X 1 k k=0 ak und P∞ k=1 bk (ak + bk ) = k=1 ist divergent, das heißt der Grenzwert ∞ X konvergente Reihen, so gilt: ak + k=1 ∞ X k=1 c · ak = c · ∞ X ∞ X bk k=1 ak k=1 Ist (zn )n∈N mit zn = an + bn j eine komplexe Folge, so gilt: ∞ X k=1 (ak + bk j) = s + tj ⇐⇒ ∞ X k=1 ak = s und ∞ X k=1 bk = t 13 A 5 Reihen A 5.1 Konvergenzkriterien für Reihen Über die Konvergenz von Reihen geben die folgenden Kriterien Auskunft, die zum Teil aus den Konvergenzkriterien für Folgen abgeleitet sind. Leibniz-Kriterium R : Ist (ak )k∈N mit ak ≥ 0 monoton fallend und gilt ∞ X ak → 0, so ist (−1)k ak konvergent. k=1 Beispiel: Die Reihe ∞ X (−1)k k=1 1 konvergiert. k Aus dem Supremumsprinzip für Folgen ergibt sich: Beschränkte Partialsummen R : Sind alle ak ≥ 0 und alle Partialsummen ∞ X (sn )n∈N beschränkt, so ist ak konvergent. k=1 Das Cauchy-Kriterium für Folgen induziert für Reihen: Cauchy-Kriterium C : ∞ X k=1 n X ak konvergent ⇐⇒ ∀ε > 0 ∃N : ∀n > m > N : ak < ε k=m+1 Hiermit folgt: ∞ X k=1 ak konvergent ⇒ lim |ak | = 0 k→∞ Umgekehrt, ist die Folge (|ak |)k∈N nicht konvergent P∞ oder konvergiert sie gegen einen von 0 verschiedenen Wert, so ist k=1 ak nicht konvergent. P : Eine Reihe ∞ konvergent, Absolute Konvergenz CP k=1 ak heißt Pabsolut ∞ ∞ wenn auch die Reihe k=1 |ak | konvergiert. Ist k=1 |ak | konvergent so P∞ ist auch k=1 ak konvergent. (−1)k Die Umkehrung gilt nicht, denn beispielsweise für a := konvergiert k k P P ak aber nicht |ak |. Majorantenkriterium CP : Falls ∀k: |ak | ≤ ck ∈ R und P ∞ so sind ∞ |a | und k=1 k k=1 ak konvergent. Minorantenkriterium R : Falls ∀k: 0 < dk < ak und P∞ ist auch k=1 ak divergent. P∞ k=1 ck P∞ k=1 konvergent, dk divergent, so Wurzelkriterium, Quotientenkriterium C : Falls ein q < 1 existiert mit p P ∀k ∈ N: k |ak | ≤ q oder mit ∀k ∈ N: ak+1 ≤ q so sind ∞ k=1 |ak | und ak 14 Analysis P∞ k=1 ak konvergent. Daraus folgt: lim k→∞ ∞ X p k |ak | < 1 ⇒ |ak | k=1 ∞ X p k lim |ak | > 1 ⇒ |ak | k→∞ ∞ X ak konvergent ak divergent ak konvergent ak divergent k=1 und k=1 ∞ X ak+1 lim <1 ⇒ |ak | k→∞ ak k=1 ∞ X ak+1 >1 ⇒ lim |ak | ak k→∞ k=1 A 5.2 und ∞ X k=1 und und ∞ X k=1 ∞ X k=1 Potenzreihen C Sei K = R oder C, sei (an )n∈N eine Folge in K und sei x ∈ K. Dann heißt ∞ X a k xk k=0 eine Potenzreihe in x. Wir setzen: R := 1 p lim k |ak | mit: 1 := +∞, 0 1 := 0 +∞ k→∞ Aus dem Wurzelkriterium für Reihen folgt der Satz von Cauchy-Hadamard C : P P∞ k k Für |x| < R ist ∞ k=0 ak x und k=0 |ak | |x| konvergent, P∞ P k für |x| > R ist k=0 ak xk und ∞ k=0 |ak | |x| divergent, für |x| = R kann keine generelle Aussage gemacht werden. R = +∞ bedeutet konvergent für alle x ∈ K R=0 bedeutet konvergent für kein x 6= 0 Sprechweisen: Die Zahl R heißt der Konvergenzradius der Reihe. Der Bereich {x ∈ K | |x| < R} heißt Konvergenzkreis (K = C) bzw. Konvergenzintervall (K = R) der Reihe. ak Falls R0 := limk→∞| ak+1 | existiert, so ist R0 gleich dem Konvergenzradius der P∞ Reihe k=0 ak xk . Potenzreihe mit Entwicklungspunkt x0 : Bis jetzt wurden nur Potenzreihen mit Entwicklungspunkt 0 betrachtet. Potenzreihen mit beliebigem Entwicklungspunkt x0 erhält man durch: ∞ X k=0 ak (x − x0 )k (konvergent für |x − x0 | < R) 15 A 5 Reihen Beispiel: Natürlicher Logarithmus: Die Reihe ln(y) := ∞ X k=1 (−1)k−1 · (y − 1)k k konvergiert für |y − 1| < 1. Daraus folgt insbesondere √ k lim k = 1. k→∞ Folglich haben für gegebene ak die drei Potenzreihen ∞ X ∞ X k ak x , k=0 k=0 ∞ X k k · ak x , k=0 k · ak xk−1 denselben Konvergenzradius. A 5.3 Summe und Produkt von Potenzreihen C P∞ P k Sind k=0 ak z k und ∞ k=0 bk z Potenzreihen mit Konvergenzradien Ra bzw. Rb , so gilt für |z| < R := min{Ra , Rb }: ∞ X k ak z + k=0 ∞ X k=0 ak z k ! · ∞ X k=0 ∞ X bk z bk z k k=0 k = ! = ∞ X k=0 ∞ X k=0 (ak + bk ) · z k k X al bk−l l=0 ! · zk Cauchy-Produkt Der Konvergenzradius der Summe oder des Produkts ist mindestens R, kann aber auch größer sein. Beispiele C : Die Reihen z e := exp(z) := ∞ X zk k=0 cos z := sin z := Exponentialfunktion k! ∞ X (−1)k z 2k k=0 ∞ X k=0 (2k)! (−1)k z 2k+1 (2k + 1)! Kosinusfunktion Sinusfunktion konvergieren für alle z ∈ C, wie mit dem Quotientenkriterium einzusehen ist, also gilt R = +∞. Eigenschaften: Exponentialgesetz: ez+w = ez · ew Mit e := exp(1) folgt: exp(k) = e√· · · · · e exp( k1 ) = k e (k Faktoren) k∈N 16 Analysis Eulersche Relation: ejz = cos z + j · sin z (bei Euler z = ϕ ∈ R) Moivresche Formeln: (cos ϕ + j · sin ϕ)n = cos(n · ϕ) + j · sin(n · ϕ) Die Formel gilt auch für z statt ϕ. Die Eulersche Relation induziert: 1 jz e + e−jz 2 1 jz sin z = e − e−jz 2j cos z = Daraus lassen sich die Additionstheoreme ableiten: cos(z + w) = cos z · cos w − sin z · sin w sin(z + w) = sin z · cos w + cos z · sin w Ist ϕ ∈ R eine reelle Zahl, so ist |ejϕ | = 1, also gilt cos2 ϕ + sin2 ϕ = 1. Außerdem gilt cos ϕ = Re(ejϕ ) und sin ϕ = Im(ejϕ ). A6 Reelle Funktionen, Stetigkeit Wir kommen nun zum eigentlichen Gegenstand der Analysis, der Untersuchung von Funktionen. Zuerst werden allgemeine Funktionen betrachtet. Im Anschluß werden spezielle Funktionen vorgestellt, als da sind Polynome, rationale Funktionen und Potenzreihenfunktionen. Außerdem wir der Begriff der stetigen Funktion eingeführt sowie Eigenschaften stetiger Funktionen angeführt. Komposition von Abbildungen: Zu Abbildungen f : A → B, g: B → C ist g ◦ f : A → C: x 7→ g(f (x)) die Komposition von f und g. identische Abbildung: Für jede Menge A heißt idA : A → A: x 7→ x die identische Abbildung von A. Umkehrabbildung: Die Abbildung h: B → A heißt Umkehrabbildung von f : A → B, falls h ◦ f = idA und f ◦ h = idB , d.h. h(f (x)) = x und f (h(y)) = y. Schreibe h = f −1 . Achtung, f −1 hat nichts mit 1/f zu tun! Die Umkehrfunktion f −1 existiert genau dann, wenn f bijektiv ist. Beispiel: A = B = C = R, f (x) = 2x + 1, g(x) = x2 (g ◦ f )(x) = (2x + 1)2 (f ◦ g)(x) = 2x2 + 1 f −1 (y) = 12 · (y − 1) A 6 Reelle Funktionen, Stetigkeit A 6.1 17 Polynome C Die einfachsten komplexen oder reellen Funktionen sind die Polynome. Für K = R oder C und ak ∈ K ist p: K → K definiert durch: p(x) := n X a k xk k=0 Ist an 6= 0 so ist grad p = n der Grad von p. Zur Berechnung von p(x0 ) und p(x)/(x − x0 ) kann das Horner-Schema angewandt werden. Es ist ein schematisches Verfahren zur Division mit Rest. an an−1 an−2 · · · a1 a0 + bn−1 x0 bn−2 x0 · · · b1 x0 b0 x0 Summe: bn−1%bn−2 %bn−3 % · · ·%b0 %p(x0 ) Die ak = 0 dürfen weggelassen werden! Pn−1 nicht k Für q(x) := k=0 bk x gilt: p(x) = q(x)(x − x0 ) + p(x0 ) Folgerung: Ein Polynom p hat höchstens n = grad p verschiedene Nullstellen. A 6.2 Rationale Funktionen C Ähnlich wie die rationalen Zahlen aus den ganzen Zahlen konstruiert werden, werden die rationalen Funktionen aus den Polynomen gewonnen. Eine rationale Funktion hat die Form r: K \ {x1 , . . . , xm } → K: x 7→ p(x) q(x) wobei p und q beliebige Polynome und x1 , . . . , xm die Nullstellen von q sind. A 6.3 Stetigkeit Reelle oder auch komplexe Funktionen können ziemlich wild ausfallen. Ein Beispiel ist folgende Funktion: 1 x∈Q χQ : R → R: x 7→ 0 x∈R\Q Diese Funktion hüpft beständig zwischen den Werten 0 und 1. Mit den Mitteln der Analysis ist solchen Funktion nur schwer beizukommen. Daher werden vor allem solche Funktionen untersucht, die keine oder nur endlich viele Sprünge machen. Funktionen die keine Sprünge machen, heißen stetige Funktionen. Mathematisch ist die Stetigkeit einer Funktion wie folgt definiert. 18 Analysis Definition: Sei K = R oder C, sei A ⊂ K und f : A → K ein Funktion von A nach K. Sei ferner a ∈ K ein Punkt, nicht notwendigerweise in A. Dann heißt b ∈ K Grenzwert von f bei a, kurz b = limx→a f (x), falls b = limk→∞ f (xk ) für jede Folge xk → a in A. Falls a ∈ A und f (a) = limx→a f (x), so heißt f stetig in a. Ist f stetig in allen a ∈ A, so heißt f stetig (in A). Beispiele: 1. Polynome und rationale Funktionen (soweit definiert) sind stetig. Summe, Produkt, Quotient (soweit definiert) und Komposition stetiger Funktionen sind ebenfalls stetig. 2. Die Funktion χQ ist nirgendwo stetig, denn jede reelle Zahl a kann sowohl durch eine irrationale Folge (ak )k∈N als auch durch eine rationale Folge (bk )k∈N angenähert werden. Doch dann ist limk→∞ χQ (ak ) = 0 6= 1 = limk→∞ χQ (bk ). A 6.4 Potenzreihenfunktionen C P k Betrachtet man P bei einer Potenzreihe ∞ k=0 ak z das z als eine Variable, d.h. ∞ k betrachtet man k=0 ak z als eine Funktion in z, so erhält man ein Potenzreihenfunktion ∞ X f (z) := ak z k . k=0 Eine Potenzreihenfunktion ist im gesamten Konvergenzkreis bzw. Konvergenzintervall {z ∈ K | |z| < R} stetig. Beispiel: exp, sin, cos sind als Funktionen C → C oder R → R stetig. Anwendung: Potenzreihenfunktionen können zur Grenzwertberechnung von Funktionen herangezogen werden. Beispiele: 3 x − x3! + · · · sin x x2 1. lim = lim = lim (1 − + · · ·) = 1 x→0 x→0 x→0 x x 3! 2 3 1 + 2 · x + 4·x + 8·x + · · · − 1 − 2x (ex )2 − 1 − 2x 2! 3! 2. lim = lim =2 2 2 x→0 x→0 x x x k+1 e x 1 3. Für x ∈ R: lim ≥ lim · = +∞, x→∞ xk x→∞ (k + 1)! xk also, wegen e−x = 1 : lim ex ex x→−∞ = 0. Die folgenden Betrachtungen verwenden meist die Anordnung der reellen Zahlen. Daher sind sie auch auf die reelle Situation beschränkt. Die Untersuchung komplexer Funktionen ist Gegenstand der Funktionentheorie (Mathe III). 19 A 7 Ableitung Ab jetzt nur noch R A 6.5 Sätze über stetige Funktionen Die folgende Sätze nennen wichtige und nützliche Eigenschaften stetiger reeller Funktionen. Positivität: Ist f stetig in a und f (a) > 0, so gibt es ein δ > 0 sodaß |x − a| < δ ⇒ f (x) > 0 Zwischenwertsatz (ZWS): Ist f : [a, b] → R stetig und f (a) < y < f (b), so gibt es ein x ∈ [a, b] mit f (x) = y. Maximumprinzip: Ist f : [a, b] → R stetig, so gibt es x1 , x2 ∈ [a, b] mit f (x1 ) = min f ([a, b]) und f (x2 ) = max f ([a, b]). Folgerung: f ([a, b]) = [f (x1 ), f (x2 )] ist ein Intervall. Satz von der Umkehrfunktion: Eine stetige Funktion f : [a, b] → R ist genau dann umkehrbar (d.h. f −1 existiert), wenn f streng monoton (wachsend oder fallend) ist. In diesem Falle ist f −1 ebenfalls stetig. Folgerungen aus dem Zwischenwertsatz: 1. Polynome ungeraden Grades haben mindestens eine reelle Nullstelle. √ 6) < 0 hat die Kosinusfunktion eine 2. Wegen cos(0) = 1 > 0 und cos( √ Nullstelle im Intervall [0, 6]. Die kleinste solche Nullstelle heiße π2 . In Wirklichkeit ist es die einzige Nullstelle in diesem Intervall. A7 Ableitung Eine noch stärkere Eigenschaft als die Stetigkeit ist die Differenzierbarkeit einer Funktion. Anschaulich besagt die Differenzierbarkeit einer Funktion f , daß der Graph der Funktion keine Knicke hat, d.h. daß an jedem Punkt eine eindeutige Tangente existiert. Die Steigung der Tangente am Punkt (x0 , f (x0 )) ist die Ableitung am Punkt x0 . Um die Steigung der Tangente zu bestimmen, wird die Tangente durch Sekanten angenähert. Die Steigung einer Sekante läßt sich mit dem Differenzenquotienten einfach angeben. Sei x0 ∈ D ⊂ R und f : D → R eine Funktion. Die Steigung der Sekante durch die Punkte (x, f (x)) und (x0 , f (x0 )) berechnet sich zu: f (x) − f (x0 ) x − x0 Die Steigung der Tangente bei x0 erhält man, indem man die Tangente durch Sekanten annähert f (x) f (x0 ) x0 x 20 Analysis und den Grenzwert der Sekantensteigungen bildet. D.h. die Tangentensteigung bei x0 ist definiert durch: f 0 (x0 ) := lim x→x0 f (x) − f (x0 ) x − x0 sofern der Grenzwert existiert. Falls dieser Grenzwert existiert, heißt die Funktion f differenzierbar bei x0 . Ist f differenzierbar bei allen x ∈ D, so heißt f 0 : D → R: x 7→ f 0 (x) die (erste) Ableitung von f . Höhere Ableitungen sind definiert durch: f (n) := f (n−1) 0 (falls existent) Beispiele: 1. f (x) := xn : Für die Sekantensteigung gilt, falls n > 0: xn − xn0 = xn−1 + x0 xn−2 + x20 xn−3 + · · · + xn−1 → n · xn−1 0 0 x→x x − x0 0 und somit: (xn )0 = n · x(n−1) ( n · (n − 1) · . . . · (n − k + 1) · xn−k n (k) (x ) = n! 0 für n > k für n = k für n < k 2. Die Funktion | · | : R → R: x 7→ |x| ist nicht differenzierbar in 0. Denn: f (x) − f (0) |x| n 1 x>0 = = −1 x < 0 x−0 x und daher f (x) − f (0) f (x) − f (0) = 1 6= −1 = lim x&0 x%0 x−0 x−0 lim Für den Zusammenhang zwischen Stetigkeit und Differenzierbarkeit gilt: f differenzierbar in x0 ⇒ f stetig in x0 . Die Umkehrung gilt nicht. Die Funktion x 7→ |x| ist bei 0 stetig, aber nicht differenzierbar. 21 A 7 Ableitung A 7.1 Ableitungsregeln Linearität: Für Zahlen a, b ∈ R und Funktionen f, g gilt: (a · f + b · g)0 (x0 ) = a · f 0 (x0 ) + b · g 0 (x0 ) Produktregel: Für Funktionen f und g gilt: (f · g)0 (x0 ) = (f 0 · g + f · g 0 )(x0 ) Quotientenregel: Für Funktionen f und g mit g(x0 ) 6= 0 gilt: 0 f g · f 0 − f · g0 (x0 ) = (x0 ) g g2 und als Spezialfall (f (x) ≡ 1): 0 1 g0 (x0 ) = − 2 (x0 ) g g Kettenregel: Für die Ableitung einer Komposition gilt: (f ◦ g)0 (x0 ) = f 0 (g(x0 )) · g 0 (x0 ) Folgerungen: 1. Polynome sind differenzierbar: p(x) = 0 p (x) = n X k=0 n X k=1 a k xk k · ak x k−1 = n−1 X k=0 (k + 1) · ak+1 xk 2. Rationale Funktionen sind im gesamten Definitionsbereich differenzierbar. Bemerkung: Ist Pn der Vektorraum der Polynome von Grad ≤ n, so ist wegen der Linearität das Ableiten eine lineare Abbildung von Pn nach Pn−1 . Der Kern der Abbildung besteht genau aus den konstanten Polynomen. Wählt man als Basen {1, x, x2 , . . . , xn } für Pn und entsprechend {1, x, x2 , . . . , xn−1 } für Pn−1 , so hat das Ableiten als lineare Abbildung die Matrix 0 1 0 ··· 0 0 0 2 . . . . . . . 0 n 22 Analysis 3. Potenzreihenfunktionen mit Konvergenzradius R und Entwicklungspunkt x0 sind differenzierbar im Intervall I = ]x0 − R, x0 + R[, d.h. für x ∈ I gilt: !0 ∞ ∞ X X ak (x − x0 )k = k · ak (x − x0 )k−1 k=0 k=1 Die Reihe darf ,,gliedweise abgeleitet“ werden, der Radius R bleibt unverändert! Exkurs: Wir betrachten die Potenzreihen mit Entwicklungspunkt 0. Diese bilden einen unendlichdimensionalen Vektorraum P. Das Ableiten ist eine lineare Abbildung auf diesem Vektorraum. Interessant ist nun, welche Eigenwerte und Eigenvektoren diese Abbildung besitzt. Der Ansatz über das charakteristische Polynom versagt in diesem Zusammenhang, denn da der Vektorraum keine endliche Basis hat, kann der Abbildung keine Matrix zugeordnet werden und erst recht keine Determinante berechnet werden. Dafür kann die Lösung direkt berechnet werP∞ den. Soll r ein Eigenwert sein, so muß es eine Reihe k=0 ak xk geben mit: !0 ∞ ∞ X X r· a k xk = a k xk k=0 k=0 = = ∞ X k=1 ∞ X k=0 k · ak xk−1 (k + 1) · ak+1 xk Koeffizientenvergleich ergibt: r · ak = (k + 1) · ak+1 also: ak+1 = Daraus folgt: ak = r · ak k+1 rk · a0 k! Das bedeutet, daß die Reihe ∞ X rk k=0 k! · a 0 · xk = a 0 · ∞ X 1 · (r · x)k = a0 · er·x k! k=0 Eigenvektor zum Eigenwert r ist. Diese Betrachtung mag auf den ersten Blick etwas weit hergeholt erscheinen, sie ist aber von praktischer Bedeutung, insbesondere bei der Lösung 23 A 7 Ableitung von linearen Differentialgleichungen. Der Exkurs ist ein einfaches Beispiel für den Potenzreihenansatz zur Lösung einer Differentialgleichung. Beispiele für die Ableitung von Potenzreihen: (ex )0 = ex (ex )(n) (eax )0 (sin x)0 (cos x)0 = = = = ex (n ∈ N) ax a·e cos x − sin x Für tan x := sin x/ cos x und cot x := cos x/ sin x gilt: (tan x)0 = 1/ cos2 x = 1 + tan2 x (cot x)0 = −1/ sin2 x = −1 − cot2 x ex +e−x 2 ex −e−x gilt: 2 Für den cosinus hyperbolicus cosh x := und den sinus hyperbolicus sinh x := (cosh x)0 = sinh x (sinh x)0 = cosh x 4. Die Formel (xk )0 = k · xk−1 gilt auch für negative k. Ableitung einer Umkehrfunktion Ist die Funktion f : [a, b] → R stetig, umkehrbar, bei x0 differenzierbar und ist f 0 (x0 ) 6= 0, so gilt mit f (x0 ) = y0 : 1 0 (f −1 ) (y0 ) = 0 f (x0 ) A 7.2 Der Logarithmus Die reelle Exponentialfunktion exp: R → ]0, +∞[ hat die Umkehrfunktion ln: ]0, +∞[ → R. Beide Funktionen sind streng monoton und bijektiv und es gilt: ex = y eln y ln ex ⇐⇒ = = x = ln y y x Für y ≤ 0 ist ln y nicht definiert! Für das Verhalten am Rand des Definitionsbereichs gilt: ln y → +∞ ln y → −∞ Aus den Exponentialgesetzen folgt: für für y → +∞ y→0 ln(y1 · y2 ) = ln y1 + ln y2 Für die Ableitung folgt mit y = ex : (ln y)0 = 1 1 1 0 = x = x e y (e ) 24 A 7.3 Analysis Allgemeine Potenzen Mit der Exponentialfunktion und dem Logarithmus können allgemeine, d.h. nicht notwendig ganzzahlige Potenzen definiert werden: Für a > 0 setze: ax := ex·ln a Für diese Potenzen gilt: ax1 +x2 an ax1 ·x2 ln(y1y2 ) = = = = a x1 · a x2 a · · · · · a n Faktoren (ax1 )x2 y2 · ln y1 Für die Ableitungen gelten: 0 (xr )0 = (er ln x ) = r · xr−1 für x > 0, r ∈ R (ax )0 = (ln a) · ax (a > 0) √ 0 √ 1 1 −1 1 ( n x) = wegen n x = x1/n xn = √ n−1 n n · ( n x) 0 (xx )0 = (ex ln x ) = (1 + ln x) · xx A8 Kurvendiskussion Bei der Kurvendiskussion geht es darum, besonders markante Stellen einer Funktion f : A ⊂ R → R zu ermitteln. Im Einzelnen sind dies Nullstellen, Polstellen, lokale Extrema, Wendepunkte sowie das Verhalten am Rand des Definitionsbereichs. Dies sind einerseits Aussagen, die für die Anwendung von Interesse sind, dies sind andererseits Anhaltspunkte zum Skizzieren einer Kurve (ganz ohne Rechner!). A 8.1 Lokale Extrema Eine Funktion f hat ein lokales (oder relatives) Maximum bei x0 , falls es ein ε > 0 gibt mit |x − x0 | < ε ⇒ f (x) ≤ f (x0 ). lokales (oder relatives) Minimum bei x0 , falls es ein ε > 0 gibt mit |x − x0 | < ε ⇒ f (x) ≥ f (x0 ). Eine Funktion f hat ein lokales Extremum bei x0 , falls bei x0 entweder ein lokales Maximum oder ein lokales Minimum vorliegt. Notwendige Bedingung für lokale Extrema: Ist f : ]a, b[ → R differenzierbar in x0 ∈ ]a, b[ so gilt: x0 lokales Extremum ⇒ f 0 (x0 ) = 0 Sind f, g: [a, b] → R zwei stetige, in ]a, b[ differenzierbare Funktionen (a 6= b) so gilt: 25 A 8 Kurvendiskussion 1. Satz von Rolle: Falls f (a) = f (b), so ist f 0 (x) = 0 für ein x ∈ ]a, b[. 2. Mittelwertsatz I (MWS I): ∃x ∈ ]a, b[: f (b) − f (a) = f 0 (x) b−a f 0 (x) f (b) − f (a) = 0 für ein x ∈ ]a, b[, falls ∀t: g 0 (t) 6= 0 und g(b) − g(a) g (x) g(b) 6= g(a). 3. MWS II: 4. Ist f 0 (x) = 0 für alle x ∈ ]a, b[, so ist f konstant 5. Ist f 0 (x) > 0 für alle x ∈ ]a, b[, so ist f streng monoton steigend. 6. Ist f 0 (x) ≤ 0 für alle x ∈ ]a, b[, so ist f monoton fallend. 7. Ist f auf [a, b] steigend, so gilt: ∀x ∈ [a, b]: f 0 (x) ≥ 0 (,,streng“ nützt nichts). Aus 4. läßt sich herleiten, daß für |y − 1| < 1 die Umkehrfunktion der ExpoP k−1 (y−1)k netialfunktion durch die Reihe ln(y) = ∞ (−1) dargestellt wird. k=1 k Hinreichende Bedingungen für lokale Extrema: Vorzeichenregel: Ist f : ]a, b[ differenzierbar und ist f 0 (x0 ) = 0 so gilt: • Wechselt f 0 bei x0 das Vorzeichen von − nach +, d.h.: gibt es ein δ > 0 mit f 0 (x) < 0 für x ∈ ]x0 − δ, x0 [ und f 0 (x) > 0 für x ∈ ]x0 , x0 + δ[, so liegt bei x0 ein lokales Minimum vor. • Wechselt f 0 bei x0 das Vorzeichen von + nach −, d.h.: gibt es ein δ > 0 mit f 0 (x) > 0 für x ∈ ]x0 − δ, x0 [ und f 0 (x) < 0 für x ∈ ]x0 , x0 + δ[, so liegt bei x0 ein lokales Maximum vor. Ableitungsregel: Ist f : ]a, b[ → R mindestens n-mal differenzierbar und f (n) stetig mit f 0 (x0 ) = · · · = f (x0 ) = 0 und f (n) (x0 ) > 0 [< 0] so gilt: • Ist n gerade, so hat f in x0 ein lokales Minimum [Maximum]. • Ist n ungerade, so hat f in x0 kein lokales Extremum. Definition: Eine Funktion f : ]a, b[ → R heißt konvex, falls der Graph von f zwischen zwei Punkten stets unterhalb der Sekante liegt. Eine Funktion f : ]a, b[ → R heißt konkav, falls der Graph von f zwischen zwei Punkten stets oberhalb der Sekante liegt. konvex Ist f zweimal differenzierbar, so gilt: f konvex f konkav ⇐⇒ ⇐⇒ ∀x ∈ ]a, b[: f 00 (x) ≥ 0 ∀x ∈ ]a, b[: f 00 (x) ≤ 0 konkav 26 Analysis A 8.2 Wendepunkte Die Wendepunkte einer Funktion f sind die Stellen, an denen ein Übergang von konvex nach konkav (oder umgekehrt) stattfindet, also Stellen, an denen f 00 das Vorzeichen wechselt! A 8.3 Die trigonometrischen Funktionen und ihre Umkehrfunktionen Die Funktionen sin: R → [−1, 1] und cos: R → [−1, 1] sowie die daraus konstruierten Funktionen tan(x) = sin(x)/ cos(x) und cot(x) = cos(x)/ sin(x) heißen trigonometrische Funktionen. In diesem Abschnitt werden einige ihrer Eigenschaften vorgestellt. Periodizität: Nullstellen: sin(x + 2π) = sin x = − cos(x + π2 ) cos(x + 2π) = cos x = sin(x + π2 ) tan(x + π) = tan x = − cot(x + π2 ) cot(x + π) = cot x = − tan(x + π2 ) sin x = 0 ⇐⇒ tan x = 0 ⇐⇒ x = k · π k∈Z cos x = 0 ⇐⇒ cot x = 0 ⇐⇒ x = (k + 12 ) · π k ∈ Z Diskussion des Tangens: tan0 (0) = 1 limx→ π2 −0 tan x = +∞ limx→ π2 +0 tan x = −∞ Die trigonometrischen Funktionen sind nicht injektiv, daher können Umkehrungen nur für Einschränkungen definiert werden. Definiert sind: arcsin: [−1, 1] → [− π2 , π2 ] mit: arcsin y = x ⇐⇒ y = sin x arccos: [−1, 1] → [0, π] mit: arccos y = x ⇐⇒ y = cos x arctan: R → ] − π2 , π2 [ mit: arctan y = x ⇐⇒ y = tan x Analog werden die Umkehrungen der hyperbolischen Funktionen definiert: Arsinh: R → R mit: Arsinh y = x ⇐⇒ y = sinh x Arcosh: ]1, ∞[ → ]0, ∞[ mit: Arcosh y = x ⇐⇒ y = cosh x Für die Ableitungen der Umkehrfunktionen gilt: 1 (arcsin y)0 = p für y ∈ ] − 1, 1[ 1 − y2 −1 (arccos y)0 = p für y ∈ ] − 1, 1[ 1 − y2 1 (arctan y)0 = für y ∈ R 1 + y2 1 (Arcosh y)0 = p (y > 1) 2 y −1 1 (Arsinh y)0 = p 1 + y2 A 9 Die Regeln von Bernoulli - de l’Hospital Für die Umkehrfunktion des Tangens gilt: π lim arctan y = ± x→±∞ 2 ∞ X y 2k+1 arctan y = (−1)k · , 2k + 1 k=0 A9 27 |y| < 1 Die Regeln von Bernoulli - de l’Hospital: Grenzwertbestimmung durch Ableiten Gelegentlich haben Funktionen an einer Stelle a eine Definitionslücke oder der Punkt a liegt am Rand des Definitionsbereich. In diesem Fall will man wissen, wie sich die Funktion verhält, wenn sie sich dem Punkt a annähert. D.h., man will den Grenzwert der Funkton bei a bestimmen, sofern er existiert. Zunächst einige Rechenregeln für Grenzwerte 0, ±∞, bei deren Betrachtung man keine Ableitung benötigt. Alle Grenzwerte gelten für x → a oder x & a, wobei a ∈ R oder a = ±∞. 1. f (x) → +∞ ⇐⇒ −f (x) → −∞ 2. f (x) → +∞, g(x) → t, t ∈ R oder t = +∞ ⇒ f (x) + g(x) → +∞ +∞ für 0 < t ≤ +∞ 3. f (x) → +∞, g(x) → t ⇒ f (x) · g(x) → −∞ für −∞ ≤ t < 0 4. g(x) → ±∞ ⇒ 1 →0 g(x) 5. 0 < g(x) → 0 ⇒ 1 → +∞ g(x) 6. Für f (x) → 0, g(x) → +∞, h(x) → t 0 h(x) f (x) → ∞ ∞ g(x)h(x) → 0 0 h(x)g(x) → ∞ gilt bei positiver Basis: für 0 < t ≤ +∞ für −∞ ≤ t < 0 für 0 < t ≤ +∞ für −∞ ≤ t < 0 für 0 < t < 1 für 1 < t ≤ +∞ Bei den folgenden Fällen 0 · ∞, 00 , ∞ , ∞ − ∞, 00 , ∞0 , 1∞ leisten einem die ∞ Regeln von Bernoulli - de l’Hospital oft (aber nicht immer) gute Dienste: 0 0 Regel I: Sind b > a zwei reelle Zahlen und f, g zwei Funktionen, die stetig auf [a, b] und differenzierbar auf ]a, b[ sind, sodaß g(x) 6= 0 für x 6= a und 0 (x) f (a) = g(a) = 0 und sodaß limx&a fg0 (x) existiert, so ist: f (x) f 0 (x) = lim 0 x&a g(x) x&a g (x) lim 28 Analysis 0 Entsprechendes gilt für x % b und x → ±∞, auch wenn lim fg0 = ±∞. Unter Umständen muß das Verfahren mehrmals angewandt werden. Beispiel: (0 · ∞): lim x · (arctan(x) − x→+∞ denn: ∞ ∞ f0 g0 (x) = π arctan(x) − π/2 ) = lim x→+∞ 2 1/x = −1 1/(1 + x2 ) −1 = −→ −1 2 −1/x (1/x2 ) + 1 x→∞ Regel II: Es seien f, g: ]a, b[ → R differenzierbar mit limx&a f (x) = limx&a g(x) = ∞. 0 (x) Wenn limx&a fg0 (x) existiert (evtl. = ±∞), so ist: f 0 (x) f (x) = lim 0 x&a g (x) x&a g(x) lim Ebenso für x % b und x → ±∞. ln x = 0, denn (ln x)0 = x→+∞ x Beispiel: lim 1 x → 0. 1 x und x0 = 1, also 0 f g0 (x) = Die restlichen Fälle lassen sich durch Umformen auf die bereits behandelten Fälle zurückführen. ∞ − ∞: f, g → +∞, Es gibt zwei Möglichkeiten der Umformung: f (x) f (x) − g(x) = g(x) · −1 g(x) oder f (x) − g(x) = ln ef (x) eg(x) . ∞ Dadurch wird zunächst auf ∞ zurückgeführt. Beim 1. Verfahren führt dies zu ∞ · t. Das 1. Verfahren kann auch dann versagen, wenn f − g konvergiert, nämlich wenn lim fg nicht existiert. ln x Beispiel: lim (ln x − x) = lim x · = +∞ · (0 − 1) = −∞ x→+∞ x→+∞ x 00 , 1∞ , ∞0 : Es gilt: f (x)g(x) = exp(g(x) · ln f (x)) Dadurch ist lim f (x)g(x) zurückgeführt auf lim g(x) · ln f (x). Die Fälle 00 , 1∞ , ∞0 führen so der Reihe nach auf: 0 · (−∞), ∞ · 0, 0 · ∞, was man als 00 oder ∞ deuten kann. ∞ 29 A 10 Integration stetiger reeller Funktionen Beispiele: x x·ln x 1. lim x = lim e = exp lim (x · ln x) = exp lim x&0 x&0 x&0 x&0 1/x = exp lim = e0 = 1 2 x&0 1/x 1 1 2. lim x x = exp lim · ln x = e0 = 1 x→+∞ x→+∞ x ln x 1/x Sind die Reihenentwicklungen der beteiligten Funktionen bekannt, so ist oft eine Grenzwertbestimmung über die Betrachtung der Potenzreihen (vgl. A 6.4) einfacher als die Anwendung der Regeln von Bernoulli - de l’Hospital. A 10 Integration stetiger reeller Funktionen Rb In diesem Abschnitt wird das Integral a f (x) dx ∈ R einer reellen Funktion f : [a, b] → R eingeführt. Zum einen gibt diese Integral den Flächeninhalt zwischen dem Graphen von f und der x-Achse an, wobei Flächenstücke unter der x-Achse negativ gezählt werden. Darüberhinaus ist das Integrieren die Umkehrung des Ableitens. Diese beiden, an sich sehr unterschiedlichen Aspekte werden durch den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung (A 10.2) miteinander verknüpft. A 10.1 Das Riemann-Integral Definiert wird das Integral wieder durch einen Grenzübergang. Anschaulich wird der Flächeninhalt unter der Kurve durch immer schmalere Rechtecke angenähert. Ist f : [a, b] → R eine beschränkte Funktion, so liefert jede Zerlegung Z: a = x0 < x1 < x2 < . . . < xn = b eine Ober- und Untersumme S(Z) bzw. S(Z) durch: S(Z) := ≤ n X k=1 n X k=1 inf f ([xk−1 , xk ]) · (xk − xk−1 ) sup f ([xk−1 , xk ]) · (xk − xk−1 ) =: S(Z) Für Verfeinerungen Z̃ von Z gilt: S(Z) ≤ S(Z̃) ≤ S(Z̃) ≤ S(Z) also insbesondere S(Z1 ) ≤ S(Z2 ) für je zwei Zerlegungen Z1 und Z2 . 30 Analysis Daher existiert stets das folgende Ober- und Unterintegral: Zb f (x)dx := sup{S(Z) | Z Zerlegung} a Zb ≤ a f (x)dx := inf{S(Z) | Z Zerlegung} Falls beide Integrale von f übereinstimmen, heißt f integrierbar über [a, b], und Z b Zb Zb f (x) dx = f (x)dx = f (x)dx a a a heißt das Integral von f über [a, b]. Für a < b setze Z a Z b f (x) dx := − f (x) dx. b A 10.2 1. 2. Z Z a Eigenschaften des Integrals x3 f (x) dx = x1 Z x2 f (x) dx + x1 Z b a (u · f (x) + v · g(x)) dx = u · 3. f ≤ g ⇒ Z b a f (x) dx ≤ Z x3 x2 Z f (x) dx (x1 , x2 , x3 ∈ [a, b]) b a f (x) dx + v · Z b g(x) dx (Linearität) a b g(x) dx (a < b) a Z b Z b f (x) dx ≤ |f (x)| dx für a < b 4. a a Ab jetzt sei für den Rest von A 10 stets f : [a, b] → R stetig. 5. Für stetige Funktionen gilt: Rb (a) a f (x) dx existiert Rb (b) ∃ξ ∈ [a, b]: a f (x) dx = f (ξ) · (b − a) (MWS) Rx d (c) ∀x ∈ [a, b]: dx ( a f (t) dt) = f (x) Eine Funktion G: [a, b] → R heißt Stammfunktion von f , falls G0 = f . Rx Eigenschaft 5.cR besagt also, daß F (x) := a f (t) dt eine Stammfunktion von f ist. Mit fR(x) dx wird die Menge aller Stammfunktionen bezeichx net. Für F (x) = a f (t) dt gilt somit: Z f (x) dx = {G | G Stammfunktion von f } = {F + c | c ∈ R} A 10 Integration stetiger reeller Funktionen 31 Durch die Berechnung des Integrals kann also (im Prinzip) eine Stammfunktion bestimmt werden. Umgekehrt kann mit einer Stammfunktion ein Integral berechnet werden. Es gilt der (d) Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung: Für jede Stammfunktion G von f gilt: Z x2 ∀x1 , x2 ∈ [a, b]: f (x) dx = G(x2 ) − G(x1 ) x1 A 10.3 Tabelle von Stammfunktionen Die Stammfunktion G der Funktion f ist nur bis auf eine additive Konstante bestimmt! f xα xn x−n G 1 · xα+1 α+1 1 · xn+1 n+1 1 · x−n+1 −n + 1 f α ∈ R \ {−1} x>0 n∈N x∈R n ∈ N \ {1} x 6= 0 x−1 ln |x| x 6= 0 ex ex x∈R G sin x − cos x cos x sin x 1 arctan x 1 + x2 1 √ arcsin x ∈] − π2 , π2 [ 2 1−x x ∈ ] − 1, 1[ 1 √ Arcosh x > 0 x2 − 1 x > 1 √ 1 Arsinh x 1 + x2 Besonders einfach lassen sich Potenzreihen integrieren: f (x) = ∞ X k=0 ak (x − x0 )k für |x − x0 | < R ∞ X ak G(x) = · (x − x0 )k+1 für |x − x0 | < R k+1 k=0 Das heißt, Potenzreihen werden gliedweise integriert und der Kovergenzradius bleibt erhalten. Wegen der Linearität des Integrierens lassen sich Integrale von Summen auf die Integrale der Summanden zurückführen. Aber auch für das Produkt und die Komposition von Funktionen gibt es Integrationsregeln. 32 Analysis A 10.4 Partielle Integration; Produktintegration Aus der Produktregel für das Ableiten folgt die Regel für die partielle Integration. Falls f 0 und g 0 stetig sind gilt: Z Z 0 f (x) · g(x) dx = f (x) · g(x) − f (x) · g 0 (x) dx Beispiele: Z Z k x k x 1. x · e dx = x · e − k · xk−1 · ex dx R Durch Wiederholung ist xk · ex dx ,,rekursiv“ zu berechnen. Ähnlich die folgenden Integrale: Z Z k k 2. x · cos x dx = x · sin x − k · xk−1 · sin x dx Z Z k k x · sin x dx = −x · cos x + k · xk−1 · cos x dx Z xk+1 xk+1 3. x · ln x dx = · ln x − k+1 (k + 1)2 Z Z dx x (−k) · 2 · x 4. = − x· dx k k (1 + x2 ) (1 + x2 ) (1 + x2 )k+1 Z (x2 + 1) − 1 x = + 2 · k · dx (1 + x2 )k (1 + x2 )k+1 Somit: Z arctan x (k = 0) dx R dx = x 1 2·k−1 k+1 · + dx (k > 0) 2·k (1+x2 )k 2·k (1 + x2 ) (1+x2 )k 5. Z k Z 1 n−1 n−2 cos x dx = · sin x · cos x + (n − 1) · cos x dx n A 10.5 n Substitutionsregel Aus der Kettenregel für die Ableitung folgt die Substitutionsregel für das R Integrieren. Für f (x) dx = F (x) gilt: Z f (g(t)) · g 0 (t) dt = F (g(t)) 1. Anwendung: F bekannt, Beispiele: Z sin t 1. dt = − ln |cos t| cos t R f (g(t)) · g 0 (t) dt gesucht; (f (x) = 1/x, g(t) = cos t) A 10 Integration stetiger reeller Funktionen 2. Z cos t dt = ln |sin t| sin t 3. Z (ln t)α (ln t)α+1 dt = t α+1 4. Z cos t · sin t dt = 5. Z t2 · e(t ) dt = 6. Z f (a · t + b) dt = (f (x) = 1/x, g(t) = sin t) (f (x) = xα , g(t) = ln t) 1 · sin2 t 2 1 (t3 ) ·e 3 3 33 (f (x) = x, g(t) = sin t) (f (x) = ex , g(t) = t3 ) 1 · F (a · t + b) a R R 2. Anwendung: F (x) = f (x) dx gesucht, H(t) := f (g(t)) · g 0(t) dt leichter zu berechnen. Falls g umkehrbar ist gilt F = H ◦ g −1 . Schreibweise und Merkhilfe: x = g(t), dx = g 0 (t)dt, Z Z f (x) dx = g(b) f (x) dx = g(a) Z Z f (g(t)) · g 0 (t) dt t=g −1 (x) b a f (g(t)) · g 0 (t) dt Beispiele: 1. |x| ≤ r: R√ r2 x2 − Somit gilt also: R√ r 2 − x2 dx = = r2 2 r2 2 dx x=r·sin t dx=r·cos tdt = r2 · = r2 2 R cos2 t dt · (t + sin t · cos t) · (t + sin t · cos t) x √t=arcsin r x x 2 2 · arcsin( r ) + 2 · r − x Der Flächeninhalt F eines Kreises mit Radius r berechnet sich also zu: Z r√ F =2 r 2 − x2 dx = π · r 2 −r 2. Für |x| ≤ 1 gilt: R arcsin x dx x=sin t R t · cos t dt R = t · sin t − sin t dt = t · sin t + cos t R und somit: arcsin x dx = t · sin t + cos t √t=arcsin x = x · arcsin x + 1 − x2 dx=cos tdt = 34 Analysis 3. Integranden mit Wurzeln: Z 2 x · r Z 2 −2 1 1 dx √ 1 = − 2 + 1 · t · 3 dt 4 x+1 t= x+1 t t t Z 1 2 1 = −2 · − + dt t6 t4 t2 −1 2 1 = −2 · + − √ 1 5t5 3t3 t t= x+1 √ 4 2 = · (x + 1)5/2 − · (x + 1)3/2 + 2 x + 1 5 3 4. Integranden mit sin und cos: 2 dt (1 + t2 ) · (1 + t2 ) · t2 1 + t2 t=tan x 1 = − cot x + 2 · tan x + · tan3 x 3 Z dx = x=arctan t 2 4 sin x · cos x dx=dt/(1+t2 ) Z Substitution mit x = arctan t für gerade Potenzen von sin und cos, denn dann: t 1 sin x = √ cos x = √ 1 + t2 1 + t2 5. Z dx x=2 arctan t = sin x dx=2dt/(1+t2 ) Somit: Z Z 1 + t2 2dt · = 2t 1 + t2 dx x = ln tan sin x 2 Z 1 dt = ln |t| t auf dem Intervall ]0, π[ Substitution mit x = 2 arctan t bei ungeraden Potenzen von sin und cos! A 11 Integration rationaler Funktionen; Partialbruchzerlegung Rationale Funktionen ergeben sich oft durch Substitution. Können alle Nullstellen des Nenners gefunden werden, so läßt sich die Funktion durch Reduktion auf die folgenden Elementarfälle integrieren. 1. Polynome 2. (a) (b) Z Z dx = ln |x − a| x−a dx (x − a) k = 1 · (x − k)−k+1 für k > 1 −k + 1 35 A 11 Integration rationaler Funktionen; Partialbruchzerlegung 3. Für c > b2 hat das Polynom x2 + 2bx + c keine reelle Nullstellen und es gilt: Z Z Bx + C B 2x + 2b dx = dx · k 2 (x2 + 2bx + c) (x2 + 2bx + c)k Z dx + (C − Bb) · k 2 ((x + b) + c − b2 ) Die beiden Integrale berechnen sich zu: Z ln |x2 + 2bx + c| 2x + 2b (a,b) dx = −k+1 1 · (x2 + 2bx + c) (x2 + 2bx + c)k −k+1 (c) und, wegen c > b2 , zu: Z dx ((x + b)2 + c − b2 ) k = 1 (c − b2 )k−1/2 · Z (k = 1) (k > 1) dt (t2 + 1)k t= √x+b 2 c−b Das Integral (3c) wird durch partielle Integration auf arctan abgebaut (s. Tabelle der Stammfunktionen in A 10.3). Reduktion einer rationalen Funktion Schritten: p(x) q(x) auf die Elementarfälle in drei 1. Schritt: Ausdividieren: Ist grad p ≥ grad q so erhält man durch Division mit Rest zwei Polynome s und r mit: p(x) r(x) = s(x) + q(x) q(x) Dabei sind s und r Polynome mit grad s = grad p − grad q und grad r < grad q. Beispiel zur Berechnung von s und r: (x5 − 2x4 + 2x3 + 4x2 − 3x − 2) : (x3 + 3x + 5) = x2 − 2x − 1 + x5 + 3x3 + 5x2 |− r(x) q(x) − 2x4 − x3 − x2 − 3x − 2 − 2x4 − 6x2 − 10x |− − x3 + 5x2 + 7x − 2 − x3 − 3x − 5 |− 5x2 + 10x + 3 = r(x) 2. Schritt: Produktzerlegung des Nenners: Schreibe den Nenner q(x) = xm + qm−1 xm−1 + . . . + q in der Form: q(x) = s Y i=1 (x − xi )ui · t Y k=1 (x2 + 2bk x + ck ) vk mit ck > b2k 36 Analysis P P Dabei ist si=1 ui + 2 · tk=1 vk = grad q = m, und die Nullstellen von q sind genau: xi p −bk ± j · ck − b2k (reell) mit Vielfachheit ui (nicht reell) mit Vielfachheit vk . Die Berechnung der Zerlegung läuft auf die Bestimmung der Nullstellen hinaus. 3. Schritt: Partialbruchzerlegung: Gilt grad p = n < grad q = m und ist q zerlegt wie im 2. Schritt, so gibt es insgesamt m Zahlen Af,i , Bg,k , Cg,k ∈ R mit: u s t v i k XX p(x) X X Af,i Bg,k · x + Cg,k = + f q(x) (x2 + 2bk x + ck )g i=1 f =1 (x − xi ) k=1 g=1 Die Berechnung der A, B, C’s erfolgt beispielsweise durch Koeffizientenvergleich der Zählerpolynome, nachdem die rechte Seite auf den Hauptnenner q(x) gebracht und ausmultipliziert wurde. Dadurch entstehen m lineare Gleichungen für die m gesuchten Zahlen. Vereinfachung durch die Zuhaltemethode: a) Ist xi eine reelle Nullstelle des Nenners mit Vielfachkeit ui , so wird die Gleichung mit (x − xi )ui multipliziert und x = xi eingesetzt. Dies ergibt Aui ,i . p b) Ist xk = −bk ± j · ck − b2k eine komplexe Nullstelle des Nenners vk 2 mit Vielfachkeit vk , so wird die p Gleichung mit (x + 2bk x + ck ) multipliziert und x = −bk ± j · ck − b2k eingesetzt. Dadurch lassen sich Bvk ,k und Cvk ,k ablesen. In der Funktionentheorie wird eine weiteres Verfahren zur Partialbruchzerlegung vorgestellt. Dieses Verfahren beruht auf der Bestimmung sogenannter Hauptteile und ist eine Erweiterung der Zuhaltemethode. A 12 Uneigentliche Integrale Uneigentliche Integrale sind Integrale über einem unbeschränkten Integrationsweg oder Integrale einer unbeschränkten Funktion. Dabei wird das Integral, sofern es existiert, als Grenzwert eigentlicher Integrale definiert. Genauer: 1. ,,Unendlicher Integrationsweg“: Ist f : [a, +∞] → R stetig so setze Z +∞ Z t f (x) dx f (x) dx := lim t→+∞ a a falls der Limes existiert. Für b > a gilt dann: Z +∞ Z b Z f (x) dx = f (x) dx + a a +∞ f (x) dx b 37 A 12 Uneigentliche Integrale Analog wird Ra −∞ Z f (x) dx definiert, und +∞ f (x) dx = −∞ Z a f (x) dx + −∞ Z +∞ f (x) dx a falls beide Integrale existieren. In diesem Fall ist a ohne Einfluß. Beispiele: Z +∞ 1. e−x dx = lim 1 − e−t = 1, t→+∞ 0 2. 3. 4. Z +∞ +∞ e−|x| dx = 2 −∞ cos x dx existiert nicht (,,divergent“) 0 Z Z Z +∞ −∞ +∞ 1 dx = lim [arctan t]t−t = π 1 + x2 t→+∞ divergiert für α = 1 1 dx 1 = α−1 für α > 1 xα 2. ,,Unbeschränkter Integrand“: Falls f : [a, b[→ R stetig ist, setze Z b f (x) dx := lim t%b a Z t f (x) dx a falls der Limes existiert; analog falls f nur auf ]a, b] oder ]a, b[ stetig ist. Ist f stetig auf [a, c[ und ]c, b], so setzt man Z b f (x) dx := a Z c f (x) dx + a Z b f (x) dx, c falls beide letzteren existieren. Alle diese Integrale heißen uneigentlich. Beispiele: Z 1 √ 1 1 √ dx = lim [2 x]u = 2 1. u&0 x 0 Z 1 1 p dx = 4 2. |x| −1 Z 1 1 π π √ 3. dx = lim [arcsin x]t0 = − 0 = 2 t%1 2 2 1−x 0 Z 1 4. ln x dx = lim [x ln x − x]1t = −1 − lim t · ln t = −1 0 t&0 t&0 Für die Existenz von uneigentlichen Integralen gibt es folgende Konvergenzkriterien. 38 Analysis Cauchy-Kriterium: Z t Z +∞ f (x) dx existiert ⇐⇒ ∀ε > 0 ∃s0 ∀s, t > s0 : f (x) dx < ε a s R +∞ Majorantenkriterium: Falls ∀x: |f (x)| ≤ g(x) und a g(x) dx konvergiert, R +∞ R +∞ so konvergieren auch a |f (x)| dx und a f (x) dx. R +∞ Minorantenkriterium: Falls ∀x: 0 ≤ h(x) ≤ f (x) und a h(x) dx diverR +∞ giert, so divergiert auch a f (x) dx. R +∞ R +∞ Beispiel: 0 sinx x dx konvergiert, aber 0 sinx x dx divergiert. Grenzwertkriterium: Für alle x sei f (x) > 0, g(x) > 0 (x) = M ∈ R. und limx→∞ fg(x) • Falls M > 0 ist, gilt: Z +∞ Z g(x) dx konvergiert ⇐⇒ a +∞ f (x) dx konvergiert a • Falls M = 0 ist, gilt nur ,,⇒“. Beispiele: R +∞ R +∞ 1. 0 x2 e−x dx: Wähle g(x) := x12 . Das Integral 1 x12 dx konvergiert (x) und fg(x) = x4 e−x konvergiert gegen 0 für x → +∞, d.h. M = 0. Also R +∞ R +∞ konvergiert auch 1 f (x) dx und somit ebenfalls 0 f (x) dx. R +∞ dx x 1 2. 0 √x1+x ist divergent, denn für x ≥ 2 gilt √1+x 3 ≥ x . Das InteR 1 3 gral dx ist divergent, also ist mit dem Minorantenkriterium auch x R f (x) dx divergent. √ R +∞ 1 2 3. −∞ e− 2 x dx ist konvergent (= 2π): Im Intervall [−1, +1] bereitet 1 das Integral keine und außerhalb ist e− 2 |x| eine Majorante, R −Probleme 1 deren Integral e 2 |x| konvergiert. Integral- und Reihenkonvergenz: Es sei N ∈ N, f : [N, +∞[→ [0, +∞[ monoton fallend, stetig. Dann gilt: Z +∞ ∞ X f (k) konvergiert ⇐⇒ f (x) dx konvergiert N k=N Im Konvergenzfalle kann man den Reihengrenzwert mit Hilfe der Beziehung Z +∞ Z +∞ ∞ X f (x) dx ≤ f (k) ≤ f (N ) + f (x) dx N k=N N beliebig gut annähern. ∞ ∞ X X 1 1 Beispiele: Die Reihen und sind divergent für α = 1 α k k(ln k)α k=1 k=2 und konvergent für α > 1. 39 A 13 Taylorpolynome und Taylorreihen A 13 Taylorpolynome und Taylorreihen Wir haben bereits gesehen, wie einfach sich Potenzreihenfunktionen beim Ableiten und Integrieren verhalten. Der folgende Abschnitt untersucht, wann und wie eine Funktion durch eine Potenzreihe darstellbar ist. Ist f eine auf [x0 , x] bzw. [x, x0 ] mindestens (n + 1)-mal stetig differenzierbare Funktion, so gilt: f (x) = Tn (x, x0 ) + Rn (x, x0 ) mit n-tes Taylorpolynom von f mit Entwicklungspunkt x0 n X 1 Tn (x, x0 ) = · f (k) (x0 )(x − x0 )k k! k=0 Rn (x, x0 ) = Z x x0 (x − t)n · f (n+1) (t) dt n! n-tes Taylorrestglied Diese Formel kann durch partielle Integration von f (x) = f (x0 ) + bewiesen werden. Rx x0 f 0 (t) dt Zwischen x und x0 gibt es ein ξ mit: Rn (x, x0 ) = 1 · f (n+1) (ξ) · (x − x0 )n+1 (n + 1)! Langrangesche Form des Restgliedes Die Taylorreihe ∞ X 1 T∞ (x, x0 ) = · f (k) (x0 )(x − x0 )k k! k=0 braucht für x 6= x0 weder zu konvergieren noch im Konvergenzfalle den Wert f (x) zu haben. Konvergenz gegen f (x) bedeutet limn→∞ Rn (x, x0 ) = 0. Man sagt ,,f wird im Punkte x0 durch seine Taylorreihe dargestellt“. Beispiele: 1. Binomialreihe: Für |x| < 1, α ∈ R gilt: α (1 + x) = ∞ X α k=0 k · xk mit: α := 1 0 verallgemeinerte Binomialkoeffizienten. α := α(α−1)···(α−k+1) k k! 2. Taylorreihe eines Polynoms: (Vollständiges Hornerschema) Durch wiederholtes Anwenden des Hornerschemas auf ein Polynom p = p 0 erhält man eine Folge p0 , . . . , pn (n = grad p) von Polynomen mit: pi (x) = pi+1 (x)(x − x0 ) + pi (x0 ) 40 Analysis Dann gilt pi (x0 ) = und p(x) = n X i=0 1 (i) p (x0 ) i! pi (x0 )(x − x0 ) (Umentwicklung nach Potenzen von (x − x0 )). P k 3. Taylorreihe einer Potenzreihe: Ist f (x) = ∞ i=0 ak (x − x1 ) und x0 ein Punkt im Inneren des Konvergenzintervalls ]x1 − R, x1 + R[, so gilt f (x) = T∞ (x, x0 ) für alle x mit |x − x0 | < R − |x0 − x1 | (Umentwicklung nach Potenzen von (x − x0 )) Im komplexen Fall ist der Zusammenhang zwischen komplex differenzierbaren Funktionen und Potenzreihen wesentlich stärker, wie wir in der Funktionentheorie feststellen werden. Dies liegt daran, daß komplexe Differenzierbarkeit eine wesentlich stärkere Eigenschaft als reelle Differenzierbarkeit ist. Aus der Taylorentwicklung folgt, daß eine differenzierbare Funktion durch die Ableitung linear approximiert wird. Ist also f eine bei x0 differenzierbare Funktion so gilt: f (x) = f (x0 ) + f 0 (x0 ) · (x − x0 ) + R2 (x, x0 ) von 2. Ordnung klein Diesem Aspekt werden wir in der mehrdimensionalen Analysis wieder begegnen. A 14 Fourierreihen; Harmonische Analyse Der letzte Abschnitt hat sich mit der Darstellung von Funktionen durch Potenzreihen beschäftigt. Insbesondere bei periodischen Funktionen wird oft eine andere Darstellung gewählt, nämlich durch Fourierreihen, d.h. Reihen mit Sinus- und Kosinusfunktionen. Anschaulich besagt dies, daß die Funktion als eine Schwingung betrachtet wird und versucht wird, die beteiligten Frequenzen zu bestimmen. Wir betrachten den Vektorraum F aller im Intervall [0, 2π] stückweise stetigen Funktionen f . Eine Funktion f ∈ F hat also nur endlich viele Unstetigkeitsstellen xi , und bei allen xi existiert der links- und rechtsseitige Grenzwert f (xi −) und f (xi +). Zudem soll f (xi ) = 12 (f (xi −) + f (xi +)) gelten, wobei f (0−) := f (2π−) und f (2π+) := f (0+) gesetzt wird. Wir definieren in F 2 ein Skalarprodukt durch Z 2π <f, g> := f (x) · g(x) dx 0 A 14 Fourierreihen; Harmonische Analyse 41 In F bilden folgende Funktionen ein Orthogonalsystem (d.h. paarweise ⊥): f0 (x) := 1 fk (x) := cos(kx), k = 1, 2, . . . gk (x) := sin(kx), k = 1, 2, . . . mit den Längen |f0 | = 2π, |fk | = |gk | = π für k > 1. Wir bilden den Raum Pn = [f0 , . . . , fn , g1 , . . . , gn ] ⊂ F der trigonometrischen Polynome vom Grad ≤ n. Beispielsweise ist 3+2·sin(3x)+25·cos(nx) in Pn . Die orthogonale Projektion einer Funktion f ∈ F in den Raum Pn ist das n-te Fourierpolynom von f . Es berechnet sich zu: pn (x) = n n k=1 k=1 X a0 X + ak · cos kx + bk · sin kx 2 mit den Fourierkoeffizienten: ak bk 1 = · <f, fk > = π 1 · <f, gk > = = π Z 2π 1 · f (x) · cos(kx) dx π 0 Z 2π 1 · f (x) · sin(kx) dx π 0 k = 0, 1, . . . k = 1, 2, . . . Somit ist pn dasjenige trigonometrische Polynom vom Grad ≤ n, das bezüglich < , > den kleinsten Abstand ∆n = |f − pn | von f hat, also das Proximum von f in Pn ! Für den Abstand ∆n gilt: Z 2π ∆n = <f − pn , f − pn > = (f (x) − pn (x))2 dx 0 ! Z 2π n 2 X a 0 = f (x)2 dx − π + (a2k + b2k ) 2 0 k=1 Für f ∈ F konvergiert pn ,,im Mittel“ gegen f , d. h. ∆n → 0. Das bedeutet nicht immer, daß pn (x) gegen f (x) konvergiert. Letzteres gilt jedoch beispielsweise dann, wenn f stetig differenzierbar oder stückweise monoton ist. In diesem Fall ist ∞ ∞ X a0 X p∞ (x) = + ak · cos kx + bk · sin kx 2 k=1 k=1 die Fourierreihe oder Fourierentwicklung von f . A 14.1 Fourierkoeffizienten symmetrischer Funktionen Die Symmetrie periodischer Funktionen zeigt sich in dem Verschwinden aller cos-Terme oder aller sin-Terme in der Fourierentwicklung. 42 Analysis Eine Funktion f : [0, 2π] → R heißt zur Intervallmitte symmetrisch, falls ∀t: f (π + t) = f (π − t) schiefsymmetrisch, falls ∀t: f (π + t) = −f (π − t) Für symmetrisches f sind alle bk = 0 (nur cos-Terme), für schiefsymmetrische f sind alle ak = 0. A 15 Punktfolgen und Punktmengen in Rn Alle seitherigen Betrachtungen beschäftigten sich mit Funktionen f : R → R. Diese beschreiben Vorgänge, die nur von einem reellen Parameter abhängen und deren Zustände sich ebenfalls mit lediglich einem reellen Parameter beschreiben lassen. Typische reale Vorgänge hängen jedoch von mehreren Parametern ab und der Zustand läßt sich ebenfalls oft nur mit mehreren Parametern angeben. Damit auch diese Ereignisse mathematisch beschrieben und untersucht werden können, wird die mehrdimensionale Analysis eingeführt. Hier werden Funktionen f : Rn → Rm betrachtet. Auch für diese Funktionen wird eine Ableitung und ein Integral eingeführt. Allerdings treten nun mannigfache neue Phänomene auf. Wie im eindimensionalen Fall werden viele Begriffe durch Grenzübergänge definiert, so daß wir zunächst einen Abstand und einen Konvergenzbegriff für den Rn einführen müssen. Elemente von Rn werden sowohl als Spalten, als auch als Zeilenvektoren geschrieben. Als Vorbereitung zur Behandlung von Funktionen f : Rn → Rm betrachten wir Rn mit der Norm qX |~x| = x2i . Es gilt die Dreiecksungleichung |~x + ~y | ≤ |~x| + |~y|, daher läuft das folgende wie in R ab: Eine Folge (~xk )k∈N von Vektoren heißt konvergent gegen ~a ∈ Rn , falls für die Abstände limk→∞ |~xk − ~a| = 0 gilt (d.h. ∀ε > 0 ∃N ∀k ≥ N : |~xk − ~a| < ε). Wie im eindimensionalen Fall schreiben wir ~xk → ~a oder limk→∞ ~xk = ~a wenn (~xk )k∈N gegen ~a konvergiert. Wie in C ∼ R2 gilt: ~xk → ~a ⇐⇒ xki → ai für i = 1, . . . , n (koordinatenweise Konvergenz) k Beispiel: (1 − k1 , ( k1 ) , (1 + ( αk )k ) → (1, 0, eα ) für α ∈ R. Eine konvergente Folge ist beschränkt und hat nur einen Grenzwert. Viele der Konvergenzkriterien für reelle Folgen sind nicht für Folgen in Rn übertragbar, da Rn im Gegensatz zu den reellen Zahlen nicht anordenbar ist. Es gilt allerdings das Cauchy-Kriterium: (~xk )k konvergent ⇐⇒ ∀ε > 0 ∃N ∀k, l ≥ N : |~xk − ~xl | < ε A 15 Punktfolgen und Punktmengen in Rn 43 Ein Punkt ~a heißt Häufungspunkt von (~xk )k ⇐⇒ ∀ε > 0 existieren unendlich viele k mit |~xk − ~a| < ε ⇐⇒ es gibt eine Teilfolge von (~x)k , die gegen ~a konvergiert. Satz: Jede beschränkte Punktfolge besitzt wenigstens einen Häufungspunkt, also auch eine konvergente Teilfolge. Ein Menge Uε (~a) := {~x ∈ Rn | |~x − ~a| < ε} heißt ε-Umgebung von ~a oder auch offene Kugel um ~a mit Radius ε. A 15.1 Offene und abgeschlossene Mengen Die mangelnde Anordnung im Rn bewirkt, daß keine Intervalle definiert werden können. Als Ersatz haben sich die Begriffe ,,offene“ und ,,abgeschlossene“ Mengen bewährt. Eine Menge M ⊂ Rn heißt offen in Rn ⇐⇒ ∀x ∈ M ∃ε > 0: Uε (x) ⊂ M . Beispiele: 1. Uε (~a) ist offen. 2. Rn ist offen. 3. {x | |x| ≤ 1} ist nicht offen. Für m ∈ N gilt: M offen in Rn 6⇒ M offen in Rn+m M offen in Rn ⇒ M ∩ Rn−m offen in Rn−m Ein Punkt ~a ∈ Rn heißt Häufungspunkt von M ⊂ Rn ⇐⇒ Jede ε-Umgebung von ~a enthält unendlich viele Punkte aus M . ⇐⇒ Es gibt eine Folge ~xk → ~a mit ~xk ∈ M \ ~a. Beispiel: M := { k1 · ~x | k ∈ N}; ~x 6= ~0, hat den Häufungspunkt ~0 ∈ / M. Eine Menge M ⊂ Rn heißt abgeschlossen ⇐⇒ Jeder Häufungspunkt von M gehört zu M . ⇐⇒ Der Grenzwert jeder konvergenter Folge in M gehört zu M . Beispiele: 1. Uε (~a) ist nicht abgeschlossen. 2. {~x | |~x − ~a| ≤ ε} ist abgeschlossen. 3. Rn ⊂ Rm ist abgeschlossen. 4. Q ⊂ R ist nicht abgeschlossen. 44 Analysis Eine Menge M heißt kompakt ⇐⇒ M ist beschränkt und abgeschlossen. ⇐⇒ Jede Folge in M hat einen Häufungspunkt in M . Beispiele: 1. Rn ist nicht kompakt. 2. Die Sphäre {~x | |~x| = 1} ist kompakt. Für den Zusammenhang zwischen offenen und abgeschlossenen Mengen gilt: M offen ⇐⇒ Rn \ M abgeschlossen Es gibt Teilmengen von Rn , die sowohl offen als auch abgeschlossen sind, etwa die leere Menge und Rn . Außerdem gibt es Mengen die weder abgeschlossen noch offen in Rn sind. So ist etwa M := {(x, y) | x > 0 und y ≥ 0} ⊂ R2 weder offen noch abgeschlossen in R2 . Die Vereinigungen offener Mengen sind offen, ebenso sind die Durchschnitte von endlich vielen offenen Mengen wieder offen. A 16 Funktionen Rn → Rm: Stetigkeit Eine Funktion f~: D → Rm mit D ⊂ Rn schreiben wir in der Form f~(x1 , . . . , xn ) = f~(~x) = (f1 (~x), . . . , fm (~x)) . P Pn n Beispiel: f~ linear: fi (~x) = a x , . . . , a x 1j j mj j j=1 j=1 Spezialfälle: f~: D ⊂ Rn → R f~: D ⊂ R → Rm f~: D ⊂ Rn → Rn (m = 1) (n = 1) (m = n) ist ein Skalarfeld. ist eine Kurve in Rm . ist ein Vektorfeld auf Rn . Beispiele: 1. f : R3 → R: f (~x) := |x| = pP x2i ist ein Skalarfeld. 2. f~: R → R3 : f (t) := (1, t, t2 ) := (f1 (t), f2 (t), f3 (t)) ist eine Kurve in R3 . Ebenso ist ~g (t) := (b cos t, b sin t, at) eine Kurve in R3 . (Schraubenlinie) 3. Das Kraftfeld einer Punktladung f~: R3 \ {~0} → R3 : ~x 7→ feld. x ~ |~ x|3 ist ein Vektor- 4. f~: Rn → Rm : f~(~x) := A · ~x wobei A eine m × n-Matrix, also f~ eine lineare Abbildung ist. A 16 Funktionen Rn → Rm : Stetigkeit 45 Darstellung von Skalarfeldern: Skalarfelder f : Rn → R können beispielsweise durch a) Höhenlinien (n = 2) oder Niveauflächen (n = 3): {~x ∈ R | f~(~x) = c}, c ∈ R, b) sowie Graphen: Gf = {((x1 , . . . , xn ), f (x1 , . . . , xn )) | x1 , . . . , xn ∈ R} ⊂ Rn+1 dargestellt werden. Gf Beispiele: 1. f (x, y) = x2 + y 2 : Gf = {(x, y, x2 + y 2 ) | x, y ∈ R} (Rotationsparaboloid) R 2. f (x, y) = |~x|:p Gf drehsymmetrisch Gf = {(x, y, x2 + y 2 ) | x, y ∈ R} (Kegel) 3. f (x, y) = x, Gf = {(x, y, x) | x, y ∈ R} (Ebene) Definition: a) Eine Funktion f~: D → Rm heißt stetig bei ~x0 ∈ D, falls für jede Folge (~xk )k∈N in D mit limk→∞ ~xk = ~x0 auch f~(~x0 ) = limk→∞ f~(~xk ) gilt. b) Eine Funktion f~: D → Rm heißt stetig in D, falls f bei allen ~x0 ∈ D stetig ist. Die Stetigkeit kann koordinatenweise nachgeprüft werden. D.h. es gilt: f~ stetig bei ~x0 ⇐⇒ aus xki 7→ x0i für i = 1, . . . , n folgt fj (~xk ) 7→ fj (~x0 ) für j = 1, . . . , m ⇐⇒ für j = 1, . . . , m ist fj : D → R stetig bei ~x0 Beispiele: Wenn fj : D → R für j = 1, . . . , m durch Rechenoperationen (+, −, ·, :) (keine Division durch Null!) und Anwendung stetiger Funktionen R → R aus x1 , . . . , xn und Konstanten zusammengesetzt ist, dann istPf stetig. P Konkret, alle bereits genannten Beispiele, etwa A · ~x = ( a1j xj , . . . , amj xj ), sind stetig. Weitere Beispiele: 1. f (x) = ~x xi , d.h.: fi (~x) = p 2 ist stetig in D = Rn \ {~0}. 2 · |~x| 2 x1 + · · · + x2n 46 Analysis 2. f~(x1 , x2 , x3 ) = (ex1 −x2 , ln( x53 ), (x2 · x3 )6 ) ist stetig in D = {~x | x3 6= 0}. 2 2 3. f : Rn → R: A 7→ det A ist stetig. Dabei werden die Elemente von Rn als n × n-Matrizen aufgefaßt. 2 2 2 4. f~: D ⊂ Rn → Rn : A 7→ A−1 ist stetig auf D := {A ∈ Rn | det A 6= 0}. xy . x2 + y 2 Dann hat ~xk := ( k1 , ak ) das Bild f (~xk ) = 5. Sei D = R2 \ {~0} und f (x, y) := Somit hängt limk→∞ f (~xk ) = ~x = ~0 nicht stetig ergänzbar. a 1+a2 a k 2 (1/k 2 +a2 /k 2 ) a = 1+a konst. 2 = von der Folge ~xk → ~0 ab, also ist f bei 6. Die Komposition von stetigen Funktionen (f ◦ g) ist stetig. Konkret: f~(~x) = |~x|, g(t) = 1t , g ◦ f~(~x) = |~x1| ist stetig. Im Abschnitt A 6.5 haben wir gesehen, daß das stetige Bild eines abgeschlossenen Intervalls wieder ein abgeschlossenes Intervall ist. In Rn gilt entsprechend: Satz: Ist K ⊂ Rn eine kompakte, d.h. beschränkte und abgeschlossene Menge und f~: K → Rm eine stetige Funktion, so ist auch f~(K) kompakt. Beispiel: Die Kreislinie S = {(cos t, sin t) | 0 < t < 2π} = f~([0, 2π]) ist kompakt, denn [0, 2π] ist kompakt. Die Tatsache, daß das Bild einer kompakten Menge unter einer stetigen Funktion wieder kompakt ist bewirkt unter anderem, daß eine stetige Funktion auf einer kompakten Menge stets ihr Maximum und Minimum annimmt. Ist also K ⊂ Rn kompakt und f : K → R stetig so gibt es ~x1 , ~x2 ∈ K mit f (~x1 ) = max f (K) und f (~x2 ) = min f (K). A 16.1 ε-δ-Kriterium für Stetigkeit Die Stetigkeit einer Funktion kann, ohne Folgen, mit Umgebungen angegeben werden. Es gilt: f~ stetig in ~x0 ⇐⇒ ⇐⇒ ∀ε > 0 ∃δ > 0 mit f~(Uδ (~x0 )) ⊂ Uε (f~(~x0 )) ∀ε > 0 ∃δ > 0 mit |~x − ~x0 | < δ ⇒ f~(~x) − f~(~x0 ) < ε Folgerungen: Ist f : Rn → R oder f~: Rn → Rm stetig bei ~x0 , dann gilt: i) f (~x0 ) > a ⇒ ∃δ > 0 mit f (~x) > a für alle ~x ∈ Uδ (~x0 ) ii) f~(~x0 ) 6= a ⇒ ∃δ > 0 mit f~(~x) 6= a für alle ~x ∈ Uδ (~x0 ) A 17 Funktionen Rn → R: Differenzierbarkeit A 17 47 Funktionen Rn → R: Differenzierbarkeit Wie die Stetigkeit läßt sich die Differenzierbarkeit einer Funktion f~: Rn → Rm auf die Differenzierbarkeit reeller Funktionen zurückführen. Wir gehen schrittweise vor, indem wir zunächst nur im Urbildraum eine beliebige endliche Dimension zulassen. Wir betrachten zunächst also nur Skalarfelder. Gegeben sei eine Teilmenge D ⊂ Rn , eine Funktion f : D → R; und ein fester Punkt ~x0 = (x01 , . . . , x0n ) ∈ D. Für i = 1, . . . , n läuft (x01 , . . . , x0i−1 , t, x0i+1 , . . . , x0n ) auf einer Gerade durch ~x0 parallel zu ~ei . Die Abbildung t 7→ f (x01 , . . . , x0i−1 , t, x0i+1 , . . . , x0n ) ist somit eine Funktion einer Veränderlichen. Die partielle Ableitung ist definiert durch: ∂f d (~x0 ) := f (x01 , . . . , x0i−1 , t, x0i+1 , . . . , x0n ) ∂xi dt t=x0i f (x01 ,...,x0i−1 ,t,x0i+1 ,...,x0n )−f (x01 ,...,x0i−1 ,x0i ,x0i+1 ,...,x0n ) = lim t−x0i t→x01 Die Funktion f ist partiell differenzierbar in ~x bzw. in D, wenn alle partiellen Ableitungen dort existieren. Beispiele: 1. f (~v ) = f (x, y, z) = x3 · y 2 · z 4 + z; suche fx (x0 , y0 , z0 ) = d 3 (t dt =3· x20 ∂f (~v ) ∂x 0 · y02 · z04 + z0 ) · y02 · = fx (~v0 ): t=x0 z04 Analog: fy (x0 , y0 , z0 ) = 2x30 · y0 · z04 fz (x0 , y0 , z0 ) = 4x30 · y02 · z03 + 1 2. Die Funktion f (x, y) = xy x2 +y 2 0 (x, y) 6= ~0 (x, y) = ~0 ist unstetig bei ~0, aber partiell differenzierbar! Es gilt: d t · 0 fx (~0) = = 0 = fy (~0) dt t2 + 02 t=0 A 17.1 Lokale Extrema Da der Bildbereich eines Skalarfeldes eine Anordnung besitzt, macht es Sinn nach lokalen Extrema zu suchen. 48 Analysis Eine Funktion f : D → R hat in ~x0 ∈ D ein lokales oder auch relatives Maximum, falls ein ε > 0 existiert, sodaß für jeden Punkt ~x ∈ Uε (~x0 ) stets f (~x) ≤ f (~x0 ) gilt. Für ein strenges lokales Maximum muß für alle x 6= x0 zusätzlich noch f (~x) < f (~x0 ) gelten. Analog sind lokale Minima definiert. Ähnlich wie bei Funktionen einer Veränderlichen gibt es eine notwendige Bedingung für das Vorliegen lokaler Extrema. Für differenzierbare Funktionen einer Veränderlicher war dies die Bedingung, daß die Ableitung verschwindet. Für Skalarfelder gilt eine analoge Aussage: Satz (Notwendige Bedingung): Ist ~x0 ∈ D ein innerer Punkt von D, d.h. gibt es ein δ > 0 mit Uδ (~x0 ) ⊂ D, und ist f : D → R partiell differenzierbar bei ~x0 , dann gilt: Hat f bei ~x0 ein lokales Extremum, so ist: ∂f ∂f (~x0 ) = · · · = (~x0 ) = 0 ∂x1 ∂xn (d.h. ∇f (~x0 ) = ~0, siehe A 17.2) Folgerung: Ist K × Rn kompakt und f : K → R partiell differenzierbar, so sind ,,die Punkte“ ~x1 , ~x2 mit f (~x1 ) = max f (K) und f (~x2 ) = min f (K) zu suchen unter folgenden Punkten: 1. Den inneren ~x mit ∂f (~x) ∂x0 = ··· = ∂f (~x) ∂xn = 0. 2. Den Randpunkten von K. Die gesuchten ~x1 und ~x2 findet man durch Vergleich aller f -Werte an diesen Punkten. Beispiele: 1. Betrachtet wird die Menge D = {(x, y) | x2 + y 2 ≤ 1} und die Funktion f (x, y) = x2 + y 2 . Es gilt: fx (x, y) = 2x = 0 ⇐⇒ x = 0 fy (x, y) = 2y = 0 ⇐⇒ y = 0 Somit: fx (x, y) = fy (x, y) = 0 ⇐⇒ (x, y) = 0 Wegen f (0, 0) = 0 und f (x, y) > 0 für alle (x, y) ∈ R2 \ {~0} liegt also bei ~0 ein Minimum vor. Für ~x = (1, 0) beispielsweise ist der Funktionswert maximal, denn f (1, 0) = 1 ≥ f (x, y) für (x, y) ∈ D. Es ist jedoch fx (1, 0) = 2 6= 0. Falls ein Extremum auf dem Rand angenommen wird, müssen die partiellen Ableitungen also nicht verschwinden. A 17 Funktionen Rn → R: Differenzierbarkeit 2. K = {(x, y) | |x| ≤ 2, |y| ≤ 2} f (x, y) = x2 y 2 + 2y − x2 49 (Quadrat) (Beispielfunktion) (a) Innere Punkte: |x| , |y| < 2 (echt kleiner) fx (x, y) = 2xy 2 − 2x = 2x(y 2 − 1) (1. Ableitung nach x) fx = 0 ⇐⇒ x = 0 oder y = ±1 fy (x, y) = 2yx2 + 2, fy = 0 ⇐⇒ yx2 = −1 Vergleich: Für x = 0 ist fy 6= 0 Für y = 1 ist fy 6= 0 Für y = −1 ist fy = 0 ⇐⇒ x = ±1 Also: fx (x, y) = fy (x, y) = 0 ⇐⇒ (x, y) = (1, −1) oder (−1, −1). Die Kandidaten für Extrema im Innern lauten also: f (1, −1) = −2 f (−1, −1) = −2 (b) Untersuchung des Randes: (x = ±2 oder y = ±2) i. x = ±2: f (±2, y) = 4y 2 + 2y − 4; y ∈ [−2, 2] = g(y) 0 g (y) = 8y + 2; g 0 (y) = 0 ⇐⇒ y = − 14 Also lauten weitere Kandidaten für Extrema: f (±2, 14 ) = −4 41 und zudem die vier Eckpunkte: f (±2, 2) = 16 f (±2, −2) = 8 ii. y = −2: f (x, −2) = 3x2 − 4 = h(x) 0 h (x) = 6x; h0 (x) = 0 ⇐⇒ x = 0 Die liefert den Kandidaten: f (0, −2) = −4 iii. y = +2: f (x, 2) = 3x2 + 4 Analog zu oben liefert dies den Kandidaten: f (0, 2) = 4 Also gilt: Bei ~x1 = (+2, 2) liegt mit f (~x1 ) = 16 das Maximum vor, bei ~x2 = (±2, − 14 ) liegt mit f (~x2 ) = −4 14 das Minimum vor. 50 Analysis A 17.2 Totales Differential Ein Aspekt der Ableitung einer Funktion einer Veränderlichen ist, daß die Funktion durch die Ableitung linear approximiert werden kann (A 13), d.h. es gilt: f (x) = f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 ) + r(x) wobei r(x) von zweiter Ordnung klein ist, also limx→x0 r(x)−r(x0 ) (x−x0 )2 = 0. Wird dieser Aspekt auf Funktionen f : Rn → R (oder auch f~: Rn → Rm ) übertragen, so gelangt man zum totalen Differential. Definition: Eine Funktion f : D → R mit D ⊂ Rn heißt genau dann total differenzierbar bei ~x0 ∈ D, wenn es n Funktionen ∆1 , . . . , ∆n : D → R gibt, sodaß: P ~ x) · (~x − ~x0 ) 1. f (~x) − f (~x0 ) = ni=1 ∆i (~x)(xi − x0i ) = ∆(~ 2. ∆i stetig bei ~x0 Wenn f total differenzierbar in x0 ist, dann gilt: 1. f stetig in ~x0 2. ∆j (~x0 ) = ∂f (~x0 ) ∂xj ∂f ∂f (~x0 ), . . . , ∂x (~x0 )) ∈ Rn 3. ∇f (~x0 ) = grad f (~x0 ) = f 0 (~x0 ) = ( ∂x n 1 Nabla Gradient (totale) Ableitung ~ x0 ) also: ∇f (~x0 ) = ∆(~ 4. Die lineare Abbildung ~h 7→ f 0 (~x0 )·~h: Rn → R approximiert die Abbildung f (~x0 + ~h) − f (~x0 ) für kleine ~h, d.h.: ~ x0 + ~h) − ∆(~ ~ x0 ) · ~h f (~x0 + ~h) − f (~x0 ) = f 0 (~x0 ) · ~h + ∆(~ | {z } ,,von 2. Ordnung klein“ A 17.3 Tangentialebene von Gf Die Wert f 0 (x0 ) der Ableitung einer Funktion einer Veränderlichen f : R → R gibt die Steigung der Tangente an den Graph Gf im Punkte (x0 , f (x0 )) an. Die Tangente ist eine Gerade in R2 , also ein affiner Unterraum der Dimension 1 = 2 − 1. Affine Unterräume von Rn der Dimension n − 1 sind Hyperebenen oder Hyperräume. Dieser Aspekt läßt sich auf Skalarfelder übertragen. Der Graph der Abbildung ~x0 + ~h 7→ f (~x0 ) + f 0 (~x0 ) · ~h ist eine affine Hyperebene in Rn+1 . Sie sie heißt die Tangentialebene T~x0 von Gf im Punkt (x01 , . . . , x0n , f (~x0 )), dem Aufpunkt auf die Ebene. Der A 17 Funktionen Rn → R: Differenzierbarkeit T~x0 51 Gf f (~x0 ) ~x0 zugehörige Vektorraum, d.h. der Unterraum von Rn+1 parallel zu T~x0 , hat die Basis: (1 , 0 , . . . , 0 , (0 , 1 , . . . , 0 , .. . ∂f ) ∂x1 ∂f ) ∂x2 .. . oder kurz: 1 0 .. 0 . 1 ∇f (~y0 ) Beispiel: f (x, y) = x2 + 2y + 1, f 0 (~0) = (0, 2), f (~0) = 1 T~0 = (0, 0, 1) + [(1, 0, 0), (0, 1, 2)] Die Ableitung eines Skalarfeldes ist ein Vektorfeld. Beispiele: 1. f (~x) := pP n i=1 x2i = |~x|, ~x 6= ~0 1 f 0 (~x) = grad f (~x) = √P (2x1 , . . . , 2xn ) = 2 2 xi ~x |~x| Geometrisch bedeutet dies, daß der Gradient grad f die Richtung des steilsten Anstiegs angibt. Außerdem steht er senkrecht auf den Niveaulinien. 2. ~g (~x) = x1 ; grad ~g (~x) = (1, 0, . . . , 0) = ~e1 Satz: Ist D offen, ist f partiell differenzierbar und sind alle partiellen Ableitungen stetig in D, dann ist f in D total differenzierbar. Rechenregeln: ∇(f + g)(~x0 ) = ∇f (~x0 ) + ∇g(~x0 ) ∇a · f (~x0 ) = a · ∇f (~x0 ) ∇(f · g)(~x0 ) = (∇f (~x0 )) · g(~x0 ) + f (~x0 ) · ∇g(~x0 ) Linearität Produktregel 52 Analysis A 18 Funktionen Rn → Rm: Differenzierbarkeit Die Ableitung von Funktionen f~: Rn → Rm wird auf die Ableitung von Skalarfeldern zurückgeführt. Das heißt, eine solche Abbildung f~ wird als Vektor von Skalarfunktionen aufgefaßt und ist genau dann total oder partiell ableitbar, wenn alle Komponenten total oder partiell ableitbar sind. Genauer gilt: Definition: Für D ⊂ Rn läßt sich f~: D → Rm darstellen als f~(x) = (f1 (~x), . . . , fm (~x)) mit Skalarfeldern fi : D → R. Die Funktion f~ heißt genau dann total bzw. partiell differenzierbar, wenn alle Skalarfelder f1 , . . . , fm total bzw. partiell differenzierbar sind. Falls f~ total differenzierbar ist, läßt sich die totale Ableitung durch die Jacobi-Matrix ∂f1 ∂f1 · · · ∂x ∇f1 (~x0 ) ∂x1 n ~ df .. .. (~x ) = J(~x0 ) = (~x0 ) = ... 0 . . d~x ∂fm m ∇fm (~x0 ) · · · ∂f ∂x ∂x n 1 beschreiben. Beispiele: 1. f~(x, y) = (x2 , 2xy, ey ) 2x0 ~ df (~v0 ) = 2y0 d~v 0 0 2x0 e y0 2. Ist f~(x) = A · ~x + ~b eine ,,inhomogene lineare Abbildung“, so gilt: X fi (x) = aij · xj + bi j also gilt für die Ableitungen: ∂fi (~x0 ) = aik , ∂xk d.h.: df~ (~x0 ) = A d~x Die Jacobi-Matrix stimmt also mit der Matrix der linearen Abbildung überein. Wir haben eben erfahren, daß die Jacobi-Matrix einer linearen Abbildung mit der Matrix der linearen Abbildung übereinstimmt. Für nicht lineare Abbildungen f~ ist die Jacobi-Matrix die Matrix einer linearen Abbildung, durch die f~ bei ~x0 approximiert wird. Für kleine ~h ∈ Rn gilt also: df~ f~(~x0 + ~h) − f~(~x0 ) = (~x0 ) · ~h + Terme, die von 2. Ordnung klein sind. d~x A 18 Funktionen Rn → Rm : Differenzierbarkeit 53 Spezialfälle: 1. m = 1: J(~x0 ) = ∇f (~x0 ) = df (~x0 ). d~ x ~ 0 2. n = 1: f~(t) ist eine Kurve, und f~0 (t0 ) = ddtf (t0 ) = (f10 (t0 ), . . . , fm (t0 )) ist ~ ~ der Tangentenvektor der Kurve f im Punkte f (t0 ). Beispiele für Kurven und Tangentenvektoren: (a) f~(t) = ~at + ~b, f~0 (t) = ~a (b) f~(t) = (cos t, sin t), f~0 (t) = (− sin t, cos t) 3. m = n = 1: Die gute altbekannte Ableitung! J(x0 ) = f 0 (x0 ), eine (1 × 1)Matrix. Definition: Für n = m definiert man die Divergenz oder Quelldichte des Vektorfeldes f~ bei ~x0 als die Spur der Jacobi-Matrix: div f~(~x0 ) := Spur J(~x0 ) ∂f1 ∂fn (~x0 ) + · · · + (~x0 ) = ∂x1 ∂xn = “(∇ · f~)”(~x0 ) Beispiele: 1. f~(~x) = ~x div f~(~x) = 1 + 1 + · · · + 1 = n 2. ~g (x, y) = (−y, x) div ~g (x, y) = 0 + 0 ,,quellfrei“ Kettenregel: Sind Mengen D ⊂ Rn und E ⊂ Rm sowie Funktionen f~: D → E und ~g : E → Rk gegeben, sodaß f~ total differenzierbar bei ~x0 und ~g total differenzierbar bei ~y0 = f~(~x0 ) ist, so gilt: Die Komposition ~g ◦ f~ ist total differenzierbar bei ~x0 , und die Jacobi-Matrizen multiplizieren sich (wie bei lin. Abb.), d.h.: d(~g ◦ f~) d~g df~ (~x0 ) = (~y0 ) · (~x0 ) d~x d~y d~x Spezialfälle: 1. n = m = k = 1: alte Kettenregel. 2. k = 1: ∇(g ◦ f~)(~x0 ) = ∇g(~y0 ) · df~ (~x0 ) d~ x d.h.: m X ∂(g ◦ f~) ∂g ∂fi (~x0 ) = (~y0 ) · (~x0 ) ∂xj ∂yi ∂xj i=1 54 Analysis 3. k = n = 1: ,,Ableitung eines Skalarfeldes entlang einer Kurve“: ∇(g ◦ f~)(~x0 ) = ∇g(f~(t0 )) · f~0 (t0 ) Die Ableitung eines Skalarfeldes entlang einer Kurve ist also das Skalarprodukt vom Gradienten des Feldes und dem Tangentenvektor der Kurve. 4. Noch spezieller als 3): Richtungsableitung eines Skalarfeldes: Wir betrachten die spezielle Kurve f~(t) = ~y0 + t · ~h mit |~h| = 1. Dies ist die Gerade durch ~y0 mit Richtung ~h. Die Ableitung dg(~y0 + t · ~h) (t = 0) = ∇g(~y0 ) · ~h dt = |∇g(~y0 )| · cos ^(∇g(~y0 ), ~h) heißt Richtungsableitung des Skalarfeldes in Richtung ~h. Ihr Betrag ist am größten, wenn ~h dieselbe Richtung wie ∇g(~y0 ) hat, und ist Null, wenn ~h senkrecht auf ∇g(~y0 ) steht. ϕ ~ 0 (t0 ) Ist ϕ ~ (t) eine Niveaulinie des Skalarfeldes (d.h. g(~ ϕ(t)) = const.), so steht der g = konst. ∇g Tangentenvektor ϕ ~ 0 (t0 ) senkrecht auf (∇g)(~ ϕ(t)). ∂g Die Richtungsableitung für ~h = ~ei ist die partielle Ableitung ∂x (~x0 ). i p Beispiel: g(x, y) = x2 + y 2 = |(x, y)| (x,y) ∇g(x, y) = |(x,y)| = |~~xx| ϕ ~ (t) = (cos t, sin t) ϕ ~ 0 (t) = (− sin t, cos t) Die Kurve ϕ ~ (t) ist eine Niveaulinie, denn g(~ ϕ(t)) ≡ 1. In der Tat steht ∇g(~ ϕ(t)) = ϕ ~ (t) |~ ϕ(t)| =ϕ ~ (t) senkrecht auf ϕ ~ 0 (t). Mittelwertsatz: Ist f : D → R mit D ⊂ Rn eine total differenzierbare Funktion, ist ~x und ~x + ~h sowie die Strecke S := {~x + t · ~h | t ∈ [0, 1]} in D, so gibt es ein t0 ∈ ]0, 1[ mit: ~ ~ ~ f (~x + h) − f (~x) = h · grad f (~x + t0 h) Folgerungen: Eine Menge D ⊂ Rn , die mit je zwei Punkten ~x, ~y auch die Verbindungsstrecke enthält heißt konvex. Eine Menge D ⊂ Rn bei der sich je zwei Punkte durch einen Streckenzug, der ganz in D verläuft, verbinden lassen heißt zusammenhängend. Aus dem Mittelwertsatz folgt nun: Ist D ⊂ Rn konvex oder zusammenhängend so gilt: Ist grad f = ~0 auf ganz D, so ist f konstant. A 19 Höhere Ableitungen; Potentiale; exakte Differentialgleichungen 55 A 19 Höhere Ableitungen; Potentiale; exakte Differentialgleichungen Wie bei Funktionen einer Variablen können auch für Funktionen mehrerer Veränderlicher iterativ höhere Ableitungen definiert werden. Wir beginnen zunächst mit mehrfachen partiellen Ableitungen von Skalarfeldern. A 19.1 Mehrfache partielle Ableitungen ∂f Gegeben ist ein Skalarfeld f : D → R mit D ⊂ Rn , sodaß ∂x = fxk nach xi k partiell differenzierbar ist, wobei i = k zugelassen ist. Die zweiten partiellen Ableitungen von f sind definiert durch: ∂2f (~x0 ) = (fxk )xi (~x0 ) = fxk xi ∈ R ∂xi ∂xk Satz: Sind fxk xi und fxi xk stetig, so ist fxk xi = fxi xk , d.h. es kommt nicht auf die Reihenfolge der Differentation an. Beispiel: f (x, y) = cos(ex y) fx (x, y) = − sin(ex y) · ex y fxy (x, y) = − cos(ex y) · ex ex y − sin(ex y) · ex fy (x, y) = − sin(ex y) · ex fyx (x, y) = − cos(ex y) · ex yex − sin(ex y) · ex Höhere partielle Ableitungen haben die Gestalt: ∂ k1 +···+kn f (∂x1 )k1 . . . (∂xn )kn A 19.2 Potentialfunktionen Wir haben im letzten Abschnitt gesehen, daß der Gradient eines Skalarfeldes f : Rn → R ein Vektorfeld ergibt. Allerdings ist nicht jedes Vektorfeld der Gradient eines Skalarfeldes. Das heißt, nicht jedes Vektorfeld ~v : Rn → Rn besitzt ein Potential Φ: Rn → R mit grad Φ = ~v . Die Vertauschbarkeit der Differentation liefert ein Kriterium für die Existenz einer Stammfunktion zu einem Vektorfeld ~v . Definition: Gegeben sei eine Menge D ⊂ Rn und ein stetig differenzierbares Vektorfeld ~v : D → Rn . Ein Skalarfeld Φ: D → R heißt Potentialfunktion zu ~v , wenn ∇Φ = ~v , d.h. wenn Φxi = vi . Beispiele: Gravitation, Coulombpotential. Es stellen sich die folgende Fragen: 1) Wann existiert ein Potential Φ? 2) Wie wird Φ berechnet? 56 Analysis zu 1) Die Vertauschbarkeit der Differentation induziert folgende notwendige Bedingung, die Integrabilitätsbedingung (IB): Ein zweimal stetig differenzierbares Potential zu ~v existiert höchstens dann, wenn: ∀i, j: vixj = vjxi (IB) denn vixj = Φxi xj und vjxi = Φxj xi Beispiel: ~v (x, y) = ( x2 y , |{z} x ); v1y (x, y) = x2 6= v2x (x, y) = 1. |{z} v1 v2 Somit existiert kein Potential! zu 2) Es sei n = 2 und die IB erfüllt. Dann kann man Φ in einem Rechteck um (x0 , y0 ) berechnen durch: Z x Z y Φ(x, y) = v1 (t, y) dt + v2 (x0 , s) ds + c x0 y0 Beispiel: Biot-Savard auf n = 2 vereinfacht: ~v (x, y) := (−y, x) x2 + y 2 z (vgl. Magnetfeld von Strom durch z-Achse) Das Vektorfeld ~v erfüllt die IB und hat für x > 0 das Potential Φ(x, y) = Arctan xy , aber kein in ganz D = R2 \ {~0} definiertes Potential. Die Graphen aller Potential-,,Stücke“ bilden eine Wendelfläche. Geht man einmal um das ,,Loch“ ~0, so wächst das Potential um 2π. 2π Das Beispiel illustriert, daß wenn das Gebiet D ,,Löcher“ hat, die IB nicht hinreichend für die Existenz einer Stammfunktion in ganz D ist. Wir werden in A 24.2 bei der Betrachtung konservativer Vektorfelder auf dieses Problem zurückkommen. A 19.3 Exakte Differentialgleichungen Potentialfunktionen können zum Lösen bestimmter Differentialgleichungen, sogenannten exakten Differentialgleichungen, herangezogen werden. Definition: Sei ~v : D → R ein Skalarfeld, wobei D ⊂ R2 . Die Differentialgleichung: v1 (x, y) + v2 (x, y) · y 0 = 0 heißt exakt, wenn ~v die IB erfüllt, d.h. wenn v1y = v2x gilt. (∗) A 19 Höhere Ableitungen; Potentiale; exakte Differentialgleichungen 57 Erfüllt ~v die IB, so besitzt ~v in jedem Rechteck R ⊂ D eine Potentialfunktion Φ mit ∇Φ = ~v . Man erhält alle Lösungen von (∗) in R durch Auflösen der impliziten Lösung Φ(x, y(x)) = C, mit C ∈ R beliebig. Also ist y(x) genau dann eine Lösung von (∗) in R wenn die Kurve f~(x) = (x, y(x)) eine Niveaulinie von Φ ist. Beispiele: 1. ~v (x, y) = (−y,x) , x2 +y 2 Φ(x, y) = Arctan xy für x > 0. Φ(x, y(x)) = γ auflösen: Arctan y(x) = γ ⇐⇒ y(x) = x tan γ = x · a x (mit a = tan γ = const.) Die Differentialgleichung x2 1 (−y + x · y 0 ) = 0 + y2 (∗) hat somit als Lösungskurven Strahlen von ~0 aus. 2. ~v (x, y) = (2x, 2y); Φ(x, y) = x2 + y 2 ; Φ(x, y) = C auflösen: √ y 2 = C − x2 ⇒ y = ± C − x2 für |x| < C ist ein Kreis. Die Differentialgleichung x + y · y0 = 0 (∗) hat also Kreise um den Nullpunkt als Lösungskurven. 3. Die Differentialgleichung e−x (2x − x2 − y 2 ) + 2y · e−x ·y 0 = 0 | {z } | {z } v1 ist exakt, denn: v2 v1y = −e−x · 2y v2x = −2y · e−x Die gesuchte Stammfunktion Φ muß folgendes erfüllen: (a) Φx (x, y) = e−x (2x − x2 − y 2 ) = v1 (b) Φy (x, y) = 2y · e−x = v2 58 Analysis Aus (b): x fest ⇒ Φ(x, y) = Mit (a) folgt: R Φy dy = y 2 · e−x + h(x) ∂ 2 −x (y · e + h(x)) = e−x (2x − x2 − y 2 ) ∂x −e−x · y 2 + h0 (x) = e−x (2x − x2 − y 2 ) h0 (x) = (2x − x2 )e−x Also: h(x) = x2 e−x und somit: Φ(x, y) = (x2 + y 2 )e−x = C Daher sind √ y(x) = ± Cex − x2 die Lösungen der Differentialgleichung. A 19.4 Eulerscher Multiplikator Exakte Differentialgleichungen sind sehr spezielle Differentialgleichungen. Beliebige Differentialgleichungen der Form v1 (x, y) + v2 (x, y) · y 0 = 0 (∗) lassen sich manchmal durch Multiplikation mit einem Faktor M (x, y) 6= 0 auf eine exakte Differentialgleichung zurückführen. Durch die Multiplikation mit M (x, y) 6= 0 ändert sich die Lösungsgesamtheit von (∗) nicht. Die neue Differentialgleichung ist exakt, wenn: (M · v1 )y = (M · v2 )x (∗∗) Dies ist eine partielle Differentialgleichung für M . Der Faktor M (x, y) heißt Eulerscher Multiplikator. Das Problem ist nun, einen geeigneten Eulerschen Multiplikator M zu finden. Man probiert oft, M als Funktion von x oder y alleine anzusetzen: 1. Ansatz: M = M (x) (nicht von y abhängig): Es gilt also My = 0 und mit der Kettenregel folgt: (M · v1 )y = My · v1 + M · v1y = M · v1y (M · v2 )x = Mx · v2 + M · v2x Mit M 0 := Mx folgt durch Einsetzen in (∗∗): M · v1y = M 0 · v2 + M · v2x Also: v1y − v2x M0 = M v2 Wenn die rechte Seite nur von x aber nicht von y abhängt, ist dies eine gewöhnliche (homogene, lineare) Differentialgleichung für M . Wenn die rechte Seite von y abhängt, so gibt es keinen nur von x abhängigen Multiplikator. A 19 Höhere Ableitungen; Potentiale; exakte Differentialgleichungen 59 2. Ansatz: M = M (y) (nicht von x abhängig): Analog zu oben gilt: M0 v2x − v1y = M v1 Die rechte Seite darf nur von y abhängen! Beispiele: 1. Die Differentialgleichung −y + x · y 0 = 0 ist nicht exakt, denn v1 = −y; v2 = x; v1y = −1 6= v2x = 1. 1 0 v ist das Die Differentialgleichung x2 +y 2 (−y + x · y ) = 0 hingegen ist exakt, ~ ,,Biot-Savard-Feld“, siehe oben (A 19.2). 2. Die Differentialgleichung 2x − x2 − y 2 + 2y · y 0 = 0 ist nicht exakt, denn mit v1 = 2x − x2 − y 2 und v2 = 2y gilt v1y = −2y 6= v2x = 0. Wir versuchen, einen Multiplikator M zu finden. Ansatz: M = M (y) M0 v2x − v1y 2y = = M v1 2x − x2 − y 2 Die rechte Seite hängt auch von x ab, also funktioniert der Ansatz nicht. Ansatz: M = M (x) M0 v1y − v2x −2y = = = −1 M v2 2y Das bedeutet M 0 = −M und somit M (x) = e−x 6= 0. Durch Multiplikation mit diesem Faktor erhalten wir die neue Differentialgleichung e−x (2x − x2 − y 2 + 2y · y 0 ) = 0 Diese ist exakt und wurde bereits gelöst (A 19.3, Beispiel 3)! A 19.5 Potentialfunktionen in R3 Wie für Skalarfelder ~v : D ⊂ R2 → R lassen sich auch für Skalarfelder ~v : D ⊂ R3 → R, die eine Integrabilitätsbedingung erfüllen, Potentialfunktionen finden. Sei ~v = (v1 , v2 , v3 ): D ⊂ R3 → R ein Skalarfeld mit: v1y = v2x und v1z = v3x und v2z = v3y (IB) und sei Q ⊂ D ein Quader um (x0 , y0 , z0 ) Eine Potentialfunktion Φ(x, y, z) mit ∇Φ = ~v in Q durch läßt sich gewinnen durch: Z x Z y Z z Φ(x, y, z) = v1 (s, y, z) ds + v2 (x0 , t, z) dt + v3 (x0 , y0 , u) du x0 y0 z0 60 Analysis A 19.6 Rotation eines Vektorfeldes Für ein Vektorfeld ~v in R3 , das nicht unbedingt die Integrabilitätsbedingung erfüllt, ist die Rotation definiert durch: v3y − v2z rot ~v := ∇ × ~v = v1z − v3x v2x − v1y Die Rotation rot ~v eines Vektorfeldes ist wieder ein Vektorfeld! Die Formel läßt sich kurz mit folgender Merkregel ausdrücken: ~e1 ~e2 ~e3 ∂ ∂ ∂ rot ~v = ∂x ∂y ∂z v1 v2 v3 Physikalisch kann die Rotation wie folgt gedeutet werden: Das Vektorfeld ~v (~x) beschreibt die Strömungsgeschwindigkeit einer Flüssigkeit bei ~x. Die Rotation rot ~v beschreibt Wirbel der Strömung. Ein Vektorfeld ~v heißt wirbelfrei ⇐⇒ ∀~x: rot ~v (~x) = ~0 ⇐⇒ ~v erfüllt die IB ⇐⇒ ~v besitzt in jedem Quader Q ⊂ D eine Potentialfunktion. Rechenregeln: rot(grad f ) = ~0 div(rot ~v ) = 0 weil grad f ein Potential besitzt, nämlich f ! rot rot ~v = grad div ~v − ∆~v P 2 mit: ∆f = ni=1 ∂∂xf2 i ∆~v = (∆v1 , . . . , ∆vn ) Der Ableitungsoperator ∆ = “∇2 ” heißt Laplace-Operator. Die Lösungen f der Laplace-Gleichung ∆f = 0 heißen harmonische Funktionen. Beispiel: f (x, y) = ex cos y ist harmonisch: fxx = ex cos y ⇒ fxx + fyy = 0 fyy = −ex cos y In der Funktionentheorie spielen harmonische Funktionen f : R2 → R2 eine gewisse Rolle. Der Real- als auch der Imaginärteil einer komplex differenzierbaren Funktion ist nämlich eine harmonische Funktion. A 20 Taylorformel und lokale Extrema Wir wenden uns nun nochmals der Untersuchung lokaler Extrema von Skalarfeldern f : D ⊂ Rn → R zu. In Abschnitt A 17.1 haben wir bereits eine A 20 Taylorformel und lokale Extrema 61 notwendige Bedingung für das Vorliegen eines lokalen Extrema an einem inneren Punkt hergeleitet. Wir wollen nun auch hinreichende Kriterien erarbeiten. Wie bei Funktionen einer Veränderlichen geschieht dies über die zweite Ableitung. Allerdings funktionieren die Überlegungen nur für offene und konvexe Mengen D. Deshalb sei in diesem Kapitel die Menge D ⊂ Rn offen und konvex und f : D → R zweimal stetig differenzierbar, d.h. alle fxi xj existieren und sind stetig! Ist f eine solche Funktion, so heißt H(x) = fxi xj (~x) die Hesse-Matrix von f bei ~x. i = 1, . . . , n j = 1, . . . , n Wegen fxi xj = fxj xi ist die Hesse-Matrix symmetrisch. Daraus folgt, daß alle Eigenwerte von H(x) reell sind (L 10). 2 Beispiel: f (x, y) = x + cy, fx = 2x, fy = 2cy 2 0 H(x, y) = 0 2c A 20.1 Taylorformel Wie für Funktionen einer Variablen gibt es auch für Skalarfelder eine Taylorformel (vgl. A 13). Sie besagt, daß es für ~x ∈ D und ~x + ~h ∈ D ein ϑ ∈ ]0, 1[ gibt, sodaß: n 1 X ~ ~ f (~x + h) = f (~x) + ∇f (~x) · h + · fx x (~x + ϑ · ~h) · hi · hj 2 i,j=0 i j 1 = f (~x) + ∇f (~x) · ~h + · ~hT · H(~x + ϑ · ~h) · ~h 2 A 20.2 Hinreichende Bedingung Erfüllt f bei ~x die notwendige Bedingung für ein Extremum ∇f (~x) = ~0, so läßt sich aus der Taylorformel ableiten: H(~x) sei: positiv definit negativ definit indefinit semidefinit d.h. die Eigenwerte von H sind: >0 <0 mindestens ein EW > 0 und mindestens ein EW < 0, 0 kann EW sein. 0 ist EW, alle anderen gleiches Vorzeichen Beispiel: f (x, y) = x2 + cy ∇f (x) = ~0 ⇐⇒ ~x = ~0 2 0 H(~0) = H(~x) = 0 2c dann ist f (~x): strenges lokales Minimum strenges lokales Maximum kein Extremum, sondern Sattelpunkt Es gibt keine allgemeine Regel 62 Analysis Die Hesse-Matrix hat die bei ~x = ~0 gilt daher: Für c > 0: ~x = ~0 ist Für c < 0: ~x = ~0 ist Für c = 0: ~x = ~0 ist offensichtlichen Eigenwerte 2 und 2c. Für das Verhalten Minimum, kein Extremum, sondern Sattelpunkt, hier ein Maximum, jedoch kein strenges. Das folgende Beispiel veranschaulicht den Begriff Sattelpunkt. Beispiel: Der Graph der Funktion f (x, y) = x2 − y 2 hat folgende Gestalt: Da es bei der Bestimmung der Extrema nur auf das Vorzeichen, nicht aber auf den Wert der Eigenwerte der Hesse-Matrix ankommt, müssen die Eigenwerte nicht explizit berechnet werden. Vielmehr ergibt sich aus der cartesischen Zeichenwechselregel (L 10) folgendes Kriterium: Es sei ∇f (~x) = ~0. Sind die Koeffizienten des charakteristischen Polynoms von H(~x): 1) alle 6= 0 und abwechselnd pos. u. neg., so ist ~x ein Minimum, 2) alle > 0 oder alle < 0, so ist ~x ein Maximum, 3) weder wie 1) noch wie 2), so ist ~x ein Sattelpunkt. Für n = 2 erhält man mit d := det H(~x) = fxx (~x)fyy (~x)−fxy (~x)2 für ~x = (x, y): Falls ∇f (x) = ~0, gilt: 1) ist d > 0, liegt ein Extremum vor und zwar: für fxx (~x) > 0 ein Minimum und für fxx (~x) < 0 ein Maximum (fxx (~x) = 0 ist unmöglich ) 2) ist d < 0, liegt ein Sattelpunkt vor, 3) ist d = 0, so ist keine Aussage möglich. Beispiele: 2 1. f (x, y, z) = 12x + (y − x2 ) − x2 + y 2 + (1 − x)z 2 fx = 12 − 4x(y − x2 ) − 2x − z 2 fy = 2(y − x2 ) + 2y = 4y − 2x2 fz = 2(1 − x)z Für die Kandidaten muß gelten: fx = fy = fz = 0 fz = 0 ⇒ x = 1 oder z = 0. fy = 0 ⇒ 2y = x2 ; einsetzen in fx = 0 liefert: 2x3 − 2x + 12 − z 2 = 0 (∗) A 20 Taylorformel und lokale Extrema 63 mit z = 0: Die einzige reelle Lösung von (∗) ist x = 2. Aus fy = 0 folgt y = 2. mit x = 1: Aus fy = 0 folgt y = 12 . √ In (∗) eingesetzt liefert dies: z = ± 12 Also sind √ ~x1 = (1, 1/2, 12) √ ~x2 = (1, 1/2, − 12) ~x3 = (−2, 2, 0) die Kandidaten für lokale Extrema. Die Hesse-Matrix lautet: −4y + 12x2 − 2 −4x −2z H(x, y, z) = −4x 4 0 −2z 0 2(1 − z) Werden die Kandidaten ~x1 oder ~x2 eingesetz, so ergibt sich: √ 8 −4 ∓2 12 4 0 H(~x1,2 ) = −4 √ ∓2 12 0 0 Das charakteristische Polynom lautet also für beide Kandidaten: p(t) = −t3 + 12t2 + 32t − 192 Es treten zwei Zeichenwechsel auf, also hat die Hesse-Matrix zwei positive und einen negativen Eigenwert, somit sind ~x1 , ~x2 Sattelpunkte. Die Hesse-Matrix für den dritten Kandidaten 38 8 H(~x3 ) = 8 4 0 0 Das charakteristische Polynom lautet: 0 0 6 p(t) = (6 − t)(t2 − 42t + 88) √ hat die Nullstellen 6 und 21 ± 212 − 88. Alle Nullstellen sind positiv, somit liegt bei ~x3 ein lokales Minimum vor! 2. f (x, y) = x3 + 2x2 y + y 2 + 2x2 − 3x fx (x, y) = 3x2 + 4xy + 4x − 3 fy (x, y) = 2x2 + 2y fy = 0 liefert y = −x2 . Eingesetzt in fx = 0 folgt daraus 3x2 − 4x3 + 4x − 3 = 0, somit gilt x ∈ {1, −1, 34 }. 64 Analysis 9 Die Kandidaten lauten also: (x, y) = (1, −1), (−1, −1), ( 43 , − 16 ). Mit fxx = 6x + 4y + 4, fyy = 2 und fxy = 4x ergibt sich folgende Tabelle: (x, y) (1, −1) (−1, −) 9 ( 34 , − 16 ) A 21 fxx fxx fxx 6 2 4 −6 2 −4 25 4 2 d = fxx fyy − fxy 2 −4 −28 7 2 3 Ergebnis Sattelpunkt Sattelpunkt Minimum Satz über implizite Funktionen Das Ziel dieses Abschnittes ist es, Kriterien für die Auflösung nichtlineare Gleichungen und Parameterbeschreibungen für Mengen, die durch Gleichungen definiert sind, zu gewinnen. Beispiel: Kugelfläche (Sphäre): S := {(x, y, z) | x2 + y 2 + z 2 − 1 = 0}: In der Nähe von (0, 0, 1) ∈ S kann die definierende Gleichung eindeutig nach z aufgelöst werden: p z = + 1 − x2 − y 2 =: f (x, y) Die Funktion p ϕ ~ (x, y) := (x, y, f (x, y)) = (x, y, + 1 − x2 − y 2 ) ∈ S beschreibt die Punkte von S nahe (0, 0, 1) durch Parameter x, y ∈ R. Nimmt man stattdessen (1, 0, 0), p so kann nicht nach z aufgelöst werden. Die beiden Möglichkeiten sind z = ± 1 − x2 − y 2 , doch keine dieser Möglichkeiten beschreibt den Kreis in einer Umgebung von (1, 0, 0). Dafür kann hier nach x aufgelöst werden. Im folgenden sei D ⊂ Rn+k offen und ~g : D → Rk stetig differenzierbar. Für ~x ∈ Rn , ~y ∈ Rk schreibe ~z = (~x, ~y) = (x1 , . . . , xn , y1 , . . . , yk ) ∈ Rn+k . Das Problem, dem wir nachgehen wollen lautet: Kann die Gleichung ~g (~x, ~y) = ~0 (1) eindeutig nach ~y aufgelöst werden? D.h. gibt es f~: D̃ → Rk , D̃ ⊂ Rn , mit: ~g (~x, f~(~x)) = ~0 für alle x ∈ D̃ (2) Beispiele: 1. Gauß-Algorithmus: Bei einem inhomogenen linearen Gleichungssystem ! ~g (~z) = A~z + ~b = ~0 sind einige zi frei wählbar; etwa (z1 , . . . , zn ) = ~x. Die anderen sind dadurch auszudrücken: (zn+1 , . . . , zn+k ) = ~y = f~(~x). 2. Exakte Differentialgleichung: Φ(x, y(x)) − C = 0 nach y auflösen. A 21 Satz über implizite Funktionen 65 Satz über implizite Funktionen: Ist D ⊂ Rn+k offen und ~g : D → Rk eine stetig differenzierbare Funktion mit ~g (~x0 , ~y0 ) = ~0 so gilt: Ist die k × k-Matrix: g1y1 · · · g1yk d~g .. (~x , ~y ) (~x0 , ~y0 ) = ... 0 0 . d~y gmy1 · · · gmyk d~g (~x0 , ~y0 ) 6= 0, so kann die Gleichung ~g (~x0 , ~y0 ) = ~0 umkehrbar, d.h gilt det d~ y in der Nähe von (~x0 , ~y0 ) eindeutig nach ~y aufgelöst werden, d.h. es gibt eine eindeutig bestimmte Funktion f~: Uδ (~x0 ) → Uε (~y0 ), die (2) erfüllt. Die Ableitung von f~ erhält man durch implizites Differenzieren: −1 df~ d~g d~g ~ (~x) = − (~x, f (~x)) · (~x, f~(~x)) d~x d~y d~x Konkret für n = 2, k = 1, n + k = 3: Gegeben ist eine Funktion ~g : R3 → R. An Stellen mit g(x, y, z) = 0 und gz (x, y, z) 6= 0 bestimmt die Gleichung g(x, y, z(x, y)) = 0 die ,,implizite“ Funktion z = z(x, y). Es gilt an diesen Stellen: −gx −gy (zx , zy )(x, y) = , (x, y, z) gz gz ! Beispiel: g(x, y, z) = z sin x + ez cos y; g = 0. An Stellen mit gz = sin x + ez cos y 6= 0 und g(x, y, z) = 0 gilt: zx = −z cos y sin x + ez cos y zy = ez sin y sin x + ez cos y Spezialfall: Satz über die Umkehrfunktion: Ist D ⊂ Rn offen, ist ~ f~: D → Rn stetig differenzierbar mit f~(~x0 ) = ~y0 , und ist dd~fx (~x0 ) umkehrbar, ~ gilt also det( dd~fx (~x0 )) 6= 0, so ist auch f~ in der Nähe von ~y umkehrbar, d.h. es gibt ein ε > 0 und eine Funktion ~h: Uε (~y0 ) → Rn mit f~(~h(~y)) = ~y für alle ~y ∈ Uε (~y0 ). 2 Beispiel: f~(x, y) = (2xy, y ) 2y0 2x0 df~ (x0 , y0 ) = d~ x 0 2y0 Für ~y0 6= 0 ist diese Matrix umkehrbar. Dort ist f ,,lokal“ umkehrbar. A 21.1 Parameterbeschreibung gleichungsdefinierter Mengen Aus dem Satz über implizite Funktionen kann abgeleitet werden, wann eine Menge, die durch Gleichungen definiert ist, direkt durch Parameter beschrieben werden kann. 66 Analysis Gegeben sei die durch die Funktion ~g : D → Rk mit k < n und D ⊂ Rn offen definierte Menge M = {~x ∈ Rn | ~g (~x) = ~0}. Ist ~x0 ∈ M ein Punkt in M , d~g sodaß der Rang rg d~ (~x0 ) der (k × n)-Matrix genau k ist, so kann man M in x der Nähe von ~x0 durch n − k reelle Parameter beschreiben. Genauer: es gibt ein Funktion ϕ ~ : D̃ ⊂ Rn−k → Rn mit: 1. ϕ ~ ist injektiv, ϕ ~ (~u0 ) = ~x0 2. ϕ ~ (D̃) = Uε (~x0 ) ∩ M ϕ ϕ 3. rg d~ (~u0 ) = n − k ( d~ ist eine (n × (n − k))-Matrix) d~ u d~ u ϕ Die n − k Spalten der Matrix d~ (~u0 ) sind die Tangentialvektoren der Paramed~ u terlinien ϕ(~u0 + t · ~ei ), i = 1, . . . , n − k, bei ~x0 . Sie sind linear unabhängig. Beispiel: Kugelfläche: S := {(x, y, z) | x2 + y 2 + z 2 − 1 = 0}: Es ist n = 3 und dg k = 1. Für g(x, y, z) = x2 + y 2 + z 2 − 1 gilt d~ (x0 , y0 , z0 ) = (2x0 , 2y0 , 2z0 ). Da x ~0 ∈ / S ist der Rang dieser (1 × 3)-Matrix für Punkte aus S stets 1. Die Fläche läßt sich also lokal durch eine Gleichung mit zwei Parametern beschreiben. A 22 Extrema mit Nebenbedingungen Wir wenden uns nochmals der Bestimmung von Extrema von Skalarfeldern f : M ⊂ Rn → R zu. Bei den seitherigen Betrachtungen hatten wir vor allem Teilmengen M mit inneren Punkten untersucht. Wir wenden uns nun dem Fall zu, daß die Menge M durch Gleichungen definiert wird und somit keine inneren Punkte hat. Gegeben sind also eine Menge M ⊂ Rn und ein Skalarfeld f : Rn → R. Gesucht sind max{f (~x) | ~x ∈ M } und min{f (~x) | ~x ∈ M }. A) Falls man eine Parameterbeschreibung ϕ ~ von M kennt, gibt es kein Problem. In diesem Fall kann f ◦ ϕ ~ mit den bisherigen Methoden untersucht werden. Beispiel: M = {(x, y, z) | x2 + y 2 + z 2 = 1 und z > 0} (nördl. Halbsphäre) f (x, y, z) := z p ϕ ~ (x, y) = (x, y, 1 − x2 − y 2 ) für x2 + y 2 < 1 p Die Komposition (f ◦ ϕ ~ )(x, y) = 1 − x2 − y 2 hat ein Maximum bei (0, 0), also hat f ein Maximum bei ϕ ~ (0, 0) = (0, 0, 1) mit Wert 1. B) Falls man keine Parametrisierung kennt, benutzt man die Existenz von ϕ ~ (siehe: A 21.1), um die Regel von Lagrange herzuleiten, in der ϕ ~ nicht mehr vorkommt. Dies wird im nächsten Abschnitt untersucht. A 22.1 Multiplikatorenregel von Lagrange Gegeben sei eine offene Teilmenge D ⊂ Rn , ein Skalarfeld f : D → R, und eine stetig differenzierbare Funktion ~g : D → Rk mit k < n. A 22 Extrema mit Nebenbedingungen 67 Die Menge M sei definiert durch: M := {~x | ~g (~x) = ~0} d~g Für ~x0 ∈ M mit rg d~ (~x0 ) = k gilt: x Ist f (~x0 ) maximal oder minimal, d.h. gilt f (~x0 ) = max{f (~x) | ~x ∈ M } oder f (~x0 ) = min{f (~x) | ~x ∈ M }, so gibt es Zahlen λ1 , . . . , λk ∈ R (die Multiplikatoren) mit: ∇f (~x0 ) = λ1 · ∇g1 (~x0 ) + . . . + λk · ∇gk (~x0 ) (∗) Falls man weiß, daß Maximum und Minimum von f auf M existieren, beispielsweise wenn M kompakt ist, kann man ~x0 aus den Nebenbedingungen g1 (~x0 ) = · · · = gk (~x0 ) = 0 und den n Gleichungen des Systems (∗) berechnen. Beispiel: Die Menge M ⊂ R4 sei definiert durch ~g (~x) = ~0 mit: ! g1 = x21 + x22 − 1 (= 0) ! g2 = x23 + x24 − 1 (= 0) Die Menge M ist kompakt, also nimmt die Funktion f (x) = x1 + x2 + 2x3 + x24 auf M Maximum und Minimum an (A 16). Die Jacobi-Matrix d~g 2x1 2x2 0 0 ∇g1 (~x) (~x) = = 0 0 2x3 2x3 ∇g2 (~x) d~x hat Rang 2 = k für ~x ∈ M . Die Bedingungen für ~x0 mit f (~x0 ) = max oder min lauten: a) ∇f (~x0 ) = λ1 · ∇g1 (~x0 ) + λ2 · ∇g2 (~x0 ) b) g1 (~x0 ) = g2 (~x0 ) = 0 ∇f (~x) = (1, 1, 2, 2x4 ) ∇g1 (~x) = (2x1 , 2x2 , 0, 0) ∇g2 (~x) = (0, 0, 2x3 , 2x4 ) folgt daraus: ! (1, 1, 2, 2x4 ) = (2λ1 x1 , 2λ1 x2 , 2λ2 x3 , 2λ2 x4 ) (i) ! x21 + x22 = 1 (ii) 2 2 ! x3 + x 4 = 1 (iii) Mit 1. Aus (i) folgt unter√ anderem x1 = x2 und mit (ii) bedeutet dies 2x21 = 1, also x1 = x2 = ± 22 . 2. Aus (i) folgt zudem 2λ2 x3 = 2 und 2x4 = 2λ2 x4 . Mit x23 + x24 = 1 (iii) folgt, daß x4 = 0 oder λ2 = 0 gilt. Wir untersuchen diese beiden Fälle: Aus x4 = 0 folgt x3 = ±1, aus λ2 = 0 folgt x3 = 1 und x4 = 0. √ √ Somit sind ~x0 = (ε1 22 , ε1 22 , ε2 , 0) mit εi ∈ {1, −1} die möglichen Kandidaten. √ Es gilt f (~x0 ) = ε1 2 + 2ε2 , daher wird das Maximum für ε1 = ε2 = +1 und das Minimum für ε1 = ε2 = −1 angenommen. 68 Analysis A 23 Kurven und Flächen In den seitherigen Betrachtungen sind gelegentlich schon Kurven und Flächen aufgetaucht. In diesem Abschnitt sollen Kurven und Flächen systematischer untersucht werden. Kurven sind Teilmengen von Rn , die durch eine reelle Zahl parametrisiert werden können, Flächen sind Teilmengen von Rn , die durch zwei reelle Zahlen parametrisiert werden können. In der Anwendung kommen Kurven beispielsweise als Feldlinien oder Bahnen vor und Flächen etwa als Begrenzungsflächen eines Bereichs oder als Äquipotentialflächen. Wir beginnen mit der Betrachtung von Kurven. A 23.1 Parameterdarstellung eine Kurve Eine Parameterdarstellung oder Parametrisierung einer Kurve besteht aus einem Intervall I = [a, b] ⊂ R und einer stetigen Funktion p~: I → Rn . Es heißt p~(a) der Anfangspunkt und p~(b) der Endpunkt der Kurve. Die Angabe der Bildmenge p~(I) reicht nicht aus, denn zu p~(I) gibt es stets viele Parametrisierungen (außer bei p~(t) = const.) Beispiel: Die beiden Kurven √ p~(t) = (t, + 1 − t2 ) auf I = [−1, 1] ~q(t) = (cos t, sin t) auf I = [0, π] stellen jeweils die obere Hälfte des Einheitskreises dar, jedoch sind Anfang und Ende vertauscht! Damit Kurven analytisch untersucht werden können, ist man vorallem an Parametrisierungen interessiert, die differenzierbar sind. Traditionell wird mit ṗ(t) = p0 (t) die Ableitung von p nach t bezeichnet. Eine glatte Parameterdarstellung einer Kurve ist eine Parametrisierung p~: I → Rn mit: 1. p~˙ (t) = (ṗ1 (t), . . . , ṗn (t)) existiert und ist stetig. 2. p~˙ (t) 6= ~0 für alle t ∈ I Beispiel: Die Parametrisierung p~(t) = (t3 , t9 ), t ∈ [−1, 1], ist nicht glatt, denn p~˙ (0) = ~0. Ist p~ eine glatte Parametrisierung, so heißt p~˙ (t) der Tangentenvektor oder Geschwindigkeitsvektor im Punkt p~(t). Die Kurventangente im Punkt ~x = p~(t) läßt sich darstellen als: T~x := {~ p(t) + τ · p~˙ (t) | τ ∈ R} = p~(t) + [p~˙ (t)] Der Betrag |p~˙ (t)| des Tangentenvektors wird Momentangeschwindigkeit genannt. A 23 Kurven und Flächen A 23.2 69 Äquivalente Parameterdarstellungen Zwei Parametrisierungen p~: [a, b] → Rn und ~q: [c, d] → Rn heißen äquivalent, wenn es eine stetig differenzierbare Bijektion ϕ: [a, b] → [c, d] mit ϕ0 (t) > 0 gibt, sodaß: ~q(ϕ(t)) = p~(t), d.h. q~ ◦ ϕ = p~. Dann ist p~([a, b]) = ~q([c, d]), ϕ(a) = c, ϕ(b) = d, p~(a) = q~(c) etc. Für den Tangentenvektor im Kurvenpunkt ~x = ~q(ϕ(t)) = p~(t) gilt: p~˙ (t) = q~˙ (ϕ(t)) · ϕ0 (t) Also ist die Kurventangente T~x unabhängig von der Parametrisierung, die Momentangeschwindikeit jedoch nicht. Definition: Die durch p~ gegebene Kurve ist die Menge aller zu p~ äquivalenten Parametrisierungen. Wir schreiben eine Kurve in der Form: c: p~ : [a, b] → Rn oder c: p~(t) = (p1 (t), . . . , pn (t)) Beispiele: 1. Gerade: p~(t) = ~x0 + t~h, p~˙ (t) = ~h, |p~˙ (t)| = |~h|. 2. Ellipse mit Halbachsen a, b: p~(t) = (a cos t, b sin t) p~˙ (t) = (−a sin t, b cos t) Für a = b liegt ein Kreis mit Radius a vor. 3. Schraubenlinie: p~(t) = (r cos t, r sin t, ht). 4. Archimedische Spirale: p~(t) = (t cos t, t sin t), t ≥ 0. 5. Logarithmische Spirale: p~(t) = (et sin t, et cos t), t ∈ R. 6. Lissajous-Figuren: p~(t) = (cos(kt), sin(n(t − t0 ))), k, n ∈ Z. 7. Zykloide: p~(t) = (t − sin t, 1 − cos t); p~˙ (t) = (1 − cos t, sin t) Die Beispiele 1 bis 6 sind glatt, Beispiel 7 jedoch nicht! Summe von Kurven: Sind c1 und c2 zwei Kurve, sodaß der Anfang von c2 mit dem Ende von c1 übereinstimmt, so bezeichnet c = c1 + c2 die Hintereinanderdurchlaufung der beiden Kurven. Stückweise glatte Kurve: Eine Kurve c heißt stückweise glatt, wenn sie sich als c = c1 + · · · + ck mit glatten Teilkurven ci darstellen läßt. 70 Analysis A 23.3 Implizite Kurven Implizite Kurven sind Kurven, die nicht direkt durch eine Parametrisierung, sondern durch eine oder mehrere Gleichungen definiert sind. Wir untersuchen nur implizite Kurven in R2 und R3 . R2 : Für g: R2 → R stetig ist K = {(x, y) | g(x, y) = 0} ⊂ R2 . Ist ∇g(~x) 6= 0 für alle ~x ∈ K, so ist K lokal als Bildmenge einer Parameterdarstellung p~: [a, b] → R2 zu beschreiben. Tangentenrichtung der impliziten Kurve: Die Kurve p~(t) ist eine Niveaulinie von g, also steht p~(t) senkrecht auf ∇g(~ p(t)). Somit ist die Richtung von p~(t) bestimmt durch ±(−gy (~ p(t)), gx (~ p(t))). Beispiel: g(x, y) = x2 + y 2 − 1 p~(t) = (cos t, sin t) ∇g(~ p(t)) = (2p1 , 2p2 ) ˙p~(t) = (−p2 , p1 ) = 1 (−gy , gx ) 2 d~g R3 : Benötigt wird eine Funktion ~g : R3 → R2 mit rg d~ (~x) = 2 für alle x ~x ∈ K, wobei K = {~x | ~g (x) = 0}. Dann ist K lokal das Bild einer Parameterdarstellung. Die Kurve K ist der Durchschnitt der Flächen F1 = {~x | g1 (~x) = 0} und F2 = {~x | g2 (~x) = 0}. F2 K F1 Tangentenrichtung von K bei p~(t): Analog zu oben gilt p~˙ (t) ⊥ ∇g1 (~ p(t)) und p~˙ (t) ⊥ ∇g2 (~ p(t)), also ist die Richtung von p~˙ (t) gegeben durch ∇g1 (~ p(t)) × ∇g2 (~ p(t)). A 23.4 Länge von Kurven Anschaulich läßt sich die Länge einer Kurve c: p~: [a, b] → Rn durch die Gleichung ,,Weg = Zeit · Geschwindigkeit“ = t · v bestimmen. Ist die Geschwindigkeit nicht konstant, so berechnet sich der Weg zu dem Integral der Momentangeschindigkeit. Dies führt zu folgender Definition: Die Länge einer glatten Kurve c: p~: [a, b] → Rn ist: Z b ˙ L(c): = p~(t) dt a Die Länge einer stückweise glatten Kurve ist definiert durch: L(c1 + · · · + ck ) := k X i=1 L(ci ), wo ci glatt A 23 Kurven und Flächen 71 Beispiele: 1. Strecke: p~(t) = ~x0 + t · ~h, t ∈ [0, 1] R1 L(c) = 0 |~h| dt = |~h| 2. Kreis vom Radius R: p~(t) = R · (cos t, sin t) |p~˙ (t)| = R · 1, t ∈ [0, 2π] R 2π Somit gilt für den Kreisumfang: L(c) = 0 R dt = 2πR 3. Kreisbogen: cϕ : p~(t) = (cos t, sin t), t ∈ [0, ϕ], Rϕ L(cϕ ) = 0 dt = ϕ (ϕ: Bogenmaß des Winkels) 4. Ellipsenbogen: cϕ : p~(t) = (a cos t, b sin t), t ∈ [0, ϕ], Rϕ L(cϕ ) = 0 |p~˙ (t)| dt Rϕq = 0 a2 (sin(t))2 + b2 (cos(t))2 dt Rϕq = 0 a2 + (b2 − a2 )(cos(t))2 dt Elliptisches Integral 2. Gattung Bogenlängenparametrisierung: Gegeben ist eine Kurve c: p~: [a, b] → Rn . n Für t ∈ [a, R t b] bezeichnet ct : p~: [a, t] → R das Anfangsstück von c. Durch s(t) := L(ct ) = a |p~˙ (t)| dt wird eine differenzierbare Funktion s: [a, b] → [0, L(c)] definiert. Die Funktion s ist streng monoton und bijektiv, denn für die Ableitung gilt s0 (t) = |p~˙ (t)| > 0. Mit der Umkehrfunktion t(s) erhält man die Bogenlängenparametrisierung (BLP) ~q(s) := p~(t(s)) von c. Wichtig sind folgende Eigenschaften der Bogenlängenparametrisierung: 1. Für alle s ist s ist die Länge der Kurve q~: [0, s] → Rn . 2. Für alle s gilt |~q˙ (s)| ≡ 1, d.h. bei einer Bogenlängenparametrisierung wird die Kurve mit konstanter Momentangeschwindigkeit durchlaufen. Beispiel für eine Bogenlängenparametrisierung: Kreis vom Radius R: q~(s) = (R cos Rs , R sin Rs ) ist BLP, denn |~q˙ (s)| ≡ 1. Die Bogenlängenparametrisierung einer Ellipse kann nicht explizit hingeschrieben werden! Beschleunigungsvektor: Der Beschleunigungsvektor einer Kurve p~: [a, b] → .. .. .. .. Rn ist definiert durch p~(t) = (p1 (t), . . . , pn (t)), wobei pi (t) = p00i (t). .. Wenn p~ eine BLP ist, so gilt p~(t) ⊥ p~˙ (t) für alle t. 72 Analysis A 23.5 Parameterdarstellungen von Flächen Wir kommen nun von den Kurven zu den Flächen. Sei D ⊂ R2 offen und ~x: D → R3 : (u, v) 7→ ~x(u, v) = (x(u, v), y(u, v), z(u, v)) eine Abbildung mit xu xv rg yu yv = 2 zu zv für alle (u, v) ∈ D. Dann ist ~x(D) eine durch D parametrisierte Fläche. Beispiele: 1. Graphen: ~x(u, v) = (u, v)), v, f (u, 1 0 d~x = 0 1 hat Rang 2. d(u, v) fu fv Spezialfälle: (u, v, au Ebene √ + bv): (u, v, √1 − u2 − v 2 ): Halbkugel (u, v, u2 + v 2 ): Kegel 2 2 (u, v, u + v ): Paraboloid 2. Parametrisierung einer Kugeloberfläche oder Sphäre vom Radius r: ~x(ϑ, ϕ) = (R sin ϑ cos ϕ, R sin ϑ sin ϕ, R cos ϑ) mit: ϑ ∈ [0, π] ,,geographische Breite“ (Geographen nehmen ϑ − π/2) ϕ ∈ [0, 2π] geographische Länge Es gilt: ~x(0, ϕ) = Nordpol für jedes ϕ ~x(π, ϕ) = Südpol für jedes ϕ Am Nordpol und am Südpol ist die Rangbedingung verletzt und D nicht offen. 3. Zylinder: ~x(ϕ, v) = (R cos ϕ, R sin ϕ, v), ϕ ∈ [0, 2π], v ∈ R ~xϕ = (xϕ , yϕ , zϕ ) = (−R sin ϕ, R cos ϕ, 0) ~xv = (xv , yv , zv ) = (0, 0, 1), d~ x ~xϕ und ~xv sind linear unabhängig, also ist rg d(ϕ,v) = 2. 4. Kegel: ~x(ϕ, v) = (v cos ϕ, v sin ϕ, v) = v(cos ϕ, sin ϕ, 1) v ≥ 0; ϕ ∈ [0, 2π] A 23.6 Kurve auf einer Fläche Ist (u(t), v(t)) ∈ D eine Kurve in D, so beschreibt ~x(u(t), v(t)) eine Kurve auf der Fläche ~x(D). A 23 Kurven und Flächen 73 Beispiele: 1. Schraubenlinie: Durch (ϕ(t), v(t)) := (t, h · t) wird eine Gerade in D beschrieben. Das Bild ~x(t, ht) = (R cos t, R sin t, ht) ist eine Schraubenlinie auf dem Zylinder ~x(D). 2. Parameterlinien: Kurven der Form ~x(u, c) oder ~x(c, v) mit c = const. heißen Parameterlinien. ϕ = const. 7→ ϑ = const 7→ Kegel: v = const. 7→ ϕ = const. 7→ (ebenso beim Zylinder) speziell: Kugel: Meridian, Breitenkreis. Breitenkreis, Mantellinie √ Für die Halbkugel mit Parametrisierung ~x(u, v, 1 − u2 − v 2 ) sind die Parameterlinien die Schnitte mit Ebenen x = c bzw. y = c. Länge einer Flächenkurve: Ist ~x(t) := ~x(u(t), v(t)) mit ~x(u, v) = (x(u, v), y(u, v), z(u, v)) eine Kurve auf einer Fläche, so gilt für die Länge: Z b L= [~x2u u̇ + 2~xu~xv u̇v̇ + ~x2v v̇] dt a Beispiel: Schraubenlinie: ~x(ϕ, v) = (R cos ϕ, R sin ϕ, v) ~xϕ = R(− sin ϕ, cos ϕ, 0), ~x2ϕ = R ~xv = (0, 0, 1), ~xϕ · ~xv = 0, ϕ(t) = t, ϕ̇ = 1, v(t) = ht, v̇ = h. √ Rb 1/2 L = a [R2 · 1 + 1 · h2 ] dt = (b − a) R2 + h2 Tangentialvektoren der Parameterlinien: Die Tangentialvektoren ~xu (u, v) = (xu , yu , zu ), ~xv (u, v) = (xv , yv , zv ) der Parameterlinien sind stets linear unabhängig. Tangentialebene: Die Tangentialebene einer Fläche ~x(D) im Punkt ~x(u, v) wird beschrieben durch: T(u,v) := ~x(u, v) + [~xu (u, v), ~xv (u, v)] Normalenvektor: Der Normalenvektor der Fläche ~x(D) bei ~x(u, v) ist definiert durch: ~n(u, v) := ~xu (u, v) × ~xv (u, v) Es gilt ~n(u, v) ⊥ [~xu (u, v), ~xv (u, v)]. 74 Analysis A 23.7 Rotationsflächen Gegeben sei eine Kurve (x(t), z(t)) in der (x, z)-Ebene. Bei Rotation um die z-Achse überstreicht diese Kurve eine Fläche mit der Parametrisierung: ~x(ϕ, t) = (x(t) cos ϕ, x(t) sin ϕ, z(t)), ϕ ∈ [0, 2π] Beispiele: 1. Zylinder: (x(t), z(t)) = (R, t) 2. Kegel: (x(t), z(t)) = (t, t), t ≥ 0 3. Kugel: (x(t), z(t)) = R(sin t, cos t), t ∈ [0, π]. Also ist ~x(ϕ, t) = (R sin t cos ϕ, R sin t sin ϕ, cos t) eine Parametrisierung der Kugeloberfläche. 4. Paraboloid: (x(t), z(t)) = (t, t2 ), t ≥ 0. Also ist ~x(ϕ, t) = (t cos ϕ, t sin ϕ, t2 ) aber auch (u, v, u2 + v 2 ) eine Parametrisierung des Paraboloids. 5. Torus: (x(ϑ), z(ϑ)) = (2 + cos ϑ, sin ϑ), ϑ ∈ [0, 2π] (Kreis um (2, 0) mit Radius 1). Somit ist ~x(ϕ, ϑ) = ((2 + cos ϑ) cos ϕ, (2 + cos ϑ) sin ϕ, sin ϑ) eine Parametrisierung des Torus. A 23.8 Implizite Flächen Mit g: R3 → R wird durch F := {~x | g(~x) = 0}, eine Fläche definiert, falls ∇g(x) 6= 0 für alle ~x ∈ F . Die Vektoren ~n(~x) und ∇g(~x) stehen beide senkrecht auf beiden Parameterlinien durch ~x ∈ F , also ist ~n(x) parallel zu ±∇g(~x) für ~x ∈ F . A 24 Kurvenintegrale Wir wenden uns nun dem Integrieren von Funktionen mehrerer Veränderlicher zu. Das Integrieren an sich wird wieder auf das Integrieren von Funktionen einer Veränderlichen zurückgeführt. Das wesentlich neue ist die Tatsache, daß die Bereiche, über die integriert werden soll, sehr verschieden sein können. Wir beginnen unsere Betrachtungen mit dem Integral eines Vektorfeldes entlang einer Kurve. Integrale dieser Form tauchen in der Anwendung typischerweise dann auf, wenn berechnet werden soll, welche Energie benötigt wird, um ein Objekt auf einer bestimmten Bahn in einem Kraftfeld zu bewegen. Das Kraftfeld ist dabei das Vektorfeld und die Bahn wird durch eine 75 A 24 Kurvenintegrale Kurve beschrieben. Aufintegriert wird die benötigte Kraft. Diese ergibt sich aus dem Skalarprodukt von Kraftfeld und Tangentenvektor. Mathematisch ist das Kurvenintegral eines Vektorfeldes wie folgt definiert: ~ D → Rn mit D ⊂ Rn ein stetiges Vektorfeld und ist Definition: Ist K: c: p~: [a, b] → D eine glatte Kurve, so ist das Kurvenintegral oder Weginte~ längs c definiert als: gral von K Z Z b ~ ~ p(t)) · p~˙ (t) dt K(~x) d~x := K(~ a c Für eine stückweise glatte Kurve c = c1 + · · · + ck wird Z k Z X ~ ~ x) d~x K(~x) d~x := K(~ c i=1 ci gesetzt. Bemerkung: In A 19.2 haben wir zur Berechnung von Potentialfunktionen bereits Wegintegrale benutzt: Ein Potential Φ(x, y) von ~v berechnet sich durch Z x Z y Φ(x, y) = v1 (t, y) dt + v2 (x0 , u) du x0 y0 | {z } | {z } c1 c2 Z = ~v (x) d~x c mit c = c1 + c2 , wobei p~1 (t) = (x0 , t), t ∈ [y0 , y] und p~2 (t) = (t, y), t ∈ [x0 , x]. Es gilt: Z Z ~v (~x) ~x = ~v (pi (t)) · p~˙ i (t) dt ci und auf c1 ist auf c2 ist p~˙ 1 ≡ (0, 1), also ~v · p~˙ 1 = v2 , p~˙ 2 ≡ (1, 0), also ~v · p~˙ 2 = v1 . Rechenregeln: 1. Das Integral R c ~ x) d~x ist unabhängig von der Parametrisierung von c. K(~ 2. Die umgekehrt durchlaufene Kurve zu c: p~: [a, b] → Rn heiße −c und ist definiert durch: −c: ~q: [−b, −a] → Rn mit ~q(t) := p~(−t). Wegen ~q˙ (t) = p~˙ (−t) · (−1) gilt: Z Z ~ ~ x) d~x K(~x) d~x = − K(~ −c c 3. Für das Integral längs der Summe zweier Kurven gilt: Z Z Z ~ ~ ~ x) d~x K(~x) d~x = K(~x) d~x + K(~ c1 +c2 c1 c2 4. Das Integral längs einer Kurve kann wie folgt durch die Länge der Kurve und den maximalen Wert abgeschätzt werden: Z K(~ ~ x) d~x ≤ max K(~ ~ p(t)) · L(c) t∈[a,b] c 76 Analysis A 24.1 Konservative Vektorfelder In der Anwendung sind besonders solche Felder begehrt, die ein Potential besitzen. Dann hängt nämlich das Kurvenintegral nur vom Anfangs- und Endpunkt, nicht aber vom Verlauf der Kurve ab. Zudem läßt sich das Integral einfach berechnen, indem das Potential am Anfangspunkt von dem Potential am Endpunkt abgezogen wird. Felder, die ein Potential besitzen, heißen konservative Felder. Definition: Eine Kurve c heißt geschlossen, falls der Anfangspunkt von c mit dem Endpunkt von c übereinstimmt. ~ D → Rn ein stetiges Vektorfeld, Satz: Ist D ⊂ Rn zusammenhängend und K: so sind folgende Aussagen untereinander äquivalent: R ~ · d~x = 0 1. Für jede geschlossene Kurve c gilt: c K R ~ · d~x nur vom Anfangs- und Endpunkt 2. Für beliebige Kurven c hängt c K von c ab, jedoch nicht vom Verlauf dazwischen. ~ besitzt ein Potential Φ in ganz D, d.h. ∇Φ = K. ~ Für 3. Das Vektorfeld K jede Kurve c in D mit Anfang ~a und Ende ~b gilt dann: Z ~ x) d~x = Φ(~b) − Φ(~a) K(~ c Ein Vektorfelder mit diesen Eigenschaften heißen konservativ. Die Formel (3) ist eine Art Hauptsatz für Kurvenintegrale. Er kann in zwei Richtungen angewendet werden, einmal zum Berechnen des Potentials Φ (vgl. A 19.2), andererseits zum bequemen Berechnen von Kurvenintegralen. ~ x) := ~x Beispiel zur Anwendung des Hauptsatzes: Das Vektorfeld K(~ ist konservativ, denn es erfüllt die Integrabilitätsbedingung und es gilt D = R2 . Somit existiert ein Potential. 1. Bestimmung des Potentials: Der Punkt ~x0 := ~0 wird als Nullpunkt gewählt. Ein Vektor ~x wird durch die Kurve c: p~(t) := t·~x; t ∈ [0, 1]; mit ~0 verbunden. Also berechnet sich das Potential wie folgt: Z ~ x) dx Φ(~x) := K(~ c Z 1 = t · ~x · |{z} ~x dt |{z} 0 = |~x|2 = ~ p(t)) K(~ Z 1 2 |~x| 2 1 t dt 0 ˙ p ~(t) A 25 Mehrfachintegrale, Parameterintegrale 77 2. Berechnung eines beliebigen Kurvenintegrals: Sei ϑ eine Kurve mit Anfang ~a und Ende ~b. Dann gilt: Z ~ x) dx = Φ(~b) − Φ(~a) K(~ ϑ = A 24.2 1 ~2 (|b| − |~a|2 ) 2 Einfache Gebiete Die Integrabilitätsbedingung IB ist für beliebige Gebiete G nicht hinreichend für die Existenz eines Potentials. In diesem Abschnitt geht es darum, Gebiete auszuzeichnen, bei denen bereits aus der IB die Existenz eines Potentials folgt. R ~ besitzt ein Potential genau dann, wenn K ~ = 0 über jede Zum einen gilt: K c geschlossene Kurve c. Auf der anderen Seite gilt: Ist die IB Kixj = Kjxi erfüllt, so existiert ein Potential in Rechtecken. Daraus folgt: R ~ die IB, so ändert sich K ~ d~x nicht, wenn die Satz: Erfüllt ein Vektorfeld K c Kurve c stetig verformt wird, d.h. wenn Anfang und Ende fest bleiben und der ~ nicht verlassen wird. Definitionsbereich von K ~ die IB, und hat D die Eigenschaft, Folgerung: Erfüllt ein Vektorfeld K daß jede geschlossene Kurve in D sich innerhalb von D in eine konstante ~ konservativ in D, d.h. in ganz D existiert Kurve verformen läßt, dann ist K ein Potential. Gebiete mit dieser Eigenschaft heißen einfach oder einfach zusammenhängend. Beispiele: 1. D = R2 \ {~0} ist nicht einfach. 2. D = R3 \ {~0} ist einfach. 3. R3 \ z-Achse ist nicht einfach. 4. Wenn D konvex oder sternförmig ist, so ist D einfach. A 25 Mehrfachintegrale, Parameterintegrale Das Kurvenintegral ist im Prinzip ein verkapptes eindimensionales Integral, denn der Integrationsbereich ist letztlich ein Intervall [a, b] und die zu integrie~ · p~˙ ist reellwertig. rende Funktion K In diesem Abschnitt betrachten wir zunächst Integrale von Funktionen f : R ⊂ R2 → R. Dabei ist R = [a, b] × [c, d] ein achsenparalleles Rechteck. Für Skalarfelder f : Rn → R ersetzen wir Rechtecke durch achsenparallele Quader als Integrationsbereiche. Diese noch sehr speziellen Integrationsbereiche werden schließlich durch die etwas weniger speziellen ,,Normalbereiche“ ersetzt. 78 Analysis Wir wenden uns zunächst aber dem Fall f : R ⊂ R2 → R zu, wobei R := {(x, y) | a ≤ x ≤ b, u ≤ y ≤ v} ein achsenparalleles Rechteck und f eine stetige Funktion ist. Das Ziel ist es, das Volumen V ,,zwischen“ dem Graphen Gf ⊂ R3 und dem Rechteck R ⊂ R3 zu definieren und zu berechnen. Dabei werden Volumenanteile unter der (x,y)-Ebene negativ gezählt. Das ,,wirkliche“ Volumen erhält man mit |f | statt f . Für ξ ∈ [a, b] ist das Parameterintegral Z v F (ξ) := f (ξ, y) dy Gf R u der Inhalt der Schnittfläche unseres Körpers mit der Ebene x = ξ. Es läßt sich zeigen, daß F stetig ist und folglich nach ξ integrierbar ist. Das Volumen V wird daher definiert als das Doppelintegral: Z b Z v Z b f (x, y) dy dx = F (x) dx a u a Beispiele: 1. R = {(x, y) | −2 ≤ x ≤ 2; −1 ≤ y ≤ 1} , V := = Z Z Z 2 −2 2 Z f (x, y) = x2 + y 2 1 (x2 + y 2 ) dy dx −1 −2 2 y=1 ! 1 dx x2 · y + · y 3 3 y=−1 2 (2x2 + ) dx 3 −2 2 2 3 2 = x + x 3 3 −2 2 40 = (8 + 8 + 2 + 2) = 3 3 = 2. R := {(x, y) | 0 ≤ x ≤ 1, 0 ≤ y ≤ 2}, f (x, y) = 2 − xy Z 1 Z 2 (2 − xy) dy dx y=2 Z 1 1 2 = 2y − xy dx 2 0 y=0 Z 1 = (4 − 2x) dx 0 2 = 4x − x2 0 = 4 − 1 = 3 K = 0 0 79 A 25 Mehrfachintegrale, Parameterintegrale Es ist plausibel, daß die Integration der Inhalte der Schnittflächen y = ν zum selben Ergebnis führt, das heißt, das Doppelintegral hängt nicht davon ab, in welcher Reihenfolge die Integrationen ausgeführt werden (vgl. Vertauschbarkeit der partiellen Ableitungen A 19.1!): Z bZ a v f (x, y) dy dx = u Z v u Z b f (x, y) dx dy =: a ZZ f (~x)d~x R Der Satz gilt analog auch für Mehrfachintegrale über Quader Q := {~x | ai ≤ xi ≤ bi , i = 1, ..., n} ⊂ Rn mit ai ≤ bi . Für f : Q → R stetig setze: Z Z Z Z b1 Z b2 · · · f (~x) d~x := ... a1 Q a2 bn an f (x1 , . . . , xn ) dxn · · · dx2 dx1 Dieses Integral kann stets gebildet werden (f stetig!) und der Wert ist unabhängig von der Reihenfolge, in der R dieRIntegrationen ausgeführt werden. Geometrisch kann das Integral · · · Q f (~x) d~x als das signierte Volumen des Körpers in Rn+1 zwischen Q und Gf gedeutet werden. Als Folgerung aus der Vertauschbarkeit der Integrationen erhält man die Ableitung von Parameterintegralen. Wie oben sei R = {(x, t) | a ≤ x ≤ b, u ≤ t ≤ v} ein Rechteck und f : R → Rb R stetig. Ist fy = ∂f stetig, so ist F (y) = a f (x, y) dx differenzierbar und es ∂y gilt: Z b Z b dF d ∂ (y) = f (x, y) dx = f (x, y) dx dy dy a a ∂y d.h. man erhält F 0 durch ,,Ableiten unter dem Integralzeichen“. Beispiel: F (t) = ft (x, t) = F 0 (t) = = A 25.1 R2 1 etx x dx xetx = etx x R 2 tx e dx = 1 e2t −et t 1 t etx 2 1 Integration über Normalbereiche Eine leichte Verallgemeinerung der Integrationsbereiche führt zur Integration über Normalbereiche. Ein Normalbereich B ⊂ R2 ist eine Menge der Form B = {(x, y) | g(x) ≤ y ≤ h(x), a ≤ x ≤ b} y h B g a x b 80 Analysis mit g und h stetig. Ist f : B → R eine stetige Funktion, so kann das (signierte) Volumen V zwischen Gf und B, definiert durch ZZ Z b Z h(x) V := f (~x) d~x := f (x, y) dy dx a B g(x) stets gebildet werden. Die Reihenfolge der Integrationen ist nicht mehr beliebig, denn B bleibt bei Vertauschen von x und y kein Normalbereich, es sei denn B ist ein Rechteck. Beispiele: 1. Der Bereich B sei definiert durch h(x) = ex und g(x) = 0. Integriert werden soll die Funktion f (x, y) = x2 · y 3 : y=ex Z 1 Z ex Z 1 1 2 4 2 3 V = x · y dy dx = ·x ·y dx 4 0 0 0 y=0 4x x=1 Z 1 1 2 4x e x 1 2 = ·x ·e dx = x − + 4 16 2 8 x=0 0 4x e 5 1 = · − = 2−7 (5e4 − 1) 16 8 16 · 8 2. Volumen V (E) eines Ellipsoids (unsigniert): 2 2 2 E := {(x, y, z) | xa2 + yb2 + yc2 ≤ 1}, B := E ∩ R2q , 2 2 f (x, y) = c · 1 − xa2 − yb2 ZZ 4 V (E) = 2 · f (~x) d~x = · π · a · b · c 3 B Volumen der Kugel als Spezialfall des Ellipsoids mit a = b = c = R Radius von KR : 4 V (KR ) = · π · R3 3 Nicht-normale Bereiche B können oft als Vereinigung B = B1 ∪ · · · ∪ Bk dargestellt werden, wobei Bi ∩ Bj keine inneren Punkte hat. Für das Integral gilt dann: ZZ ZZ ZZ f (~x) d~x = f (~x) d~x + · · · + f (~x) d~x B B1 B1 Bk Kann ein nicht-normaler Bereich als Differenz B = B1 \ B2 geschrieben werden, so gilt: ZZ ZZ ZZ f (~x) d~x = f (~x) d~x − f (~x) d~x B B3 B2 B1 B2 B1 B2 81 A 25 Mehrfachintegrale, Parameterintegrale Auch in Rn mit n > 2 können Normalbereiche definiert werden. Beispielsweise ist ! ! Z 2 Z x Z x2 +y2 f (x, y, z) dz dy dx 1 −x −y ein Integral über einen Normalbereich in R3 . Der Flächeninhalt eines Normalbereiches B ⊂ R2 berechnet sich zu: F (B) := ZZ 1 dx = B Z b a (h(x) − g(x)) dx Dies entspricht dem Volumen des des Zylinders der Höhe 1 über B. Das Integral über einen Normalbereich kann durch den Fächeninhalt und Minimum bzw. Maximum der Funktionswerte abgeschätzt werden. D.h.: F (B) · min f (B) ≤ ZZ f (~x) d~x ≤ F (B) · max f (B) Mittelwertsatz B Der Ausdruck 1 Mf := · F (B) ZZ f (~x) d~x B ist der Mittelwert des Integrals über B und der Schwerpunkt ~s von B berechnet sich zu: ZZ 1 ~s := · ~x d~x. F (B) B Es ist also ~s = (Mx , My ) mit: Mx = My = 1 F (B) 1 F (B) · · RR RR B x d~x = 1 F (B) B y d~x = 1 2F (B) · Rb x(h(x) − g(x)) dx a Rb · a (h(x)2 − g(x)2 ) dx Beispiel: Schwerpunkt einer Halbkreisfläche Hr vom Radius r: √ Hr = {(x, y) | −r ≤ x ≤ r, 0 ≤ y ≤ r 2 − x2 } √ Rr Mx = πr2 2 · −r x · r 2 − x2 dx =0 R r 2 2 2 My = 2πr = 43 · πr 2 · −r (r − x ) dx 4r Somit: ~s = (0, 3π ). Das Volumen eines n-dimensionalen Normalbereiches ist V = R R · · · 1 d~x. B 82 A 26 Analysis Allgemeine Bereichsintegrale, Transformationsformel Bei der Definition des Riemannintegrals beschränkter Funktionen einer Veränderlicher geht man wie folgt vor (A 10.1): Das Integral, über das integriert werden soll, wird in Teilintervalle zerlegt. Für jede Zerlegung wird die Oberund Untersumme definiert. Das Supremum aller Untersummen ist das Unterintegral, das Infimum aller Obersummen das Oberintegral. Wenn Ober- und Unterintegral übereinstimmen, so ist dies das Riemannintegral. Wenn Oberund Unterintegral nicht übereinstimmen, so ist die Funktion nicht integrierbar. Analog wird vorgegangen, wenn eine stetige Funktion f : B → R über einen kompakten Bereich B ⊂ Rn integriert werden soll. Wie im eindimensionalen Fall taugt dieses Vorgehen nur zur Definition, nicht aber zur Berechnung! Ein Raster Z von B ist eine Menge von n-dimensionalen Quadern Q1 , . . . , Qk , die B lückenlos und ohne Überschneidung bedecken. Das Volumen eines einzelnen Quaders Q = {~x ∈ Rn | aj ≤ xj ≤ bj } ist gegeben durch: voln (Q) := n Y j=1 (bj − aj ). Für das Raster Z werden die Untersummen und Obersummen S(Z) := k X j=1 S(Z) := k X j=1 vol Qj · inf f (Qj ) vol Qj · sup f (Qj ) gebildet. Für Verfeinerungen Z̃ von Z gilt: S(Z) ≤ S(Z̃) ≤ S(Z̃) ≤ S(Z). Daher kann das Ober- und Unterintegral Z Z f (~x) d~x := sup S(Z) ≤ f (~x) d~x := inf S(Z) Z Z B B gebildet werden. Wenn diese beiden Zahlen übereinstimmen, heißt f integrierbar, und Z Z Z Z · · · f (~x) d~x := f (~x) d~x = f (~x) d~x B B B heißt das Integral von f über den Bereich B. Definition: Wenn die konstante Funktion f ≡ 1 über B integrierbar ist, heißt B meßbar, und Z Z voln B := · · · 1 d~x B heißt Maß, Inhalt oder auch Volumen von B. Dabei handelt es sich um das ,,wirkliche“, unsignierte Volumen. Es gilt voln B = voln+1 Z für den ,,Zylinder“ Z ⊂ Rn+1 der Höhe 1 über B. A 26 Allgemeine Bereichsintegrale, Transformationsformel A 26.1 83 Berechnung von Bereichsintegralen Wie bereits bemerkt, ist das Verfahren mit den Rastern untauglich zur Berechnung von Integralen. Wir untersuchen nun brauchbare Methoden. 1. Falls f stetig ist R und R B Vereinigung oder Differenz von Normalbereichen ist, läßt sich · · · B f (~x) d~x mit den Methoden von A 25 als Mehrfachintegral bzw. als Summe oder Differenz von ebensolchen berechnen. Insbesondere sind Normalbereiche stets meßbar. 2. Ist N ein Normalbereich und f (N ) ≥ 0, so kann das Volumen R R des Bereichs KR ,,unter R dem Graphen“ Gf wie in A 25.1 als · · · N f (~x) d~x oder als · · · K d~y berechnet werden. 3. Falls B das Bild eines Normalbereiches N unter einer differenzierbaren R R Abbildung ~g ist, wird · · · B mit der Transformationsformel, eiR R ner Art n-dimensionalen Substitutionsregel, auf · · · N zurückgeführt. Statt f über B wird f ◦ ~g über N integriert. Dabei ist die Volumenverzerrung durch ~g zu korrigieren. Als Ergebnis erhalten wir die Transformationsformel: Ist f : B → R stetig und läßt sich B ⊂ Rn darstellen als B = ~g (N ), wo N ⊂ Rn meßbar ist, also beispielsweise ein Normalbereich ist, und ~g eine stetig differenzierbare, injektive Funktion ist, deren Jacobi-Matrix J~g (~x) für kein ~x verschwindet, so gilt: Z ··· B Z f (~y) d~y = Z ··· N Z f (~g (~x)) · |det J~g (~x)| d~x Die Voraussetzungen über ~g dürfen am Rand von N und in endlich vielen weiteren Punkten verletzt sein. A 26.2 Anwendungen der Transformationsformel Für die Verwendung der Transformationsformel gibt es einige häufig herangezogene Spezialfälle. Im zweidimensionalen Fall führt dies zu den Polarkoordinaten, im dreidimensionalen Fall zum einen zu den Zylinderkoordinaten zum anderen zu den Kugelkoordinaten. I Polarkoordinaten: N = {(r, ϕ) | 0 ≤ r ≤ R, 0 ≤ ϕ ≤ 2π} Rechteck (x, y) = ~g (r, ϕ) := (r · cos ϕ, r · sin ϕ), ~g (N ) = SR Scheibe vom Radius R cos ϕ −r · sin ϕ J~g (r, ϕ) = sin ϕ r · cos ϕ |det J~g | = r · cos2 ϕ + r · sin2 ϕ = r 6= 0 Also: ZZ f (x, y) d(x, y) = Z R 0 Z 2π 0 f (r · cos ϕ, r · sin ϕ) · r dϕ dr 84 Analysis Beispiele: 1. Kreisfläche: vol2 SR = RR d~x SR R R R 2π = 0 0 1 · r dϕ dr RR = 2π · 0 r dr R = 2π · 12 r 2 0 = πR2 2. Kugelvolumen: KR ⊂ R3 , Kugel vom Radius R. RR p vol3 (Kr ) = 2 · R2 − x2 − y 2 d(x, y) SR R R R 2π √ =2· 0 0 R2 − r 2 · r dϕ dr RRq 2 1 − Rr 2 · Rr dr = 2π · 2R2 · 0 r=R sin t Rπ dr=R cos t dt 2 2 = 4π · R · 0 cos t · sin t · R cos t dt r2 1− 2 =cos2 t R π = 4πR3 − 13 cos3 t 02 = 43 πR3 3. Wählt man statt N einen Normalbreich N 0 ⊂ N , so erhält man statt SR beispielsweise Sternbereiche: Γ := {(r cos ϕ, r sin ϕ) | α ≤ ϕ ≤ β, 0 ≤ r ≤ R(ϕ)} Für deren Flächeninhalt gilt: vol2 (Γ) = Z β α Z R(ϕ) 0 1 · r dr dϕ = Z β α 1 R(ϕ)2 dϕ 2 Sektorformel Konkret: Archimedische Spirale: y 0 ≤ ϕ ≤ 2π 0 ≤ r ≤ ϕ = R(ϕ) R 2π vol2 (γ) = 21 0 ϕ2 dϕ = 16 (2π)3 = 34 π 3 −π 2π x A 26 Allgemeine Bereichsintegrale, Transformationsformel 85 II Zylinderkoordinaten: N = {(r, ϕ, h) | 0 ≤ r ≤ R, 0 ≤ ϕ ≤ 2π, 0 ≤ h ≤ H} (x, y, z) = ~g (h) = (r · cos ϕ, r · sin ϕ, h) ZR,H := ~g (N ) = {(x, y, z) | 0 ≤ x2 + y 2 ≤ R, 0 ≤ z ≤ H}, Zylinder, Radius R, Höhe H. cos ϕ −r · sin ϕ 0 det J~g = sin ϕ r · cos ϕ 0 0 0 1 = r 6= 0 außer am Rand Somit gilt: ZZZ Z R Z 2π Z H f (x, y, z) d(x, y, z) = f (r · cos ϕ, r · sin ϕ, h) · r dh dϕ dr 0 ZR,H Beispiel: ZZZ 2 0 0 2 (x + y ) d(x, y, z) = ZR,H = Z Z R 0 Z 0 2π Z H 0 r 2 · r dh dϕ dr R 2πHr 3 dr 0 1 4 πR H = 2 Volumen eines Drehkörpers: Die Zylinderkoordinaten können zur Berechnung des Volumens eines Drehkörpers angewandt werden. Gegeben ist eine Menge M ⊂ {(r, h) | r ≥ 0}. Bei Drehung um die z-Achse erzeugt M den Drehkörper: D(M ) := {(r cos ϕ, r sin ϕ, h) | (r, h) ∈ M, ϕ ∈ [0, 2π]} Es gilt: vol3 (D(M )) = ZZZ 1 dx D(M ) = Z 2π 0 = 2π · ZZ ZZ M r d(r, h) dϕ r d(r, h) M = 2πrs vol2 (M ) wobei rs die r-Koordinate des Schwerpunktes von M bezeichnet. 86 Analysis Daraus folgt die 1. Guldinsche Regel: Das Volumen eines Drehkörpers D(M ) ist das Produkt aus der Länge des Weges des Schwerpunktes von M und der Fläche von M . Beispiele: 1. Torus mit Rotationsradius r0 und Innenradius R: Schwerpunkt: (r0 , 0), rs = r0 , Fläche = πR2 Also: vol3 Tr0 ,R = 2πr0 πR2 = 2π 2 r0 R2 2. Kugel mit Radius R: rs = 4R (siehe A 25.1 o. 2). 3π πR2 F (M ) = 2 4 4R πR2 vol3 (KR ) = 2π · · = πR3 3π 2 3 3. Kegel: M = {(r, h) | 0 ≤ r ≤ R, 0 ≤ h ≤ f (r)} ·r mit f (r) = H − H R CR,H := D(M ), RR R R R f (r) r d(r, h) = r dh dr M 0 0 RR = 0 r · f (r) dr RR = 0 (H · r − H · r 2 ) dr R R 1 = H 12 r 2 − 3R · r3 0 h 2 i 2 = H R2 − R3 = 16 HR2 π Also: vol3 CR,H = HR2 3 III Kugelkoordinaten: N = {(r, ϑ, ϕ) | 0 ≤ r ≤ R, 0 ≤ ϑ ≤ π, 0 ≤ ϕ ≤ 2π} (x, y, z) = ~g (r, ϑ, ϕ) := (r sin ϑ cos ϕ, r sin ϑ sin ϕ, r cos ϑ), det J~g = r 2 sin ϑ KR = ~g (N ) = Vollkugel vom Radius R ZZZ f (x, y, z) d(x, y, z) KR = Z R 0 Z π 0 Z 2π f (r sin ϑ cos ϕ, r sin ϑ sin ϕ, r cos ϑ)r sin ϑ dϕ dϑ dr 0 A 27 Satz von Stokes im R2 87 Beispiel: Nochmals die Kugel mit Radius R: ZZZ vol3 (KR ) = 1 d(x, y, z) KR = = Z Z 2π 0 2π 0 Z Z π 0 π 0 Z R r sin ϑ dr dϑ dϕ 0 1 3 R sin ϑ dϑ dϕ 3 R3 = 2π [− cos ϑ]πϑ=0 3 4 3 = πR 3 A 27 Satz von Stokes im R2 Integralsätze drücken das Integral einer Abbildung über B ⊂ Rn durch das Integral einer anderen Abbildung über den Rand ∂B aus (oder umgekehrt). Für Bereiche B ∈ R2 ist der Rand ∂B eine geschlossene Kurve. Somit stellt ein Integralsatz in R2 ein Beziehung zwischen dem Integral über einen Bereich B und einem Kurvenintegral über die Randkurve her. Für Kurvenintegrale verwenden wir folgende vereinfachte Schreibweise: Z Z ~ K(~x) d~x =: K1 dx + K2 dy wobei: dx = ẋ(t)dt, dy = ẏ(t)dt c c Satz von Stokes: Es sei c eine stückweise glatte geschlossene Kurve in R2 ohne Doppelpunkte. Bei Durchlaufung der Kurve liege die beschränkte von c ~ B → R2 ein stetig diffeberandete Menge B zur Linken. Desweiteren sei K: renzierbares Vektorfeld. Dann gilt: Z ZZ K1 dx + K2 dy = (K2x − K1y ) d(x, y) 1. Formulierung c B ~ in B die IB K2x = K1y Insbesondere ist das Kurvenintegral Null, wenn K erfüllt. Dies ist nicht verwunderlich, denn B ist einfach zusammenhängend. Nun sei c (wie oben) parametrisiert durch p~: [a, b] → R2 , und ~n(t) := (ṗ2 (t), −ṗ1 (t)) sei die nach außen weisende Normale von c. Die Anwendung ~ = (−K2 , K1 ) liefert die 2. Formulierung: der 1. Formulierung auf L ZZ ~ d(x, y) Quellschüttung in B = div K B b = Z a ~ p(t)) · ~n(t) dt K(~ ~ durch c. =: Fluß von K 88 Analysis Anwendungen: 1. Flächenberechnung: Um den Satz von Stokes für die Berechnung von ~ mit K2x − K1y ≡ 1 zu Flächeninhalten anzuwenden, ist ein Feld K wählen. Dann folgt aus der 1. Formulierung, daß Z ZZ K1 dx + K2 dy = 1 d(x, y) = vol2 (B) c B ~ kann beispielsweise den Flächeninhalt von B angibt. Für das Feld K gewählt werden: R ~ K(x) = (0, x) somit: F (B) = c x dy R ~ K(x) = (−y, 0) somit: F (B) = c −y dx R ~ K(x) = 1 (−y, x) somit: F (B) = 1 (x dy − y dx) 2 2 c Beispiel: Fläche einer Ellipse E: c: p~(t) = (a cos t, b sin t), t ∈ [0, 2π] R 2π R 2π F (E) = 0 a cos t dy = 0 a cos t · b cos t dt = πab 2. Schwerpunkt eines Halbkreises: B = HR = Halbkreis mit Radius R. ~ = (0, xy) gilt: Mit K ZZ ZZ (K2x − K1y ) d(x, y) = y d(x, y) HR B Stokes = = = = Also gilt RR Z Z xy dy c π R cos ϕR sin ϕR cos ϕ dϕ π 1 3 3 R − cos ϕ 3 0 2 3 R 3 0 y d(x, y) = 32 R3 und der Schwerpunkt ist ~s = (0, 4R ). 3π 3. Gegeben seien Skalarfelder u, v: B → R mit ux = vy und uy = −vx in B. Also ∇u(~x) ⊥ ∇v(~x), d.h. Niveaulinien von u sind senkrecht zu Niveaulinien von v. Dann gilt (Cauchy’scher Integralsatz): Z u dx − v dy = 0 Zc v dx − u dy = 0 c ~ = (u, −v) folgt nämlich Mit K Z ZZ u dx − v dy = (−vx − uy ) d(x, y) = 0, c B A 28 Flächenintegrale im R3 89 ~ = (v, u) folgt und mit K Z A 28 c v dx − u dy = ZZ (ux − vy ) d(x, y) = 0. B Flächenintegrale im R3 In diesem Abschnitt untersuchen wir das Integral eines Skalarfelds über ein Fläche M ⊂ R3 . Sei also B ⊂ R2 ein Normalbereich, und ~x: B → R3 eine Parametrisierung eines Flächenstückes M = ~x(B). Die Funktion ~x: (u, v) → x(u, v) ist somit injektiv, und die Vektoren ~xu und ~xv sind unabhängig, außer evtl. am Rand von B. Desweiteren sei f : M → R stetig. Definition: Das Integral von f über M ist: ZZ ZZ f (~x) dO := f (~x(u, v)) |~xu (u, v) × ~xv (u, v)| d(u, v) M B Der Faktor |~xu (u, v) × ~xv (u, v)| gibt den Inhalt des von xu (u, v) und xv (u, v) aufgespannten Parallelogramms an und berücksichtigt die RR Flächenverzerrung durch ~x. Er sorgt auch dafür, daß das Flächenintegral M f dO unabhängig von der speziellen Parametrisierung von M ist. Für das Quadrat dieses Faktors gilt: |~xu × ~xv |2 = |~xu |2 · |~xv |2 · sin2 γ = |~xu |2 · |~xv |2 − (~xu · ~xv )2 Mit der Berechnung des Flächeninhalts und der Berechnung des Flusses eines Vektorfeldes durch eine Fläche wollen wir zwei Spezialfälle des Flächenintegrals untersuchen. A 28.1 Flächeninhalt Der Inhalt einer Fläche M ⊂ R3 ergibt sich wie gewohnt durch das Integrieren der Identität über M . Somit: ZZ ZZ vol2 M := 1 dO = |~xu × ~xv | d(u, v) M B Beispiele: 1. MR = Kugeloberfläche vom Radius R: ~x(ϕ, ϑ) = R(sin ϑ sin ϕ, sin ϑ cos ϕ, cos ϑ) ~xϕ = R(− sin ϑ sin ϕ, sin ϑ cos ϕ, 0) |~xϕ | = R sin ϑ ~xϑ = R(cos ϑ cos ϕ, cos ϑ sin ϕ, − sin ϑ) |~xϑ | = R ~xϑ ⊥ ~xϕ |~xϑ × ~xϕ | = R2 sin ϑ 90 Analysis Somit: Z vol2 MR = π 0 Z = 2πR 2 = 4πR2 2π R2 sin ϑ dϕ dϑ 0 Z π sin ϑ dϑ 0 2. Inhalt einer Drehfläche: Sei c: (r(s), h(s)) mit s ∈ [0, L] eine nach Bogenlänge parametrisierte Kurve, d.h. und ṙ 2 + ḣ2 ≡ 1. Dann ist L die Länge von c und es gilt stets r(s) ≥ 0. Die durch die Kurve c definierte Drehfläche D(c) ist gegeben durch: D(c) = ~x(s, ϕ) := (r(s) cos ϕ, r(s) sin ϕ, h(s)), s ∈ [0, L], ϕ ∈ [0, 2π] Es gilt: p ~xs = (ṙ cos ϕ, ṙ sin ϕ, ḣ) |~xs | = ṙ 2 + ḣ2 ≡ 1 ~xϕ = (−r sin ϕ, r cos ϕ, 0) |~xϕ | = r ~xs ⊥ ~xϕ |~xs × ~xϕ | = r Somit: Z vol2 D(c) = L 0 = 2π · Definiert man ( L1 von c so gilt: RL 0 r(s) ds, L1 RL 0 Z 2π r(s) dϕ ds 0 Z L r(s) ds 0 h(s) ds) = (r0 , h0 ) als den Schwerpunkt vol2 D(c) = L · 2π · r Dies induziert die 2. Guldinsche Regel: Der Inhalt der Drehfläche D(c) ist das Produkt aus der Länge der Kurve c und der Länge des Weg des Schwerpunktes von c bei der Drehung. Ist c nicht durch Bogenlänge parametrisiert, so ist 1 r0 = L Z b r(t) a p ṙ 2 + ḣ2 dt zu setzen. Beispiele: (a) Torusoberfläche: vol2 Tr0 ,R = 2πr0 · 2πR = 4πr0 R A 28 Flächenintegrale im R3 91 (b) Kugeloberfläche: c: (r, h) = (R cos ϑ, R sin ϑ), ϑ ∈ [− π2 , π2 ] p Es gilt: ṙ 2 + ḣ2 ≡ R, p Rπ Da keine BLP, gilt: r0 = L1 −2π r(ϑ) ṙ 2 + ḣ2 dϑ R 2π2 1 = πR − π R cos ϑR dϑ 2 π = R [sin ϑ] π2 π 2 = 2R π Somit: vol2 D(c) = π · R · 2π 2R = 4πR2 π Kugeloberfläche (c) Kegelmantel: c ist die Verbindungsstrecke von (0, H) und (R, 0). R Es gilt: r0 = √ 2 L = R2 + H 2 Somit: √ R √ vol2 CR,H = R2 + H 2 · 2π = R2 + H 2 · πR 2 A 28.2 Fluß eines Vektorfeldes durch eine Fläche Wie oben ist B ⊂ R2 ein Normalbereich und ~x(u, v) eine Parametrisierung von ~x(B) = M ⊂ R3 . Der Normaleneinheitsvektor ~n(~x) = ~n(u, v) := ~xu × ~xv |~xu × ~xv | ist nur bis auf ± bestimmt. ~ R3 → R3 gegeben. Das Skalarprodukt Nun sei zudem ein Vektorfeld K: ~ · ~n mißt den Betrag der Normalkomponente von K. ~ Der Fluß von K ~ durch K ~ M oder das Oberflächenintegral von K über M ist definiert durch: ZZ ZZ ~ ~ x(u, v)) · (~xu (u, v) × ~xv (u, v)) d(u, v) K(~x) · ~n(~x) dO := K(~ M B Physikalisch ist dies das pro Zeiteinheit durch M strömendes Flüssigkeitsvolumen. Bemerkung: Bei Parametrisierungswechsel, beispielsweise u ↔ v, kann M und damit der Fluß das Vorzeichen wechseln. ~ Beispiel: K(x, y, z) = (x, 0, z) M = Kugeloberfläche mit Radius R Parametrisierung: ~x(ϑ, ϕ) = (R sin ϑ cos ϕ, R sin ϑ sin ϕ, R cos ϑ) ~xϑ × ~xϕ = R2 sin ϑ(sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ) ~ · (~xϑ × ~xϕ ) = R2 sin ϑ(R sin2 ϑ cos2 ϕ + R cos2 ϑ) K ZZ Z π Z 2π ~ · ~n dO = K R2 sin ϑ(R sin2 ϑ cos2 ϕ + R cos2 ϑ) dϕ dϑ M 0 0 92 Analysis 3 Z π sin ϑ(1 − cos2 ϑ + 2 cos2 ϑ) dϑ 0 π 1 3 3 = πR − cos ϑ − cos ϑ 3 0 4 3 = 2 πR 3 = R π Weitere Beispiele werden im nächsten Abschnitt berechnet! A 29 Integralsätze im R3 In diesem Abschnitt werden zwei Integralsätze im R3 vorgestellt, die beide als Erweiterungen des Integralsatzes von Stokes im R2 betrachtet werden können. Wir erinnern uns: Der Satz von Stokes im R2 stellte eine Verbindung zwischen dem Integral über eine Fläche und einem Integral über die berandende Kurve her. Im R3 gibt es zum einen die Möglichkeit, das Integral über eine 3-dimensionale Menge durch ein Integral über die begrenzende Oberfläche zu bestimmen. Dies führt zum Satz von Gauß. Die andere Möglichkeit ist, das Integral über eine Fläche im R3 durch ein Integral über die Randkurve, das ist nun eine Kurve im R3 , auszudrücken. Dies ist der Satz von Stokes im R3 . Beide Sätze sind in der Anwendung sehr wichtig. In der Theorie der elektromagnetischen Felder beispielsweise spielen sie eine große Rolle. A 29.1 Satz von Gauß Sei G ⊂ R3 eine 3-dimensionale Menge, die von einer geschlossenen Fläche M = ∂G berandet wird. Die Parametrisierung von M sei so gewählt, daß die Nor~ ein in ganz G stetig differenmale ~n stets nach außen weist. Weiterhin sei K zierbares Vektorfeld. Dann gilt: ZZZ ZZ ~ dx = ~ · ~n dO div K K G M =∂G ~ Physikalisch heißt dies, daß die Quellschüttung in G gleich dem Fluß von K durch die Oberfläche ∂G ist. Beispiele: 1. G = Vollkugel mit Radius R, ~ = (x, 0, z) wie oben. K ~ div RRR K ≡ 2 ~ dx = 2 · vol3 (KR ) = 2 4 πR div K G 3 2. G := {(x, y, z) | x2 + y 2 ≤ 1, |z| ≤ 1} = {(r cos ϕ, r sin ϕ, h) | 0 ≤ r ≤ 1, 0 ≤ ϕ ≤ 2π, |h| ≤ 1} ~ ~ ≡1 K(x, y, z) := (x, x, xy); div K A 29 Integralsätze im R3 93 ∂G = M1 ∪ M2 ∪ M3 mit: M1 : r = 1 (Mantel) M2 : h = 1 (Deckel) M3 : h = −1 (Boden) Wir wählen folgende Parametrisierungen: M1 : ~x(ϕ, h) = (cos ϕ, sin ϕ, h) ~xϕ = (− sin ϕ, cos ϕ, 0) ~xh = (0, 0, 1) Somit zeigt ~xϕ × ~xh = (cos ϕ, sin ϕ, 0) nach außen. M2 : ~x(u, v) = (u, v, 1); u2 + v 2 ≤ 1 ~xu = (1, 0, 0) = ~e1 ~xv = (0, 1, 0) = ~e2 Somit zeigt ~xu × ~xv = ~e1 × ~e2 = ~e3 nach außen. M3 : ~x(u, v) = (v, u, −1); u2 + v 2 ≤ 1 ~xu = (0, 1, 0) = ~e2 ~xv = (1, 0, 0) = ~e1 Somit zeigt ~xu × ~xv = ~e2 × ~e1 = −~e3 nach außen. Auf der einen Seite haben wir also: ZZZ ZZZ ~ div K d~x = d~x = vol3 G = 2π · 12 = 2π G G Auf der anderen Seite gilt: ZZ ZZ ZZ ZZ ~ ~ ~ ~ · ~n dO K · ~n dO = K · ~n dO + K · ~n dO + K M1 ∂G M2 M3 Die drei Flächenintegrale berechnen sich zu: M1 Z2πZ1 ZZ = 2π ZZ ~ · ~n dO = K ZZ M2 ZZ ~ · ~n dO = K 0 0 (cos ϕ, cos ϕ, cos ϕ sin ϕ) · (cos ϕ, sin ϕ, 0) dh dϕ | {z } | {z } ~ x(ϕ,h)) K(~ ~ xϕ ×~ xh (u, u, u · v) · ~e3 d(u, v) u2 +v 2 ≤1 ~ · ~n dO = K M3 ZZ (u, u, u · v) · −~e3 d(u, v) = − ZZ ~ · ~n dO K M2 u2 +v 2 ≤1 Somit: ZZ ∂G ~ · ~n dO = K ZZ M1 ~ · ~n dO = 2π = K ZZZ G ~ d~x div K 94 Analysis Folgerung: Interpretation der Divergenz als Quelldichte: Sei Kr (~x0 ) die Kugel mit Radius r um ~x0 . Dann gilt: ZZZ 1 ~ x0 ) = lim ~ d~x div K(~ div K r→0 vol3 Kr Kr (~ x0 ) (Mittelwert in Kr (~x0 ) → Wert bei x0 ) ZZ 1 ~ · ~n dO = lim K r→0 vol3 Kr ∂Kr Gesamtschüttung in K r→0 Volumen = lim = Quelldichte bei ~x0 A 29.2 Satz von Stokes in R3 Sei M ⊂ R3 eine zweiseitige Fläche mit Randkurve c = ∂M , die, von der Spitze der Flächennormalen aus gesehen, gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen ~ werde. Dann gilt für stetig differenzierbare Vektorfelder K: Z ZZ ~ · ~n dO K1 dx + K2 dy + K3 dz = (rot K) M c=∂M M c Der Satz von Stokes im R2 ist der Spezialfall K3 = 0 und M ⊂ R2 sowie ~ · ~e3 = K2x − K1y . ~n ≡ ~e3 , denn dann gilt (rot K) Folgerung 1: Das Integral über die Rotation hängt nicht von M , sondern nur von ∂M = c ab! Das bedeutet, daß eine gegeben Fläche durch eine andere, geschicktere Fläche mit demselben Rand ersetzt werden kann, ohne daß sich das Integral ändert. Geeignete Flächen werden meist durch die Form des Feldes nahegelegt. ~ als gerichtete Wirbeldichte: Folgerung 2: Interpretation von rot K ~ x0 ). Dann gilt: Sei Sr (~x0 ) eine Scheibe mit Radius r senkrecht zu rot K(~ ZZ 1 ~ x0 ) = lim ~ · ~n dO rot K rot K(~ r→0 vol2 Sr Sr A 29 Integralsätze im R3 1 = lim r→0 vol2 Sr Z 95 ~ d~x K ∂Sr = Wirbeldichte bei ~x0 ~ x0 ) in einer Ebene, so ist der letztgenannte Liegen dagegen Sr und rot K(~ Grenzwert Null. Beispiel: M = obere Halbsphäre mit Radius R, ∂M = Äquator ~ K(x, y, z):= (y, z, x) K3y − K2z −1 ~ = K1z − K3x = −1 rot K K2x − K1y −1 π RR R2 R2π ~ · ~n dO = (−1, −1, −1)R sin ϑ(sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ) dϕ dϑ (rot K) M 0 0 = −πR2 c: R(cos ϕ, sin ϕ, 0), 0 ≤ ϕ ≤ 2π R R 2π K1 dx + K2 dy + K3 dz = 0 R2 (sin ϕ, 0, cos ϕ)(− sin ϕ, cos ϕ, 0) dϕ = −R2 π Index Abbildung, 3 abgeschlossene Menge, 43 abgeschlossenes Intervall, 8 Abgeschlossenheit, 5 Ableitung, 20 einer Umkehrfunktion, 23 totale, 50 von Parameterintegralen, 79 absolut konvergent, 13 Absolutbetrag, 9 Additionstheoreme, 16 äquivalente Parametrisierung, 69 allgemeine Potenzen, 24 Anfangspunkt, 68 Anordnung, 7 arccos, 26 Archimedische Spirale, 69, 84 Arcosh, 26 arcsin, 26 arctan, 26 arithmetische Summenformel, 4 Arsinh, 26 Assoziativgesetz, 5 Aufpunkt, 50 Aussagen, 2 Bernoulli, 27 Beschleunigungsvektor, 71 beschränkt, 8 bijektiv, 3 Bild, 3 Binomialkoeffizienten, 7 verallgemeinerte, 39 Binomialreihe, 39 binomische Formel, 7 Bogenlängenparametrisierung, 71 Bogenmaß, 71 cartesische Zeichenwechselregel, 62 Cauchy’scher Integralsatz, 88 Cauchy-Kriterium für Folgen, 11 für Reihen, 13 für uneigentliche Integrale, 38 in Rn , 42 Cauchy-Produkt, 15 cosinus hyperbolicus, 23 de l’Hospital, 27 De Morgan’sche Regeln, 2 Differentialgleichung exakte, 56, 64 Differenz von Mengen, 2 differenzierbar, 20 partiell, 52 total, 52 Distributivgesetz für Körper, 6 für Mengen, 2 Divergenz, 53 Drehfläche, 90 Drehkörper, 85 Dreiecksungleichung, 42 reell, 9 Durchschnitt, 2 Ebene, 45, 72 einfach, 77 einfach zusammenhängend, 77 Element, 2 Ellipse, 69, 88 Ellipsenbogen, 71 Ellipsoid, 80 elliptisches Integral, 71 Endpunkt, 68 Entwicklungspunkt, 14 Eulersche Relation, 16 Eulerscher Multiplikator, 58 exakte Differentialgleichung, 56, 64 Exponentialfunktion, 15 Exponentialgesetz, 15 Exponentialreihe, 15 Extremum lokales, 24, 48 streng, 48 mit Nebenbedingungen, 66 relatives, 24, 48 Fakultät, 4 Fläche, 72 implizit, 74 Parameterdarstellung, 72 Flächenberechnung, 88 Flächeninhalt, 81, 89 eines Kreises, 33, 84 Flächenintegral, 89 97 Index Flächenverzerrung, 89 Fluß, 87, 91 Folgen, 10 Konvergenzsätze, 11 Fourierentwicklung, 41 Fourierkoeffizienten, 41 Fourierpolynom, 41 Fourierreihe, 41 Funktion, 3 ganze Zahlen, 5 Gauß-Algorithmus, 64 geometrische Reihe, 12 geometrische Summenformel, 4 Gerade, 69 geschlossene Kurve, 76 Geschwindigkeitsvektor, 68 glatte Parameterdarstellung, 68 Grad eines Polynoms, 17 Gradient, 50 Graph, 45, 50, 72 Grenzwert, 27 von Folgen, 10 von Funktionen, 18 von Reihen, 12 Grenzwertbestimmung mit Bernoulli - de l’Hospital, 27 mit Reihenentwicklung, 18 Grenzwertbetrachtung, 27 Grenzwertkriterium für uneigentliche Integrale, 38 Gruppe, 5 Guldinsche Regel erste, 86 zweite, 90 Häufungspunkt einer Menge, 43 von Folgen in Rn , 43 von Zahlenfolgen, 11 Höhenlinie, 45 höhere partielle Ableitung, 55 Halbachse, 69 Halbkreis, 88 Halbkreisfläche Schwerpunkt, 81 Halbkugel, 72 Halbsphäre, 66 harmonische Analyse, 40 harmonische Funktion, 60 harmonische Reihe, 12 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung, 31 Hesse-Matrix, 61 Horner-Schema, 17 identische Abbildung, 16 Imaginärteil, 6 Implikation, 2 implizite Fläche, 74 implizite Funktion, 64 implizite Kurve, 70 implizite Lösung, 57 Induktion, 4 Infimum, 8 Inhalt, 82 einer Drehfläche, 90 injektiv, 3 innerer Punkt, 48 Integrabilitätsbedingung in R2 , 56 in R3 , 59 Integral, 30, 82 uneigentlich, 37 Integralsätze, 87–95 integrierbar, 30, 82 Intervall, 8 inverses Element, 5 Jacobi-Matrix, 52 Körper, 6 Kegel, 45, 72, 74 Volumen, 86 Kegelmantel, 91 Kettenregel für die Ableitung einer Funktion einer Variablen, 21 mehrdimensional, 53 kommutativ, 5 kompakt, 44 komplexe Kreisgleichung, 9 komplexe Zahlen, 5 Rechnen mit, 6 Komposition, 16 konjugieren, 9 konkav, 25 konservatives Vektorfeld, 76 Konvergenz absolute, 13 in Rn , 42 koordinatenweise, 42 von Reihen, 12 von Zahlenfolgen, 10 Konvergenzintervall, 14 Konvergenzkreis, 14 Konvergenzkriterien für Folgen, 11 für Reihen, 13 für uneigentliche Integrale, 37 Konvergenzradius, 14 konvex Funktion, 25 Menge, 54 98 koordinatenweise Konvergenz, 42 Kosinusfunktion, 15 Kosinusreihe, 15 Kotangens, 23 Kreis, 69, 71 Flächeninhalt, 33, 84 Kreisbogen, 71 Kreisfläche, 84 Kreisumfang, 71 Kugel, 74, 87 Volumen, 80, 84, 86, 87 Kugelfläche, 64, 66, 72, 89, 91 Kugelkoordinaten, 86 Kugeloberfläche, 72, 89, 91 Kugelvolumen, 84 Kurve, 44, 69 implizit, 70 Länge, 70 Kurvenintegral, 75, 87 Kurventangente, 68 Länge einer Kurve, 70 Langrangesche Form des Restgliedes, 39 Laplace-Operator, 60 Leibniz-Kriterium, 13 Limes, 10 limes inferior, 11 limes superior, 11 lineare Approximation, 40 Lissajous-Figuren, 69 logarithmische Spirale, 69 Logarithmus, 15 lokales Extremum, 24, 47 Maximum, 24 für Skalarfelder, 48 Minimum, 24 für Skalarfelder, 48 Majorantenkriterium für Folgen, 13 für uneigentliche Integrale, 38 Maximum, 8 lokales, 24, 48 strenges, 48 relatives, 24, 48 Maximumprinzip, 19 Maß, 82 Menge, 2 Differenz, 2 Durchschnitt, 2 Vereinigung, 2 meßbar, 82 Minimum, 8 lokales, 24, 48 relatives, 24, 48 Minorantenkriterium Analysis für Folgen, 13 für uneigentliche Integrale, 38 Mittelwert, 81 Mittelwertsatz der Integralrechnung, 30 erster, 25 für Mehrfachintegrale, 81 für Skalarfelder, 54 zweiter, 25 Moivresche Formeln, 16 Momentangeschwindigkeit, 68 Multiplikatoren, 67 Nabla, 50 natürliche Zahlen, 4 natürlicher Logarithmus, 15 Nebenbedingungen, 67 Neutralelement, 5 nicht negativ, 8 Niveaufläche, 45 Niveaulinie, 54 Norm, 42 Normalbereich, 79, 81 Normaleneinheitsvektor, 91 Normalenvektor, 73 obere Schranke, 8 Oberflächenintegral, 91 Oberintegral, 30, 82 Obersumme, 29, 82 offene Kugel, 43 offene Menge, 43 offenes Intervall, 8 Paar, 3 Paraboloid, 72, 74 Parameterdarstellung äquivalente, 69 einer Fläche, 72 einer Kurve, 68 glatte, 68 Parameterintegral, 78 Parameterlinie, 66, 73 Parametrisierung einer Fläche, 72 einer Kurve, 68 Partialbruchzerlegung, 34 Partialsumme, 12 partiell differenzierbar, 47, 52 partielle Ableitung, 47 höhere, 55 zweite, 55 partielle Differentialgleichung, 58 partielle Integration, 32 Polarkoordinaten, 83 positiv, 8 Potentialfunktion, 55 99 Index Potenzen allgemeine, 24 Potenzreihe, 14 Potenzreihenansatz, 22–23 Potenzreihenfunktion, 18 Produktintegration, 32 Produktmenge, 3 Produktregel für die Ableitung einer Funktion einer Variablen, 21 für Skalarfelder, 51 Quader, 79, 82 Quantoren, 2 Quelldichte, 53, 94 quellfrei, 53 Quellschüttung, 87 Quotientenkriterium, 13 Quotientenregel für die Ableitung einer Funktion einer Variablen, 21 Raster, 82 rationale Funktion, 17 rationale Zahlen, 5 Realteil, 6 reelle Zahlen, 5 Regeln De Morgan’sche, 2 Guldinsche, 86, 90 von Bernoulli - de l’Hospital, 27 Reihe, 12 der Exponentialfunktion, 15 der Kosinusfunktion, 15 der Sinusfunktion, 15 des arctan, 27 des Logarithmus, 15, 25 geometrische, 12 harmonische, 12 relatives Extremum, 24 Maximum, 24 für Skalarfelder, 48 Minimum, 24 Richtungsableitung, 54 Rotation, 60 Rotationsfläche, 74 Rotationsparaboloid, 45 Sattelpunkt, 62 Satz über Häufungspunkte, 11 über die Umkehrfunktion, 65 über implizite Funktionen, 65 von Cauchy-Hadamard, 14 von der Umkehrfunktion, 19 von Gauß, 92 von Rolle, 25 von Stokes in R2 , 87 in R3 , 94 schiefsymmetrisch, 42 Schranke, 8 Schraubenlinie, 44, 69, 73 Schwerpunkt, 81, 90 Sektorformel, 84 sinus hyperbolicus, 23 Sinusfunktion, 15 Sinusreihe, 15 Skalarfeld, 44 Skalarprodukt, 40 Sphäre, 64, 72, 89, 91 Spirale archimedische, 69, 84 logarithmische, 69 stückweise glatt, 69 Stammfunktion, 30 Steigung der Sekante, 19 Sternbereich, 84 stetig, 18 in Rn , 45 Strömungsgeschwindigkeit, 60 Strecke, 71 strenges lokales Maximum, 48 Substitutionsregel, 32, 83 Summe von Kurven, 69 Summenformel arithmetisch, 4 geometrisch, 4 Supremum, 8 Supremumsprinzip, 11 surjektiv, 3 symmetrisch, 42 Tangens, 23, 26 Tangentensteigung, 20 Tangentenvektor, 53, 68 Tangentialebene, 50, 73 Tangentialvektor, 66 Taylorpolynom, 39 Taylorreihe, 39 einer Potenzreihe, 40 eines Polynoms, 39 Taylorrestglied, 39 Langrangesche Form, 39 Teilfolge, 11 Teilmenge, 2 Torus, 74 Oberfläche, 90 Volumen, 86 total differenzierbar, 50, 52 totale Ableitung, 50 Transformationsformel, 83 trigonometrische Funktionen, 26 100 trigonometrisches Polynom, 41 Tupel, 3 Umentwicklung, 40 Umgebung, 43 umgekehrt durchlaufene Kurve, 75 Umkehrabbildung, 16 Umkehrfunktion Ableitung einer, 23 uneigentliches Integral, 37 untere Schranke, 8 Unterintegral, 30, 82 Untersumme, 29, 82 Urbild, 3 Vektorfeld, 44 konservativ, 76 Vereinigung, 2 Vergleichssatz, 11 vollständiges Hornerschema, 39 Vollständigkeit, 8 Volumen, 78, 80–82 eines Drehkörpers, 85 Volumenverzerrung, 83 Analysis Wegintegral, 75 Wendelfläche, 56 Wendepunkt, 26 Wirbel, 60 Wirbeldichte, 94 wirbelfrei, 60 Wurzelkriterium, 13 Zahlen ganze, 5 komplexe, 5 natürliche, 4 rationale, 5 reelle, 5 Zahlenfolge, 10 Zuhaltemethode, 36 zusammenhängend, 54 zweite partielle Ableitung, 55 Zwischenwertsatz, 19 Zykloide, 69 Zylinder, 72, 74 Zylinderkoordinaten, 85