wissenschaft & praxis Die „Neue Grippe“ – die wichtigsten Informationen Wer zählt zur ­Risikogruppe? Schwangere und Personen mit Grunderkrankungen werden zur Das Gesundheitsministerium hat eine neue Leitlinie zum VersorRisikogruppe gezählt. gungs- und Ablaufschema im Rahmen einer Influenza A/H1N1Erhöhtes Risiko besteht bei Erkrankungen wie Infektion herausgegeben. chronischen LungenDie neue pandemische Grippe vom Influenzavi- krankheiten, chronischen und akuten Herzkrankheiten, rus Typ A/H1N1 trat das erste Mal im April Stoffwechselerkrankungen, neurologischen Erkrankungen, 2009 in Mexiko und den USA auf. Das neue Störungen des Immunsystems, aktiven malignen Erkrankunwissenschaft & praxis Influenzavirus zeichnet sich durch eine geneti- gen, zystischer Fibrose und Sichelzellanämie. Kinder unter zehn Jahren bilden eine eigene Risikogrupsche Neukombination aus. Es setzt sich aus Genen eines Schweine-, Human- und eines Vogel-Influenzavirus zu- pe, die in der Regel ambulant behandelt wird. sammen. Anders als das Vogelgrippevirus (H5N1), das nur in seltensten Fällen innerhalb der Humanspezies übertragen Wie erfolgt die Behandlung? werden kann, kann das „Neue Grippe“-Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden. Der Krankheitsverlauf ist meist Bei Verdachts- und Erkrankungsfällen wird im Idealfall mild. Ein schwerer Verlauf ist nur bei Personen mit chroni- sofort – spätestens aber innerhalb von 48 Stunden nach Erschen Erkrankungen bekannt. Seit Juni 2009 ist die Warnstu- krankungsbeginn – eine antivirale Therapie gestartet. Dafür fe von der WHO auf die höchste Stufe gesetzt worden, der stehen derzeit zwei Medikamente der Wahl zur Verfügung: Pandemiefall ist eingetreten und somit der Startschuss für die Tamiflu® und Relenza®. Bei diesen beiden Medikamenten einzelnen Länder, ihre Sicherheitssysteme zu starten. handelt es sich um die Neuraminidasehemmer Oseltamivir Seit April 2009 sind in Österreich über 300 Fälle der und Zanamivir. Sie blockieren die Neuraminidase des Influneuen Grippe, der Influenza Typ H1N1, bestätigt worden. enzavirus und unterbrechen somit die Infektion. Zusätzlich Die Übertragung fand primär außerhalb des Landes statt, können mit weiteren Medikamenten die Symptome behanund schwerwiegende Verläufe konnten bisher noch verhin- delt werden. dert werden. Doch wie geht es weiter, steht doch die kalte Eine Prophylaxe mit diesen beiden antiviralen MedikaJahreszeit bevor und somit die saisonale Influenzasaison? menten ist nicht empfohlen. Ausnahme bilden immunsuppriWird es einen rasanten Anstieg der Fälle geben? Wird es mierte Personen, die in Kontakt mit einem Erkrankten waren gefährlichere Reassortanten mit den anderen zirkulierenden und noch keine Symptome entwickelt haben. Influenzastämmen geben? Keiner kann genau sagen, wie sich Bisher war es üblich, alle Influenza-Fälle auf einer eigedie „Neue Grippe“ weiterentwickelt, aber der Staat Öster- nen Station im Krankenhaus zu isolieren und jede weitere reich hat alle notwendigen Vorkehrungen getroffen. Behandlung stationär durchzuführen. Sehr wichtig ist es aber, die Person zu isolieren, um die weitere Verbreitung der „Neuen Grippe“ einzudämmen. Da die „Neue Grippe“ Wie erkennt man die „Neue Grippe“? meist keinen schweren Verlauf hat, sondern auch zuhause Die Übertragung der „Neuen Grippe“ erfolgt über Tröpf- auskuriert werden kann, wurde bei milden Fällen auf die Heimquarantäne umgestellt. Schwere Verlaufsformen werchen- und/oder Schmierinfektion. Im Falle einer Influenza den jedoch weiterhin im Krankenhaus behandelt. kommt es zu einem rasanten Fieberanstieg auf über 38°C. Des Weiteren treten starke Muskel-, Glieder- und Kopfschmerzen auf. Halsschmerzen und Atemwegsbeschwerden Was versteht man unter Heimquarantäne? wie Husten sind auch typische Symptome. Wenn man zudem Unter Heimquarantäne versteht man das Verbleiben in noch in engem Kontakt mit einer infizierten Person war oder der eigenen Wohnung. Dies geschieht zur Vermeidung der aus einer stark betroffenen Region kommt (siehe http://ecdc. Weiterverbreitung der Erkrankung. Während der mindestens europa.eu/), ist es notwendig, auf alle Fälle eine/n Allgemein- sieben Tage dauernden Heimquarantäne wird die BehandmedizinerIn oder eine Krankenanstalt aufzusuchen, wobei lung mit Neuraminidasehemmern durchgeführt. Im Falle der darauf zu achten ist, große Menschenansammlungen zu „Neuen Grippe“ verläuft die Erkrankung meist komplikativermeiden, um die Verbreitung zu minimieren. onslos und dadurch ist die Heimquarantäne möglich. Alle vorständigen Verdachtsfälle werden in vom restliBei der Heimquarantäne ist darauf zu achten, dass der/ chen Betrieb getrennten Warteräumen separiert. Während die Erkrankte in nur unbedingt notwendigen Fällen, z.B. der Untersuchung ist das Personal verpflichtet, persönliche zum Arztbesuch, die Wohnung verlässt und Kontakte zu Schutzausrüstung und zumindest eine OP-Maske zu tragen, anderen Personen möglichst vermeidet. Das heißt, dass z.B. um auch den notwendigen Selbstschutz zu gewährleisten. öffentliche Transportmittel und Menschenansammlungen Zusätzlich wäre es ratsam, die geltenden Hygienevorschrif- unbedingt gemieden werden müssen, um die weitere Verten, wie zum Beispiel Händedesinfektion und Oberflächen- breitung zu verhindern. Für Risikogruppen wäre es ratsam, desinfektion, aufs Genaueste einzuhalten. den Kontakt zu Erkrankten wenn möglich vollständig zu 25 26 wissenschaft & praxis Diese Diagnostik wird in Österreich in der Referenzzentrale für Influenza, Institut für klinische Virologie der Medizinischen Universität Wien, durchgeführt. Weiters können dort auch Spezialtests wie Resistenzbestimmung oder Sequenzierung durchgeführt werden. Probenentnahme und Versand (Quelle: CDC) unterlassen. Im Falle einer Verschlechterung der Erkrankung ist es unbedingt notwendig, eine/n ÄrztIn zuzuziehen, der/die über die weitere Vorgehensweise entscheidet. Meldepflicht Im Falle eines Verdachts- oder Erkrankungsfalles mit dem neuen H1N1-Virus besteht Meldepflicht an die Gesundheitsbehörde. Die eingehenden Meldungen werden in das epidemiologische Meldesystem eingetragen. Labordiagnose Alle Verdachtsfälle, die in engem Kontakt mit einer infizierten Person gestanden sind, werden automatisch als infiziert angesehen. In diesem Fall erfolgt keine spezifische Labordiagnostik und es wird sofort mit der Behandlung gestartet. Bei den restlichen Verdachtsfällen wird ein NasenRachenabstrich oder alternativ respiratorisches Sekret oder Rachenspülflüssigkeit entnommen und mittels spezifischer Labordiagnostik (PCR) getestet. Die Entnahme des Nasen-Rachenabstrichs erfolgt mittels sterilem Tupfer, der anschließend in 0,5-1ml steriler, physiologischer Kochsalzlösung ausgedrückt wird. Zuerst wird der Rachenabstrich entnommen. Der Tupfer wird in der Flüssigkeit ausgespült und anschließend für den Nasenabstrich verwendet. Beim Nasenabstrich ist darauf zu achten, dass man den Tupfer soweit als möglich in die Nasenöffnung einführt und mit drehenden Bewegungen Material abnimmt. Der Tupfer wird in der Flüssigkeit ausgespült und ausgepresst und entfernt. Bei der Entnahme von Rachenspülflüssigkeit muss der/ die PatientIn mit 5-10ml physiologischer Kochsalzlösung gurgeln. Anschließend wird die Gurgelflüssigkeit in einem verschraubbaren Gefäß aufgefangen. Die Flüssigkeit wird für den Versand vorbereitet, indem sie dreimalig in Transportgefäßen verpackt wird (laut IATA-Dangerous Goods Regulations-Verpackungsverordnung 650). Die Verpackung muss mit der Kennzeichnung UN3373 versehen werden, da die Proben der „Biologischen Substanz Kategorie B“ zuzuordnen sind. Bei langen Transportstrecken ist ein gekühlter Transport zu empfehlen. Österreichischer Influenza-Pandemieplan in Zahlen Am Effektivsten gegen eine Influenzaerkrankung schützt eine Impfung, die spezifisch gegen den Pandemiestamm entwickelt wurde. Eine Produktionsstätte zur Entwicklung eines auf Zellkulturen (Vero-Zellen) produzierten Impfstoffes steht bereit. Durch diese moderne Methode kann die Produktion des Impfstoffes auf wenige Monate verkürzt werden. Im Fall des Falles steht ein Impfstoffkontingent für acht Millionen Menschen zur Verfügung. Seit Ausrufung des Pandemiefalles durch die WHO ist die Entwicklung des Impfstoffes am Laufen. Weiters wurde ein Vorrat an antiviralen Medikamenten angelegt, mit dem ca. vier Millionen Menschen therapiert werden können. Es stehen auch ca. acht Millionen Schutzmasken zur Verfügung, die im Bedarfsfall sofort verteilt werden können. n Quellen: Merkblatt des Österreichischen Bundesministeriums für ­Gesundheit „Influenza A (H1N1) – Neue Grippe Heim­ quarantäne“ Rundschreiben des Österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit „Influenza A (H1N1) – Mitigation Stufe 1“ Weitere Informationen: www.bmg.gv.at www.virologie.meduniwien.ac.at www.who.int/csr/disease/swineflu/en/index.html www.emea.europa.eu Nicole Ferstl Biomedizinische Analytikerin AVIR Green Hills Biotechnology AG [email protected]