Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007

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Psychiatrische und psychotherapeutische
Versorgung 2007
Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit
Ein Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbH
Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
Eine Iststand-Erhebung mit einem Sonderkapitel zur BGKK
Alexander Eggerth
Joachim Hagleitner
Berthold Reichardt (BGKK)
Projektassistenz:
Menekse Yilmaz
Wien, im Mai 2010
Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit
Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Gesundheit Österreich GmbH, Stubenring 6,
1010 Wien, Tel. +43 1 515 61, Fax 513 84 72, E-Mail: [email protected],
Homepage: www.goeg.at
Der Umwelt zuliebe:
Dieser Bericht ist auf chlorfrei gebleichtem Papier
ohne optische Aufheller hergestellt.
Kurzfassung
Die psychosoziale Versorgung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt,
gekennzeichnet durch den Abbau stationärer Kapazitäten einerseits und den Aufbau
außerstationärer Angebote andererseits. Die gemeinsame Planung stationärer und
ambulanter Angebote wird deshalb immer wichtiger. Planungsgrundlagen und Datenauswertungen, die beide Versorgungsbereiche gemeinsam berücksichtigen, waren
allerdings bislang kaum verfügbar. Der vorliegende Bericht ist das Ergebnis eines
Pilotprojekts der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) und der Burgenländischen
Gebietskrankenkasse (BGKK) zur gemeinsamen Darstellung der psychosozialen Versorgung im stationären und im ambulanten Sektor. Dabei werden folgende Aspekte
berücksichtigt:
»
»
»
der stationäre Bereich, aufgegliedert in psychiatrische
und andere Abteilungen,
der Bereich der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit Verschreibungsdaten
zu ausgewählten Psychopharmaka und Daten zu ärztlichen psychotherapeutischen
Leistungen,
der Bereich der ganz oder teilweise kassenfinanzierten Psychotherapie
durch Psychotherapeutinnen und -therapeuten.
Insgesamt 0,8 Prozent der Versicherten in Österreich wurden im Jahr 2007 mit einer
psychiatrischen Hauptdiagnose stationär behandelt, darauf waren in diesem Jahr rund
5 Prozent aller Krankenhausaufenthalte in Österreich zurückzuführen. Die Auswertung
der Daten der BGKK zeigt das Verhältnis der Inanspruchnahme zwischen stationären
und ambulanten Angeboten im psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Bereich.
Weniger als 1 Prozent der BGKK-Versicherten wurde im Jahr 2007 stationär wegen
einer F-Hauptdiagnose behandelt, davon rund die Hälfte an PSY-Abteilungen. Rund
9 Prozent der Versicherten bekamen ein Antidepressivum verschrieben, etwas über
5 Prozent Antipsychotika.
Insgesamt 3,4 Prozent der Versicherten der BGKK nahmen (voll oder teilweise) kassenfinanzierte psychotherapeutische Leistungen in Anspruch. 85 Prozent der Patientinnen
und Patienten wurden von Medizinerinnen und Medizinern mit einer Facharztausbildung in Psychiatrie/Neurologie und PSY-III-Diplom behandelt, die restlichen
15 Prozent durch niedergelassene Psychotherapeutinnen und –therapeuten. Im Schnitt
erhielten die Patientinnen und Patienten bei Medizinerinnen und Medizinern mit einer
Facharztausbildung in Psychiatrie/Neurologie und PSY-III-Diplom rund achtzig Minuten an Gesprächseinheiten pro Jahr. Patientinnen und Patienten, die vollfinanzierte
Psychotherapie bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten in Anspruch nahmen, kamen im Schnitt auf acht Stunden und vierzig Minuten Psychotherapie im Jahr. Die höchste Anzahl an Stunden war bei jenen Patientinnen und Patienten
Kurzfassung
III
zu verzeichnen, die einen Kostenzuschuss von der BGKK erhielten (rund zwölf Stunden
pro Jahr).
Der Vergleich der Inanspruchnahme nach Altersgruppen zeigt Unterschiede zwischen
den einzelnen therapeutischen Angeboten. Mit zunehmendem Alter der Patientinnen
bzw. Patienten steigt die Inanspruchnahme der Angebote von Ärztinnen und Ärzten,
die psychotherapeutische Leistungen mit dem SV-Träger verrechnen können.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die gemeinsame Betrachtung der Routinedaten aus den einzelnen psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Bereichen
Fragestellungen aufwirft, die bei einer separaten Betrachtung nicht weiter auffallen
würden. Es wird daher empfohlen, zukünftig diese Daten im Rahmen eines Monitorings
regelmäßig zu erheben, um einerseits eine wesentliche Datenbasis für die Versorgungsplanung zu erhalten und andererseits Forschungsbedarf aufzeigen zu können.
IV
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis ..................................................................................................... VI Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. VIII 1 Einleitung ........................................................................................................... 1 2 Methodik ............................................................................................................ 3 2.1 Analysen zum stationären Sektor ........................................................... 3 2.2 Analysen zum ambulanten Sektor .......................................................... 4 2.3 Grenzen der Methodik ............................................................................ 4 3 Stationäre Aufenthalte aufgrund psychischer Erkrankungen
in Österreich ...................................................................................................... 5 3.1 Übersicht ................................................................................................ 5 3.2 Diagnosen der Patientinnen und Patienten ............................................. 5 3.3 Hauptdiagnosen und Belagstage ............................................................ 7 4 Stationäre Aufenthalte an psychiatrischen Abteilungen ...................................... 9 4.1 Übersicht ................................................................................................ 9 4.2 Diagnosen der Patientinnen und Patienten ............................................. 9 4.3 Hauptdiagnosen und Belagstage .......................................................... 11 4.4 Patientinnen und Patienten mit somatischen Hauptdiagnosen
an PSY-Abteilungen ............................................................................. 13 4.5 Altersgruppen ...................................................................................... 14 5 Stationäre Aufenthalte an nicht-psychiatrischen Abteilungen ........................... 16 6 Inanspruchnahme der ambulanten psychosozialen Versorgung
am Beispiel der BGKK ....................................................................................... 18 6.1 Beschreibung der Versicherten-Population und stationäre
Aufnahmen wegen F-Hauptdiagnosen.................................................. 19 6.2 Antidepressiva- und Antipsychotika-Verordnungen ............................. 20 6.3 Kassenfinanzierte Psychotherapie ........................................................ 23 6.4 Psychotherapie und Psychopharmaka ................................................... 27 7 Psychotherapie und verordnete Packungen Psychopharmaka ........................... 29 8 Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................... 30 9 Literatur ........................................................................................................... 32 Inhalt
V
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3.1:
Die häufigsten F-Hauptdiagnosen in österreichischen
Krankenanstalten im Jahr 2007 ........................................................... 7 Tabelle 4.1:
Die häufigsten F-Hauptdiagnosen in PSY-Abteilungen
im Jahr 2007 ..................................................................................... 11 Tabelle 5.1:
Anteil der Aufenthalte an PSY-Abteilungen im Vergleich
zu Gesamt-Aufenthalten wegen F-Hauptdiagnosen .......................... 17 Tabelle 6.1:
Inanspruchnahme ausgewählter Leistungen bei Patientinnen
und Patienten der BGKK .................................................................... 19 Tabelle 6.2:
Inanspruchnahme einzelner voll kassenfinanzierter Psychotherapieleistungen durch Patientinnen und Patienten der BGKK .......... 24 Tabelle 6.3:
Inanspruchnahmen Pharmakotherapie und Psychotherapie ............... 27 Tabelle 7.1:
Anzahl der verordneten Packungen ................................................... 29 VI
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 3.1: Anzahl der Aufenthalte in österreichischen Krankenanstalten
wegen F-Hauptdiagnosen im Jahr 2007
nach Diagnosegruppen und Geschlecht............................................... 6 Abbildung 3.2: Anzahl der Aufenthalte in österreichischen Krankenanstalten
wegen F-Hauptdiagnosen im Jahr 2007
nach Diagnosegruppen und Geschlecht............................................... 8 Abbildung 4.1: Anzahl der Aufenthalte in PSY-Abteilungen
wegen F-Hauptdiagnosen im Jahr 2007
nach Diagnosegruppen und Geschlecht............................................. 10 Abbildung 4.2: Anzahl der Aufenthalte in PSY-Abteilungen
wegen F-Hauptdiagnosen im Jahr 2007
nach Diagnosegruppen und Geschlecht............................................. 12 Abbildung 4.3: Anzahl der Aufenthalte in PSY-Abteilungen im Jahr 2007
wegen somatischer Hauptdiagnosen
nach Diagnosegruppen und Geschlecht............................................. 14 Abbildung 4.4: Anteil der Altersgruppen bei Aufenthalten
in PSY-Abteilungen wegen F-Hauptdiagnosen
nach Geschlecht ................................................................................ 15 Abbildung 5.1: Verteilung der Aufenthalte wegen F-Hauptdiagnosen
(n = 112.765) nach Abteilungen ....................................................... 16 Abbildung 6.1: Anzahl der Patientinnen und Patienten der BGKK
mit Antidepressivaverordnungen nach Altersgruppen ....................... 21 Abbildung 6.2: Anzahl der Patientinnen und Patienten der BGKK
mit Antipsychotikaverordnungen nach Altersgruppen ....................... 22 Abbildung 6.3: Durchschnittliche Dauer der Inanspruchnahme
der einzelnen psychotherapeutischen Angebote im Jahr 2007
in Minuten nach Altersgruppen ......................................................... 25 Abbildung 6.4: Vergleich der einzelnen psychotherapeutischen Angebote
nach Patientinnen-bzw. Patientenzahl pro Jahr
und Altersgruppen ............................................................................ 26
Inhalt
VII
Abkürzungsverzeichnis
BGKK
BMG
bzw.
DLD
et al.
GÖG/ÖBIG
HVSVT
ICD-10
IPR
LKF
ÖSG
PSY-Abt.
QGIS
RSG
usw.
vgl.
z. B.
VIII
Burgenländische Gebietskrankenkasse
Bundesministerium für Gesundheit
beziehungsweise
Diagnosen- und Leistungsdokumentation
und andere
Gesundheit Österreich GmbH / Geschäftsbereich ÖBIG
Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger
International Statistical Classification of Diseases
and Related Health Problems, 10. Revision
Institut für Psychotherapie im ländlichen Raum
Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung
Österreichischer Strukturplan Gesundheit
LKF-Abteilungsgruppen Psychiatrie und Neurologie (61),
Psychiatrie (62) und Kinder-Neuropsychiatrie (64)
Gesundheitsinformationssystem der GÖG
Regionaler Strukturplan Gesundheit
und so weiter
vergleiche
zum Beispiel
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
1 Einleitung
Hintergrund und Ziele des Projekts
Der vorliegende Bericht ist das Ergebnis eines Pilotprojekts zur gemeinsamen Darstellung des Iststandes der psychosozialen Versorgung im stationären und im ambulanten
Sektor. Dabei werden folgende Aspekte berücksichtigt:
»
»
»
der stationäre Bereich, aufgegliedert in psychiatrische Abteilungen
und andere Abteilungen,
der Bereich der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit Verschreibungsdaten
zu ausgewählten Psychopharmaka und Daten zu ärztlichen psychotherapeutischen
Leistungen,
der Bereich der ganz oder teilweise kassenfinanzierten Psychotherapie
durch Psychotherapeutinnen und -therapeuten.
Die Motivation für dieses Projekt besteht in folgenden Momenten:
1.
2.
3.
4.
5.
Die psychosoziale Versorgung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt,
gekennzeichnet durch den Abbau stationärer Kapazitäten einerseits und den Aufbau außerstationärer Angebote andererseits. Die gemeinsame Planung stationärer
und ambulanter Angebote wird deshalb immer wichtiger. Planungsgrundlagen und
Datenauswertungen, die beide Versorgungsbereiche gemeinsam berücksichtigen,
sind allerdings kaum verfügbar.
Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) ist in Planungsprojekten (ÖSG, RSG usw.)
zusehends gefordert, stationäre und ambulante Angebote gemeinsam zu planen,
was die psychosoziale Versorgung aufgrund der Angebotsvielfalt besonders betrifft. Daher ist es notwendig, verstärkt aktuelle Datenauswertungen verfügbar
zu haben, die für die unterschiedlichen Planungsaufgaben herangezogen werden
können.
Für den vorliegenden Bericht wurden von einem Sozialversicherungsträger
(Burgenländische Gebietskrankenkasse, BGKK) und von der GÖG exemplarische
Auswertungen bewerkstelligt. Damit sollte gezeigt werden, welche Einblicke die
Gegenüberstellung der unterschiedlichen Daten ermöglicht und was die beiden
Kooperationspartner voneinander lernen können.
Das Pilotprojekt wurde so angelegt, dass auch in den Folgejahren Auswertungen
mit denselben Parametern vorgenommen werden können. Auf diese Weise soll eine
Zeitreihe geschaffen werden, die jährlich mit geringem Aufwand aktualisiert werden kann.
Auswertungen von Routinedaten zur Analyse der Inanspruchnahme von bestimmten Versorgungsleistungen können und sollen epidemiologische Studien keinesfalls ersetzen. Es sollte über die Routinedaten aber zumindest möglich sein, Hinweise auf mögliche epidemiologische Trends ableiten zu können.
Kapitel 1 / Einleitung
1
6.
Die Vielzahl an wichtigen Detailprojekten zur psychosozialen Versorgung an der
GÖG stellt aus der Sicht der Angebotsplanung jedoch „Stückwerk“ dar und sollte
daher durch einen bislang fehlenden wichtigen Baustein erweitert werden: die kontinuierliche Beobachtung der Inanspruchnahme der psychosozialen Versorgung.
Neben dem übergeordneten Ziel, möglichst einen Gesamtüberblick über die psychosoziale Versorgung zu gewinnen und aussagekräftige Kenngrößen zu generieren,
verfolgte das Projekt folgende Subziele:
»
»
»
»
»
»
»
2
Entwicklung und Darstellung aussagekräftiger Kennzahlen
zur Inanspruchnahme psychosozialer Leistungen,
Schaffung der Basis für eine Zeitreihe (Trends),
Schaffung einer Basis für Versicherungsträger und Planer hinsichtlich weiterer
Bedarfsabschätzungen und Planungen (Identifikation von möglichen Optimierungspotenzialen),
Rückschlüsse für die Epidemiologie,
Aufdecken von Problemfeldern der Versorgung,
Basis für qualitätssichernde Maßnahmen sowie für die Optimierung
bereits vorhandener Steuerungsmechanismen,
Aufzeigen von Forschungsbedarf.
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
2
Methodik
Zu Projektbeginn wurde mit Vertreterinnen und Vertretern der BGKK abgeklärt, welche
Auswertungen möglich, sinnvoll und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit
durch die BGKK und die GÖG/ÖBIG durchführbar sind.
2.1 Analysen zum stationären Sektor
Die Daten zur stationär-psychiatrischen Versorgung wurden an der GÖG/ÖBIG mittels
QGIS2-System gewonnen. Die Daten für dieses System stammen aus der Diagnosenund Leistungsdokumentation (DLD) der österreichischen Krankenanstalten und werden
der GÖG/ÖBIG vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Verfügung gestellt.
Die DLD umfasst unter anderem die Dokumentation jedes einzelnen stationären
Aufenthaltes. Zu jedem Aufenthalt gibt es Informationen über die Patientin bzw. den
Patienten sowie zu den gestellten Diagnosen, zu den belegten Abteilungen und der
Belagsdauer. Einschränkend ist anzumerken, dass ein Aufenthalt erst nach der Entlassung dokumentiert wird, alle Informationen beziehen sich daher auf den Wissensstand
zum Zeitpunkt der Entlassung. Das heißt auch, dass es keine Information über eine
Aufnahmediagnose gibt. Verlegungen zwischen Abteilungen innerhalb einer Krankenanstalt werden nicht als eigene Aufenthalte gewertet. Erst im Falle der Verlegung in
eine andere Krankenanstalt entsteht ein neuer Aufenthalt. Wenn eine Patientin bzw. ein
Patient entlassen und nach ein paar Tagen wieder aufgenommen wird, werden zwei
Aufenthalte gezählt.
Die Auswertungen aus dem stationären Bereich beziehen sich auf Fondskrankenanstalten, Unfallkrankenhäuser und Sanatorien. Stationäre Rehabilitationseinrichtungen und
Sonderkrankenanstalten wurden in der vorliegenden Auswertung nicht berücksichtigt,
da der Fokus einerseits auf die Akutversorgung gelegt wurde und sich andererseits die
Daten aus dem Rehabilitations- bzw. Sonderkrankenanstaltenbereich auf relativ wenige
Personen mit zum Teil extrem langen Aufenthaltszeiten beziehen, was die Ergebnisse
verzerren würde. Weiters wurden Aufenthalte, die weniger als einen Tag dauerten, in
der Auswertung nicht berücksichtigt.
Kapitel 2 / Methodik
3
2.2 Analysen zum ambulanten Sektor
Die Abfragen-Skripts der BGKK wurden gespeichert und können anderen Sozialversicherungsträgern zur Verfügung gestellt werden. Alle Auswertungen im vorliegenden
Bericht beziehen sich auf das Jahr 2007, da zu Untersuchungsbeginn noch nicht alle
Daten für 2008 vorlagen.
2.3 Grenzen der Methodik
Einschränkend ist anzumerken, dass es sich bei den dargestellten Ergebnissen um
Auswertungen aus Routinedokumentations- bzw. Verrechnungssystemen handelt.
Auch wenn diese Systeme mit Erhebungsverfahren, die für rein wissenschaftliche
Zwecke entwickelt wurden, nicht vergleichbar sind, kann davon ausgegangen werden,
dass
die
Datenqualität
für
einen
groben
Überblick
ausreicht.
4
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
3 Stationäre Aufenthalte aufgrund
psychischer Erkrankungen in Österreich
3.1 Übersicht
Im Jahr 2007 wurden 68.781 Patientinnen und Patienten oder 0,8 Prozent der Versicherten aufgrund einer F-Hauptdiagnose nach ICD-10 1 stationär in einem österreichischen Krankenhaus aufgenommen, d. h. sowohl in nicht-psychiatrischen als auch in
psychiatrischen Krankenhäusern und Abteilungen. Von den genannten Patientinnen
und Patienten wurden im Jahr 2007 insgesamt 112.907 Aufenthalte und rund 1,7 Mio.
Belagstage registriert. Die Aufenthalte aufgrund einer F-Hauptdiagnose machten
insgesamt in diesem Jahr fünf Prozent aller Krankenhausaufenthalte aus.
Im Jahr 2007 wurden mehr Patientinnen als Patienten behandelt, der Frauenanteil
betrug 56 Prozent. Pro Aufenthalt waren 15 Belagstage zu verzeichnen. Bedingt durch
Mehrfachaufnahmen bei einem Teil der behandelten Personen, ergibt dies durchschnittlich 24 Belagstage pro Patientin bzw. Patient.
3.2 Diagnosen der Patientinnen und Patienten
Am häufigsten wurden Hauptdiagnosen aus der Gruppe der affektiven Störungen (F30F39) gestellt, gefolgt von psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope
Substanzen (F10-F19) und neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen
(F40-F48) (Abbildung 3.1). Bei Frauen stehen die affektiven Störungen an erster Stelle,
bei Männern die psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
(siehe dazu Abbildung 3.1).
1
ICD-10-Diagnosen F00-F99, Psychische und Verhaltensstörungen
Kapitel 3 / Stationäre Aufenthalte aufgrund psychischer Erkrankungen in Österreich
5
Abbildung 3.1:
Anzahl der Aufenthalte in österreichischen Krankenanstalten wegen
F-Hauptdiagnosen im Jahr 2007 nach Diagnosegruppen und Geschlecht
(F00-F09) Organische, einschließlich
symptomatischer psychischer Störungen
(F10-F19) Psychische und Verhaltensstörungen
durch psychotrope Substanzen
(F20-F29) Schizophrenie, schizotype
und wahnhafte Störungen
(F30-F39) Affektive Störungen
Hauptdiagnosen
(F40-F48) Neurotische, Belastungsund somatoforme Störungen
(F50-F59) Verhaltensauffälligkeiten
mit körperlichen Störungen und Faktoren
(F60-F69) Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
(F70-F79) Intelligenzminderung
(F80-F89) Entwicklungsstörungen
(F90-F98) Verhaltens- und emotionale Störungen
mit Beginn in der Kindheit und Jugend
(F99) Nicht näher bezeichnete psychische Störungen
0
5.000 10.000 15.000 20.000 25.000
Anzahl der Aufenthalte
Frauen
Männer
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
6
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
3.3 Hauptdiagnosen und Belagstage
Die meisten Belagstage pro Patientin bzw. Patient und Jahr werden bei der Schizophrenie (F20) vor Essstörungen (F50) und schizoaffektiven Störungen (F25) verzeichnet
(siehe Tabelle 3.1).
Bei einer detaillierteren Betrachtung der Hauptdiagnosen zeigt sich, dass bei Frauen
die meisten Aufenthalte auf eine depressive Episode (F32) zurückzuführen sind,
gefolgt von rezidivierender depressiver Störung (F33) und psychischer und Verhaltensstörung durch Alkohol (F10).
Bei den Männern werden die meisten Aufenthalte wegen psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol (F10) vor depressiven Episoden (F32) und Schizophrenie (F20)
gezählt (siehe Tabelle 3.1und Abbildung 3.2).
Tabelle 3.1:
Die häufigsten F-Hauptdiagnosen in österreichischen Krankenanstalten im Jahr 2007
Rang*
Aufenthalte
gesamt
Aufenthalte
Männer
(F10) Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol
19.124
13.368
5.756
19,1
2
(F32) Depressive Episode
16.834
5.626
11.208
17,2
3
(F33) Rezidivierende depressive
Störung
9.217
2.661
6.556
24,9
4
(F43) Reaktionen auf schwere
Belastungen und Anpassungsstörungen
7.831
2.961
4.870
15,3
1
Diagnosen
Aufenthalte
Frauen
Belagstage pro
Patient/Jahr
5
(F20) Schizophrenie
7.698
4.529
3.169
50,9
6
(F31) Bipolare affektive Störung
4.670
1.741
2.929
34,4
7
(F41) Andere Angststörungen
4.189
1.400
2.789
11,0
8
(F03) Nicht näher bezeichnete
Demenz
4.173
1.260
2.913
15,2
(F25) Schizoaffektive Störungen
3.710
1.293
2.417
39,3
(F50) Essstörungen
2.467
227
2.240
36,9
32.994
15.752
17.242
112.907
50.818
62.089
9
13
andere Diagnosen
Gesamt
24,2
* nach „Aufenthalte gesamt“, die drei höchsten Werte pro Spalte sind gelb markiert
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Kapitel 3 / Stationäre Aufenthalte aufgrund psychischer Erkrankungen in Österreich
7
Abbildung 3.2:
Anzahl der Aufenthalte in österreichischen Krankenanstalten wegen
F-Hauptdiagnosen im Jahr 2007 nach Diagnosegruppen und Geschlecht
(F10) Psychische und Verhaltensstörungen
durch Alkohol
(F32) Depressive Episode
(F33) Rezidivierende depressive Störung
(F43) Reaktionen auf schwere Belastungen
Hauptdiagnosen
und Anpassungsstörungen
(F20) Schizophrenie
(F31) Bipolare affektive Störung
(F41) Andere Angststörungen
(F03) Nicht näher bezeichnete Demenz
(F25) Schizoaffektive Störungen
(F50) Essstörungen
0
5.000
10.000
15.000
20.000
Anzahl der Aufenthalte
Männer
Frauen
Anmerkung: In der Darstellung sind nur die neun häufigsten F-Hauptdiagnosen
und die Diagnose Essstörung berücksichtigt.
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
8
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
4 Stationäre Aufenthalte
an psychiatrischen Abteilungen
Der folgende Abschnitt behandelt Auswertungen, für die ausschließlich Daten aus dem
psychiatrischen Bereich herangezogen wurden, nämlich aus den LKF-Abteilungsgruppen Psychiatrie und Neurologie (61), Psychiatrie (62) und Kinder-Neuropsychiatrie
(64). Diese Abteilungsgruppen werden im Text unter dem Begriff „PSY-Abteilungen“
zusammengefasst.
4.1 Übersicht
Im Jahr 2007 wurden in Österreich 51.885 Patientinnen und Patienten oder 0,6 % der
Versicherten, in PSY-Abteilungen stationär behandelt. 53 Prozent davon waren weiblich
und 47 Prozent männlich. 86 Prozent wurden wegen F-Hauptdiagnosen nach ICD-10 2
behandelt, bei den restlichen 14 Prozent wurden somatische Hauptdiagnosen dokumentiert. Für die 44.440 Patientinnen und Patienten mit F-Hauptdiagnosen wurden im
Jahr 2007 insgesamt 79.055 Aufenthalte und 1.391.246 Belagstage verzeichnet. Das
entspricht rund 31 Belagstagen pro Patientin bzw. Patient und rund 18 Tagen pro
Aufenthalt.
4.2 Diagnosen der Patientinnen und Patienten
An der in Kapitel 3 beschriebenen Reihung (Abbildung 3.1) der Diagnosegruppen und
an den dabei beobachteten Geschlechterunterschieden ändert sich bei der Auswertung
nach PSY-Abteilungen nichts (siehe Abbildung 4.1). Allerdings werden Patientinnen
und Patienten mit bestimmten Diagnosen fast ausschließlich bzw. zu einem sehr
großen Teil an PSY-Abteilungen behandelt (siehe dazu auch Tabelle 5.1). Bei folgenden
Hauptdiagnosen wird ein Anteil von zumindest 75 Prozent der Aufenthalte an PSYAbteilungen dokumentiert: Schizophrenie (F20), Schizoaffektive Störung (F25), Bipolare
affektive Störung (F31), Rezidivierende depressive Störung (F33), Spezifische Persönlichkeitsstörung (F60) und Reaktion auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43).
2
ICD-10-Diagnosen F00-F99, Psychische und Verhaltensstörungen
Kapitel 4 / Stationäre Aufenthalte an psychiatrischen Abteilungen
9
Abbildung 4.1:
Anzahl der Aufenthalte in PSY-Abteilungen wegen F-Hauptdiagnosen
im Jahr 2007 nach Diagnosegruppen und Geschlecht
(F00-F09) Organische, einschließlich
symptomatischer psychischer Störungen
(F10-F19) Psychische und Verhaltensstörungen
durch psychotrope Substanzen
(F20-F29) Schizophrenie, schizotype
und wahnhafte Störungen
(F30-F39) Affektive Störungen
Hauptdiagnosen
(F40-F48) Neurotische, Belastungsund somatoforme Störungen
(F50-F59) Verhaltensauffälligkeiten
mit körperlichen Störungen und Faktoren
(F60-F69) Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
(F70-F79) Intelligenzminderung
(F80-F89) Entwicklungsstörungen
(F90-F98) Verhaltens- und emotionale Störungen
mit Beginn in der Kindheit und Jugend
(F99) Nicht näher bezeichnete psychische Störungen
0
5.000
10.000
15.000
Anzahl der Aufenthalte
Frauen
Männer
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
10
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
4.3 Hauptdiagnosen und Belagstage
Bei einer detaillierteren Betrachtung zeigt sich, dass bei Aufenthalten von Frauen wegen
F-Hauptdiagnosen die häufigsten Hauptdiagnosen die depressive Episode (F32) vor der
rezidivierenden depressiven Störung (F33), den Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43) und den psychischen und Verhaltensstörungen durch
Alkohol (F10) waren. Bei Aufenthalten von Männern wegen F-Hauptdiagnosen waren es
hingegen die psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol (F10) vor Schizophrenie (F20), depressiver Episode (F32) und Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43) (siehe Tabelle 4.1und Abbildung 4.2).
Tabelle 4.1:
Die häufigsten F-Hauptdiagnosen in PSY-Abteilungen im Jahr 2007
Rang*
Diagnosen
Aufenthalte
gesamt
Aufenthalte
Männer
Aufenthalte
Frauen
Belagstage
pro
Patient/Jahr
Wiederaufnahmerate
1
(F10) Psychische und
Verhaltensstörungen
durch Alkohol
13.918
9.539
4.379
24,8
1,7
2
(F32) Depressive Episode
10.106
3.870
6.236
22,9
1,4
3
(F33) Rezidivierende
depressive Störung
7.800
2.322
5.478
27,6
1,5
4
(F20) Schizophrenie
7.456
4.433
3.023
53,0
2,0
5
(F43) Reaktionen auf
schwere Belastungen
und Anpassungsstörungen
6.034
2.433
3.601
16,3
1,3
6
(F31) Bipolare affektive
Störung
4.403
1.651
2.752
35,9
1,8
7
(F25) Schizoaffektive
Störungen
3.570
1.259
2.311
40,5
1,8
8
(F60) Spezifische
Persönlichkeitsstörungen
3.314
1.002
2.312
26,8
1,9
9
(F19) Psychische und
Verhaltensstörungen
durch multiplen
Substanzgebrauch
1.812
1.189
623
21,5
1,3
47,4
2,5
31
1,8
13
(F50) Essstörungen
1.323
58
1.265
andere Diagnosen
19.319
9.625
9.694
Gesamt
79.055
37.381
41.674
* nach „Aufenthalte gesamt“, die drei höchsten Werte pro Spalte sind gelb markiert
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Kapitel 4 / Stationäre Aufenthalte an psychiatrischen Abteilungen
11
Abbildung 4.2:
Anzahl der Aufenthalte in PSY-Abteilungen wegen F-Hauptdiagnosen
im Jahr 2007 nach Diagnosegruppen und Geschlecht
(F10) Psychische und Verhaltensstörungen
durch Alkohol
(F32) Depressive Episode
(F33) Rezidivierende depressive Störung
Hauptdiagnosen
(F20) Schizophrenie
(F43) Reaktionen auf schwere Belastungen
und Anpassungsstörungen
(F31) Bipolare affektive Störung
(F25) Schizoaffektive Störungen
(F60) Spezifische Persönlichkeitsstörungen
(F19) Psychische und Verhaltensstörungen
durch multiplen Substanzgebrauch
(F50) Essstörungen
0
5.000
10.000
15.000
Anzahl der Aufenthalte
Männer
Frauen
Anmerkung: In der Darstellung sind nur die neun häufigsten F-Hauptdiagnosen
und die Diagnose Essstörung berücksichtigt.
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
12
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
Die meisten Belagstage pro Patientin/Patient und Jahr (unter Berücksichtigung von
Mehrfachaufnahmen) werden verzeichnet bei Schizophrenie (F20) mit rund 53 Tagen
vor Essstörungen (F50) mit rund 47 Tagen, schizoaffektiven Störungen (F25) mit rund
41 Tagen und bipolaren affektiven Störungen (F31) mit rund 36 Tagen. Die jährliche
Wiederaufnahmerate beträgt bei Essstörungen 2,5, bei Schizophrenie 2,0, bei schizoaffektiven und bipolaren Störungen jeweils 1,8 (Tabelle 4.1). Das heißt, dass beispielsweise bei der Diagnose Schizophrenie die Patientinnen und Patienten im Schnitt
zweimal im Jahr stationär aufgenommen wurden.
4.4 Patientinnen und Patienten mit somatischen
Hauptdiagnosen an PSY-Abteilungen
Bei den 7.445 Patientinnen und Patienten mit somatischen Hauptdiagnosen waren die
häufigsten Hauptdiagnosen episodische und paroxysmale Krankheiten des Nervensystems (G40-G47) mit rund 15 Prozent der Aufenthalte vor zerebrovaskulären Krankheiten (I60-I69) mit rund 14 Prozent, sonstigen Krankheiten der Wirbelsäule und des
Rückens (M50-M54) mit rund 12 Prozent, sonstigen degenerativen Krankheiten des
Nervensystems (G30-G32) mit rund 9 Prozent und extrapyramidalen Krankheiten und
Bewegungsstörungen (G20-G26) mit rund 7 Prozent der Aufenthalte (Abbildung 4.3).
Kapitel 4 / Stationäre Aufenthalte an psychiatrischen Abteilungen
13
Abbildung 4.3:
Anzahl der Aufenthalte in PSY-Abteilungen im Jahr 2007 wegen somatischer
Hauptdiagnosen nach Diagnosegruppen und Geschlecht
(G40-G47) Episodische und
paroxysmale Krankheiten des Nervensystems
Hauptdiagnosen
(I60-I69) Zerebrovaskuläre Krankheiten
(M50-M54) Sonstige Krankheiten
der Wirbelsäule und des Rückens
(G30-G32) Sonstige degenerative Krankheiten
des Nervensystems
(G20-G26) Extrapyramidale Krankheiten
und Bewegungsstörungen
0
500
1.000
1.500
Anzahl der Aufenthalte
Männer
Frauen
Anmerkung: Die Tabelle enthält nur die fünf häufigsten somatischen Hauptdiagnosen
bei Patientinnen und Patienten in PSY-Abteilungen.
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
4.5 Altersgruppen
Bei der Betrachtung der Personengruppe mit F-Hauptdiagnosen ist bei Männern und
Frauen die Gruppe der 45- bis 49-jährigen Personen am stärksten vertreten. Während bis
zum 59. Lebensjahr mehr Männer wegen F-Hauptdiagnosen behandelt werden, ist der
Frauenanteil in den Gruppen über 60 Jahren höher als der Männeranteil (Abbildung 4.4).
14
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
Abbildung 4.4:
Anteil der Altersgruppen bei Aufenthalten in PSY-Abteilungen
wegen F-Hauptdiagnosen nach Geschlecht, 2007
bis 4 Jahre
5 bis 9 Jahre
10 bis 14 Jahre
15 bis 19 Jahre
20 bis 24 Jahre
25 bis 29 Jahre
30 bis 34 Jahre
Altersgruppen
35 bis 39 Jahre
40 bis 44 Jahre
45 bis 49 Jahre
50 bis 54 Jahre
55 bis 59 Jahre
60 bis 64 Jahre
65 bis 69 Jahre
70 bis 74 Jahre
75 bis 79 Jahre
80 bis 84 Jahre
85 bis 89 Jahre
90 Jahre und älter
0%
2%
4%
6%
8%
10 %
12 %
14 %
Anteil in Prozent
Frauen
Männer
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Kapitel 4 / Stationäre Aufenthalte an psychiatrischen Abteilungen
15
5 Stationäre Aufenthalte
an nicht-psychiatrischen Abteilungen
Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit jener Personengruppe, die aufgrund einer
psychiatrischen Hauptdiagnose auf nicht-psychiatrischen Abteilungen behandelt
wurde. Rund 70 Prozent aller Aufenthalte wurden auf PSY-Abteilungen (Psychiatrie,
Psychiatrie und Neurologie, Kinder-Neuropsychiatrie) registriert, 19 Prozent der
Aufenthalte entfielen auf Abteilungen für Innere Medizin, gefolgt von Abteilungen für
Kinderheilkunde und Abteilungen für Neurologie (siehe dazu Abbildung 5.1). Bei den
auf nicht-psychiatrischen Abteilungen behandelten Personen liegt die Diagnosegruppe
der affektiven Störungen (F30-F39) an erster Stelle, gefolgt von neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (F40-F48) und organischen, einschließlich
symptomatischer psychischer Störungen (F00-F09).
Abbildung 5.1:
Verteilung der Aufenthalte wegen F-Hauptdiagnosen (n = 112.765) nach Abteilungen,
2007
3%
3%
3%
4%
Psychiatrie
6%
Innere Medizin
Kinder-Neuropsychiatrie
Kinderheilkunde
Neurologie
19 %
62 %
Psychiatrie und Neurologie
andere
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
16
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
Auffällig ist, dass es je nach Hauptdiagnose Unterschiede hinsichtlich der behandelnden Abteilungen gibt (siehe Tabelle 5.1). Während rund 95 Prozent der Aufenthalte
wegen der Hauptdiagnose Schizophrenie (F20) in PSY-Abteilungen verzeichnet werden,
sind dies beispielsweise bei psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol (F10)
rund 73 Prozent, bei depressiven Episoden (F32) nur 60 Prozent und bei psychischen
und Verhaltensstörungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer
psychotroper Substanzen (F19) nur 49 Prozent. Mit Ausnahme der Essstörungen, bei
denen Abteilungen für Kinderheilkunde ebenfalls eine Rolle spielen, sind es vor allem
interne Abteilungen, die häufig Patientinnen und Patienten mit F-Hauptdiagnosen
behandeln.
Tabelle 5.1:
Anteil der Aufenthalte an PSY-Abteilungen im Vergleich
zu Gesamt-Aufenthalten wegen F-Hauptdiagnosen, 2007
Rang
Diagnosen
Aufenthalte
Prozentsatz der Gesamtzahl
der Aufenthalte mit diesen
Diagnosen
1
(F10) Psychische und Verhaltensstörungen
durch Alkohol
13.918
73 %
2
(F32) Depressive Episode
10.106
60 %
3
(F33) Rezidivierende depressive Störung
7.800
85 %
4
(F20) Schizophrenie
7.456
95 %
5
(F43) Reaktionen auf schwere Belastungen
und Anpassungsstörungen
6.034
78 %
6
(F31) Bipolare affektive Störung
4.403
94 %
7
(F25) Schizoaffektive Störungen
3.570
85 %
8
(F60) Spezifische Persönlichkeitsstörungen
3.314
79 %
9
(F19) Psychische und Verhaltensstörungen
durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum
anderer psychotroper Substanzen
1.812
49 %
(F50) Essstörungen
1.323
54 %
13
Quelle: GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Kapitel 5 / Stationäre Aufenthalte an nicht-psychiatrischen Abteilungen
17
6 Inanspruchnahme der ambulanten
psychosozialen Versorgung
am Beispiel der BGKK
Die österreichischen Sozialversicherungsträger verfügen über umfassende Datenbanken, die auf ihren Abrechnungsdaten beruhen und auch für wissenschaftliche Zwecke
herangezogen werden (zur Beschreibung der Methodik sei auf Abschnitt 2 verwiesen).
Als richtungsweisende Publikation ist in diesem Zusammenhang die Publikation
„Versorgung mit Antidepressiva“ zu nennen, die in der Reihe Gesundheitswissenschaften erschienen ist. 3
Aus den Abrechnungsdaten können Informationen zur Inanspruchnahme bestimmter
Leistungen in einem bestimmten Zeitraum extrahiert werden. Bis zu einem gewissen
Grad kann auf dieser Grundlage das Inanspruchnahme-Verhalten der Patientinnen und
Patienten beschrieben werden.
Im vorliegenden Bericht wird neben der separaten Darstellung der stationären und der
ambulanten Versorgung versucht, die Größenordnungen der jeweiligen Inanspruchnahme einander gegenüberzustellen. Zuletzt wurden Daten des Hauptverbandes der
österreichischen Sozialversicherungsträger (HVSVT) im GÖG/ÖBIG-Bericht „Versorgung
mit Psychotherapie und Psychopharmaka“ (2009) herangezogen. Dabei wurden österreichweite Daten zu kassenfinanzierten Psychotherapieeinheiten und Verordnungszahlen bei Psychopharmaka durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte beschrieben. Im
damaligen Bericht wurde die Inanspruchnahme nur insgesamt beschrieben, einzelfallbezogene Auswertungen wie z. B. die durchschnittlichen Psychotherapieeinheiten pro
Person und Jahr oder die Anzahl an Personen mit Antidepressiva-Verordnungen waren
jedoch nicht möglich. Im Rahmen des vorliegenden Berichtes wurde nun von der BGKK
auch die Anzahl der Patientinnen bzw. Patienten, die Psychotherapie und/oder Psychopharmaka in Anspruch nahmen, erhoben. Es wird im Folgenden versucht, Querbezüge
zur stationären Versorgung herzustellen, um die psychosoziale Versorgungslandschaft
besser verstehen zu können.
Die Analyse der Versorgung mit Psychopharmaka muss aus methodischen Gründen auf
die Gruppen der Antidepressiva und der Antipsychotika beschränkt bleiben, da in den
anderen Gruppen der Psychopharmaka eine große Heterogenität besteht, insbesondere
was die Indikation der Medikamente betrifft.
3
Bencic, Werner (Hg.): Versorgung mit Antidepressiva (Gesundheitswissenschaften 23). Linz 2003
18
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
Wie im Bericht von 2009 wird auch hier nicht die Behandlung mit Psychopharmaka
jener durch Psychotherapie gegenübergestellt. Beide Behandlungsmethoden folgen oft
unterschiedlichen Indikationen, und auch eine Kombination beider Ansätze ist sehr
häufig; der eine Behandlungsansatz kann den jeweils anderen aber nicht ersetzen.
6.1 Beschreibung der Versicherten-Population und
stationäre Aufnahmen wegen F-Hauptdiagnosen
Im Jahr 2007 waren rund 8,2 Millionen Personen bzw. 98,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung durch die soziale Krankenversicherung geschützt, davon im
Jahresmittel 186.014 Personen bei der BGKK; der Frauenanteil betrug 53 Prozent.
Weniger als ein Prozent der Versicherten wurde im Jahr 2007 stationär wegen einer FHauptdiagnose behandelt, davon rund die Hälfte an PSY-Abteilungen (Tabelle 6.1). Die
häufigsten F-Hauptdiagnosen bei Patientinnen und Patienten der BGKK sind im Wesentlichen gleich verteilt wie in Gesamt-Österreich (siehe dazu Abbildung 4.2 bzw.
Abbildung 5.1); eine genaue Gegenüberstellung würde jedoch eine Altersstandardisierung voraussetzen, die im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden konnte.
Tabelle 6.1:
Inanspruchnahme ausgewählter Leistungen bei Patientinnen und Patienten der BGKK
im Jahr 2007
Anzahl
PatientInnen
Anspruchsberechtige insgesamt
Anteil an den
Versicherten
Frauenanteil
186.014
100 %
53 %
Patientinnen/Patienten mit stationären Aufenthalten
wegen F-Hauptdiagnosen in allen Abteilungen
1.112
0,6 %
55 %
Patientinnen/Patienten mit stationären Aufenthalten
wegen F-Hauptdiagnosen in PSY-Abteilungen
551
0,3 %
48 %
Patientinnen/Patienten mit Antidepressiva-Verordnungen
16.541
8,9 %
73 %
Patientinnen/Patienten mit Antipsychotika-Verordnungen
9.726
5,2 %
66 %
6.312*
3,4 %
66 %
5.388
2,9 %
65 %
Patientinnen/Patienten mit kassenfinanzierter Psychotherapie beim IPR
626
0,3 %
75 %
Patientinnen/Patienten mit bezuschusster Psychotherapie
732
0,4 %
67 %
Patientinnen/Patienten mit voll kassenfinanzierter
Psychotherapie oder bezuschusster Psychotherapie
Patientinnen/Patienten mit kassenfinanzierten ärztlichen
psychotherapeutischen Leistungen
*177 Patientinnen bzw. Patienten nahmen sowohl bezuschusste als auch voll kassenfinanzierte Psychotherapie
in Anspruch. Im Bereich der voll kassenfinanzierten Psychotherapie nahmen 257 Patientinnen bzw. Patienten
sowohl ärztliche psychotherapeutische Leistungen als auch Psychotherapie beim IPR in Anspruch.
Quelle: BGKK; GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Kapitel 6 / Inanspruchnahme der ambulanten psychosozialen Versorgung am Beispiel der BGKK
19
6.2 Antidepressiva- und Antipsychotika-Verordnungen
Rund 9 Prozent der Versicherten bekamen im Jahr 2007 ein Antidepressivum verschrieben, etwas über 5 Prozent ein Antipsychotikum (Tabelle 6.1). Auffällig sind hier
die Geschlechtsunterschiede: 73 Prozent der Personen mit AntidepressivaVerordnungen waren Frauen, was in etwa auch der Prozentverteilung bei den stationären Aufenthalten wegen affektiver Störungen entspricht (68 % der stationären Aufenthalte wegen Hauptdiagnosen „Affektive Störungen“ F30-F39 bei Versicherten der BGKK
betrafen Frauen). Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Antidepressiva auch bei
Angststörungen eingesetzt werden, weshalb die Gegenüberstellung von Antidepressiva-Verordnungen und stationären Aufenthalten wegen affektiver Störungen nur einen
groben Richtwert darstellen kann. Epidemiologische Studien (vgl. Metaanalyse von
Wittchen und Jacobi 2005) gehen von einer Einjahresprävalenz bei Depression von etwa
6,9 Prozent in der Bevölkerung aus, bei einzelnen Angststörungen werden Werte
zwischen 1,7 und 6,4 Prozent angenommen. Berücksichtigt man die Komorbidität
zwischen verschiedenen psychischen Erkrankungen - beispielsweise zeigten Studien,
dass rund 40 Prozent der Personen mit affektiven Störungen auch unter Angststörungen leiden (vgl. Wancata et al. 2009) - so erscheinen die Werte der Versicherten der
BGKK sehr plausibel.
Besonders auffällig ist, dass 66 Prozent der Antipsychotika-Verordnungen Frauen
betrafen, während „nur“ 49 Prozent der stationären Aufenthalte wegen Schizophrenie,
schizotypen und wahnhaften Störungen (F20-F29) auf Frauen entfielen. Epidemiologische Daten (z. B. Wittchen und Jacobi 2005) zeigen, dass Erkrankungen aus der Gruppe
F20-F29 bei Männern und Frauen ungefähr gleich häufig auftreten, was die Zahlen aus
dem stationären Bereich auch bestätigen. Der Geschlechterunterschied ist allerdings
dadurch zu erklären, dass Antipsychotika in geringerer Dosierung auch bei Demenzerkrankungen eingesetzt werden und der Frauenanteil in den höheren Altersgruppen in denen Demenzen häufiger auftreten - größer ist.
Insgesamt fällt auf, dass der Anteil der Personen mit Antidepressiva- bzw. Antipsychotika-Verordnungen wesentlich höher ist als jener, der Psychotherapie in Anspruch
nahm. Bei beiden Medikamentengruppen war ein Großteil der Patientinnen und Patienten älter als 60 Jahre (Abbildung 6.1 und Abbildung 6.2).
20
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
Abbildung 6.1:
Anzahl der Patientinnen und Patienten der BGKK
mit Antidepressiva-Verordnungen nach Altersgruppen, 2007
10 bis 14 Jahre
15 bis 19 Jahre
20 bis 24 Jahre
25 bis 29 Jahre
30 bis 34 Jahre
35 bis 39 Jahre
Altersgruppen
40 bis 44 Jahre
45 bis 49 Jahre
50 bis 54 Jahre
55 bis 59 Jahre
60 bis 64 Jahre
65 bis 69 Jahre
70 bis 74 Jahre
75 bis 79 Jahre
80 bis 84 Jahre
85 bis 89 Jahre
90 Jahre und älter
0
200
400
600
800
1.000 1.200 1.400 1.600 1.800
Anzahl der Patientinnen und Patienten
Männer
Frauen
Quelle: BGKK; GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Kapitel 6 / Inanspruchnahme der ambulanten psychosozialen Versorgung am Beispiel der BGKK
21
Abbildung 6.2:
Anzahl der Patientinnen und Patienten der BGKK
mit Antipsychotika-Verordnungen nach Altersgruppen, 2007
10 bis 14 Jahre
15 bis 19 Jahre
20 bis 24 Jahre
25 bis 29 Jahre
30 bis 34 Jahre
35 bis 39 Jahre
Altersgruppen
40 bis 44 Jahre
45 bis 49 Jahre
50 bis 54 Jahre
55 bis 59 Jahre
60 bis 64 Jahre
65 bis 69 Jahre
70 bis 74 Jahre
75 bis 79 Jahre
80 bis 84 Jahre
85 bis 89 Jahre
90 Jahre und älter
0
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
Anzahl der Patientinnen und Patienten
Männer
Frauen
Quelle: BGKK; GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
22
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
6.3 Kassenfinanzierte Psychotherapie
Die kassenfinanzierte Psychotherapie bei der BGKK lässt sich in zwei Kategorien teilen:
Die voll kassenfinanzierte Psychotherapie setzt sich einerseits zusammen aus Psychotherapien, die durch Psychotherapeutinnen und -therapeuten des Versorgungsvereins
„Institut für Psychotherapie im ländlichen Raum“ (IPR) geleistet werden, und andererseits aus Angeboten, die Ärztinnen bzw. Ärzte mit einer Facharztausbildung in Psychiatrie/Neurologie und mit PSY-III-Diplom 4 vorhalten und unter dem Titel „psychotherapeutische Leistungen“ mit dem SV-Träger abgerechnet werden.
Weiters besteht die Möglichkeit einer teilweise kassenfinanzierten Psychotherapie,
dabei leistet der SV-Träger einen Kostenzuschuss zu einer Psychotherapieeinheit, die
von Psychotherapeutinnen und -therapeuten in freier Praxis durchgeführt werden. Der
Kostenzuschuss beträgt 21,80 Euro pro Einzelsitzung (eine Stunde) bzw. 7,27 Euro für
eine Gruppensitzung (90 Minuten). Die Zuschussregelung kommt in ganz Österreich
zur Anwendung und wurde in Ermangelung eines Gesamtvertrages eingeführt; diese
Zuschüsse sind seit 1992 nicht erhöht worden.
Insgesamt 6.312 Personen oder 3,4 Prozent der Versicherten nahmen (voll oder teilweise) kassenfinanzierte psychotherapeutische Leistungen in Anspruch (Tabelle 6.1).
Bei nur 177 Personen wurde sowohl teilweise (bezuschusste) als auch voll kassenfinanzierte Psychotherapie verzeichnet – ob dies Personen waren, die eine mögliche Wartezeit auf einen voll finanzierten Platz auf diese Weise überbrückt haben, ist anhand der
Daten nicht zu erkennen.
5.757 Personen nahmen voll kassenfinanzierte psychotherapeutische Leistungen in
Anspruch. Die Summe von 6.014 Personen in Tabelle 6.2 bedeutet, dass 257 Personen
im Jahr 2007 verschiedene voll kassenfinanzierte Arten von Psychotherapie beanspruchten.
4
Diplom für psychotherapeutische Medizin der österreichischen Ärztekammer
Kapitel 6 / Inanspruchnahme der ambulanten psychosozialen Versorgung am Beispiel der BGKK
23
Tabelle 6.2:
Inanspruchnahme einzelner voll kassenfinanzierter Psychotherapieleistungen
durch Patientinnen und Patienten der BGKK im Jahr 2007
Leistung
Summe
Therapieeinheiten
Summe
Kosten
42.565
396.742
5.388
7,9
90 %
Einzeltherapie
5.454
267.594
524
10,4
9%
Einzeltherapie
eineinhalb
3
217
1
3,0
0%
Einzeltherapie
doppelt
233
22.932
82
2,8
1%
Gruppentherapie
44
1.093
5
8,8
0%
Gruppentherapie
doppelt
293
14.391
14
20,9
0%
48.592
702.968
6.014
8,1
100 %
(Ärztliche) psychotherapeutische Sitzung
(POS 432)
Summe
Summe
Patientinnen
/Patienten
durchschnittlicher
Leistungsanfall
pro Patient/in
Prozent
Patientinnen
/Patienten
Quelle: BGKK; GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Auffällig ist, dass 85,4 Prozent der Patientinnen und Patienten (5.388 Personen) von
niedergelassenen Ärztinnen bzw. Ärzten psychotherapeutisch behandelt wurden. Die
Abrechnungsposition 432 „Psychotherapeutische Sitzung“ (siehe Tabelle 6.2) bezieht
sich auf mindestens zehn Minuten dauernde Sitzungen von Medizinerinnen und
Medizinern mit einer Facharztausbildung in Psychiatrie/Neurologie und PSY-IIIDiplom. Pro Tag und Person können maximal drei Einheiten verrechnet werden, pro
Quartal und Patientin bzw. Patient können maximal 30 Einheiten abgerechnet werden.
Im Durchschnitt wurden pro Patientin bzw. Patient 7,9 Einheiten, also rund eine Stunde
und 20 Minuten dieser psychotherapeutischen Leistung im ganzen Jahr abgerechnet.
Der Frauenanteil unter den Behandelten lag bei 65 Prozent.
Jene 524 Personen, die in Einzeltherapie bei einer Psychotherapeutin oder einem
Psychotherapeuten des IPR waren, nahmen im Schnitt 10,4 Therapieeinheiten à 50
Minuten im Jahr in Anspruch, was rund acht Stunden und 40 Minuten Psychotherapie
im Jahr entspricht. Der Frauenanteil bei dieser Art der Psychotherapie liegt bei
76,5 Prozent.
Jene 723 Personen, die bezuschusste Psychotherapie bei einer Psychotherapeutin oder
einem Psychotherapeuten in freier Praxis in Anspruch nahmen, waren im Schnitt rund
724 Minuten oder rund 12 Stunden pro Jahr in psychotherapeutischer Behandlung. Der
Frauenanteil bei dieser Art des Angebotes liegt bei rund 67 Prozent. Auch wenn bei
aggregierten Daten Rückschlüsse auf die individuelle Therapiedauer (methodisch
korrekt) nicht möglich sind, so deuten die vorliegenden Zahlen dennoch darauf hin,
dass zwischen den ärztlichen psychotherapeutischen Leistungen und der Psychothera-
24
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
pie, die von Psychotherapeutinnen und -therapeuten angeboten wird, in vielen Fällen
Unterschiede in Dauer und Intensität bestehen. Abbildung 6.3 zeigt die durchschnittliche Dauer der Inanspruchnahme der einzelnen psychotherapeutischen Angebote im
Vergleich.
Abbildung 6.3:
Durchschnittliche Dauer der Inanspruchnahme der einzelnen
psychotherapeutischen Angebote im Jahr 2007 in Minuten nach Altersgruppen
10 bis 14 Jahre
15 bis 19 Jahre
20 bis 24 Jahre
25 bis 29 Jahre
30 bis 34 Jahre
35 bis 39 Jahre
Altersgruppen
40 bis 44 Jahre
45 bis 49 Jahre
50 bis 54 Jahre
55 bis 59 Jahre
60 bis 64 Jahre
65 bis 69 Jahre
70 bis 74 Jahre
75 bis 79 Jahre
80 bis 84 Jahre
85 bis 89 Jahre
90 Jahre und älter
0
500
1.000
1.500
Therapieminuten/Jahr
ärztl. PT
PT IPR
Bezuschusst
Quellen: BGKK; GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Kapitel 6 / Inanspruchnahme der ambulanten psychosozialen Versorgung am Beispiel der BGKK
25
Schätzungen zum Psychotherapiebedarf in der Bevölkerung gehen davon aus, dass 2,1
bis 5 Prozent der Gesamtbevölkerung psychotherapiebedürftig und -willig sind.
3,4 Prozent der Versicherten der BGKK nahmen kassenfinanzierte psychotherapeutische Angebote in Anspruch, der größte Teil (über 85 %) wurde von Fachärztinnen bzw.
Ärzten für Psychiatrie/Neurologie mit PSY-III-Diplom psychotherapeutisch versorgt.
Der Vergleich der Inanspruchnahme nach Altersgruppen (Abbildung 6.4) zeigt Unterschiede zwischen den einzelnen therapeutischen Angeboten und illustriert, dass die
ohnehin dominierenden ärztlichen psychotherapeutischen Leistungen mit steigendem
Alter der Patientinnen bzw. Patienten noch zunehmen.
Abbildung 6.4:
Vergleich der einzelnen psychotherapeutischen Angebote
nach Anzahl der Patientinnen und Patienten pro Jahr und Altersgruppen, 2007
10 bis 14 Jahre
15 bis 19 Jahre
20 bis 24 Jahre
25 bis 29 Jahre
30 bis 34 Jahre
35 bis 39 Jahre
Altersgruppen
40 bis 44 Jahre
45 bis 49 Jahre
50 bis 54 Jahre
55 bis 59 Jahre
60 bis 64 Jahre
65 bis 69 Jahre
70 bis 74 Jahre
75 bis 79 Jahre
80 bis 84 Jahre
85 bis 89 Jahre
90 Jahre und älter
0
100
200
300
400
500
600
700
Anzahl der Patientinnen und Patienten
ärztl. PT
PT IPR
PT Zuschuss
Quellen: BGKK; GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
26
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
6.4 Psychotherapie und Psychopharmaka
Tabelle 6.3 zeigt die Inanspruchnahme von Psychotherapie und/oder Pharmakotherapie in absoluten Zahlen. Zwischen den beiden Therapieformen gibt es nur teilweise
Überschneidungen. Jeweils weniger als ein Viertel der Personen mit AntidepressivaVerordnungen (23 %) bzw. Antipsychotika-Verordnungen (20 %) und rund 30 Prozent
der Personen, die sowohl Antipsychotika als auch Antidepressiva verordnet bekamen,
nahmen auch (kassenfinanzierte) Psychotherapie in Anspruch 5 .
Tabelle 6.3:
Inanspruchnahmen Pharmakotherapie und Psychotherapie im Jahr 2007
Männer
Anspruchsberechtige insgesamt
Frauen
Personen
gesamt
86.596
99.418
186.014
Patientinnen/Patienten mit Antidepressiva-Verordnungen (AD)
4.499
12.042
16.541
Patientinnen/Patienten mit Antipsychotika-Verordnungen (AP)
3.259
6.467
9.726
Patientinnen/Patienten mit Antidepressivaund Antipsychotika Verordnungen
1.390
3.267
4.657
Patientinnen/Patienten mit voll kassenfinanzierter
oder bezuschusster Psychotherapie
2.165
4.147
6.312
Patientinnen/Patienten mit AD + Psychotherapie
1.080
2.664
3.744
Patientinnen/Patienten mit AP + Psychotherapie
721
1.225
1.946
Patientinnen/Patienten mit AD + AP + Psychotherapie
447
960
1.407
Quelle: BGKK; GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Umgekehrt zeigt sich aber, dass ein größerer Teil der in psychotherapeutischer
Behandlung befindlichen Personen auch Psychopharmaka verordnet bekommt. Beispielsweise wurde fast 60 Prozent aller Personen, die Psychotherapie in Anspruch
nahmen, im selben Jahr auch ein Antidepressivum verordnet 6 . Interessanterweise gibt
es hierbei auch einen Geschlechterunterschied: Rund 50 Prozent der Männer, aber
64 Prozent der Frauen, die Psychotherapie in Anspruch nahmen, bekamen im selben
Jahr auch ein Antidepressivum verschrieben.
5
Die Prozentzahlen ergeben sich durch die Division beispielsweise der Anzahl der Patientinnen/Patienten
mit Psychotherapie und Antidepressiva-Verordnung durch die Gesamtzahl der Patientinnen/Patienten mit
Antidepressiva-Verordnungen.
6
Anzahl der Personen mit Antidepressivaverordnung und Psychotherapie dividiert durch die Anzahl der Personen
mit Psychotherapie.
Kapitel 6 / Inanspruchnahme der ambulanten psychosozialen Versorgung am Beispiel der BGKK
27
Es gibt auch Überschneidungen bei der Verordnung von Psychopharmaka. Fast die
Hälfte der Personen (43 % der Männer und 51 % der Frauen) mit AntipsychotikaVerordnungen hat im selben Jahr auch ein Antidepressivum verschrieben bekommen 7 .
7
Anzahl der Personen mit Antidepressiva- und Antipsychotika-Verordnungen,
dividiert durch die Anzahl der Personen mit Antipsychotika-Verordnungen.
28
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
7 Psychotherapie und verordnete
Packungen Psychopharmaka
Die in Tabelle 7.1 dargestellten Mengen der verordneten Packungen zeigen, dass
Personen, die psychotherapeutisch behandelt werden, tendenziell mehr Packungen
innerhalb eines Jahres verschrieben bekommen als Personen, die nicht in psychotherapeutischer Behandlung waren. Das könnte dafür sprechen, dass „schwerere Fälle“ eher
Psychotherapie und Pharmakotherapie gleichzeitig in Anspruch nehmen.
Tabelle 7.1:
Anzahl der verordneten Packungen im Jahr 2007
Anzahl
Packungen
Packungen
für
Männer
Packungen
für
Frauen
Packungen
pro Pat.
Männer
Packungen
pro Pat.
Frauen
Patientinnen/Patienten mit
Antidepressiva-Verordnungen (AD)
114.851
29.228
85.623
6,5
7,1
Patientinnen/Patienten mit
Antipsychotika-Verordnungen (AP)
91.128
32.922
58.206
10,1
9,0
Patientinnen/Patienten
mit AD + Psychotherapie (PT)
31.600
8.671
22.929
8,0
8,6
Patientinnen/Patienten
mit AP + Psychotherapie
23.005
10.222
12.783
14,2
10,4
Patientinnen/Patienten mit
AP + AD: Antipsychotika
45.167
13.855
31.312
10,0
9,6
Patientinnen/Patienten mit
AP + AD: Antidepressiva
41.218
11.208
30.010
8,1
9,2
Patientinnen/Patienten mit
AP + AD + PT: Antipsychotika
14.693
5.393
9.300
12,1
9,7
Patientinnen/Patienten mit
AP + AD + PT: Antidepressiva
14.794
4.347
10.447
9,7
10,9
Quelle: BGKK; GÖG/ÖBIG–eigene Berechnung und Darstellung
Kapitel 7 / Psychotherapie und verordnete Packungen Psychopharmaka
29
8 Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassung
Ziel des durchgeführten Projekts war es, die Inanspruchnahme der stationären psychiatrischen Versorgung auf der einen Seite und die Versorgung mit bestimmten Psychopharmaka und Psychotherapie auf der anderen Seite überblicksartig darzustellen und
die Größenordnungen der jeweiligen Inanspruchnahme einander gegenüberzustellen.
0,8 Prozent der Versicherten in Österreich wurden im Jahr 2007 mit einer psychiatrischen Hauptdiagnose stationär behandelt, darauf waren in diesem Jahr rund 5 Prozent
aller Krankenhausaufenthalte in Österreich zurückzuführen. Bei Frauen werden die
meisten Aufenthalte wegen depressiver Episoden, bei den Männern wegen psychischer
und Verhaltensstörungen durch Alkohol verzeichnet. Diese Ergebnisse passen sehr gut
mit internationalen epidemiologischen Daten zusammen. In den letzten Jahren wird
diesbezüglich die Frage diskutiert (vgl. Möller-Leimkühler 2006 bzw. Wolfersdorf et al.
2009), ob das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern möglicherweise darauf
zurückzuführen ist, dass einerseits die Diagnosekriterien für Depression eher auf
„weibliche“ Symptome ausgelegt sind und „männliche“ Reaktionsformen (z. B. problematischer Alkoholkonsum) auf die möglicherweise gleiche Erkrankung zu wenig
berücksichtigt werden, oder ob beispielsweise Männer mit Depressionen seltener Hilfe
in Anspruch nehmen.
Insgesamt wurden 2007 rund 70 Prozent der Aufenthalte wegen F-Hauptdiagnosen auf
psychiatrischen Abteilungen verzeichnet, rund 19 Prozent auf Abteilungen für Innere
Medizin. Auffällig ist, dass es je nach Hauptdiagnose Unterschiede hinsichtlich der
behandelnden Abteilungen gibt. Beispielsweise werden 40 Prozent der Aufenthalte
wegen depressiver Episoden und 27 Prozent der Aufenthalte wegen Verhaltensstörungen durch Alkohol auf nichtpsychiatrischen Abteilungen (hauptsächlich internen
Abteilungen) verzeichnet. Die Gründe für die Unterschiede müssten in weiterreichenden Studien erforscht werden.
Die Auswertung der Daten der BGKK zeigt das Verhältnis der Inanspruchnahme
zwischen stationären und ambulanten Angeboten im psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Bereich. Weniger als 1 Prozent der BGKK-Versicherten wurde im Jahr
2007 stationär wegen einer F-Hauptdiagnose behandelt, davon rund die Hälfte an PSYAbteilungen. Rund 9 Prozent der Versicherten bekamen ein Antidepressivum verschrieben, etwas über 5 Prozent Antipsychotika. Frauen bekamen häufiger sowohl
Antidepressiva als auch Antipsychotika verschrieben.
Insgesamt 3,4 Prozent der Versicherten der BGKK nahmen (voll oder teilweise) kassenfinanzierte psychotherapeutische Leistungen in Anspruch. 85 Prozent der Patientinnen
30
© GÖG/ÖBIG, Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2007
und Patienten wurden von Medizinerinnen und Medizinern mit einer Facharztausbildung in Psychiatrie/Neurologie und PSY-III-Diplom behandelt. Eine Therapieeinheit
dauert mindestens zehn Minuten; pro Tag und Person können maximal drei solcher
Einheiten verrechnet werden, pro Quartal können maximal dreißig Einheiten abgerechnet werden. Im Schnitt erhielten die Patientinnen und Patienten somit rund achtzig
Minuten an Gesprächseinheiten pro Jahr, die als psychotherapeutische Leistungen mit
dem SV-Träger abgerechnet werden.
Patientinnen und Patienten, die vollfinanzierte Psychotherapie bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten in Anspruch nahmen, kamen im Schnitt auf acht
Stunden und vierzig Minuten Psychotherapie im Jahr. Insgesamt erhielt ein Anteil von
0,3 Prozent der BGKK-Versicherten eine vollfinanzierte Psychotherapie. Die höchste
Anzahl an Stunden war bei jenen Patientinnen und Patienten zu verzeichnen, die einen
Kostenzuschuss von der BGKK erhielt (rund 12 Stunden pro Jahr).
Der Vergleich der Inanspruchnahme nach Altersgruppen zeigt Unterschiede zwischen
den einzelnen therapeutischen Angeboten. Mit zunehmendem Alter der Patientinnen
bzw. Patienten steigt die Inanspruchnahme der Angebote von Ärztinnen und Ärzten,
die psychotherapeutische Leistungen mit dem SV-Träger verrechnen können.
Die Gründe für die unterschiedliche Therapiedauer je nach Angebot sowie die Frage,
ob die unterschiedlichen Angebote auch unterschiedliche Zielgruppen erreichen, wären
in weiterführenden Studien zu klären. Spezielles Augenmerk sollte dabei auf die
Angebotslage und die Inanspruchnahme in unterschiedlichen Altersgruppen gelegt
werden.
Ausblick
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die gemeinsame Betrachtung der Routinedaten aus den einzelnen psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Bereichen
interessante Fragestellungen aufwirft, die bei einer separaten Betrachtung nicht weiter
auffallen würden. Es scheint daher sehr sinnvoll zu sein, zukünftig diese Daten im
Rahmen eines Monitorings regelmäßig zu erheben, um einerseits eine wesentliche
Datenbasis für die Versorgungsplanung zu erhalten und andererseits Forschungsbedarf aufzuzeigen. Darüber hinaus dürfte es sich empfehlen, die hier aufgeworfen
Fragen anhand von vertiefenden Studien zu untersuchen.
Kapitel 8 / Zusammenfassung und Ausblick
31
9 Literatur
GÖG/ÖBIG 2007: Psychotherapie auf Krankenschein. Stand 2005.
Gesundheit Österreich GmbH / Geschäftsbereich ÖBIG. Wien
GÖG/ÖBIG 2007a: Ambulante psychotherapeutische Versorgung in Österreich.
Gesundheit Österreich GmbH / Geschäftsbereich ÖBIG. Wien
GÖG/ÖBIG 2009: Versorgung mit Psychotherapie und Psychopharmaka.
Gesundheit Österreich GmbH / Geschäftsbereich ÖBIG. Wien
Möller-Leimkühler, Anne Maria (2006): Wie Sie die „männliche Depression“ erkennen.
In: Der Neurologe & Psychiater 11/06, 25-30
ÖBIG 2004: Psychotherapie auf Krankenschein. Beschreibung und Evaluierung der
bisherigen Umsetzung. Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen. Wien
ÖBIG 2002: Bedarf und Angebot an Psychotherapie. Expertise.
Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen. Wien
Wancata, Johannes; Friedrich, Fabian; Cerny, Gero (2009): Häufigkeit und Folgen
seelischer Erkrankungen. In: CliniCum Neuropsy 4/09, 22-26
Wittchen, Hans-Ulrich; Jacobi, Frank (2005): Size and burden of mental disorders in
Europe – a critical review and appraisal of 27 studies. In: European Neuropsychopharmacology 15 (2005), 357-376
Wolfersdorf, Manfred; Schulte-Wefers, Hella; Schaller, Eva (2009): Depression
bei Männern: Einige klinische Aspekte der so genannten „männlichen Depression“.
In: Blickpunkt der Mann 2009/7 (4), 8-14
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