Tinnitus Autor: Dr. med. Günter Gerhardt 12.03.2007Es saust und brummt den ganzen Tag im Ohr, oder es zischt oder klingelt oder pfeift - und man kann es nicht abstellen. Tagsüber geht das so, auch wenn es ganz still ist und Sie sich konzentrieren wollen. Und nachts geht es weiter, wenn Sie einschlafen wollen. Und so kam der Name zustande. Tinnitus aurium bedeutet auf lateinisch "das Klingeln der Ohren". Als Kurzform hat sich bei uns "Tinnitus" eingebürgert. Wenn das Klingeln, Pfeifen oder Rauschen im Ohr gar kein Ende nimmt, fühlen sich viele Betroffene erheblich in ihrem Alltagsleben gestört und sind zu keiner Leistung mehr fähig. Dann kommt zum Tinnitus auch der psychische Stress hinzu und man spricht vom chronisch dekompensierten Tinnitus (dekompensieren = entgleisen). Der ist besonders schwer in den Griff zu bekommen.Nach neueren Erhebungen leiden etwa zehn Prozent der Menschen in Deutschland unter einem länger andauernden Tinnitus, das betrifft etwa acht Millionen Menschen. Aber genau gesagt ist das gar keine eigenständige Krankheit, sondern ein Anzeichen (Symptom) für verschiedene unterschiedliche Erkrankungen. Und deshalb sollten Sie bei Ohrgeräuschen auf jeden Fall zum Arzt gehen, damit die Ursache geklärt werden kann.Es wird zuerst einmal unterschieden zwischen objektiven und subjektiven Ohrgeräuschen. Die objektiven Geräusche kann der Arzt von außen messen, die subjektiven Geräusche aber nimmt nur der Betroffene wahr.Objektive Geräusche entstehen durch Prozesse, die in den Blutgefäßen oder in den Muskeln stattfinden. Wenn z. B. die große Halsarterie, die Carotis, durch Ablagerungen krankhaft verengt ist, muss sich das Blut mit jedem Pulsschlag durch die verengte Stelle drücken. Dies gibt Zischgeräusche, die durch den Resonanzraum Kopf verstärkt werden. Bei einer Blutarmut ist ein strömendes Geräusch des Blutes zu hören, das im Volksmund "Nonnensausen" genannt wird. Es gibt auch atemabhängige Geräusche bei einer klaffenden Luftröhre. Auch kann bewusstes oder unbewusstes Zähneknirschen aufgrund von Stress oder Hektik zu einer Verspannung der Kaumuskulatur und Fehlbelastung des Kiefergelenks führen. Das kann sich auf das Innenohr auswirken. Die feinen Sinneszellen im Innenohr werden durch den ständigen Druck ähnlich stark geschädigt wie durch einen Hörsturz (siehe Kasten) oder dauerhafte starke Beschallung. Auch eine Fehlstellung des Kiefers oder andere Zahnprobleme können die unangenehmen Ohrgeräusche auslösen. Dies kann ein Zahnarzt feststellen und beispielsweise mit einer nächtlichen Aufbissschiene beheben.Anders ist es bei den subjektiven Geräuschen, die die häufigere Tinnitusform ausmachen. Diese Geräusche entstehen nicht mechanisch, sonst wären sie von außen messbar. Man vermutet heute, dass entweder im Innenohr falsche Signale an den Hörnerv (Nervus acusticus) weitergegeben werden, oder dass der Hörnerv selbst in Mitleidenschaft gezogen ist, oder im akustischen Zentrum des Gehirns Fehler in der Reizverarbeitung stattfinden.So gibt es im Gehirn beispielsweise eine Art Filter, der dazu da ist, nicht jedes Geräusch durchzulassen. So z. B. den Straßenlärm, der nach einigen Tagen der Gewöhnung nicht mehr als störend empfunden wird. Der Filter ist auch dazu da, körpereigene Geräusche wegzufiltern. Werden wir jedoch in einen absolut schalldichten Raum gebracht, bekommt fast jeder von uns einen normalen Tinnitus, denn hier kommt der Filter durcheinander und lässt die körpereigenen Geräusche wieder durch.Warum diese verschiedenen Nerven und Sinneszellen gestört sind, hat viele Gründe. Eine besonders häufige Ursache sind chronische Entzündungen des Mittel- und Innenohrs. Eine andere häufige Ursache ist eine Verknöcherung von Teilen des Innenohrs (von Schnecke und Gehörknöchelchen). Dies führt neben den Ohrgeräuschen auch zu einer zunehmenden Schwerhörigkeit. Darunter leiden vorwiegend Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Laute Feuerwerkskörper oder Spielzeugpistolen von Kindern direkt am Ohr, können auch einer Schädigung der Sinneszellen führen, und damit verbunden zu einer Schwerhörigkeit (Hörsturz) und zu Tinnitus. Auch Stress, Nervosität und Überlastung sind häufige Ursachen, denn dadurch können sich die Blutgefäße im inneren Gehörgang - besonders die Arteria labyrinthi - verkrampfen, was zu einer Durchblutungsstörung führt. Und die wiederum führ zu einer Beeinträchtigung von Hörnerv und Sinneszellen. Auch Medikamente wie Antibiotika aus der Gruppe der Aminoglykoside und hohe Dosen Azetylsalizylsäure können Tinnitus auslösen.Gefährlich wird es, wenn der Tinnitus einseitig ist oder pocht. Denn hier kann eine Krebsgeschwulst, eine komplett blockiertes Blutgefäß oder eine Gefäßaussackung dahinter stecken.Da häufig Stress hinter dem Tinnitus steht, ist die wichtigste Therapie, sich zuerst einmal komplett von beruflichen, familiären und Alltagsbelastungen abzuschirmen. Das geschieht in der Praxis oder im Krankenhaus. Hier bekommt man Infusionen, Kortison und durchblutungsfördernde Medikamente. Bewährt hat sich auch eine von Prof. Dr. Kafka entwickelte Elektro-Magnetfeld-Therapie. Hier kommt es v.a. zu einer Verbesserung der Durchblutung. Auch die hyperbare Sauerstofftherapie, Ginkgo, Akupunktur oder Kneippsche Anwendungen werden angewendet. Helfen kann auch ein sogenannter Masker, der hinter dem Ohr angebracht wird und das Ohr mit einem Therapiegeräusch beschallt. Dadurch wird der Patient vom "Klingeln" abgelenkt.Das ist ein HörsturzSpätestens seit der SPD-Politiker Matthias Platzeck wegen eines Hörsturzes seine Ämter zurückgegeben hat, ist es bekannt, dass zuviel Stress auf die Ohren schlägt. Unter einem Hörsturz versteht man eine plötzliche Schwerhörigkeit, die sich oft einseitig innerhalb weniger Stunden oder noch kürzerer Zeit einstellt. Gleichzeitig macht sich ein Druck im Ohr bemerkbar und ein Ohrgeräusch. Möglicherweise durch die Stressbelastung zu einer Fehlschaltung und einer falschen neuronalen Verarbeitung. Wichtige weitere Ursachen sind plötzliche Blutdruckveränderungen, Gefäßkrämpfe, Mikrozirkulationsstörungen im Innenohr, Infektionen oder auch Blutungen. Ein Hörsturz kann auch nach einem plötzlichen überlauten Geräusch auftreten, wenn z. B. ein Feuerwerksknaller direkt neben dem Ohr explodiert. Oft gibt es auch keine erkennbare Ursache. Aber in jedem Fall heißt es: Sofort zum Arzt, damit er die Durchblutung im Innenohr wiederherstellt oder auch im Einzelfall entzündungshemmendes Cortison verschreibt. Entspannung ist auch sehr wichtig. In mehr als 90 % der Fälle wird der Hörsturz dann wieder geheilt.So wirkt MusiktherapieDiese Art von Therapie geht zurück auf Professor Tomatis aus Paris. Er hat herausgefunden, dass das Gehirn fähig ist, Töne und akkustische Reize zu filtern und je nach ihrer Bedeutung unterschiedlich stark bzw. gar nicht mehr wahrzunehmen. Durch Training könne der Patient lernen, hohe Töne, der er als störend empfindet, zu überhören. Das soll durch klassische Musik erreicht werden. Dabei wird dem Patienten meist ein Violinkonzert vorgespielt, in das Töne eingebaut sind, die in ihrer Frequenz dem Tinnituston entsprechen. Der Patient empfindet diese Töne als unangenehm und lernt, sie zu überhören.Adressen:Deutsche Tinnitus-Liga e. V. (DTL)Am Lohsiepen 18, 42369 WuppertalTelefon: 0202/24652-0(Zentrale),Fax: 0202/24652-20, E-Mail: [email protected] gibt es online Diskussionsforen, eine Zeitschrift zum Bestellen, einen Test und viele Infos.Schule des Hörens e. V., Marienstraße 3, 50825 Köln, Telefon: 0221/9553367, Fax: 0221 /9553343, E-Mail: [email protected],www.schule-des-hoerens.de.Ein bundesweiter Zusammenschluss von über 20 Verbänden und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland.Tinnitus-Klinik Große Allee AG, Große Allee 1-3, 34454 Arolsen, Telefon: 05691/8966, Fax: 05691/8968-00, E-Mail: [email protected], www.tinnitus-klinik.de.Hier gibt es auch viele Infos für Betroffene und Therapeuten, und einen kostenlosen Newsletter.