14 Mensch - Tier - Verhältnis grünes blatt » Winter 2015/2016 Kritik der unpolitischen Kritik am politischen Veganismus Zum Text in „grünes blatt“ Sommer 2015 (S. 4ff): Den Veganismus kritisch zu betrachten, ist immer gut. Das gilt für alle politischen Strömungen und würde auch allen guttun, den identitäre Selbstbestätigungsrituale prägen fast alle Ecken der Protestlandschaft. Insofern ist der Versuch des Textes anzuerkennen. Es bleibt allerdings beim Versuch. Die Ausführung lässt dunkle Abgründe anti-emanzipatorischer Gesinnung bei den Schreiberlingen erkennen – verblendet durch die eigene Ideologie. beim Essen auch nicht auswählen Dass das Leiden (samt ihrer oder nachdenken, müssen Men- Gründe) verhinderter Kriegstreischen das auch nicht. „Damit ber_innen, gestoppter Vergewaltikönnte das Thema beendet sein“ ger_innen und gescheiterter Sklasteht da, d.h. die Analogie aus venhalter_innen in politische dem Tierreich ersetzt bereits alle Überlegungen einbezogen wird, anderen Aspekte. Der Mensch ist wäre ein Fortschritt in emanzipanichts als ein „biologisches Lebewe- torischer Denkkultur der meisten sen“. Radikaler und dogmatischer politisch aktiven oder Sofa-Lingeht Biologismus kaum. ken. Ob das aber hier überhaupt gemeint ist, darf bezweifelt werDie Kritik geht dann aber nicht den. Wahrscheinlicher ist, dass weiter darauf ein, sondern wendet Tiere als ein derartiger Haufen sich politischen Fragen zu. Doch Dreck angesehen werden, dass auch dort tauchen bemerkenswer- selbst die widerlichsten menschlite Positionen auf, z.B. eine bemer- chen Interessen immer über diese kenswert konservative Sicht auf gehen. Dass dann ausgerechnet Vorweg zur Begriffsklärung: direkte Aktionen: für die, die dem Leiden der Tiere „Politischer Veganismus“ ist im Arnicht zusehen mögen (was übritikel anders benutzt als in vega- „So schreckt der politische Veganis- gens auch eine Abwendung von nen Strömungen. Dort ist mit po- mus im Namen des Tierleides nicht Leiden von Menschen ist, wenn litischer Veganismus die Minder- davor zurück, Tiere zu befreien und ihnen diese Brutalität in Laboren heit gemeint, die nicht aus verstößt damit klar gegen das In- und Ställen eben nahe geht – aber Geschmacks-, Gesundheits-, Well- teresse der Farmbesitzer, die ihrer- so komplexes Denken geht dem ness- oder Lifestylegründen vegan seits die goldene Regel in Anschlag Kritiktext ja gerade ab), als „rücklebt, sondern damit politische bringen können: ihr Interesse an sichtslos“ gebrandmarkt werden, Ziele verbindet. Ausgerechnet einer Einkommensquelle. “ zeigt diese Voreingenommenheit. diese (u.a. meist antikapitalistisch Ein Interesse ist schon deshalb gesinnte) Gruppe wird im Text Was soll das heißen? Sind Kapi- gut, weil es von Menschen ausüber die Kritik am politischen Ve- talinteressen inzwischen ein geht – und unbeachtlich, wenn es ganismus kritisiert, während die schützenswertes Gut, welches es sich auf Tiere bezieht. pro-kapitalistischen Geschäftema- zu verteidigen gilt? Atomkraftbecher mit Veganprodukten gerade treiber_innen, Rüstungsfirmen Das letzte Zitat greift einen Eindeshalb mehr akzeptiert scheinen, und viele andere haben auch In- zelaspekt auf – und zeigt auch weil sie unpolitisch und nur pro- teresse an ihren Einkommens- hier nicht nur einen bemerkensfitorientiert handeln. So führen quellen. Politischer Kampf ist im- werten Hang zum Einfachdenken, dogmatische Verengungen zu in- mer eine Abwägung. Dogmatis- sondern auch fehlende Informateressanten Schlussfolgerungen. mus befreit von einer tionen. Das ist jedoch noch harmlos. Ein menschlichen Eigenschaft, dem Blick in den Text lässt erschre- Nachdenken. Dass hier bei vielen „Schon heute werden trotz Fleischcken: Hier sind Dogmatiker_innen Tierrechtler_innen deutliche Defi- produktion mehr Lebensmittel proam Werk, die für ihr Dogma schon zite bestehen, ist ein Problem. duziert als für die Versorgung aller mal biologistisch argumentieren Daran zu rütteln, eine wichtige Menschen notwendig. Der Grund oder Unterdrückungsverhältnisse Sache. Aber das Gegendogma für die chronische Unterernährung gutheißen. zum Leitbild zu machen, ändert von 850 Millionen Menschen im nichts daran, dass die Idee eman- Jahre 201 4 kann also nicht in der Schauen wir also mal genau auf zipatorischer Politik, nämlich der mangelnden Anbaufläche oder Proeinige Zitate: Blick durch die Augen der Men- blemen bei technischen Konservieschen (nicht der Apparate, der rungs- oder Transportmitteln zu „Im Tierreich verzehren die Tiere kollektiven Identitäten oder der suchen sein – geschweige denn bei einander, um ihr Leben zu erhal- Konzerne) auf die Verhältnisse der der energieaufwendigen Produktion ten. Es passt hier nicht, die Tiere Menschen, in jedem Dogma verlo- von Fleisch. “ zum Mitleid aufzurufen. Naturwe- ren geht, weil nicht mehr die konsen stellen sich ‚ignorant’ zu ihrem krete Situation – gern unter Be- Typisches Kurzdenken. Hätten die Essen; sie fressen, bis sie satt sind. achtung vorhandener Ideale und Kritiker_innen genauer hingeDas macht der Mensch als biologi- Ziele – betrachtet und abgewogen schaut, würde sie schnell etwas sches Lebewesen ebenso. Damit wird. Das geht im Text weiter: anderes bemerken: Aus vielen könnte das Thema beendet werden, Gründen werden auf der Welt riewäre da nicht der politische Vega- „Und nicht selten wird bei diesem sige Nahrungsmittelmengen vernismus. “ Stellvertreterkampf für die „Rechte“ schoben. Ähnlich wie bei anderen der Tiere im Namen deren Leidens- Grundstoffen der DaseinssicheZunächst: Das ist platter Biologis- fähigkeit rücksichtslos gegen die rung laufen die Flüsse aus den mus. Solche Bemerkungen führen Leidensfähigkeit der Menschen vor- Peripherien in die Metropolen, soanderswo zu Ausschlüssen aus gegangen, die ihr Geld in Laboren wohl international wie auch in allinken Zusammenhängen (was und Tierzuchtbetrieben verdienen: len Regionen. Die Metropolen nicht souverän ist). Weil Tiere der Tierbefreier. “ speien die Reste dann wieder aus Jb