TREATMENT OUTCOME Wiederherstellung der Frontzahnästhetik unter Berücksichtigung der parodontalen und funktionellen Parameter. Teil 2: Behandlung und Diskussion Stephanus Steuer, Dr. med. dent. Spezialist für Ästhetische Zahnmedizin (DGÄZ, Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Zahnheilkunde) Privatpraxis, Sonnenstr. 5, 9000 St. Gallen, Schweiz Korrespondenz an: Dr. Stephanus Steuer Sonnenstr. 5, 9000 St. Gallen, Schweiz; Fon: +43 71 845 3093 E-Mail: [email protected]; Website: http://www.dr-stephanus-steuer.ch 250 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 STEUER Im zweiten Teil dieses Artikels zur Be- Außerdem werden die Prognose der ge- handlungsplanung wird die gewählte wählten Behandlung und der übrigen Behandlung detailliert vorgestellt und Behandlungsoptionen, die möglich ge- beschrieben. (Der erste Teil erschien in wesen wären, diskutiert. Eur J Esthet Dent 2009;2:168-178. Darin (Eur J Esthet Dent 2009;4:XXX–XXX.) wurden die Befunde, die ästhetische Analyse und die möglichen Behandlungsoptionen ausführlich beschrieben.) 251 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 TREATMENT OUTCOME Patientenwunsch In der Funktionsanalyse nach Prof. Slavicek wird die korrekte vertikale Dimension Wenn eine Behandlung geplant wird, ist nach der korrekten, gelenkbezogenen es wichtig, den Wunsch des Patienten bei Montage der Modelle in einem voll jus- der medizinisch notwendigen Therapie tierbaren Artikulator mithilfe eines Fern- zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass röntgenseitenbilds bestimmt, wobei die der Patient über alle Befunde informiert korrekte Gesichtshöhe und der Interinzi- werden muss. Es müssen alle Behand- salpunkt (räumliche Position der Inzisal- lungsoptionen diskutiert werden, und kante der mittleren Unterkieferfrontzähne) dem Patienten müssen die Folgen und mithilfe der entsprechenden Winkel er- die Prognose der gewählten Therapie mittelt wird13. Gleichzeitig ist es möglich, erklärt werden. Letztlich ist die Auswahl die ideale Neigung der Okklusionsebene auf solche Maßnahmen beschränkt, die und die erforderlichen Winkel für die das Kausystem langfristig stabilisieren Zahnführung und die Höckerneigungen und bei denen der Behandler den Be- mithilfe des CADIAX®-Systems (Gamma handlungserfolg auch langfristig „garan- Dental, Klosterneuburg, Österreich) zu tieren“ kann. Bei der Entscheidung spielt ermitteln, indem man sich an die einfa- weiterhin die Frage der Finanzierungs- che Formel hält: horizontale Kondylen- möglichkeit eine wichtige Rolle. Für den bahnneigung – Okklusionsebene = rela- Patienten sollte sich jede Investition in tive Kondylenbahnneigung sowie relative sein Gebiss auf lange Sicht auszahlen. Kondylenbahnneigung – Höckerneigung = Disokklusionswinkel. Die Steigungen der Frontzahnführung, die das Gelenk Erstes Beratungsgespräch schützen sollen, werden von der Software berechnet. Anschließend kann die Tabelle Für diese Sitzung werden alle Unterlagen für die Frontzahnführung angelegt wer- zu den medizinischen Befunden (Röntgen- den. Wenn die Versorgung diesen funktio- aufnahmen, Modelle, Fotos, weitere Befun- nellen Parametern entsprechend ange- de, z. B. ästhetische Analyse) für eine aus- fertigt wird, ist sichergestellt, dass die führliche Diskussion mit dem Patienten Frontzahnführung und die Kondylenbahn vorbereitet. Um ihm einen Eindruck der miteinander harmonieren. Behandlungsoptionen vermitteln zu kön- Bei der Bestimmung der vertikalen nen, werden Behandlungsfotos ähnlicher Dimension mittels einer myozentrischen Fälle sowie Muster der möglichen Kronen Bissnahme wird völlig anders verfahren. und Implantate vorbereitet1,15. Außerdem Sie beruht auf Untersuchungen von Jan- sollten in etwa die Kosten jeder Behand- kelson 3. Aus seinen Ergebnissen geht lungsoption genannt werden. Die Patientin, hervor, dass die Muskulatur einen we- deren Fall hier vorgestellt wird, wurde ent- sentlichen Einfluss auf das Gelenk- und sprechend informiert, und es stand schon Skelettsystem hat. Diese lassen sich nur früh fest, dass sie sich finanziell keine durch eine Harmonisierung der Kau- umfassende Therapie leisten konnte. Ihr muskeln ausgleichen, sodass eine the- war eine minimalinvasive Lösung lieber, rapeutische Position der Kiefer in Relati- wenn diese medizinisch gerechtfertigt war. on zueinander festgelegt werden kann. 252 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 STEUER Gleichzeitig wird für die Frontzahnführung ein Durchschnittswert verwendet, was für den Schutz der Gelenke auf jeden Fall ausreichend ist. Anschließend kann die korrekte Führung anhand der einartikulierten Modelle genau geprüft werden. Daher erfolgte eine weitere manuelle Funktionsanalyse, die keinen pathologischen Befund erbrachte 2. Anschließend wurden anhand der einartikulierten Modelle der Grad des Überbisses, die Front- Abb. 1 zahnführung, die Okklusionsebene und Modell von der Ausgangssituation. Vergleich zwischen dem Wax-up und dem die Länge der Frontzähne bestimmt. Bei der Erstellung des Parodontalstatus wurden Parodontaltaschen mit einer maximalen Tiefe von 3 mm und ein FullMouth Bleeding-Score (FMBS)4 von weniger als 15 % festgestellt. Deshalb einigten sich die Behandler darauf, den elongierten Zahn 48 zu extrahieren, die Füllungen der unteren Frontzähne zu erneuern und die Frontzähne auf das Niveau der Eckzähne zu kürzen. Außerdem einigte man sich auf die folgenden ästhetischen Ziele: I Herstellung einer konkaven Kontur der Abb. 2 Gute Symmetrie der Zähne 11 und 21. Abb. 3 Die Schablone für das Provisorium als An- Inzisalkanten, parallel zur Unterlippe, I Schaffung einer ausreichenden Länge der Frontzähne mit einer ästhetisch ansprehenden Dreifachkrümmung, senkrecht zur Okklusionsebene I Erzielung eines helleren und einheitlicheren Farbtons der Zähne, vorzugsweise A1, I Erzielung eines harmonischen, möglichst ansteigenden Gingivaverlaufs. Die ästhetische Lösung für die Frontzähne sollte möglichst ohne eine zusätzliche kieferorthopädische Therapie und Mukogingivalchirurgie verwirklicht werden. Es wurde ein Wax-up auf der Grundlage der leitung für die Zahnpräparation. 253 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 TREATMENT OUTCOME einartikulierten Modelle in Auftrag gege- Der erste Termin für die Behandlung der ben, um darstellen zu können, wie dieses oberen Frontzähne war am interessan- Ziel mit zwei Veneers auf den Zähnen 12 testen, weil es immer noch notwendig und 11 und mit zwei neuen Kronen auf war, alle Optionen offen zu halten, bis die den Zähnen 21 und 22 erreicht werden folgenden Fragen geklärt waren: Wie konnte. Dann wurde eine weitere Sitzung sahen die Zähne unter den Kronen aus? vereinbart, in der das Wax-up besprochen War der endodontisch behandelte Zahn und die Therapie festgelegt werden sollte. 22 eventuell stark verfärbt? Wie stabil saß der Stift, schien er dunkel durch? War eine minivmalinvasive Präparation der Zweites Beratungsgespräch Zähne 12 und 11 für Veneers ausreichend? Passten die Veneers und die Vollkeramikkronen harmonisch zueinander? Das Wax-up und ein detaillierter Kosten- Nach einer Infiltrationsanästhesie der plan wurden in der zweiten Sitzung vor- Frontzähne wurden die Kronen entfernt. gestellt. Das Wax-up (Abb. 1 bis 3) sah Die restliche Zahnsubstanz war völlig sehr vielversprechend aus, und deshalb akzeptabel. Der Zahn 22 war nur gering wurde beschlossen, zunächst auf weitere verfärbt. Der endodontische Stift konnte Maßnahmen, wie eine kieferorthopädi- belassen werden. Nur der Aufbau wurde sche Therapie oder Gingivakorrekturen, durch das opake Material LuxaCore® zu verzichten. Das kam auch der Patien- (DMG, Hamburg, Germany) ersetzt. Die tin sehr entgegen. Während der nächsten Präparationsschritte erfolgten nunmehr Termine sollten folgende Behandlungs- so, dass das Parodontalgewebe, das schritte vorgenommen werden: Extraktion während der vorhergehenden Behand- des Zahns 48, Austausch der Komposit- lung eine gute Stabilität gezeigt hatte, so füllungen in den unteren Schneidezäh- weit wie möglich geschützt wurde5. Daher nen, Entfernung der alten Kronen und wurden die Zähne nach dem bewährten optional die Entfernung des Stifts in Zahn Protokoll von Pascal Magne 6 präpariert. 22 und dessen Versorgung mit einem Dabei werden die Zähne auf eine Länge Provisorium entsprechend dem Wax-up. gebracht, die 1,2 bis 1,5 unter der endgültigen Länge liegt. Mit einer schmalen Diamantfräse 014 für die Veneer-Präparation Therapie werden Längsrillen angelegt, sodass die vorgesehene Dreifachkrümmung ent- Präparation und provisorische Restaurationen steht. Die Rillen sollten in den lateralen Die Extraktion des elongierten Zahns und den zentralen Schneidezähnen bis zu der Ersatz der Füllungen waren unkom- 0,7 mm (die Dicke der zervikalen Schicht plizierte Therapieschritte. In dieser Phase kann lediglich 0,3 bis 0,4 mm betragen). wurde auch die Länge der Frontzähne Das Wax-up dient dabei als Referenz. einheitlich gestaltet. Sie sollten später der Wenn für das Wax-up Material auf den Länge der oberen Frontzähne in Protru- Zahn aufgetragen wurde, ist die Präpara- sion angepasst werden. tionsdicke dementsprechend geringer. 254 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 Schneidezähnen etwa 0,5 mm tief sein, in STEUER Abb. 4 Auswahl des Farbtons nach der Zahnprä- paration. Abb. 6 Abb. 5 Eingegliederte direkte provisorische Ver- sorgung. Protrusion über den verkürzten unteren Abb. 7 Labiale Ansicht mit der provisorischen Ver- Frontzähnen. sorgung. Dies lässt sich sehr einfach prüfen, indem groß sind, dass sie sich bis zu der palati- die Schablone für das Provisorium gegen nalen den Zahn gehalten wird. Wenn vorher neue Kompositfüllungen angelegt. Der Komposit in die Schablone für das Wax- Präparationsrand liegt in einem idealen up aufgetragen wird, lässt sich die Di- Bereich. Konkavität erstrecken, werden mension der zu entfernenden Zahnsub- Dafür werden die Belastungsprüfun- 7,8 stanz leichter kontrollieren, wie von Gürel gen nach Pascal Magne 6 zur Orientie- gezeigt wurde. Die Tiefe der Rillen wird rung angewandt. Die palatinale Seite wird markiert, und die Zahnsubstanz zwischen mit einer leichten Hohlkehle präpariert, den Rillen wird für die Veneer-Präparati- ohne Einbeziehung der Inzisalkante. Ins- on mit einer Diamantfräse 016 entfernt. gesamt sollten runde Formen geschaffen Der Kontaktpunkt wird geöffnet und alle werden, um eine optimale Retention des alten Kompositfüllungen werden entfernt. Keramikmaterials zu ermöglichen. Nach- Wenn die Dimensionen der Defekte so dem alle Präparationen finiert worden 255 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 TREATMENT OUTCOME sind und mit der Schablone und den poräre Versorgung wird auch als Provi- Antagonisten eine letzte Prüfung erfolgt sional bezeichnet, da es sich um eine ist, wird die provisorische Versorgung „Vorschau“ handelt. angefertigt (Abb. 4 bis 6). Nachdem die Präparation mithilfe der Dies war ein wichtiger Schritt in der provisorischen Versorgung und der trans- hier vorgestellten Therapie8,15. Einerseits parenten Schablone geprüft worden war, konnte nun durch Messen der Dicke des wurden Retraktionsfäden der feinsten Provisoriums die Qualität der Präparation Größe in den Sulkus eingelegt. Mit indivi- geprüft werden. Andererseits konnte die duellen Löffeln wurde eine Abformung Ästhetik des zu erwartenden Endergeb- mit Impregum™ (3M, ESPE, St. Paul, MN, nisses begutachtet werden. Im vorliegen- USA) angefertigt. Wenn alle Präpara- den Fall war bereits das mit dem Proviso- tionsränder perfekt reproduziert werden, rium erzielte Ergebnis recht erstaunlich. können die bereits genehmigten Provi- Dies betraf vor allem die starke positive sorien mit eugenolfreiem TempBond® Wirkung der Symmetrie der beiden zen- (KerrHawe, Bioggio, Schweiz) adhäsiv tralen Schneidezähne und ihrer aus- befestigt werden. Die Patientin war zwar reichenden Länge auf das Gesamter- bereits mit dem Ergebnis der provisori- gebnis. sehr schen Versorgung einverstanden, blieb natürlicher Lippenschluss und eine sehr aber wegen der Länge der Zähne noch gute Lippenabstützung festgestellt. Die skeptisch. Sie erhielt daher noch eine Provisorien wurden mithilfe einer vaku- Woche Bedenkzeit. Nach ein paar Tagen umgeformten Schablone über einem erklärte sie sich mit der neuen Länge Duplikat des Wax-up-Modells aus Luxa- einverstanden, da die Gesichtsmuskeln temp A1 (DMG) angefertigt. Sie wurden sich rasch an die veränderte Form des mit einer Schicht Palaseal® (Heraeus Kul- Zahns gewöhnt hatten. Weil mit der Prä- zer, South Bend, IN, USA), einem glän- paration und der Insertion der Provi- zenden Prothesenlack, überzogen. Durch sorien bereits eine nahezu perfekte Sym- seine feine Lichtdiffusion wirken die Pro- metrie visorien angenehm und natürlich. Auf erzielt worden war, wurde gemeinsam diese Art erhalten die Patienten einen mit der Patientin festgestellt, dass eine Eindruck von dem möglichen Endergeb- Korrektur des Gingivaverlaufs keine we- nis, da sie unseren möglichst überzeu- sentliche Verbesserung mehr bewirken genden „Vorschlag“ für eine maximale konnte. Außerdem wurden ein der zentralen Schneidezähne Ästhetik ein paar Tage lang tragen könalle Befürchtungen darüber zerstreut, Eingliederung der definitiven Versorgung dass die Zähne zu groß oder zu lang Wenn sich der Patient an das Proviso- sein könnten. Dies ist auch für den Zahn- rium gewöhnt hat und mit der Ästhetik techniker von Nutzen, weil er sieht, wo zufrieden ist, kann die definitive Versor- noch Korrekturen erforderlich sind. Im gung eingegliedert werden. Jetzt konnte vorliegenden Fall verbesserte eine ge- der Zahntechniker am Modell ein Meis- ringfügige Verlängerung des Zahns 22 terstück präsentieren, da es eine beson- den Übergang zum Zahn 23. Diese tem- dere Herausforderung darstellt, perfekte nen. Normalerweise sind anschließend 256 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 STEUER Veneers und Vollkeramikkronen nebeneinander anzufertigen. Nicht ohne Grund fordern manche Autoren 9, dass die Veneers zuerst adhäsiv befestigt werden sollen und anschließend eine neue Auswahl des Farbtons für die Kronen erfolgt. Im vorliegenden Fall konnte außerdem nur schwer vorhergesagt werden, wie sehr der präparierte Zahnstumpf durch die Veneers durchscheinen würde. Wenn die Veneers und die Kronen mit dem gleichen Keramikmaterial auf einem Abb. 8 Ungesägtes Präparationsmodell. Abb. 9 Restaurationen auf dem Modell. ® e.max -Gerüst (Oral Arts Dental laboratories, Huntsville, AL, USA) verblendet werden, ist das Problem etwas leichter zu lösen – womit jedoch die Leistung des Zahntechnikers nicht herabgesetzt werden soll (Abb. 8 bis 10)10. Bei allen Verfahren in der Praxis des Autors wird ein striktes Protokoll eingehalten, das die Eingliederung der Versorgungen einschließt. Im Anschluss an die Betäubung, die Entfernung des Provisoriums und die sorgfältige Reinigung der präparierten Zahnstümpfe mit Bimssteinpulver und Plak-Out-Gel (Chlorhexidinprodukt, hergestellt von Kerrhawe SA, Zona Strecce, Bioggio) werden die Kronen und Veneers positioniert und die Ränder und Kontaktpunkte sowie die definitiven Positionen überprüft. Dann wird die Länge in Relation zu den Nachbarzähnen und den Antagonisten geschätzt. Wenn alles perfekt ist, wird Wasser auf und unter die Veneers und die Kronen gesprüht, damit der Farbton beurteilt werden kann. Wasser ist ein ideales Medium für die Lichtbrechung. Kommerzielle Pasten für die Einprobe hingegen maskieren die Farbe des präparierten Zahnstumpfs stärker als ein Kleber. Das Ergebnis kann der Patient im Spiegel beurteilen. Abb. 10 Veneers und Kronen nebeneinander. 257 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 TREATMENT OUTCOME Abb. 11 Prüfung der Okklusion. Abb. 12 Habituelle Okklusion mit den neuen Zäh- nen. Abb. 13 Endgültige Ansicht der Frontzähne. Abb. 14 Sehr gute Adaption der Gingiva. Wenn der Patient und das Team mit dem (3M ESPE) adhäsiv befestigt. Nach 2 Ergebnis zufrieden sind, beginnt die Sekunden punkthärten wurde das über- adhäsive Befestigung. Im vorliegenden schüssige, noch leicht gelartige Kompo- Fall bestand der erste Schritt darin, dass sitmaterial entfernt. Die endgültige Aus- Retraktionsfäden der feinsten Dicke in härtung erfolgte nach dem Auftragen den Sulkus eingelegt wurden. Die Nach- eines Sauerstoff-Inhibitions-Gels. Die ge- barzähne wurden isoliert, und die Zähne, naue Passung der Veneers beugt einer die die Veneers erhalten sollten, wurden Beschädigung des Klebers an den Rän- mit 37 % Phosphorsäure konditioniert dern vor. Auch die e.max-Kronen wurden und mit A.R.T. Bond (Coltène/Whaledent, mit Flusssäure, Phosophorsäure und Silan Langenau, Deutschland) präpariert und behandelt. Sie wurden mit dem selbstad- dann gehärtet11. Die Veneers wurden mit häsiven Befestigungszement 11–13 RelyX™ befestigt. Er wur- Flusssäure, Phosphorsäure und Silan Unicem (3M ESPE) behandelt und dann mit Filtek™ Flow A1 de zunächst für 10 Sekunden gehärtet, 258 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 STEUER Abb. 15 Veneers und Kronen mit perfektem Farbton. Abb. 16 Labiale Ansicht mit entspannten Lippen. Abb. 18 und 19 Abb. 17 Ein natürliches Lächeln. Das Behandlungsergebnis ist eindrucksvoll. 259 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 TREATMENT OUTCOME dann wurde das überschüssige Material Diskussion entfernt. Die Retraktionsfäden wurden entfernt und die Ränder auf restlichen „Die Form folgt der Funktion“ – das gilt Zement geprüft. Die Interproximalberei- auch heute noch. Jedes Mal, wenn ein che wurden mit Zahnseide auf Durch- Behandlungskonzept erstellt wird, muss gängigkeit geprüft und die Okklusion gefragt wurde kontrolliert. Im vorliegenden Fall Erkrankung bzw. der Verlust der okklusa- wurde besonders die Protrusion geprüft. len Höhe oder der Ästhetik eintreten konn- Sie wurde genau in der korrekten Relati- te. Es ist offensichtlich, dass eine Prognose on zu den unteren Schneidezähnen ge- nur vor dem Hintergrund der Ätiologie des fräst, da aufgrund von elongierten Front- aktuellen Zustands gestellt werden kann. zähnen häufig Interferenzen auftreten. Da Da anfänglich eine genaue funktionelle die Behandler gemäß dem Behand- Analyse erfolgte, wurde angenommen, lungskonzept die unteren Frontzähne dass der frühe Verlust des Zahns 36 und aber bereits gekürzt hatten, konnten un- die Verlängerung des Zahns 48 zu einer bedenklich noch Feinanpassungen erfol- einseitigen Bissanpassung geführt hatten, gen. Wie in Abbildung 11 zu sehen ist, die wiederum den Abrieb der Zähne und wurde eine akzeptable Frontzahnführung den Verlust der okklusalen Höhe verur- erzielt. Mithilfe eines Spiegels wurde der sacht hatte. Die unzulängliche Restaurati- Patientin ausführlich erklärt, warum ihr on der beiden oberen Frontzähne, die Zahnfleisch gereizt war. Zusätzlich erhielt wegen eines Unfalls erfolgt war, und die sie Anweisungen zur Mundhygiene, vor Verlängerung der unteren Frontzähne hat- allem zum Gebrauch der Zahnseide. ten sicher zu der schlechten ästhetischen Außerdem wurde sie gebeten, sehr sorg- Situation beigetragen. Es war schwer zu fältig zu kauen, damit die Muskeln sich sagen, inwiefern zusätzliche Faktoren wie der neuen Situation anpassen konnten. Bruxismus, Haltungsschäden der Halswir- Da die Zähne der Provisorien normaler- belsäule oder bestimmte Gewohnheiten weise genauso lang sind wie die der sich ausgewirkt hatten. Deshalb müssen definitiven Versorgung, gewöhnen die die wichtigsten funktionellen Parameter, Patienten sich meist rascher an die defi- wie die vertikale Dimension, die Okklusi- nitive Versorgung. Es wurde noch ein onsebene, die effektive Okklusion, die Termin für eine abschließende Prüfung in Referenzposition der Kondylen und die zwei Wochen vereinbart. In dieser Sit- Kieferrelation untersucht und berücksich- zung wurde die Patientin gefragt, ob sie tigt werden14. werden, warum und wie die mit der Versorgung zufrieden war und ob Bestes Ziel einer Behandlung ist es, ihr ihr Aussehen gefiel. Außerdem wur- eine Klasse-I-Verzahnung zu erreichen, den noch einmal die Ränder sowie die dies ist immer die sicherste Variante. Eine Länge und die Okklusion geprüft und Klasse-II-Bisslage belastet die oberen Fotos von der endgültigen Situation ge- Frontzähne stark und führt vielleicht zu macht. Die Patientin war von der Ästhetik, weiterer Kippung dieser Zähne und zu aber auch von der Funktion und der parodontalen Schäden. Durch die Ver- guten Anlagerung an das Zahnfleisch kürzung der unteren Frontzähne um etwa begeistert19. 1,5 mm und die Entfernung des elongier- 260 THE EUROPEAN JOURNAL OF ESTHETIC DENTISTRY JAHRGANG 4 • NUMMER 3 • HERBST 2009 STEUER ten Zahns 48 waren die Frontzähne weniger belastet. So konnten die Gesichtsmuskeln zusätzlich stabilisierend wirken. Außerdem wurde dadurch der Disokklusionswinkel erheblich reduziert, was die Kaukraft verstärkte. Die umfassende Behandlungsalternative mit kieferorthopädischer Behandlung und Korrektur der Bisslage zu einer Klasse I mit anschließender Erhöhung der Bisslage hätte eigene Schwierigkeiten mit sich gebracht. Die Rezidivgefahr darf nicht unterschätzt werden und langfristig wären Retainer17 notwendig geworden. Außerdem hätte sich durch eine Bisshebung die Klasse-II-Bisslage verschlimmert. Aus medizinischer Sicht ist es akzeptabel, einen Patienten ohne Veränderung der Bisslage zu behandeln, wenn der Zahnhalteapparat gesund, die Situation funktionell stabil ist und langfristig eine gute Prognose erwartet werden kann. Natürlich können sich die Umstände für die Patientin ändern und Bruxismus, Haltungsveränderungen, Muskelschäden, Migration von Zähnen und parodontale Entzündungen auftreten. In diesem Fall müsste die Patientin zusätzlich eine Schiene tragen, um die Okklusionshöhe zu stabilisieren. Darüber war sie vor der Behandlung informiert worden. Die rasche Integration der neuen Frontzähne deutete allerdings auf eine hervorragende Prognose hin. Danksagung Die Restaurationen wurden von dem Zahntechnikermeister Claus Diemer, Essen, Deutschland angefertigt. Literatur 1. Ubassy G. Analysis – The New Way in Dental Communication. Fuchstal: CT-Verlag, 1992. 2. Bumann A, Lotzmann U. Farbatlanten der Zahnmedizin Band 12: Funktionsdiagnostik und Therapieprinzipien. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 1999. 3. Jankelson, RR. Neuromuscular dental diagnosis and treatment. St Louis: Ishiyaku EuroAmerica, 1990. 4. Lang NP, Tonetti MS. Periodontal diagnosis in treated periodontitis. Why, when and how to use clinical parameters. J Clin Periodontol 1996;23:240-250. 5. Gunay H, Seeger A, Tschernitschek H, Geurtsen W. 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