Workshop „Stromübertragung und elektromagnetische Felder“ am

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Protokoll
Workshop
„Stromübertragung und elektromagnetische Felder“
am Freitag, 7. Mai 2010, 12.00 bis 13.15 Uhr
im Rahmen des Kongresses „Erneuerbare ins Netz“
Moderation: Hanne May, Neue Energie
Vorträge
Die Vorträge stehen unter folgendem Link zum Download bereit:
http://www.forum-netzintegration.de/119/
1. Gesundheitsrisiken durch elektromagnetische Felder
Dr. Blanka Pophof, Bundesamt für Strahlenschutz
Wir sind nahezu ständig von niederfrequenten elektromagnetischen Feldern
umgeben. Quellen für die Felder sind Kabel, Stromleitungen, elektrische Geräte,
Straßenbeleuchtung etc. Die Feldbelastung im Haushalt beträgt im Durchschnitt
0,025-0,07 µT, an Arbeitsplätzen bis zu 10 µT.
Elektromagnetische Felder haben akute Auswirkungen auf den Organismus,
unterhalb 100 µT sind jedoch keine gesundheitlichen Auswirkungen nachgewiesen.
Über eine Langzeitwirkung kann keine Aussage gemacht werden.
Elektromagnetische Felder wurden von der International Agency for Research on
Cancer (IARC) als potenziell karzinogen eingestuft, da sich statistisch ein
Zusammenhang zwischen diesen Feldern und Kinderleukämie ergeben hat. Ein
Wirkmechanismus konnte bisher jedoch nicht gefunden werden, es gibt keine
Belege aus Laborstudien. Auch bei anderen Krankheitsbildern gibt es solche
mathematischen Zusammenhänge. Als Konsequenz wird zur Vorsorge die
Einhaltung geringerer Belastungswerte als der vorgeschriebenen Grenzwerte
empfohlen. Da dies jeweils politische Entscheidungen sind, fallen diese
Vorsorgewerte in den einzelnen Ländern unterschiedlich hoch aus.
Aufgrund der Unsicherheiten sind solche Vorsorgemaßnahmen neben den
Grenzwerten unabdingbar. Dabei müssen die technischen Möglichkeiten zur
Minimierung der Belastung ausgeschöpft werden. Eine standortbezogene
Minimierung ist besser als die Festlegung pauschaler Mindestabstände o. ä.
2. Vorsorge und Umgang mit Grenzwerten im internationalen Vergleich
Dr. Stefan Joss, Bundesamt für Umwelt, Bern, Schweiz
Die Niederlande und die Schweiz haben zur Reduzierung der Belastung durch
elektromagnetische Felder Vorsorgemaßnahmen ergriffen. Dabei werden
verschiedene Strategien verfolgt.
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Art der Regelung
Vorsorgeziel
Geltungsbereich
Vorsorgewert
Sanierung alter Anlagen
Ausnahmeregelungen
Niederlande
Empfehlung
Kinder vor Belastung
schützen; Vorsorgewerte
für neue
Belastungsquellen
festgesetzt
Neue Wohnungen,
Schulen etc.
0,4 Mikrotesla
nein
Nicht geklärt
Schweiz
Verordnung
Begrenzung der
schädlichen Einwirkungen
soweit technisch,
betrieblich und
wirtschaftlich tragbar
Räume und Grundstücke,
in denen sich Personen
längere Zeit aufhalten
1 Mikrotesla
ja
Ja, wenn Maßnahmen
technisch, betrieblich oder
wirtschaftlich nicht tragbar
Der Vorsorgewert in den Niederlanden wurde zwar niedriger festgelegt, gilt aber nur
für neue Freileitungen ab 50 kV und für neue Wohnungen, Schulen, Kindergärten
etc. In der Schweiz gilt die Vorsorgeregelung für alle Quellen von
elektromagnetischen Feldern, an denen sich längere Zeit Leute aufhalten.
Zusätzlich werden bei alten Anlagen Sanierungsarbeiten verlangt.
Es reicht daher nicht, die Grenz- und Vorsorgewerte in den einzelnen Ländern zu
vergleichen, man muss auch genau schauen, wann und wo sie gelten und inwiefern
die Regelungen verbindlich sind.
Eine Unbedenklichkeitserklärung für Anlagen kann es nicht geben. Ein Grenzwert
schafft aber Rechts- und Planungssicherheit.
Durch Optimierung der Phasenbelegung kann der Wirkradius von
elektromagnetischen Feldern reduziert werden, Häuser und Grundstücke fallen so
aus der Belastungszone.
3. Möglichkeiten zur Minimierung von elektromagnetischen Feldern beim
Leitungsbau
Dr. Hannah Heinrich, 2h-engineering
Die Minimierung von elektrischen und magnetischen Feldern könnte erfolgen durch:
•
•
•
Vergrößerung des Abstandes
Reduzierung der Spannung
Reduzierung der Stromstärke
Die ist nicht unbedingt praktikabel. Aber auch mit anderen einfachen technischen
Maßnahmen ist die Reduzierung von elektromagnetischen Feldern möglich. Dies gilt
sowohl für Freileitungen als auch für Kabel, wobei bei Kabeln nur die magnetischen
Felder problematisch sind. Die elektrischen Felder werden durch das Erdreich
ausreichend abgeschirmt.
Freileitungen mit Drehstromtechnik müssten von der Theorie her eigentlich feldfrei
sein, da die Summe der Spannungs- und Stromzeiger Null ist. Es gibt jedoch ein
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Restfeld, das durch die Abstandsunsymmetrien zu den einzelnen Leiterseilen
verursacht wird. Reduziert man diese Abstandsunsymmetrien, verringern sich auch
die Feldemissionen. Eine Reduzierung ist zum Beispiel durch neue Masttypen
möglich. Abstandsunsymmetrien können aber auch durch Optimierung der Phasenund Systembelegungen verringert werden.
Des Weiteren kann man den Schirmeffekt von Mitnahmeleitungen ausnutzen. Führt
man z. B. eine 110 kV Leitung unter einer 380 kV Leitung entlang, wird das
elektromagnetische Feld der 380 kV Leitung durch die darunter liegende Leitung
aufgehoben.
Zusammenfassend ist für Freileitungen Folgendes zu empfehlen:
•
•
•
•
•
Abstand halten
Optimierung der Phasen- und Systembelegung
Schirmeffekte nutzen
Neue Masttypen
Kombination der Maßnahmen
Bei Erdkabeln kann man durch optimiertes Auskreuzen („cross bonding“) das
magnetische Feld reduzieren. Das Vermuffen wird dadurch nicht komplizierter.
Achtung: Bei mehreren benachbarten Systemen muss der Energietransport immer
in die gleiche Richtung erfolgen, da sich sonst die Feldemission erheblich erhöht!
4. Aussagen der allgemeinen Diskussion
Mitnahmeleitungen wurden bereits realisiert (z. B. Vieselbach und Altenfeld in
Thüringen). Zusammenarbeit zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern ist
also möglich.
Man darf bei der Diskussion um elektromagnetische Felder empfindliche Geräte wie
zum Beispiel Herzschrittmacher nicht vergessen.
Die Information der Bevölkerung zu elektromagnetischen Feldern muss überdacht
werden. Eine nicht bewiesene eventuelle Beeinträchtigung kommt bei der
Bevölkerung als Gefahr an. Kann man zum Beispiel Risikovergleiche treffen wie:
„Die elektromagnetischen Felder in diesem Haus sind so gefährlich wie …“, damit
diese gefühlte Gefahr in eine realen Kontext eingeordnet werden kann? Die Uni
Braunschweig, Elektropathologie, hat eine Studie zur Risikobewertung vorgestellt.
5. Zusammenfassung
•
•
100 µT ist der Wert, ab dem akute Auswirkungen auf den Organismus
nachgewiesen werden können. Darunter sind keine Wirkungen nachweisbar,
wobei Langzeitwirkungen hier nicht berücksichtigt werden.
Da es statistische Zusammenhänge zwischen elektromagnetischen Feldern
und bestimmten Krankheitsbildern gibt und die Langzeitwirkungen nicht
untersucht sind, werden zur Vorsorge häufig niedrigere Vorsorgewerte
angesetzt, die aber rechtlich nicht verbindlich sind. Ein Grenzwert dagegen
schafft Rechtssicherheit und Planbarkeit.
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Vorsorgemaßnahmen sind aufgrund der Unsicherheiten bei der Wirkung
elektromagnetischer Felder unabdingbar.
Die Höhe des festgelegten Vorsorgewertes ist nicht allein entscheidend, man
muss genau schauen, wann und wo der Wert vorgeschrieben wird und wie
verbindlich er ist.
Grundsätzlich ist es das Beste, die Belastung mit elektromagnetischen
Feldern zu minimieren. Die oberste Regel heißt hier: Abstand halten!
Zusätzlich, oder wenn das Abstandhalten nicht umsetzbar ist, können durch
einfache technische Veränderungen die Belastungen deutlich reduziert
werden.
Sinnvoller als fiktive Vorsorgewerte ist die Minimierung der Belastung durch
die Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten. Ein Minimierungsgebot
sollte im Rechtsrahmen verankert werden.
Die Bevölkerung braucht sachliche und nachvollziehbare Informationen zur
Gefährdung durch elektromagnetische Felder.
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