Lineare Algebra Prof. Richard Pink D-MATH, HS 2014 Lösung zu Serie 22 1. Zeige, dass das Minimalpolynom jedes Jordanblocks gleich seinem charakteristischen Polynom ist. Lösung: Das charakteristische Polynom eines Jordanblocks J ist p(X)k für ein irreduzibles Polynom p(X) von Grad d und für ein k ≥ 1. Das Minimalpolynom von J teilt das charakteristische Polynom, ist also von der Form p(X)` für ein 1 ≤ ` ≤ k. Nach dem Satz über die Jordanzerlegung angewandt auf J, gilt ( ` · d für alle ` < k dim Kern(p(J)` ) = , k · d für alle ` ≥ k also p(J)` 6= 0 für alle ` < k, also ` ≥ k. Somit ist das Minimalpolynom gleich dem charakteristischen Polynom, also gleich p(X)k . 2. Sei A eine beliebige n × n-Matrix über K und betrachte den Unterraum U (A) := {B ∈ Matnn (K) : AB = BA} . (a) Finde eine Basis von U (A) für die reelle Matrix 0 0 4 A := 2 2 −4 1 0 0 (b) Zeige: n ≤ dim U (A) ≤ n2 . (c) In welchen Fällen gilt Gleichheit in (b)? Lösung: Sei S eine invertierbare n×n-Matrix. Eine n×n-Matrix B kommutiert mit D := S −1 AS genau dann, wenn SBS −1 mit A kommutiert. Es gilt also U (A) = {SBS −1 |B ∈ U (D)} . (a) Mit 2 0 2 S := 0 1 −2 1 0 −1 gilt 2 0 0 0 . D := S −1 AS = 0 2 0 0 −2 1 Die Matrix A ist also diagonalisierbar. Eine Matrix B kommutiert mit der Diagonalmatrix D genau dann, wenn B die Eigenräume von D invariant lässt, also von der Blockform C 0 B= 0 D ist mit Blockmatrizen C und D der jeweiligen Grösse 2 × 2 und 1 × 1. Mit den Matrizen Ek` := (δik δj` )1≤i,j≤3 für alle k, l = 1, 2, 3 erhalten wir also U (D) = E11 , E12 , E21 , E22 , E33 und somit U (A) = 1 2 0 1 1 2 −2 0 0 0 , 0 0 0 1 1 1 0 2 1 −1 4 2 0 1 2 0 0 0 0 , 1 0 1 , 4 2 0 0 0 1 0 0 0 −1 2 1 −1 , − 12 0 1 1 1 0 0 −4 0 2 (b) Da U (A) ein Unterraum des Raumes aller n × n-Matrizen ist und dieser Dimension n2 hat, gilt dim U (A) ≤ n2 . Wir müssen also dim U (A) ≥ n zeigen. Wegen U (A) = {SBS −1 |B ∈ U (D)} für jede invertierbare n × n-Matrix S ist die Dimension von U (A) invariant unter Ähnlichkeit. Wir können also annehmen, dass A Jordansche Normalform hat, also von der Form J1 .. A= . Jk mit Jordanblöcken Ji der Grösse ni für i = 1, . . . , k ist. Eine Blockmatrix B1 ... B= Bk mit Blöcken Bi der Grösse ni kommutiert mit A genau dann, wenn Bi mit Ji kommutiert für alle i. Wir erhalten den Unterraum U (J1 ) ⊕ · · · ⊕ U (Jk ) ⊂ U (A), und somit dim U (A) ≥ k X i=1 2 dim U (Ji ). Die Aussage folgt nun aus der folgenden Behauptung. Behauptung. Für jeden Jordanblock J der Grösse n gilt dim U (J) ≥ n. Beweis der Behauptung. Die Matrizen In , J, . . . , J n−1 kommutieren mit J. Falls die In , J, . . . , J n−1 linear abhängig sind, existieren a0 , . . . , an−1 ∈ K, die nicht alle verschwinden, mit a0 In + a1 J + · · · + an−1 J n−1 = 0 Pn−1 i Das Polynom q(X) := i=0 ai J hat also Grad deg q(X) ≤ n − 1 und erfüllt q(J) = 0. Nach Definition teilt das Minimalpolynom das Polynom q(X) und muss folglich Grad kleiner als n − 1 haben. In Aufgabe 1 haben wir aber gesehen, dass das Minimalpolynom gleich dem charakteristischen Polynom ist, also Grad n hat. Dies ist ein Widerspruch. (c) Es gilt dim U (A) = n2 genau dann, wenn A mit allen n × n-Matrizen kommutiert. Mit der Lösung zu Aufgabe 8 der Wiederholungsserie ist dies der Fall genau dann, wenn A ein Vielfaches der Identität ist. Behauptung. Es gilt dim U (A) = n genau dann, wenn es zu jedem irreduziblen Faktor von charA (X) genau einen Jordanblock gibt. Bemerkung. Aus Aufgabe 1 folgt, dass dies ist genau dann der Fall, wenn das charakteristische Polynom von A gleich dem Minimalpolynom von A ist. Beweis der Behauptung. Schritt 1. Wie in (b) können wir ohne Beschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass A Jordansche Normalform hat. Schritt 2. Dabei können wir weiter annehmen, dass alle Jordanblöcke zu demselben irreduziblen Polynom direkt aufeinander folgen. Sei also Q charA (X) = ri=1 pi (X)mi mit verschiedenen normierten irreduziblen pi (X) ∈ K[X] und mi ≥ 1. Dann hat A die Blockdiagonalgestalt diag(A1 , . . . , Ar ), wobei jedes Ai eine ni × ni -Blockdiagonalmatrix aus Jordanblöcken zu pi (X) ist. Sei B ∈ U (A). Für alle i und alle v ∈ Haupi (X) (LA ) gilt dann pi (A)mi (Bv) = Bpi (A)mi v = 0, also Bv ∈ Haupi (X) (A). Folglich ist die Hauptraumzerlegung K n = ⊕i Haupi (X) (A) invariant unter LB , und somit hat B die Blockdiagonalgestalt diag(B1 , . . . , Br ) mit ni × ni -Matrizen Bi . Die Gleichung AB = BA ist dann äquivalent zu Ai Bi = Bi Ai , also Bi ∈ U (Ai ), für alle i. Somit haben wir den Isomorphismus r M ∼ U (Ai ) −→ U (A), (B1 , . . . , Br ) 7→ diag(B1 , . . . , Br ). i=1 3 Von (b) haben wir bereits die Ungleichung dimK U (Ai ) ≥ ni , also folgt daraus r r X X dimK U (A) = dimK U (Ai ) ≥ ni = n. i=1 i=1 Aus Teil (b) folgt weiter, dass dies eine Gleichung ist genau dann, wenn dimK U (Ai ) = ni ist für jedes i. Nach Ersetzen von A durch Ai können wir also annehmen, dass das charakteristische Polynom von A genau einen irreduziblen Faktor besitzt. Schritt 3. Angenommen die Matrix A hat mehrere Jordanblöcke zum irreduziblen Faktor p(X), hat also die Form J1 ... A= Jk für k ≥ 2 und für Jordanblöcke Ji der Grösse ni . Nach möglicher Umordnung können wir n1 ≤ n2 annehmen. Sei L die n2 × n1 Matrix I L := n1 , O wobei O die (n2 − n1 ) × n1 Nullmatrix bezeichnet. Definiere die n × nBlockmatrix 0 0 ... L 0 . . . B := 0 0 . . . , .. .. . . bezüglich der Blockeinteilung, die durch die Jordanzerlegung von A definiert ist. Es gilt 0 0 ... 0 0 ... J2 L 0 . . . LJ1 0 . . . A · B = 0 0 . . . und B · A = 0 0 . . . . .. .. .. .. . . . . Mit Begleitmatrix P zum Faktor P Ed1 ... J2 = p(X) haben wir ... J1 ∗ , = .. 0 ∗ . Ed1 P also J2 L = J01 = LJ1 , also AB = BA. Es folgt, dass eine Matrix B ∈ U (A) existiert die nicht von der Form B1 ... Bk 4 mit Blöcken Bi der Grösse ni ist. Der Unterraum U (J1 ) ⊕ · · · ⊕ U (Jk ) ⊂ U (A) ist also nicht gleich dem ganzen Raum U (A) und folglich ist dim U (A) > k X dim U (Ji ) ≥ i=1 k X ni = n . i=1 Schritt 4. Angenommen, die Matrix A hat genau einen Jordanblock zum irreduziblen Faktor p(X). Die Aussage folgt somit aus dem folgenden Lemma. Lemma Für jeden Jordanblock J der Grösse n gilt dim U (J) = n. Beweis des Lemmas. Sei en := (0, . . . , 0, 1)T der n-te Standard-Basisvektor. Aus der Konstruktion des Jordanblocks oder durch direktes Nachprüfen folgt, dass { J i en | i = 0, . . . , n − 1 } ein Basis von K n ist. Für jede Matrix B die mit J kommutiert gilt für alle i LB (J i en ) = B · J i en = J i Ben . Da die Vektoren en , . . . , J n−1 en eine Basis bilden, ist die Abbildung LB und somit B eindeutig durch Ben bestimmt. Es folgt, dass die lineare Abbildung U (J) → V, B 7→ B · en injektiv ist. Also gilt dim U (J) ≤ dim K n = n und mit der Behauptung aus (b) folglich dim U (J) = n. 3. (a) Bestimme die Lösung des System von Differentialgleichungen x0 (t) = −x(t) + 9y(t) + 9z(t) y 0 (t) = 3x(t) − 6y(t) − 8z(t) z 0 (t) = −4x(t) + 11y(t) + 13z(t) zu der Anfangsbedingung x(0) = y(0) = z(0) = 1. Hinweis: Verwende die Jordansche Normalform. (b) Bestimme die allgemeine reelle Lösung der Differentialgleichung f (3) (t) − f (2) (t) + f 0 (t) − f (t) = 0. Hinweis: Schreibe die Gleichung als System linearer Differentialgleichungen erster Ordnung, und verwende die Jordansche Normalform. Lösung: 5 (a) Mit f (t) := (x(t), y(t), z(t))T und −1 9 9 A := 3 −6 −8 −4 11 13 und v := (1, 1, 1)T ist das System der Aufgabe äquivalent zu d f (t) = A · f (t), dt f (0) = v . Die eindeutige Lösung ist also f (t) = exp(At)v. Wir bringen die Matrix A in Jordansche Normalform und rechnen anschliessend direkt. Das charakteristische Polynom von A ist charA (X) = X 3 − 6X 2 + 12X − 8 = (X − 2)3 . Sei B := A − 2I3 . Dann gilt −3 9 9 B = 3 −8 −8 , −4 11 11 0 0 0 3 3 B 2 = −1 1 −3 −3 und B k = 0 für alle k ≥ 3. Sei w ∈ R3 \ Kern(B 2 ) ein beliebiges Element, zum Beispiel sei w := (1, 0, 0) . Dann bilden die Vektoren w, Bw, B 2 w eine Basis von R3 und mit 0 −3 1 3 0 S := (B 2 w, Bw, w) = −1 1 −4 0 folgt die Darstellung von A in Jordanscher Normalform: 2 1 0 A = S · 0 2 1 · S −1 . 0 0 2 Aus der Lösung zu Aufgabe 3(a) der Serie 19 folgt für alle k ≥ 0 k k k k−1 k k−2 2 2 2 2 1 0 2 1 k 0 2 1 =0 2k 2k−1 , 1 0 0 2 0 0 2k also k 2t ∞ 2 1 0 e te2t 2 1 0 X 1 k 0 2 1 t = 0 e2t exp 0 2 1 t = k! k=0 0 0 2 0 0 0 0 2 6 1 2 2t te 2 2t te e2t , also 2 1 0 f (t) = exp(At)v = S · exp 0 2 1 t · S −1 v 0 0 2 −7 2 1 0 = S · exp 0 2 1 t · −2 0 0 2 −5 7 2 5/2 2t 2t 2 2t 2 + te 5 +t e 0 = −S · e 5 0 0 1 15 0 = e2t 1 + te2t −13 + t2 e2t 5/2 1 18 −5/2 (b) Mit F (t) := (f (t), f 0 (t), f 00 (t))T und 0 1 0 0 1 A := 0 1 −1 1 ist die Differentialgleichung der Aufgabe equivalent zu d F (t) = A · F (t) . dt Die Lösung dieser Gleichung zur allgemeinen Anfangsbedingung f (0) x1 0 F (0) = f (0) = x2 f 00 (0) x3 ist F (t) = exp(At) · (x1 , x2 , x3 )T . Die allgemeine Lösung für f (t) ist dann genau der erste Eintrag von F (t). Durch Berechnen einer Jordanbasis von R3 bezüglich A erhält man eine Darstellung von A in Jordanscher Normalform über R: 1 0 1 1 1 0 1 0 0 1 0 1 · 0 0 1 · 1 0 −1 A= 1 2 −1 2 −1 1 −1 0 0 −1 0 Für alle m ≥ 0 gilt 2m 0 1 = (−1)k I2 −1 0 und 7 0 1 −1 0 2m+1 = (−1) m 0 1 , −1 0 also 2m X 2m+1 ∞ ∞ 0 1 X t2m+1 t2m 0 1 0 1 + exp t = −1 0 (2m)! −1 0 (2m + 1)! −1 0 m=0 m=0 ∞ ∞ X X (−1)m t2m (−1)m t2m+1 0 1 = · I2 + · −1 0 (2m)! (2m + 1)! m=0 m=0 0 1 = cos(t) · I2 + sin(t) · . −1 0 Wir erhalten t 1 1 0 e 1 0 1 0 exp(At) = 1 −1 0 0 1 0 1 1 t e cos(t) −1 = 1 0 1 + 2 2 1 0 1 −1 1 0 0 1 1 cos(t) sin(t) · 2 −1 − sin(t) cos(t) 0 −1 −1 2 sin(t) 2 −1 + −1 0 2 0 1 1 −2 0 1 0 −1 2 −1 −1 1 . 1 Die allgemeine Lösung f (t) ist die erste Komponente von exp(At)(x1 , x2 , x3 )T , also gleich f (t) = 1 1 1 (x1 + x3 )et + (x1 − x3 ) cos(t) + (−x1 + 2x2 − x3 ) sin(t) 2 2 2 4. Sei U ⊂ V ein Unterraum, und sei f : V → W eine lineare Abbildung mit U ⊂ Kern(f ). Betrachte die von der universellen Eigenschaft des Quotientenvektorraums induzierte lineare Abbildung f : V /U → W . Zeige: (a) Kern(f ) = Kern(f )/U . (b) f ist injektiv genau dann, wenn U = Kern(f ) ist. (c) f ist surjektiv genau dann, wenn f surjektiv ist. ∼ (d) Ist f surjektiv, so induziert f einen Isomorphismus V / Kern(f ) → W . Lösung: (a) Für die Abbildung f : V /U → W gilt f (x + U ) = f (x) für alle x ∈ V . Es folgt Kern(f ) = {v + U | v ∈ V ∧ f (v + U ) = 0} = {v + U | v ∈ V ∧ f (v) = 0} = {v + U | v ∈ Kern(f )} = Kern(f )/U (a) (b) f ist injektiv ⇐⇒ Kern(f ) = 0 ⇐⇒ Kern(f )/U = 0 ⇐⇒ Kern(f ) = U . 8 (c) Bild(f ) = {w ∈ W | ∃x ∈ V : f (x) = w} = {w ∈ W | ∃x ∈ V : f (x + U ) = w} = {w ∈ W | ∃y ∈ V /U : f (y) = w} = Bild(f ) . (d) Die induzierte Abbildung f : V / Kern(f ) → W ist wegen (b) injektiv und wegen (c) surjektiv, also ein Isomorphismus. 5. Betrachte den Unterraum U := h (2, 2, 2, 2, 2)T , (1, 2, 2, 2, 2)T , (1, 1, 2, 2, 2)T i von V := R5 . Bestimme eine Teilmenge der Standardbasis von R5 , welche sich bijektiv auf eine Basis von V /U abbildet. Lösung: Die Teilmenge muss die Basis eines Komplements von U sein, also zum Beispiel { (0, 0, 1, 0, 0)T , (0, 0, 0, 1, 0)T }. 6. Zeige: Für jeden Unterraum V 0 mit U ⊂ V 0 ⊂ V ist V 0 /U ein Unterraum von V /U . Jeder Unterraum von V /U hat diese Gestalt. Lösung: Der Unterraum V 0 /U ⊂ V /U ist das Bild der linearen Abbildung V 0 → V → V /U , also ein Unterraum. Umgekehrt, sei W ⊂ V /U ein beliebiger Unterraum. Sei π : V → V /U die Projektion und sei V 0 := π −1 (W ). Wegen 0 ∈ V 0 ist V 0 nicht leer. Weiter gilt für alle x, y ∈ V 0 , dass π(x + y) = π(x) + π(y) ist. Da W ein Unterraum ist und π(x) und π(y) in W liegen, folgt π(x) + π(y) ∈ W , also π(x + y) ∈ W , also x + y ∈ V 0 . Ebenso zeigt man λx ∈ V 0 für alle λ ∈ K und x ∈ V 0 . Die Menge V 0 ⊂ V ist also ein Unterraum. Aus der Surjektivität von π folgt nun V 0 /U = π(V 0 ) = π(π −1 (W )) = W, also ist W von der gewünschten Gestalt. 9