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Handout zum Seminarvortrag
„Strahlenschutz an Teilchenbeschleunigern“
Datum: 25. April 2006
Referentin: Kerstin Grieger
Strahlenschutz an Teilchenbeschleunigern
Inhalt:
1.Dosiseinheiten und Biologische Effekte der Strahlung
2.Strahlenfeld eines Teilchenbeschleunigers
3.Wechselwirkung der Strahlung mit Materie
4. Abschirmung am MAMI
5. Quellen
1.Dosiseinheiten und Biologische Effekte der Strahlung
Energiedosis D und Äquivalentdosis H:
Die Energiedosis gibt die absorbierte Energie pro Masseneinheit an und ist der fundamentale
Parameter im radiologischen Schutz.
E
D=
m
Die Energiedosis wird in Gray (1 Gy = 1 Joule/kg) gemessen.
Allerdings richtet 1 Gy Neutronen einen größeren Schaden an, als 1 Gy Elektronen. Denn es
gilt: Je stärker ionisierend die Teilchen, desto größer der biologische Schaden.
Da die Energiedosis aber keinerlei Informationen über den Strahltyp und somit über die
Gefährlichkeit gibt, ist eine weitere Größe, die Äquivalentdosis H, die dies berücksichtigt,
gebräuchlich.
Die Äquivalentdosis ist das Produkt aus Energiedosis und einem sogenannten
Strahlungswichtungsfaktor wr. (H = wr *D) und wird in der Einheit Sievert (1 Sv = 1
Joule/kg)
In der Tabelle sindwrBeispielhaft
Die dreiWichtung
Wichtungsfaktoren
der
Energiedosis
angegeben.
Strahlungsartangegeben.
Strahlungswichtungsfaktor
Elektron
1
normalisiert die Messung, so dass 1 Sv
Photon
1
Neutronen den gleichen biologischen
Neutron
5-20
Effekt wie 1 Sv Photonen zur Folge hat.
(Energieabhängig)
Zu beachten ist, dass, obwohl die beiden Größen Gray und Sievert in Joule pro kg
umgerechnet werden können, sie nicht äquivalent sind. Das Sievert signalisiert, dass die
Strahlungsart und somit der biologischer Schaden berücksichtigt ist, Gray hingegen zeigt,
dass dies nicht berücksichtigt wurde.
Biologischer Effekt:
Durch Strahlung wird die DNA und damit die Zellen beschädigt, sodass körperliche Schäden
wie z.B. Krebs und Unfruchtbarkeit sowohl bei den bestrahlten Personen als auch bei deren
Kindern auftreten können. Ein Aufgeben der Nutzung von Strahlung um diese Effekte
auszuschließen, würde aber einen Verlust der Gesellschaft bedeuten (Medizin, Forschung,
…), dadurch kommt die Notwendigkeit des Einsetzens von Grenzwerten zustande:
ALARA - Prinzip: As Low As Reasonably Achievable
Das Setzen von Dosisgrenzwerten, entspricht einem Einrichten einer Balance zwischen
erwartetem Nutzen und dem damit verbundenen Risiko. Für Personen die beruflich mit
Strahlung arbeiten liegt der Grenzwert bei 6 mSv/Jahr für die restliche Bevölkerung 300
μSv/Jahr. Dosisgrenzwerte gelten zusätzlich zum natürlichen Untergrund.
2.Strahlenfeld eines Teilchenbeschleunigers
Trotz
der
großen
Vielfalt
der
Teilchenbeschleuniger
(siehe
Handout
„Teilchenbeschleuniger“), gibt es viele Ähnlichkeiten im Strahlenfeld der Beschleuniger. Die
Beschleuniger lassen sich grob in Hadronen und Leptonenbeschleuniger verschiedener
Energien einteilen. Bei den Hadronenbeschleunigern ist zu beachten, dass (wenn man von den
Energien der Strahlung absieht), die Strahlungsfelder schwerer Ionenbeschleuniger vom
Standpunkt des Gesundheitsschutzes den Strahlenfeldern von Protonenbeschleunigern
gleichwertig sind. Die Tabelle zeigt die Strahlenfelder (außer der Primärstrahlung) von
Protonen und Elektronenbeschleunigern.
Hadronen (p+)
Leptonen (e-)
E<1MeV
E≈10 MeV
-Radioaktive Produkte
Röntgenstrahlung
γ-Strahlung
E ≈100 MeV
Radioaktive Produkte
Hochenergetische Neutronen
γ-Strahlung
Neutronen
Wenn man von dem spezifischen Problem des Primärstrahls absieht – sieht man, dass das
Strahlungsfeld durch Elektromagnetischer Strahlung und Neutronen dominiert wird.
=> Um einen Einblick in die für den Strahlenschutz an Teilchenbeschleunigern wichtigen
Effekte zu geben, ist eine Spezialisierung auf das Strahlenfeld eines Elektronenbeschleunigers
ausreichend, da Abschrimungsprobleme von Elektronenbeschleunigern hoher Energie denen
für Hochenergetische Protonen ähneln.
Strahlenfeld eines Elektronenbeschleunigers (z.B. MAMI):
Elektronen (primär) -> Photonen (sekundär) -> Neutronen (tertiär)
Was wäre, wenn ich für 1 sec in einen Teilstrahl (1%) des MAMI geraten würde?:
Energie
= 855 MeV
Stromstärke = 100μA
Äquivalentdosis
E
855 J
=
⋅ wr =
⋅1 = 14,25Sv / sec
⇒ Leistung = 85,5 kW
m ⋅ sec
sec
60kg ⋅ sec
⇒ Leistung des Teilstrahls = 855 W
Î Das würde ich nicht überleben!
Das muss
verhindert
werden!
3.Wechselwirkung der Strahlung mit Materie
Um über die Wechselwirkung zu sprechen sind zwei Begriffe nötig:
Querschnitt und Energieverlust
Die Wechselwirkung zweier Teilchen wird in Abhängigkeit des
Querschnitts σ angegeben, der wiederum die Wahrscheinlichkeit der
auftretenden Wechselwirkung angibt.
mit
dσ
1 dN s
dσ
( E , Ω) =
σ ( E ) = ∫ dΩ
dΩ
F dΩ
dΩ
Die einfallenden Teilchen sind in Ort und Zeit verteilt – man spricht von einem Fluss F von
Teilchen, also der Zahl der Teilchen die durch eine Flächeneinheit in einer Zeiteinheit fließen.
Die Teilchen treffen z.B. auf ein Target, und werden in einen Raumwinkel dΩ gestreut, die
Anzahl der in den Raumwinkel gestreuten Teilchen pro Zeiteinheit ist dann dNs/dΩ.
Der Energieverlust eines geladenen Teilchens, dass durch eine Abschirmung dringt wird
durch die Bethe – Bloch Formel beschrieben:
−
dE
Z z 2 ⎛ 2me c 2 β 2γ 2Wmax ⎞
2
⎜ ln(
= 2πN a re me c 2 ρ
) ⎟⎟
dx
A β 2 ⎜⎝
I2
⎠
1/β² Abhängigkeit bewirkt wichtige Eigenschaften:
1. Teilchen verlieren die meiste Energie pro Wegstrecke am
Ende ihrer Reichweite, da bei kleinen kin. Energien
proportional zu 1/β2=c2/v2>>1
2. Minimum: nicht 0, da proportional zur Geschwindigkeit2
-> aber Geschwindigkeit durch Lichtgeschwindigkeit
beschränkt: Faktor 1/β2=c2/v2->1 - nicht gegen Null!
3. für große Energien ~ konstant, da für v->c gilt β=v/c->1
Anstieg der Kurve kommt von ln Term
Wechselwirkung der Elektronen (Primärstrahlung):
Bremsstrahlung:
Elektronen werden vom Feld des Atomkerns abgelenkt. Die Änderung der Flugbahn
entspricht einer negativen Beschleunigung, die überschüssige Energie wird in Form von
Photonen emittiert.
Stöße mit Hüllenelektronen:
Bei einem Stoß mit einem Hüllenelektron, wird ein kleiner Teil der Energie des Elektrons
(aus der Primärstrahlung) auf das Atom übertragen. Das Atom wird angeregt oder ionisiert.
Im Fall einer Anregung geht das Atom unter Emission eines Photons wieder in den
Grundzustand über.
Welcher Effekt auftritt hängt von der Energie der Elektronen ab, ist diese größer als die
Kritische Energie EC so dominiert die Bremsstrahlung. Die Kritische Energie ist dabei
diejenige bei der der Energieverlust durch die Bremsstrahlung gleich dem Energieverlust
durch Stöße ist. Die kritische Energie kann man näherungsweise durch folgende empirische
800 MeV
Formel bestimmen:
E ≅
C
Z + 1,2
Wechselwirkung der Photonen (Sekundärstrahlung):
Photoelektrischer Effekt
- Photon wird absorbiert
- Elektron löst sich aus dem Atom
- E ≤ 100keV
Compton Streuung
- Photon trifft auf ein Elektron
- 100keV ≤ E ≤ 10MeV
Paarbildung
- Photon wandelt sich in ein
Elektron – Positron Paar
- Wobei ein 3. Teilchen wegen der
Impulserhaltung nötig ist
- E ≥ 1,022 MeV
Photoeffekt
Paarbildung
Comptoneffekt
Abbildung zeigt den Querschnitt der
verschiedenen Wechselwirkungen
in Abhängigkeit der Energie des
Photons
Elektronenschauer:
Paarbildung
Bremsstrahlung
Durch die Paarbildung entstehen wie eben aufgeführt Elektronen, die
wiederum Photonen (Bremsstrahlung) emittieren, die wiederum
Paarbildung betreiben. Als Resultat entsteht ein Elektronen- /
Photonenschauer, der erst stagniert, wenn die Energie der Elektronen
unter die kritische Energie gefallen ist, sodass sie keine
Bremsstrahlung mehr emittieren können. Der Elektronenschauer hat
zur Folge, dass die Strahlung und damit die Energiedosis in der
Abschirmung erst einmal zunimmt, bevor sie exponentiell abfällt.
Entstehung und Wechselwirkung der Neutronen (Tertiärstrahlung):
Bei der Entstehung der Neutronen treten hier hauptsächlich zwei Effekte auf:
Riesenresonanz:
Protonen eines Kerns werden durch das elektromagnetische Feld der Photonen „geschüttelt“,
während die Neutronen (neutral) dieses Feld nicht spüren und „sitzen“ bleiben. Dadurch wird
der Kern unstabil und emittiert Neutronen mit einer Energie von ~ 20 MeV.
Pionen Produktion:
Bei der Pionenproduktion trifft ein Photon auf ein Proton eines Atomkerns, wodurch dieses
Proton in ein Neutron und ein positives Pion zerfällt. Das emittierte hochenergetische Neutron
besitzt eine Energie von ~ 500 MeV.
Da Neutronen neutral sind, können diese nicht mit Atomhüllen wechselwirken und somit
keine direkte Ionisation oder Anregung von Atomen verursachen. Es
Elastischer Stoß
sind nur Wechselwirkungen durch Stöße mit dem Kern möglich.
Elastischer Stoß ~ bis 1 MeV
Neutron stößt gegen einen anderen Kern, gibt einen Teil seiner
Energie an den Kern ab (Vergleichbar mit Stoß von Billardkugeln).
Inelastischer Stoß ~ 1-10 MeV
Neutron regt durch den Zusammenstoß einen Atomkern an, dieser gibt
die überschüssige Energie in Form eines γ Quants ab.
Inelastischer Stoß
Quasielastische Stöße >10MeV
Bei Stößen zwischen Neutronen und Atomkernen kann die Energie
des Stoßpartners so groß werden, dass er sich aus dem Atomkern löst und nun ebenfalls
andere Atomkerne ionisiert.
4. Abschirmung am MAMI
Die wichtigste Aufgabe des Strahlenschutzes
am MAMI ist es sicherzustellen, dass sich
niemand während der Beschleuniger läuft in
den Hallen aufhält. Denn trotz
Abschirmung und Kontrollgeräte könnte es
zu einem Unfall kommen auf den man,
selbst wenn er direkt entdeckt, wird viel zu
langsam reagieren kann.
(Siehe Beispielrechnung S.2)
ungünstigster Ort eines
Strahlverlustes
Verladehalle
Mitte, E-2
Massenbelegung = im Material
zurück gelegte Strecke r * Dichte ρ
= 200cm * 3 g/cm² = 600g/cm²
Netzgeräteraum MAMI-C
(Kontrollbereich)
ERDREICH
ERDREICH
TAGGERHALLE
3m
Um die bei einem Störfall an einem
bestimmten Ort in einem Abstand d vom
Strahl und hinter einer Abschirmung der
Dicke r die Äquivalentsdosis pro Zeit
(Ortsdosisleistung ODL) vorherzusagen
wird mit Hilfe von Simulationen der
sogenannte Quellterm und die
Abschwächungskonstante errechnet.
Im folgenden Beispiel wird nun die von den Neutronen verursachte
Ortsdosisleistung hinter dem rechten Tor der Verladehalle (blauer Punkt)
berechnet. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Störfall direkt darunter am
ungünstigsten Ort des Strahlverlustes auftritt und ein Elektronenstrom von 0,1μA
austritt.
verlorengehende Elektronen pro Sekunde
Quellterm* (mit E Beschleunigerenergie)
*Wert aus Simulation für Neutronen
Massenbelegung
Abschwächungskonstante für Neutronen*
*aus Simulation
Abstand Strahlverlust zum Beobachtungspkt
I/e= 6,2*1011 1/sec
S (Θ,E) = S (Θ)*E =
= 9 * 10-13 Sv *cm2/GeV * 1,5 GeV
mFl = 600 g/cm2
λ = 106 g/cm2
d = 440 cm
⎡
mFl ⎤ 1
I
ODL = 3600 ⋅ ⋅ S (Θ, E ) ⋅ exp ⎢−
⎥⋅
e
⎣ λ (Θ, E ) ⎦ d ²
⇒ ODLNeutronen = … = 54,2 μSv/h
Wäre das Tor nur 1m dick würde die Massenbelegung nur noch mFl = 300 g/cm2 betragen,
die Ortsdosisleistung wäre deutlich höher! (ODL = … = 918,3 μSv/h)
5. Quellen:
Leo, „Techniques for Nuclear and Particle Physics Experiments”, 2nd Edition, 1994
Patterson/Thomas, „Accelerator Health Physics”, Academic Press New York/London 1973
Aulenbacher, „Ortsdosisleistungen aus der von Transmissionsverlusten ausgelösten
Direktstrahlung in den an Mami- C angrenzenden Kontrollbereichen“, Mainz 2004
Volkmer, „Radioaktivität und Strahlenschutz“, Informationskreis KernEnergie, 2005
Freytag, „Strahlenschutz an Hochenergiebeschleunigern“, Karlsruhe 1972
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