DIE BEDEUTUNG DER FUNKTION IN DER MODERNEN K IEFERORTHOPÄDIE Vor einer Zahnklammer kann eine Kiefergelenktherapie notwendig werden Etwa zwei von drei Kindern müssen kieferorthopädisch behandelt werden. Manchmal sind schiefe Zähne vererbt. Sehr viel häufiger aber spielen ungünstige Angewohnheiten eine Rolle. So oder so: Ein falscher Biss kann erhebliche Beschwerden auch in anderen Bereichen des Körpers hervorrufen. Eine kieferorthopädische Therapie sollte daher an erster Stelle die Funktion berücksichtigen und die ästhetischen Aspekte daran orientieren. Das gilt Für Dr. med. dent. Barbara El-Kareh steht die Funktion des Kiefergelenks an erster Stelle. Quelle: invisalign® Unsichtbare Zahnkorrektur mit den transparenten invisalign®Schienen 36 für die Kinder- wie für die Erwachsenen-Kieferorthopädie gleichermaßen. Gesundheitsforum: Frau Dr. El-Kareh: Sie haben sich in Ihrer Praxis das Thema kiefergelenksorientierte Behandlung auf die Fahnen geschrieben. Was bedeutet das genau? Dr. El-Kareh: Fehlbisse bei Kindern und Jugendlichen weisen eine zunehmende Tendenz auf. In Studien hat man herausgefunden, dass mehr als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen zwischen 3 und 17 Jahren an chronischen Kopfschmerzen leiden, die durch einen Fehlbiss mit verursacht werden. Jedes vierte Kind klagt über zum Teil starke Nacken- und jedes sechste über Ohrenschmerzen. Solche Zahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, bei einer kieferorthopädischen Behandlung nicht nur die Stellung der Zähne zu beachten, sondern auch die Funktion des Kauorgans. Das gilt ebenso für die Erwachsenen-Kieferorthopädie, die wir ja in unserer Praxis auch anbieten. Gesundheitsforum: Könnten Sie den Funktionsaspekt noch ein wenig näher erläutern? Dr. El-Kareh: Die Kau- und Rückenmuskeln stehen in einem engen Kontakt miteinander. Das heißt, wenn wir kauen, bewegt sich nicht nur der Kiefer. Auch Kopf, Hals und Rücken „kauen mit“. Werden Zähne verschoben, verschieben sich auch die Muskeln im Hals, im Kopf und im Rücken. Es besteht also eine Dysbalance. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, müssen Zähne, Muskeln und Wirbelsäule genau aufeinander abgestimmt werden. Gesundheitsforum: Welche speziellen Untersuchungen sind hier notwendig? Dr. El-Kareh: Zunächst einmal erfolgt die sog. Basisuntersuchung. Hierzu gehört eine gründliche Anamnese und Befragung des Patienten bzw. der Mutter oder des Vaters, wenn es sich um ein Kind handelt, sowie eine grundlegende Diagnostik der statischen Elemente. Dazu werden für die Modellanalyse Abdrücke vom Ober- und Unterkiefer genommen und Röntgenbilder angefertigt. Wir röntgen digital, also mit einer deutlich verminderten Strahlenbelastung. Als Spezialuntersuchung erfolgt dann die sog. manuelle Funktionsanalyse. Durch spezielle Belastungstests wird das Zusammenwirken von Zähnen, Muskulatur und Kiefergelenk untersucht. Zeigen sich hierbei grobe Blockaden oder Dysbalancen, ist davon auszugehen, dass das Kiefergelenk mit der Klammer nicht umgehen kann und die Blockaden sich noch verstärken. In solchen Fällen sollte eine Vorbereitung auf die kieferorthopädischen Maßnahmen erfolgen. Gesundheitsforum: Wie sieht diese aus? Dr. El-Kareh: Wir fertigen eine spezielle Gebissschiene an, die zunächst rund um die Uhr getragen werden sollte. Das Kiefergelenk wird dadurch entlastet und kann mit der späteren Belastung der Klammer besser umgehen. Patienten, die von Berufs wegen viel sprechen müssen, bieten wir eine skelettierte Schiene an, In der manuellen Funktionsanalyse werden mögliche Blockaden und Störungen diagnostiziert, die vor dem Einsetzen der Klammer behoben werden sollten. durch die die Zunge keine Raumeinschränkung erfährt. Wichtig ist allerdings, dass eine solche Schienenbehandlung durch entsprechende Begleittherapien unterstützt wird, die sich an den Ursachen der Störung orientieren. Bei Haltungsschwächen oder Muskelschmerzen ist z. B. eine Physiotherapie angebracht. Ein fehlerhaftes Schluckmuster bei Kindern sollte logopädisch begleitet werden. Unsere Praxis arbeitet im Netzwerk mit Therapeuten zahlreicher anderer Fachrichtungen zusammen. Dazu gehören Orthopäden, Radiologen, Physiotherapeuten, Logopäden und natürlich Zahnärzte. Falls für die Blockade psychische Ursachen angenommen werden, z. B. eine starke Belastung durch Stress, kann auch die Kooperation mit einem Psychotherapeuten wichtig sein. Gesundheitsforum: Und nach dieser Vorbereitungsphase wird die Klammer angepasst? Dr. El-Kareh: Was zunächst folgt ist eine ausführliche Beratung, bei dem wir dem Patienten bzw. den Eltern die verschiedenen Möglichkeiten der kieferorthopädischen Therapie genau erklären. Wir sehen unsere Patienten als mündige Partner, die gemeinsam mit dem Behandler die Geräte und Therapieformen besprechen und dann ihre Wünsche äußern sollen. Für uns ist es ein wichtiges Ziel, dass der Patient zufrieden ist und dass sich die Therapie nach seinen Anforderungen richtet. Gesundheitsforum: Gibt es denn so viele Möglichkeiten der Behandlung? Dr. El-Kareh: Oh ja. Wie gesagt, die Auswahl richtet sich nach der Funktion und nach den Patientenwünschen. Gerade bei Kindern kombinieren wir oftmals verschiedene Methoden miteinander, indem wir zunächst funktionskieferorthopädische Geräte wie den Bionator anpassen. Das ist ein zierliches Gerät aus Draht und Kunststoff, das man fast als ein „Turngerät für den Mund“ bezeichnen kann. Es unterstützt die natürlichen Mundfunktionen; krankmachende Gewohnheiten werden quasi automatisch verlernt. Nach einer gewissen Zeit kann man dann auf Multiband übergehen. In aller Regel wird die Dauer der Therapie durch die vorherige Funktions-Kieferorthopädie reduziert. Gesundheitsforum: Für viele Erwachsene dürfte eine sichtbare feste Klammer aber schon aus beruflichen Gründen nicht infrage kommen. Dr. El-Kareh: Das ist richtig und gerade darum sind ja die Beratung im Vorfeld und die Patientenwünsche so wichtig. Dabei spielt natürlich auch die Ästhetik eine zentrale Rolle. Halbtransparente Keramikbrackets sind beispielsweise eine ästhetisch hochwertige Alternative zu Metallbrackets. Eine nahezu unsichtbare Lösung für Erwachsene bietet die invisalign®-Methode. Dabei werden die Zähne durch herausnehmbare transparente Schienen, die sog. Aligner, Millimeter für Millimeter bewegt. Ein Aligner wird etwa zwei Wochen getragen, bevor er gegen einen neuen ausgetauscht wird. Durch ein modernes SoftwareSystem kann sich der Patient übrigens schon im Vorfeld ansehen, wie seine Zähne später aussehen werden. Dieses Verfahren ist allerdings in aller Regel erst für Patienten ab 17 Jahre geeignet. Die Praxis ist seit 2004 nach ISO 9001 zertifiziert. Das Qualitätsmanagement wurde vom gesamten Praxisteam erarbeitet und wird aktiv gelebt. 37