Ronald Lutz Perspektiven einer Sozialen Arbeit unter den Bedingungen aktueller gesellschaftliches Verhältnisse Vorbemerkung Eine Debatte über Perspektiven der Sozialen Arbeit, in der ich bereits mehrfach meine Überlegungen vorgestellt habe, muss notwendig kontrovers sein; insbesondere in Zeiten eines rasanten sozialen und gesellschaftlichen Wandels. Deshalb sind meine Thesen immer auch unfertige Produkte, die Zwischenstationen eines dynamischen Prozesses reflektieren, in dem sich das Denken neuen Herausforderungen zu stellen hat. Dabei ist es gerade für die Soziale Arbeit, die vielfach unter Druck steht und damit hadert, wichtig sich den Chancen eines „riskanten Denkens“ zu öffnen, die es erst ermöglichen Fragen zu stellen und Antworten zu finden, die sich nicht im Kontext eingefahrener Modelle oder im abgeschotteten Raum der Diskurseliten bewegen. Die zentrale These meiner Überlegungen ist, dass Soziale Arbeit jenseits aller Konstruktionen eines Doppelten Mandates oder gar eines Triple-Mandates letztlich nur ein Mandat hat, nämlich Menschen bei der Aktivierung ihrer Kräfte zu unterstützen, die zeitweise oder auch auf Dauer nicht ohne Hilfe in der Lage sind sich in ihrer Umwelt einzurichten, ihren Verpflichtungen nachzukommen, sich zu verwirklichen und dabei Sinn, Identität, Stolz, Würde und Wohlbefinden zu erfahren. Dabei muss Soziale Arbeit als Dienstleistung in soziastaatlicher Verantwortung und durch ihn legitimiert notwendig Hilfe und Kontrolle zugleich sein, das lässt sich trennen, da es eine Einheit ist. Unterstützung und Aktivierung meinen dabei nicht, Menschen als isolierte Subjekte zu sehen; Selbstverantwortung ist immer auch eingebettet in soziale und ökonomische Kontexte und wird von diesen ermöglicht oder verhindert. So ist es Menschen auch nicht als persönliches Versagen anzulasten, wenn sie dies nicht vermögen. Dann aber ist Unterstützung und Förderung durch Soziale Arbeit ein Weg zur Aktivierung von Stolz und Würde, von Selbstverantwortung. Dafür aber muss diese sich an den Menschen und an den gesellschaftlichen Verhältnissen orientieren; sozial, kulturell, politisch, ökonomisch und rechtlich. Und sie muss sich kritisch und dennoch konstruktiv den Unausweichlichkeiten der Moderne stellen. Gesellschaftliche Randbedingungen Sozialer Arbeit Soziale Arbeit sieht sich derzeit mit vier gesellschaftlichen Bedingungen konfrontiert, die ihre Situation beeinflussen and als Herausforderung zu begreifen sind: rasanten Beschleunigungs- und Individualisierungsprozessen, einer Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, einer Verschärfung Sozialer Ungleichheit und Prekarisierung bis in die Mittelklassen hinein sowie einer Zunahme an Erschöpfung. Beschleunigung und Individualisierung Wir erleben, wenn wir den Analysen des Soziologen Hartmut Rosa folgen, derzeit eine weitere Beschleunigung des Zeitempfindens; die Zeit vergeht aus der subjektiv gefühlten Wahrnehmung heraus schneller als je zuvor. Dies bedingt sich vor allem aus einer wachsenden Belastung im Arbeitsalltag, die Abläufe verkürzt und rationalisiert; dabei entstehen eine Arbeitszeitverdichtung und ein Zeitstress bisher unbekannten Ausmaßes. Lebensbedingungen werden dadurch geprägt, psychosoziale Belastungen sind die Folgen. Zugleich findet eine seit Jahren zunehmende Individualisierung dieser Lebensverhältnisse statt, die zu einer noch stärkeren Herauslösung aus sozialen Bindungen und somit zur Vereinzelung und auch zur Isolation führen. Den darin angelegten größeren Optionen individueller Freiheit stehen zugleich auch größere Möglichkeiten des Scheiterns gegenüber. Damit einher geht eine wachsende Auflösung der Normalbiographien, wie sie sich im fordistischen Zeitalter herausgebildet hatten, und macht einer steigende Diskontinuität Platz sowie einer zunehmenden Verflüssigung von Lebenswegen. Dies führt in seiner Konsequenz dazu, dass biographische Erwartbarkeit schwindet. In diesen Entwicklungen, die mit veränderten sozialstaatlichen Arrangements korrespondieren und stärker als bisher die individuelle Verantwortung des Menschen betonen, wird die These des Arbeitskraftunternehmers leitend, die das einzelne Subjekt in seiner „Pflicht“ zur Eigenverantwortung zeichnet. Dabei wird allerdings vielfach übersehen, dass diese Pflicht nichts sein kann, was sich zwangsläufig einstellt, sie ist als Wert und Handlung immer abhängig von sozialen Bedingungen, die sie ermöglichen oder auch behindern. Fakt ist auch, dass immer mehr Menschen durch das mit dem Begriff und seiner fordernden Praxis verbundene Raster fallen und zu „Fällen“ werde, die der Sozialen Arbeit überantwortet werden, die Eigenverantwortung neu fördern soll. Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse Die Zunahme an Flexibilisierten Arbeitsverhältnissen zeigt sich vor allem in zwei Entwicklungen, die Menschen immer stärker in ihren ökonomischen und sozialen Lebenslagen verunsichern. Es ist zum einen das Wachsen unsicherer Arbeitsverhältnisse und es ist zum anderen die Differenzierung der Arbeitsverhältnisse in Zonen unterschiedlicher Stabilität. E ist eine lange Liste, die sich ergibt: Lohnkürzungen und Arbeitsplatzverluste drohen ständig; der Einfluss auf die eigene Arbeitsplatzsituation schwindet; die Arbeitsschutzbestimmungen werden allmählich löchriger; Niedriglöhne, insbesondere auch in der Sozialen Arbeit, nehmen ständig zu und prägen ein wachsendes Segment; Leiharbeit und Zeitverträge haben den Status von Normalität; manche Menschen hangeln sich von Vertrag zu Vertrag – und immer mit der Angst verbunden, dass diese endgültig nicht mehr verlängert werden. Darin werden die Chancen zur Existenzsicherung durch Arbeit flüchtiger. Neben regulären Beschäftigungen haben Arbeitnehmer immer häufiger Minijobs oder weitere Jobs, der Bereich der working poor weitet sich aus. Die Arbeitswelt spaltet sich, folgt man Robert Castel und Klaus Dörre, in drei Zonen: Die Zone der Integration, in der stabile Arbeitsverhältnisse eine soziale Eingliederung in soziale Beziehungen bedingen. Die Zone der Verwundbarkeit, die eine instabile Zwischenzone bildet, in der sich prekäre Beschäftigungsbedingungen und fragile soziale Beziehungen kombinieren. Die Zone der Entkoppelung, in der negative Folgen der Arbeitsverhältnisse kumulieren, da der fehlende Zugang zu produktiver Erwerbstätigkeit einen Mangel an stabilen sozialen Beziehungen hervorruft. Von diesen Entwicklungen ist Soziale Arbeit doppelt betroffen: hinsichtlich ihres eigenen Status als ökonomisches Feld, das hochgradig flexibilisiert wird, und hinsichtlich ihrer Klienten, die immer mehr an diesen Verhältnissen zu scheitern drohen und sich in der Zone der Entkoppelung konzentrieren. Verschärfung Sozialer Ungleichheit und Prekarisierung bis in die Mittelklassen hinein In den vielfach analysierten Prekarisierungen der Gegenwart ist nicht allein Armut das Problem sondern eine wachsende Ungleichverteilung von Gütern, die von Einkommen bis hin zu Bildung reichen. Dies wird sich in den nächsten Jahren, auch als eine langfristige Folge der Finanzkrise in 2008 und 2009 noch verschärfen. Diese eskalierende Prekarisierung der Gesellschaft ist Gegenstand intensiver Diskurse in den Wissenschaften und der Politik. Dabei hat sich der neue Begriff der Wohlstandskonflikte entfaltet, der in aller Klarheit darauf hinweist, dass neben einer Zunahme von Armut, insbesondere der Armut von Kindern, und einer erkennbar dauerhaften Ausgrenzung eines stetig wachsenden Segmentes der Bevölkerung, auch eine Spaltung und Erosion der Mittelschichten zu erkennen ist. Diese geraten unter Druck, grenzen sich nach unten ab und reagieren mit Verunsicherung. Ein Blick auf die Lebenswelten zeigt, dass Teilhabechancen schwinden, vor allem auch für Kinder und dass vor allem soziale Erschöpfung, die sich im klassischen Klientel der Sozialen Arbeit, unter Armen und Marginalisierten, ausbreitet, dazu führt, sich in der eigenen Lage einzurichten und die Kraft zur Selbstgestaltung, die ja mit der Aufforderung Arbeitskraftunternehmer zu sein verbunden ist, zu schwächen. Erschöpfung, erschöpfte Familien Ich habe in einigen Aufsätzen den Begriff der erschöpften Familien entwickelt, um die Situation von prekären und armen Familien zu analysieren (und nicht nur zu beschrieben). Diesen Begriff habe ich dabei in Anlehnung an eine Studie der Kollegin Uta Meier-Gräwe von der Universität Giessen zu erschöpften Sozialhilfeempfängern und unter Bezug auf psychologische und psychiatrische Diskurse geprägt. Ich habe ihn allerdings um Kontexte einer sozialen und kulturellen Erschöpfung erweitert Ganz allgemein geht es um Menschen, die dem Tempo der Moderne zunächst nicht folgen können – aus guten und nachvollziehbaren Gründen. Es handelt sich im Speziellen um Menschen, die durch vielfältige Formen der Entmutigung nicht mehr in der Lage sind ihre alltäglichen Verrichtungen eigenständig, sinnvoll und nachhaltig zu organisieren. Es sind Menschen, deren Situation von sozialen und ökonomischen Bedingungen geprägt ist, die sie nicht selbst zu verantworten haben, an denen sie aber immer mehr scheitern. Ihr Alltag wird von vielfältigen Überforderungen überfrachtet, was letztlich zu einer wachsenden Unfähigkeit führen kann einen Haushalt zu gestalten und letztlich und allmählich zu einem Verlust der Erziehungsfähigkeit führen kann. Diese Familien sind zunächst und vor allem mit sich selbst beschäftigt; sie können kaum noch für andere sorgen, insbesondere auch nicht für Kinder, die in den Familien leben. Ihre persönlichen, sozialen und kulturellen Kräfte sind erschöpft. Zwischenbemerkung: Wohlfahrtsstaat und Soziale Arbeit müssen sich diesen Tendenzen stellen Diese vier Tendenzen stellen Herausforderungen für die Soziale Arbeit dar, auf die sie zu reagieren hat, mit denen sie zunehmend und in verschärfter Weise konfrontiert wird. In ihren Maßnahmen und Dienstleistungen ist sie ein wichtiges Instrument des Wohlfahrtsstaates, der generell zur Bearbeitung dieser Anpassungsprobleme moderner und komplexer Gesellschaften „erfunden“ und auch erkämpft wurde und sich stetig weiter entwickelt, entwickeln muss. Die allgemeine Aufgabe des Wohlfahrtsstaates ist es dabei ein Soziales Arrangement auf einer normativen Programmatik (Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit etc.) zu gewährleisten, das Menschen unterstützt, sie fördert und ihnen Optionen und Hilfestellungen bietet, sich im Gewirr der Veränderungsprozesse selber zu entwerfen. Dabei soll auch Schutz gegen die Radikalität der Markkräfte aufgebaut werden. Da Gesellschaften immer im Fluss sind auch wohlfahrtsstaatliche Reaktionen immer im Fluss und nie auf Dauer festgeschrieben – auch sie unterliegen den Bedingungen der Beschleunigung und der Verflüssigung. Als Reaktion auf diese Tendenzen sind zum einen Forderungen nach Grundsicherung, Mindestlöhnen und einer sinnvollen Beschäftigungsförderung in der Debatte. Zum anderen aber muss Soziale Arbeit sich als ein wesentliches Instrument (als Dienstleistung) in diesen Tendenzen immer neu verorten und ihr Selbstverständnis und ihren Platz überdenken. Doch auf ihr lastet ein großer Druck, den es zunächst zu analysieren gilt. Druck auf Soziale Arbeit 1) Vom sorgenden zum gewährleistenden Wohlfahrtsstaat Der Wohlfahrtsstaat befindet sich derzeit auf dem Weg von einem sorgenden (Lebenslagen grundlegend absichernden) zu einem lediglich gewährleistenden Staat, der Basisabsicherungen für die Selbstverantwortung der Subjekte bietet. Das geht mit einer Intensivierung der Individualisierung sozialer Absicherung einher und formuliert dabei in aller Deutlichkeit das Ziel einer persönlichen Verantwortungsübernahme auf der Basis der gewährleistender Hilfen, die genau dies befördern und Menschen stärker in ihrer eigene Selbstsorge mobilisieren wollen. Das zeigt sich vor allem auch in dem Begriff des Arbeitskraftunternehmers und einer damit verbundenen Aktivierungsstrategie: es geht darum Subjekte und Gemeinwesen zu aktivieren, um unabhängig von Maßnahmen Unterstützung zu formen und zu gestalten. Klassisch ist das die These des Fordern und Förderns, die ja essentieller Besttandteil der Agenda 2010 und der Reformen am Arbeitsmarkt war und zu vier verschiedenen Gesetzen führte (u.a. auch zur Einführung des bis heute umstrittenen ALG II). Theoretisch ist das die Ablösung des „Providing“ durch ein „Enabeling“ und die Förderung von Selbstorganisation durch Strategien des Empowerment. Darunter lassen sich ganz allgemein Trainingsstrategien verstehen, die Soziale Arbeit durchführen soll, um bei ihren Kunden eine rationale Steuerung des eigenen Verhaltens hinsichtlich seiner Folgen zu erreichen. In der darin eingelagerten ökonomischen Rationalität entfaltet sich dies zu einer „neuen“ und stark veränderten Grundlegung Sozialer Arbeit, die es als Ökonomisierung noch zu diskutieren gilt. Kritisch lässt sich dies aber auch als die Verlagerung von Verantwortung aus der Gesellschaft heraus in das Subjekt diskutieren, die Türen für Vorwürfe an der eigenen Lage schuldig bzw. unschuldig zu sein öffnet, die Dichotomie von würdiger und unwürdiger Armut neu belebt und somit dem alten und „vergessen“ geglaubten Vorwurf eines individuellen Versagens neue Nahrung gibt. Allerdings, und das ist das Positive daran, bedeutet Gewährleistung auch, Menschen zu unterstützen, damit sie sich von jener Erschöpfung erholen, die Ergebnis ihrer sozialen Lage ist. Denn: Das Referenzsystem für Soziale Arbeit ist das jeweilige Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, ein anderes gibt es nicht; darin nämlich müssen sich die Menschen verorten und in diesem Verortungsbemühen müssen sie in Sozialer Arbeit als einem wohlfahrtsstaatlichen Instrument einen Partner und Unterstützer finden, einen Begleiter, einen Lotsen, einen Moderator. 2) Ökonomisierung und Verwertungszwänge Der Begriff Sozialwirtschaft hat sich inzwischen stark durchgesetzt und prägt die Debatten in der Sozialen Arbeit. Darin liegende Inhalte und Tendenz haben zu einem neuerlichen Schub der Ökonomisierung geführt. Dies bedeutet den Einzug des betriebswirtschaftlichen Denkens und des Kostendenkens in die Dienstleistungssysteme, es zeigt sich vor allem an der Allgegenwart folgender Begriffen mit den darin transportierten Inhalten: Wettbewerb, Effizienz, Kontraktmanagement, Zielvereinbarungen, Angebotssteuerung, Monitoring, Controlling, Effektivitätsnachweise, Leistungsbeschreibungen und Leistungsvereinbarungen. Dahinter verbirgt sich zudem eine Neuakzentuierung staatlicher Steuerungskapazität, die über klare Produktbeschreibungen, über vorab definierte sowie beschränkte Zielvorgaben sowie ein Wirkungscontrolling zur weiteren Marktfähigkeit sozialer Hilfen führt (Pflegedienste sind hierfür ein gutes Beispiel). Die Markt- und Managementorientierte Kontextsteuerung erzieht die Sozialwirtschaft zudem zur Selbst- und Kostendisziplin. Darin ist die Versorgung von Klienten nicht mehr alleiniger Zweck sondern auch ein notwendiges Mittel um den Träger/die Organisation im Bestand zu sichern bzw. Geschäftsfelder sogar auszuweiten. In diesen neuen Kontexten der Steuerung werden Klientenbezogene Entscheidungen vermehrt durch wirtschaftliche Zwänge/Ziele bestimmt. 3) Aufbau eines „Wohlfahrtsmarktes“ Aus Wohlfahrtsverbänden werden Sozialkonzerne; es wächst ein Marktgesteuerter Sozialsektor mit einer wachsenden Differenzierung der Leistungsanbieter. Wettbewerb tritt an die Stelle eingespielter und tradierter (überholter) Verfahren der Sozialpartnerschaft. Auf einem anonymen Markt begegnen sich leistungsschwache und leistungsstarke Anbieter, es kommt in den Kontexten der Ausschreibungsverfahren zu Gewinnern und Verlierern, Konzentrationsprozesse im Bereich sozialer Dienste werden verursacht und beschleunigt. Betriebswirtschaftliche Nutzerorientierung und Gewinnmaximierung führt zum Entstehen eines Wohlfahrtsmarktes auf dem sich Leistungserbringer als Konkurrenten begegnen und sich mit ihren Angeboten unterbieten. Kurzfristige Kalkulation tritt vermehrt an die Stelle langfristiger Planungen. War der Bürger als Klient bisher Gegenstand und Zielpunkt zahlreicher staatlicher Aktivitäten so wird er nun Kunde auf dem Wohlfahrtsmarkt. Dieser Kunde sollte über Klarsicht und Kalkül verfügen. Was ist aber mit denen, die das nicht können, die nicht über jene Autonomie verfügen, die sich in dem Begriff verbirgt bzw. ihn trägt? Wer dies nicht kann benötigt Lotsen und Begleitung um die Hilfen zu sortieren und die notwendigen zu erhalten, er muss erst zum „Kunden“ erzogen bzw. darin unterstützt werden. Doch wer tut das, wo und durch wen wird dies finanziert? Im Moment scheint sich vor allem eine Tendenz zur Zweiklassensozialarbeit zu formen, die Klienten der Sozialarbeit in Kunden und Almosenempfänger (Klienten?) scheidet. 4) Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse in der Sozialen Arbeit Die dargestellte Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse hat sich insbesondere auch in der sozialen Arbeit ausgebreitet. Absenkung der Bezahlung, Projektbasierte Stellen, keine Vollzeittätigkeiten, Niedriglöhne sind Realitäten. Berthold Vogel formulierte: Alles spricht dafür, dass sich die Wohlfahrtsverbände in ein unübersichtliches Gelände pluraler Statusgruppen und differenzierter Karrierewege verwandeln. Er diagnostiziert eine Zunahme an Jobnomaden, die sich von einem befristeten Vertrag zum anderen hangeln, er sieht Arbeitsmarktdrifter, Personen, die in Randbereiche abgeschoben werden (Helfer, Assistenten etc.), Prekarisierte Prekaritätsbearbeiter, eine hohe Verunsicherung der Unsicherheitsbewältiger, eine Flexibilisierung der Flexibilitätsmanager und eine finanzielle Auszehrung der Armutsverhinderer. Zugleich lassen sich aber auch Gewinner erkennen: eine Aufwertung der Controller, Berater, Therapeuten, IT-Spezialsten, des Managements und eine Zunahme an Pfadfindern, die in die lukrative Jobs des New Public Management strömen. 5) Aktivierungsprozesse Innerhalb der Sozialen Arbeit finden rasante Veränderungen des Handlungsinstrumentariums in Richtung aktivierender Strategien statt, die Selbstverantwortung befördern sollen. Dies zeigt sich in mehreren Aktivierungswellen. Zunächst einmal (und vor allem) in einer Aktivierung der Gemeinschaften in Projekten der Sozialen Stadt und anderen Stadtteilbezogen Projekten, die sich vermittelt über das Quartiermanagement an der Bewohneraktivierung und an der Moderation selbst tragender Prozesse festmachen. Die darin eingelagerte Aktivierung sozialer Netzwerke, die als „Ersatz“ professioneller Hilfen zu sehen sind, soll Selbsthilfe zum Aufbau von Unterstützungsnetzwerken befördern. In einer weiteren Welle finden sich Präventions- und Vorsorgeprogramme wie Elterntrainings, Armutsprävention und Frühe Hilfen. 6) Wirkungsorientierung der Sozialen Arbeit In der Praxis der Sozialen Arbeit setzt sich, auch vor dem Hintergrund der diskutierten Ökonomisierung, allmählich ein Denken fest, das aus einer stark medizinisch orientierten Sozialen Arbeit (der USA) entnommen wird und sich mit dem Begriff einer „Evidence Based Social Work“ umreisen lässt. Dabei stehen Erfolg und Wirkung des Handelns im Zentrum, deren positiver Nachweis wird zur Basis für die Methodenwahl, bildet aber auch die Grundlage für Produktbeschreibungen, die bei Bewerbungen auf Ausschreibungen essentiell werden können. Methodeneinsatz, Qualitätsnachweis und Erfolg werden zu Inhalten des Kontraktmanagements. Dies kann durchaus positiv im Kontext der Nachhaltigkeit reflektiert werden. Allerdings bleiben auch zentrale Fragen, die zu klären sind: Wie misst sich Erfolg, wer definiert Erfolg, was ist Qualität, wie sichert „man“ Qualität? In einer radikal kritischen Position der Sozialen Arbeit wird diese Tendenz als eine „Technologisierung der Sozialen Arbeit“ hinterfragt, die sich weit vom Anspruch des Helfens und des Unterstützens entferne. Es stellt sich vor allem auch die Frage: Was ist mit denen, die keinen Erfolg „versprechen“? Werden diese an die Elendsverwaltung und die Almosenverteilung der zweiten Klasse der Sozialen Arbeit verwiesen? 7) Zwei-Klassen-Sozialarbeit und Verwaltung des Elends Das „Almosen“ wird immer mehr zur „Bruchstelle“ einer modernen Sozialen Arbeit, die sich am Kunden und am Wohlfahrtsmarkt orientiert. Seit Jahren lässt sich eine Renaissance der Notversorgung und der Almosenverteilung beobachten: Suppenküchen, Tafeln, Kleiderkammern, Möbellager übernehmen zunehmend die Aufgaben einer Grundversorgung breiter Bevölkerungskreise. „Charity“ in der Form einer neu auflebenden Spendenökonomie entfaltet sich als ein neues Modell zivilgesellschaftlicher Reaktionen auf Armut, Ausgrenzung und Elend. Barmherzigkeit und „Nächstenliebe“ werden darin Programm, mit dem Almosen erfahren sie eine alte „neue“ Bedeutung: durch die Gabe an den anonymen Armen wird der Reichtum „entlastet“ und zugleich noch ob seiner Großzügigkeit belohnt. Dies erinnert an Praktiken der Armen- und Bettelordnungen mittelalterlicher Städte. Ij diesen Kontexten geht es nicht mehr um Entwicklung sondern lediglich um Versorgung. Es stellt sich unverblümt die Frage, ob diese „Zweite Klasse“ der Sozialen Arbeit sich damit abgefunden hat, dass es Armut gibt und somit Menschen, die aus diesen benachteiligenden und ausgrenzenden Lagen aus eigener Kraft nicht mehr heraus kommen. Dann aber wird Armut zur Drohung an Jene, die sich in prekären Lagen befinden aber noch nicht als arm gelten. Es wächst schließlich eine neue Elendsverwaltung, die sich ausschließlich um das Überleben kümmert aber keinerlei Förderangebote mehr macht. Offenkundig befindet sich Soziale Arbeit auf dem Weg in eine Zwei-KlassenSozialarbeit. Zum einen formt sich eine lukrative und individuelle Beratung vor sozialwirtschaftlichem Hintergrund, die an autonome Kunden heran getragen wird bzw. Klienten fördert, damit sie Kunden werden. Zum anderen breitet sich eine Grundversorgung für jene aus, die als aufgegeben gelten. Komplettiert wird dies durch eine Verstärkung ordnungsrechtlicher und polizeilicher Maßnahmen, die das Betteln aus den Innenstädten fern halten wollen. 8) Sozialarbeit als Steuerung von Hilfeprozessen Die diskutierten Entwicklungen bündeln sich in einem „Wandel“ vom „Helfen“ zur Aktivierung und Steuerung. Das methodische Handeln wird mehr und mehr durch den Kontext von Planung, Steuerung, Assessment, Profiling, Training, Eingliederungsvereinbarung und Monitoring geprägt. Dies meint zum einen die Steuerung individueller Selbstsorge und zum anderen die Steuerung Projektbasierter Prävention. Es verdichtet sich in der Steuerung von Aktivierungsprogrammen und der Steuerung eines kostengünstigen Mitteleinsatzes. Das Berufsbild des Sozialarbeiters wandelt sich und präferiert einen Manager Sozialer Dienste und eines Lotsen der Menschen an Dienste heranführt Zwischenfazit: Soziale Arbeit kommt dort an, wo sie eigentlich schon immer stand In meiner Interpretation der erkennbaren Entwicklungen sind die Inhalte und Kontexte, die ich hier diskutiere, nicht unbedingt neu und umwerfend. Die Aktivierung und das Training der Fähigen sowie die Versorgung und Verwaltung des Elends waren und sind schon länger elementare Bestandteile der Sozialen Arbeit. Allerdings wird die erste Dimension durch die Reformen, die das Soziale derzeit durchlebt, bestärkt und befördert, während die zweite Dimension des „Almosens“ in gewisser Weise „neu“ entwickelt wird, idem sie eine beeindruckende Renaissance erfährt. Dabei entsteht allerdings ein Trennungsstrich, der zur oben diskutierten ZweiKlassen-Sozialarbeit führt. Zweifelsohne muss Soziale Arbeit sich in dieser Polarisierung neu definieren und “ihren Platz finden“ sowie Antworten auf neue Fragen und Herausforderungen geben, die sowohl lukrativ sind als auch die Dimension des Almosens erneut einbinden. Zu übersehen ist aber nicht, dass dieser Druck Risiken für Soziale Arbeit erzeugt. Wird sie etwa offen für Alles, was lukrativ ist? Führt dies dazu, dass sie eine Disziplin ohne Eigenschaften wird, die ihre Visionen und ihre notwendige politische Sensibilität verliert? Werden ihre humanistischen, aufklärenden und ethischen Rahmungen aufgeweicht, wie ich es bereits vor Jahren in meinem Aufsatz zur „Erschöpften Sozialarbeit“ diskutiert habe. Führt die verstärkte Marktabhängigkeit zu einem reinen Fallmanagement, da die empathische Sensibilität für die Probleme der Klienten verloren geht? Ich sehe in diesen offenen Fragen und Entwicklungen aber nicht nur Risiken sondern auch Chancen und Perspektiven, die es zu skizzieren gilt. Chancen 1) In den Reformen findet eine Stärkung der Akteurperspektive durch den Status des Kunden statt. Das Ziel der Sozialen Arbeit war immer das autonome Subjekt, das sich selbst reflektiert und entwirft. Dieser Bezug auf den Menschen, der im Hilfesystem essentiell einprogrammiert ist, will diesen befähigen wieder mehr und stärker als bisher für sich selbst zu sorgen. Eigentlich soll Hilfe wieder unabhängiger und handlungsfähiger machen. Dazu ist aber vielfach Unterstützung nötig um Menschen aus ihren Lagen und ihren Abhängigkeiten, so weit dies möglich ist, durch Aktivierung und Befähigung zu befreien. Diese befreiende Perspektive wird im Begriff des Kunden deutlicher als bisher. Hieraus wächst eine Chance für Soziale Arbeit: Menschen im Hilfesystem sollen und dürfen nicht Klienten bleiben, doch um Kunden (autonome Subjekte) zu werden bedarf es der Förderung durch Soziale Arbeit, sie sind deshalb soweit und so lange zu unterstützen und zu befähigen bis sie Kunden sein können, die sich in einer modernen Gesellschaft selbst entwerfen und selbst gestalten können. 2) Stärkung der Pflicht zur Rechtfertigung: Soziale Arbeit muss sich erklären Soziale Arbeit kann sich nicht mehr auf das prinzipiell Gute und Sinnhafte ihres Tuns zurückziehen. Ihre Daseinsberechtigung kommt nicht einzig aus der Kritischen Haltung der Gesellschaft gegenüber und aus ihrem Ethos Menschen gegen die radikalen Marktkräfte zu schützen und sie in ihrem Leiden an der Gesellschaft zu unterstützen. Dies ist zwar eine unaufhebbare und prinzipielle Bedeutsamkeit aller sozialstaatlichen Maßnahmen, in die Soziale Arbeit als Profession eingebunden ist. Darüber hinaus muss sie sich erklären und sich dabei in ihrem Handeln rechtfertigen. Es geht nicht nur darum, dass sie ihre Wirkungen genauer erfassen sollte, sie muss vor allem Dingen auch sagen können, ob und wie ihre Tätigkeit den Klienten und Kunden nützt. Sie hat zudem die Pflicht sich ihnen zu erklären und deren berechtigte Vorstellungen auf ein eigenes und gutes Leben umzusetzen. Ihr Nutzen ist daran zu orientieren, ob das Leben ihrer Klienten und ihrer Kunden in der Moderne, in der Welt, in der sie leben, durch Soziale Arbeit erleichtert wird, ob die Menschen im Hilfesystem sich durch sozialarbeiterische Unterstützung im Alltag besser einrichten können als zuvor, ohne Hilfe. Dieser Nutzen wird vor allem auch darin erkennbar, wenn Erschöpfung sich in Aktivität wandelt, wenn Menschen weniger abhängen als zuvor und wieder Subjekte werden, die wollen und dieses Wollen in eigenständiges Handeln umsetzen. Diese Pflicht zur Rechtfertigung ist eigentlich eine basale Aufgabe, die auf Sozialarbeit schon immer lastete, ihr eingeschrieben war und ist. Doch sie wird in den Reformprozessen deutlicher und essentieller; Soziale Arbeit muss genau dies stärker als bisher in ihrer Selbstbestimmung pointieren. Darin wird sie zu einer notwendigen Dienstleistung, deren Nutzen und Rechtfertigung sich vor allem daran orientiert, dass Menschen Wesen ihrer selbst sind und werden – und zwar in den Bedingungen und Lebenswelten der Modere, so wie sie eben ist. 3) Chancen für methodisches Handeln In diesen Kontexten wird Soziale Arbeit ihren Fokus stärker als bisher auf ihr Handeln und damit auf ihre Methoden zu richten haben. Dies ist kein Argument dafür, die theoretischen Debatten zu reduzieren. Allerdings standen diese in der letzten Zeit sehr stark im Fokus, dies gilt es in seiner Gewichtigkeit zu ändern. Im Zentrum Sozialer Arbeit steht wesentlich deren Praxis, sie ist vor allem Dienstleistung, sie ist Handlung. Das gilt es zu bestärken ohne die theoretische Reflexionsfähigkeit zurück zu drängen. In ihrem methodischen Handeln werden dabei Unterstützung, Begleitung, Aktivierung. Planung und Steuerung von essentieller Bedeutung. Darin liegt ein Professionalisierungsschub für methodisches Handeln, das sich jenseits des noch immer die Vorstellungen prägenden helfenden Gesprächs als Moderation der Handlungsvollzüge von Kunden und Klienten darstellt, damit diese ihre Rechte durchsetzen, Zugänge zu Hilfestellungen im Alltag und bei besonderen Schwierigkeiten erhalten und ihre Teilhabe- und Verwirklichungsmöglichkeiten in Sozialen Räumen anmelden und auch realisieren können. Soziale Arbeit wird zu einer Option, die sich nicht aufdrängt; die aber präsent ist und immer wieder ihre Perspektiven für das Leben der Menschen aufzuzeigen hat und sich dabei eben rechtfertigt. Sie muss sich jenseits vom Fall und vom Defizit als subjektive, soziale und wirtschaftliche Entwicklung neu denken. Dies bedeutet auch, dass sie Überlegungen zur Förderung lokaler Ökonomie, wie dies in Stadtteilentwicklungsprojekten der Fall ist, in ihr methodisches Instrumentarium einbezieht und weiter entwickelt. Perspektiven Da ist zum einen ihr Menschenbild, da ist aber auch ihr originärer Bezug auf die Menschenrechte und auf die Kinderrechte. Dies wird flankiert durch grundlegende Begriffe und Konzepte wie Würde und Anerkennung der Anderen, Achtung allen Menschen gegenüber, die Autonomie des Subjektes als wollender Mensch sowie die „Idee“ der Selbstsorge und der Selbstverantwortlichkeit des Menschen Unter Bezug auf Kants Position, dass Aufklärung und damit die Verfasstheit der Moderne (ihr Versprechen, ihre Chance und ihre Herausforderung) auch der Ausgang des Menschen aus selbst verschuldeter Unmündigkeit sei und dieser nun zu sich selbst komme, sich als wollender, gestaltender und autonomer Mensch entwerfe, ist es wesentlicher Bestandteil des modernen Menschenbildes, auf das sich Soziale Arbeit stets beziehen muss, diese Freiheit des Menschen, die mit seiner Fähigkeit verbunden ist seine Vernunft zu seinem Wohle zu nutzen, zu verteidigen, sie zu befördern und immer wieder auch herzustellen, wenn sie durch die Unmittelbarkeit der kulturellen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse eingeschränkt wird. In den alltäglichen Verstrickungen der Hilfesysteme wird Soziale Arbeit auch immer auf die Geschichtlichkeit des Menschen verwiesen, das heißt auf seine Veränderbarkeit und nicht auf seine Natur, die immer eine gewordene ist. Dies aber ist eine essentiell herausfordernde Perspektive, mit den Klienten und Kunden Menschlichkeit und deren Entwicklung und Entfaltung zu suchen und zu gestalten. Dies muss prinzipiell mit der Anerkennung der Anderen, mit Würde und Achtung, verbunden sein bzw. auf dieser ruhen. Paulo Freire formulierte dies als eine Achtung gegenüber den Leistungen und den Fähigkeiten der Menschen, Richard Sennet sprach vom Respekt, den wir anderen gegenüber entwickeln müssen, um sie Ernst zu nehmen. Achtung gegenüber den Bedürfnissen der Menschen, die einem nicht gleichgestellt sind, definierte John Rawls als Anerkennung. Habermas schließlich, der für mein Denken an vielen Stellen grundlegend ist, erweiterte dies auf die Achtung und die Anerkennung abweichender Meinungen, die anderen Interessen entspringen. Daraus entfaltet sich Anerkennung in einer diskursiven Betrachtung als Aushandlung, als Kommunikation, als Dialog. Das muss die Basis der Gesprächsführung und des methodischen Handelns Sozialer Arbeit sein. Es Ist ein wesentliches Element Sozialer Arbeit und damit eine ihrer tragenden Perspektiven. Da sind zum anderen aber auch die Visionen eines Guten Lebens, die sich auf die prinzipielle Verfügbarkeit grundlegender Güter für alle Menschen beziehen, in denen aber auch Werte und Sinn vermittelt werden. Dies ist grundsätzlich geprägt von der Philosophie der Aufklärung und deren Umsetzung in gesellschaftliche Praxis. Das moderne Menschenbild und das Konzept der Anerkennung bieten die Basis für die Theorie eines Guten Lebens, die auf Aristoteles ruht und von Martha Nussbaum für die Moderne angemahnt wurde. Sie entwirft sich als eine ethisch begründete visionäre Anthropologie der Hoffnung; sie umfasst zwar menschliche Ziele in allen Lebensbereichen; sie gibt aber lediglich einen Umriss und lässt somit viele Spezifikationen zu, ist letztlich ein offener Prozess. Diese Theorie muss „breit“ angelegt sein, sie muss folglich für Alle und nicht nur für eine Elite gelten. Sie muss zudem „tief“ sein und nicht nur Güter wie Geld, Grund und Boden oder Chancen und Ämter umfassen; es muss ihr um die Totalität der Fähigkeiten und Tätigkeiten gehen, die ein gutes Leben ausmachen. Darin setzt sie auf die konstitutiven Bedingungen menschlichen Lebens, auf die Beförderung jener Tätigkeiten und Fähigkeiten, ohne die ein Leben zu viele Defizite bergen würde. Staatlich-gesellschaftliche Ordnung als von Menschen geschaffener Garant menschlichen Lebens muss die Menschen in der Entfaltung ihrer Tätigkeiten und Fähigkeiten unterstützen; es müssen Chancen und Optionen für alle bestehen, entsprechend ihrer Fähigkeiten eine gute Lebensführung zu leben, und zwar ein ganzes Leben lang. Dies kann nur durch eine präventive Strategie geschehen, die nicht wartet, bis es den Menschen schlecht geht; zu diesen Strategien, die auch als öffentliche Güter diskutiert werden, zählen: eine humanistische Erziehung, Bildung, Gesundheit, Arbeit, Sicherheit für Leben und Besitz aber auch gesunde Luft und gesundes Wasser, ausreichende Ernährung und Unterkunft, Schutz vor tätlichen Angriffen, Schutz der Künste und der Wissenschaften, Gewährleistung von Entscheidungsfreiheit, Erholungsmöglichkeiten, Schutz einer unantastbaren Sphäre. Das Gute Leben ist in seiner Umsetzung und Praxis ein offener Prozess, den wir als Menschliche Entwicklung verstehen, die jenen Raum öffnet, in dem die Fähigkeiten des Menschen zu sich selbst kommen. Und schließlich ist es die politische Einmischung, die Perspektiven für die Soziale Arbeit eröffnet. Sie entwirft sich darin immer wieder neu in ihrer Offenheit und in ihrer Empathie. Einmischung meint dabei, dass das Soziale immer neu zu gestalten ist, da es nie endgültig festgestellt sein kann. Menschliche Gesellschaften sind im Fluss und die Perspektive der Sozialen Arbeit liegt auch darin, ein reflexiver und gestaltender Schwimmer in diesem Fluss zu sein, neue Frage aufzuwerfen, sie einzubringen und neue Antworten zu fordern und sie selber einzubringen. Moderne Gesellschaften sind in einem hohen Maß staatsbedürftig und damit auf Dienstleistungen verwiesen, die Soziale Arbeit in ihrem Universum entfaltet hat und auch weiterhin entfalten kann. Hierfür aber muss sich Soziale Arbeit konstruktiv und kritisch einmischen, Position beziehen, anklagen und einfordern. Statt einem Doppelten Mandat muss sie einen Spagat pflegen und entwickeln; einen Spagat zwischen dem Arrangement der Hilfe und dem eigenen Weltbild, den politischen Positionen, zwischen dem Fordern in öffentlichen Debatten (aufdecken und einmischen) und einem Fördern, unterstützen, aktivieren und begleiten der Kunden und Klienten. Dazu gehört es zum einen sich der Ökonomisierung zu stellen, sie als Chance zu verstehen und die Wohlfahrtsmärkte zu ihren eigenen Gunsten und zum Wohle der Klienten und Kunden zu nutzen. Und dennoch ist es auch an der Zeit und Aufgabe Sozialer Arbeit die ausschließliche Reduktion des Sozialen und des Politischen auf ökonomische Strukturbeschreibungen zu korrigieren bzw. dies anzumahnen. Es bedarf einer kritischen Beobachtung und Begleitung gesellschaftlicher Trends durch Soziale Arbeit. Einmischung meint aber auch, den Wohlfahrtsstaat weiter zu entwickeln und ihn nicht festzuschreiben, ihn auf einem erreichten Niveau einzufrieren. Dabei ist immer wieder zu verdeutlichen, dass erst der Wohlfahrtsstaat selbst, in welcher Form auch immer, die Voraussetzungen für die individuellen Freiheits-, Gestaltungs- und Handlungsspielräume der Lebensführung schafft. Soziale Arbeit als Dienstleistung muss beides tun, das ist ihr Spagat: Teilhabemöglichkeiten durch einmischen einfordern und diese in ihre Praxis mit Klienten und Kunden verwirklichen.