Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998–2008 Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit Ein Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbH Mundgesundheit bei Achtzehnjährigen Zahnstatuserhebung 2008 Andrea Bodenwinkler Gabriele Sax Johann Kerschbaum Wien, im Mai 2010 Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit ISBN-13 978-3-85159-140-8 Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Gesundheit Österreich GmbH, Stubenring 6, 1010 Wien, Tel. +43 1 515 61, Fax 513 84 72, E-Mail: [email protected], Homepage: www.goeg.at Der Umwelt zuliebe: Dieser Bericht ist auf chlorfrei gebleichtem Papier ohne optische Aufheller hergestellt. Kurzfassung Das WHO-Gesundheitsprogramm postuliert für den Mundgesundheitszustand von Achtzehnjährigen bis zum Jahr 2020 das Vorhandensein noch aller natürlichen eigenen Zähne (MT = 0) und völlig gesundes Zahnfleisch an mindestens vier Sextanten. Den Mundgesundheitszustand der Achtzehnjährigen erhob die Koordinationsstelle Zahnstatus in den Jahren 1998, 2003 und 2008 nach internationaler Methode (Basic Oral Health Surveys, WHO 1999). Die GÖG/ÖBIG-Untersuchungen weisen innerhalb der letzten zehn Jahre eine kontinuierliche Verbesserung der Zahngesundheit bei Jugendlichen nach. Zwischen den Jahren 1998 und 2008 entwickelten sich sämtliche Parameter zur Kariesmorbidität und Kariesprävalenz deutlich zurück. Der Anteil kariesfreier Achtzehnjähriger stieg von 16 Prozent auf 25 Prozent, der Kariesbefall reduzierte sich von durchschnittlich 5,5 D3MFT (durchschnittliche Anzahl kariöser, fehlender oder gefüllter Zähne pro Gebiss) auf 3,6 D3MFT, um 38 Prozent. Hauptanteil (80 %) am D3MFT haben die sanierten (gefüllten) Zähne. Parallel zur Kariesaktivität ist auch die Zahnverlustrate gesunken (Anteil der Jugendlichen mit mindestens einem fehlenden Zahn). Litten zu Beginn des Beobachtungszeitraumes (1998) noch 37 Prozent der Achtzehnjährigen unter einem Lückengebiss, so fehlt nach zehn Jahren nur mehr bei drei Prozent der Untersuchten zumindest ein Zahn aufgrund von Karies. Gegenwärtig beträgt die durchschnittliche Anzahl wegen Karies extrahierter Zähne (MT) 0,05. Der von der WHO bis 2020 geforderte MT-Wert wird damit allerdings noch nicht vollständig erreicht. Der parodontale Befund hingegen – die erhobenen Achtzehnjährige besitzen durchschnittlich 4,8 völlig gesunde Sextanten – entspricht bereits heute dem Mundgesundheitspostulat der WHO. Die vertiefende Analyse zeigt, dass Mundgesundheit von soziodemografischen Faktoren beeinflusst ist. Burschen leiden gegenüber Mädchen unter geringfügig erhöhter Kariesanfälligkeit (5,5 D3MFS versus 4,6 D3MFS). Unterschiede in der Kariesbetroffenheit bestehen auch nach Bundesregion, wobei sich Jugendliche aus westlichen Bundesländern gegenüber jenen aus Ost-Österreich an besserer Zahngesundheit (2,9 D3MFT versus 3,8 D3MFT) erfreuen. Zudem bestimmen soziokulturelle Faktoren die Gesundheit der Zähne mit. Migrations- und niedriger Bildungsstatus erhöhen das Kariesrisiko ganz deutlich. Der SiC-Index (gibt den durchschnittlichen D3MFT im Probandendrittel mit der höchsten Kariesprävalenz an) identifiziert Risikopersonen. Ein hoher SiCIndex-Wert weist auf die besondere Kariesanfälligkeit einer Subgruppe hin (Jugendliche mit Migrationshintergrund 8,2 D3MFT versus Jugendliche ohne Migrationshintergrund 7,7 D3MFT; Jugendliche mit Eltern ohne Matura: 8,5 D3MFT versus Jugendliche mit Eltern mit Matura 7,6 D3MFT; Lehrlinge/Arbeitslose: 9,2 D3MFT versus Schüler/innen 7,4 D3MFT). Außerdem verdeutlicht der große Unterschied zwischen dem SiC-IndexWert (alle Jugendlichen 8,5 D3MFT) und dem D3MFT-Index-Wert (alle Jugendlichen 3,6) Kurzfassung III die Polarisierung der Karies. Die Hälfte der kariösen Schäden betrifft ein Viertel der untersuchten jungen Frauen und Männer. Im europäischen Vergleich entspricht der Zahnzustand der österreichischen Achtzehnjährigen nahezu dem hohen Gesundheitsniveau skandinavischer Länder. Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse belegen somit die durchaus positive Wirkung von Gruppenprophylaxeaktivitäten. Werden die bereits bestehenden Maßnahmen fortgeführt und die Vorsorgeprogramme weiter verbessert, kann das erreichte Mundgesundheitsniveau nicht nur stabilisiert, sondern auch noch angehoben werden. IV © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ........................................................................................................... 1 2 Studiendesign und Methodik .............................................................................. 2 2.1 Problemstellung ..................................................................................... 2 2.2 Stichprobe .............................................................................................. 4 2.3 Untersuchungsdesign ............................................................................. 6 2.3.1 Kariesbefundung ..................................................................... 6 2.3.2 Vitalität ................................................................................. 10 2.3.3 Community Periodontal Index (CPI) ....................................... 10 2.3.4 Kieferorthopädische (KFO-) Untersuchung ............................ 11 2.4 Untersuchungsablauf ........................................................................... 12 3 Ergebnisse........................................................................................................ 14 3.1 WHO-Ziele............................................................................................ 14 3.2 Karies ................................................................................................... 17 3.2.1 Kariesmorbidität – Anteil kariesfreier Personen ..................... 18 3.2.2 Kariesprävalenz ..................................................................... 22 3.2.3 Polarisierung ......................................................................... 27 3.2.4 Sanierungsgrad und Behandlungsbedarf ............................... 31 3.3 Spezifische Ergebnisse ......................................................................... 33 3.3.1 Größe und Umfang der akuten behandlungsbedürftigen Dentinkaries .......................................................................... 33 3.3.2 Füllungsmaterialien ............................................................... 35 3.3.3 Fissurenversiegelung............................................................. 36 3.3.4 Devitale Zähne ...................................................................... 37 3.4 Ergebnisse der parodontalen Untersuchung ......................................... 38 3.5 Ergebnisse der KFO-Untersuchung ....................................................... 41 3.6 Ergebnisse zum Mundgesundheitsverhalten ......................................... 44 4 Mundgesundheit bei Achtzehnjährigen 1998 bis 2008 ..................................... 50 4.1 Kariesmorbidität................................................................................... 50 4.2 Kariesprävalenz .................................................................................... 52 4.3 SiC-Index ............................................................................................. 54 4.4 Vitalität ................................................................................................ 55 4.5 Zahnfleischerkrankungen ..................................................................... 55 4.6 Zusammenfassung Vergleich ................................................................ 55 5 Europäischer Vergleich ..................................................................................... 57 6 Resümee .......................................................................................................... 59 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 63 Inhalt V Abbildungsverzeichnis Abbildung 3.1: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Kariesdiagnosen und Geschlecht in Prozent .................................................................................... 20 Abbildung 3.2: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – SiC-Index und D3MFT-Index ........................................................................ 31 Abbildung 3.3: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Behandlungsbedürftige Läsionen (D3-Läsionen) ........................... 35 Abbildung 3.4: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Füllungsmaterialien ...................................................................... 36 Abbilung 4.1: Zahnstatuserhebung 1998, 2003 und 2008/2009 Achtzehnjährige – Sic-Index (Significant Caries Index) ................. 54 Tabellenverzeichnis Tabelle 2.1: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Bundesstichprobenziehung ................................................................. 5 Tabelle 2.2: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesdiagnosen.................................................................................. 8 Tabelle 2.3: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Einordnung der ICDAS-Scores in das DMF-System ....................................................... 8 Tabelle 2.4: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährigen – ICDAS II (International Caries Detection and Assessment System) und erforderliche Behandlung .................................................................... 9 Tabelle 2.5: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Vorgehensweise bei Aggregierung von Flächendiagnosen zu Zahnwerten ......................................................................................... 9 Tabelle 2.6: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Community Periodontal Index (CPI) – Bewertungsgrade ....................................... 10 Tabelle 2.7: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – KFO-Diagnosen .......... 12 Tabelle 3.1: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Geschlecht (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne ..................... 15 VI © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 3.2: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Migrationsstatus (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne ................................................................................ 16 Tabelle 3.3: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Bildung der Eltern (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne ........... 16 Tabelle 3.4: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Bildung (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne ..................... 16 Tabelle 3.5: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Wohnregion (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne ..................... 17 Tabelle 3.6: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Migrationsstatus in Prozent ............................. 21 Tabelle 3.7: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Bildung der Eltern in Prozent ........................... 21 Tabelle 3.8: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Bildung in Prozent ........................................... 22 Tabelle 3.9: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Wohnregion in Prozent .................................... 22 Tabelle 3.10: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Geschlecht ................................................................................. 23 Tabelle 3.11: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Migrationsstatus ........................................................................ 24 Tabelle 3.12: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Bildung der Eltern ....................................................................... 24 Tabelle 3.13: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Bildung....................................................................................... 25 Tabelle 3.14: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Wohnregion ................................................................................ 25 Tabelle 3.15: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index und Geschlecht ................................................................................. 26 Tabelle 3.16: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS–Index und Kariesintensität .......................................................................... 27 Tabelle 3.17: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index ............... 28 Tabelle 3.18: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index und Migrationsstatus ........................................................................ 29 Inhalt VII Tabelle 3.19: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS–Index und Bildung der Eltern ...................................................................... 29 Tabelle 3.20: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index und Bildung der Jugendlichen ........................................................... 29 Tabelle 3.21: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index und Region ....................................................................................... 30 Tabelle 3.22: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Sanierungsgrad .......... 32 Tabelle 3.23: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Behandlungsbedarf und Polarisation ................................................. 33 Tabelle 3.24: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – CPI und Polarisierung ..................................................................................... 39 Tabelle 3.25: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – CPI-Diagnosen und Geschlecht, Migrationsstatus ..................................................... 40 Tabelle 3.26: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – CPI-Diagnosen und Bildung, Region .......................................................................... 40 Tabelle 3.27: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kieferorthopädische Diagnosen: abnorme Platzverhältnisse .............. 42 Tabelle 3.28: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kieferorthopädische Diagnosen: Bissfehler........................................ 43 Tabelle 3.29: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Befragung zu letztem Zahnarztbesuch in Prozent ................................................... 45 Tabelle 4.1: Zahnstatuserhebung 1998, 2003 und 2008/2009 Achtzehnjährige – Vergleich Kariesmorbidität ................................... 51 Tabelle 4.2: Zahnstatuserhebung 1998, 2003 und 2008/2009 Achtzehnjährige – Vergleich Kariesmorbidität und Geschlecht in Prozent ......................................................................................... 52 Tabelle 4.3: Zahnstatuserhebung 1998, 2003 und 2008/2009 Achtzehnjährige – Kariesprävalenz (D3MFT/S-Indexwerte) ................ 53 Tabelle 5.1: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährigen – Kariestrends ............. 57 VIII © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Abkürzungsverzeichnis AHS AMS BHS BS BMGFJ CPI D D0 D1 D2 D3 D1+2+3 DMFT dmft DMFS dmfs DMFT-Index DMFS-Index D3MFT-Index D3MFS-Index D3S FT/S MT/S GÖG ICDAS Inhalt Allgemeinbildende Höhere Schule Arbeitsmarktservice Berufsbildende Höhere Schule Berufsschule Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend Der Community Periodontal Index dient der Befundung von Zahnfleischerkrankungen Diagnose: akute Karies (ohne Angabe der Eindringungstiefe) Diagnose: ganz gesunde Zahnoberfläche Diagnose: sichtbare Zahnschmelzverfärbung, das bedeutet reversible, oberflächliche Schmelzkaries Diagnose: sichtbarer, kariöser Schmelzdefekt Diagnose: eindeutige Kavität (Dentinkaries), d. h. ein füllungsbedürftiger eindeutig bis ins Dentin reichender kariöser Defekt liegt sichtbar vor Diagnose: verschiedene Stadien von Karies sind gemeinsam angegeben Index zur Beschreibung der Kariesstadien, zahnbezogen; großgeschrieben bezieht sich auf das bleibende Gebiss Index zur Beschreibung der Kariesstadien, zahnbezogen; kleingeschrieben bezieht sich auf das Milchgebiss Index zur Beschreibung der Kariesstadien, zahnflächenbezogen; großgeschrieben bezieht sich auf das bleibende Gebiss Index zur Beschreibung der Kariesstadien, zahnflächenbezogen; kleingeschrieben bezieht sich auf das Milchgebiss Durchschnittliche Anzahl der kariösen, wegen Karies gezogenen oder gefüllten Zähne pro bleibendes Gebiss Durchschnittliche Anzahl der kariösen, wegen Karies gezogenen oder gefüllten Zahnflächen pro bleibendes Gebiss Durchschnittliche Anzahl der aktiv kariösen, wegen Karies gezogenen oder gefüllten Zähne pro bleibendes Gebiss Durchschnittliche Anzahl der aktiv kariösen, wegen Karies gezogenen oder gefüllten Zahnflächen pro bleibendes Gebiss Durchschnittliche Anzahl der aktiv kariösen Zahnflächen Durchschnittliche Anzahl gefüllter bzw. sanierter Zähne bzw. Zahnflächen Durchschnittliche Anzahl wegen Karies gezogener bzw. fehlender Zähne/Zahnflächen Gesundheit Österreich GmbH International Caries Detection and Assessment System IX ICDAS-II-Scores KFO Mig ÖBIG SiC-Index WHO X ICDAS–Studien (Diagnosen) Kieferorthopädisch/Kieferorthopädie Migration/Migrationshintergrund Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen Significant Caries Index (beschreibt den durchschnittlichen Kariesbefall in Kariesrisikogruppen) Weltgesundheitsorganisation © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 1 Einleitung Seit 1996 führt die ÖBIG-Koordinationsstelle-Zahnstatus in der Gesundheit Österreich (GÖG/ÖBIG) vom Bund beauftragte Untersuchungen zur Zahngesundheit der österreichischen Bevölkerung durch. Regelmäßig überprüft werden alle Altersgruppen, für die die WHO Vorgaben festgelegt hat. Die WHO-Indexaltersgruppen mit definierten oralen Gesundheitszielen umfassen Sechsjährige, Zwölfjährige, 18-Jährige sowie 35- bis 44Jährige und 65- bis 74-Jährige. Die Koordinationsstelle Zahnstatus erhebt pro Jahr eine WHO-Altersgruppe nach internationaler Methodik (WHO 1999). Die jeweils aktuellen Erhebungsresultate werden während der alljährlich stattfindenden GÖG/ÖBIG-Fachtagung präsentiert und anschließend publiziert. Die seit mehr als zehn Jahren systematisch erhobenen Daten zeigen nicht nur die Entwicklung des Zahngesundheitszustandes der Österreicher/innen, sondern leisten auch einen Beitrag zur Evaluierung der ProphylaxeAktivitäten der Bundesländer Achtzehnjährige wurden erstmals im Jahr 1998 untersucht, im Jahr 2003 folgte die Wiederholungsuntersuchung. Zwischen 1998 und 2003 verbesserte sich die Zahngesundheit der Achtzehnjährigen deutlich (der Zuwachs an Achtzehnjährigen mit vollzähligem eigenem Gebiss beträgt 30 Prozentpunkte, der Kariesbefall sank um 28 Prozent). Zwischen November 2008 und März 2009 erhob die ÖBIGKoordinationsstelle den Zahnstatus der Achtzehnjährigen zum dritten Mal nach internationalem Design (WHO 1999, ICDAS II 2005, EGOHIP 2008). Dieser Bericht beschreibt die Untersuchungsergebnisse bei den Achtzehnjährigen und dokumentiert die neuesten Entwicklungen (Ergebnisse der letzten Erhebung im Jahr 2008/09 - Kapitel 3, Entwicklung von 1998 bis 2008 - Kapitel 4 und Europäischer Vergleich - Kapitel 5). Kapitel 1 / Einleitung 1 2 Studiendesign und Methodik 2.1 Problemstellung Gute Mundgesundheit ermöglicht problemlos zu essen, selbstbewusst zu lächeln und zu kommunizieren. Gesunde Zähne sind wichtig für die allgemeine Gesundheit und haben entscheidenden Einfluss auf die Lebensqualität. Kariöse Zähne hingegen sind mit Schmerzen verbunden. Karies im Kleinkindesalter wirkt nachteilig auf die Gebissentwicklung, Zahn- und Kieferfehlstellungen können entstehen. Solche Gebissanomalien beeinträchtigen die Sprach- und Sprechweise, das psychische Wohlbefinden sowie das Aussehen einer Person und wirken sich ungünstig auf die psychosoziale Wertigkeit (Selbstwertgefühl) aus (Micheelis 2004). Zahnfäule (Karies) gilt als die meist verbreitete Zivilisationskrankheit. Ein großer Teil der Erdbevölkerung ist weitgehend davon betroffen (DMS IV 2006). Karies entsteht letztlich, wenn die sauren Stoffwechselprodukte des Bakteriums Steptococcus mutans den Zahnschmelz angreifen und die darunter liegenden Zahnschichten auflösen. Unzureichende Mundhygiene und zahnschädigendes Ernährungsverhalten (z. B. häufiger Konsum von Zucker, Schokolade, Chips und Mehlprodukten) unterstützen die kariöse Destruktion der Zähne (Städtler 1994, DMS III 1999, ÖBIG 2001 bis 2008). Durch gezielte Vorbeugemaßnahmen (effiziente tägliche Zahnpflege mit Fluoriden, zahnfreundliche Ernährungsweise und regelmäßige zahnärztliche Kontrollbesuche) lässt sich Karies jedoch zum größten Teil vermeiden (vgl. DMS III 1999). Ist aber einmal ein kariöser Defekt (Kavität) entstanden, so ist dieser irreversibel und kann nur noch „gefüllt“ werden. Im Prinzip sind daher alle zahnmedizinischen Füllungen „Prothesen“, deren Aufgabe es ist, das hochspezialisierte natürliche Zahngewebe zu ersetzen. Nicht „gefüllte“ Karies (offene kariöse Löcher an den Zähnen) führt zu starker Vermehrung kariogener Keime in der Mundhöhle und erhöht das Kariesrisiko für das restliche Gebiss. Ein kariös befallenes Milchgebiss bedeutet eine erhöhte Erkrankungsanfälligkeit für das Wechselgebiss1. In weiterer Folge ist auch das bleibende Gebiss vermehrt gefährdet (Städtler 1994). Demnach bedingt die Zahngesundheit im Kindes- und Jugendalter unmittelbar die orale Gesundheit im Erwachsenenalter. 1 Das Wechselgebiss umspannt den Zeitraum zwischen dem ersten bleibenden Zahn (ca. fünftes bis sechstes Lebensjahr) bis zum Ende des Zahnwechsels (ca. 15. Lebensjahr). 2 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 In Österreich wird orale Vorsorge auf verschiedenen Ebenen durchgeführt. Neben öffentlichkeitsbezogenen prophylaktischen Maßnahmen via Medien (z. B. Monat der Zahngesundheit) gibt es die Gruppenprophylaxeprogramme in Kindergärten und Volksschulen. Die einzelnen Bundesländer betreiben bereits seit mehreren Jahren intensiv Zahngesundheitserziehung (siehe ÖBIG-Dokumentation der Kariesprophylaxeaktivitäten 2007). Die aktuellen oralepidemiologischen Daten der Koordinationsstelle Zahnstatus belegen, dass diese Bemühungen auch erfolgreich sind. Der Kariesbefall sank bedeutend und ist verbunden mit einem Anstieg kariesfreier Heranwachsender (ÖBIG 2001 bis 2008). Gleichzeitig zeigen die Kariesstatistiken, dass Kinder aus Familien mit niedrigem sozialem Status noch immer stark von Karies betroffen sind (ÖBIG 2001 bis 2008). In der Verteilung der Karies ist eine starke Polarität zu beobachten: Etwa 25 Prozent der Zwölfjährigen vereinen 80 Prozent der insgesamt vorhandenen Karies auf sich (ÖBIG 2008). Aus diesem Grund müssen für Kinder mit besonderer Kariesgefährdung spezifische Programme entwickelt werden. Niedriger sozialer Status, das heißt mangelnde Bildung und geringes Einkommen betreffen viele Familien mit Migrationshintergrund. Bereits Anfang der 1990er Jahre liegen Prävalenzstudien vor, die im Bereich der Mundgesundheit eine besondere Gefährdung von Migrantenkindern belegen (Haugejorden 2002, Holst 2004, Pitts 2005, Truin 2005, Stürzenbaum 2006, Momeni 2006). Da die Migration in den meisten wohlhabenden europäischen Staaten in den letzten Jahren stark zugenommen hat und auch in naher Zukunft noch zunehmen wird, befürchten Kariesepidemiologen wieder einen Anstieg der Kariesprävalenz bei Kindern und Heranwachsenden (Marthaler 2004). Daher steht „Dental Public Health“ auch vor der Aufgabe, Migrantinnen und Migranten in die gesundheitsfördernden Programme mit einzubeziehen. Das bedeutet gleichzeitig, dass Kariesepidemiologie (Zahnstatuserhebungen) ein wichtiger Teil von „Dental Public Health“ ist. Die Planung neuer Präventionsprogramme erfordert eine einwandfreie Interpretation epidemiologischer Kariesdaten. Migrationsstatus (Anteil an Migranten), Herkunftsland von Migrantinnen und Migranten sowie die Dauer des Aufenthaltes im Einwanderungsland sind zu berücksichtigende Faktoren. Im Rahmen der Zahnstatuserhebung 2006 (bei Sechsjährigen) wurde – zum ersten Mal in Österreich – auch die Zahngesundheit von Kindern mit Migrationshintergrund untersucht (ÖBIG 2007). Seither ist dieser Aspekt fester Bestandteil der GÖG/ÖBIGZahnstatuserhebungen (ÖBIG 2008). Die WHO definierte neben den Sechs- und Zwölfjährigen auch die Achtzehnjährigen als Indexgruppe. In diesem Alter ist der Gebisswechsel bereits seit einigen Jahren abgeschlossen und das „jugendliche bleibende Gebiss“ ist dem Angriff zahnschädigender Säuren der Mundhöhle permanent ausgeliefert. Untersuchungen bei Achtzehnjährigen sollen zeigen, ob der Zahngesundheits-Unterricht im Kindes- und Jugendalter das Verhalten der Kinder soweit beeinflussen konnte, dass die erlernten Maßnahmen nachhaltig positiv wirken. Die Untersuchungsdaten der Achtzehnjährigen ermöglichen Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 3 außerdem eine Einschätzung der Zahngesundheit in Erwachsenengruppen („reifes bleibendes Gebiss“). 2.2 Stichprobe Die Stichprobe wurde mithilfe der WHO-Pathfinder-Methode bestimmt. Dieses Ziehungsverfahren gewährleistet trotz einer relativ kleinen Stichprobengröße die Repräsentativität der Stichprobe (WHO 1999). Die Anzahl von 500 Probandinnen und Probanden stellt eine für Gesamtösterreich repräsentative Stichprobengröße dar. Die Stichprobe wird in zwei Schritten gezogen: Zuerst werden die Erhebungsorte ausgewählt und dann erfolgt die Ziehung der pro Erhebungsort benötigten jungen Frauen und Männer. Die Teilnahme an der Untersuchung ist freiwillig und nur mit schriftlicher Zustimmung der Probandinnen und Probanden möglich (d. h. es ist in Betracht zu ziehen, dass Jugendliche mit besonders schlechten Zähnen aus Scham der Untersuchung nicht zustimmten). Auswahl der Erhebungsorte sowie der Probanden Die Achtzehnjährigen wurden über das Schulsystem und die AMS-Stellen (Arbeitsmarktservicestellen) aufgesucht. Unter Berücksichtigung der Verteilung dieser Altersgruppe im gesamten Bundesgebiet musste pro Bundesland und Schultyp sowie pro Erhebungsort eine bestimmte Anzahl an Probandinnen und Probanden untersucht werden (18 Personen). Bei der Ziehung der Erhebungsorte bediente man sich der Website des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur (www.schule.at – alle Schulen Österreichs mit Adressen und Telefonnummern usw. nach Bundesland) bzw. der Website des Österreichischen Arbeitsmarktservice (www.ams.at). Insgesamt fielen 33 über ganz Österreich verteilte Erhebungsorte in die Ziehung. Dabei wurden Allgemeinbildende Höhere Schulen (AHS), Berufsbildende Höhere Schulen (BHS), Berufsschulen (BS) und AMS-Stellen (AMS) nach dem „Schneeballverfahren“ (zufällig getroffen) ausgewählt. Auswahlkriterien für die Schulen waren Anzahl und Größe von Klassen bzw. die Geschlechterverteilung in der vorgesehenen Altersgruppe sowie eine bevölkerungsrepräsentative Mischung aus AHS, BHS sowie BS und AMS. Nach der Vorauswahl der Schulen informierte man die Landesschulrätinnen und Landesschulräte aller neun Bundesländer und bat sie um ihr Einverständnis. Danach wurde telefonisch und schriftlich mit den jeweiligen Schuldirektionen Kontakt aufgenommen. Erfolgte eine Zustimmung, erhielten die Schulen per Postweg ergänzende, informative Unterlagen. Die zuständigen Administratoren und Lehrkräfte der ausgewählten Schulen bekamen eine genaue Beschreibung des Ablaufes der Erhebung. Den Schülerinnen und Schülern in der entsprechenden Altersgruppe wurden Informationsblätter über den Zweck der Erhebung beigelegt. Die Ziehung der Probandinnen und 4 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Probanden erfolgte am Untersuchungstag. Dazu übergaben die Direktoren bzw. die Direktorinnen dem Untersuchungsteam zuerst eine vorbereitete Namenliste mit Klassenzugehörigkeit aller in Frage kommenden Achtzehnjährigen in der Schule. Aus dieser Liste wählte das Untersuchungsteam die für die Erhebung notwendige Stichprobe an Schülerinnen und Schülern zufällig aus. Dabei musste auf die Parität der Geschlechter sowie auf einen bestimmten Anteil an Jugendlichen mit Migrationshintergrund geachtet werden. Die Genehmigung zur Durchführung der Erhebung in den AMS-Stellen wurde zuerst telefonisch von der jeweiligen Landesstellenleitung eingeholt. Die Erhebung wurde mit der zuständigen Servicestellenleitung koordiniert. Darstellung der Stichprobe Insgesamt beteiligten sich 526 Jugendliche an der Erhebung. Wie sich das Studiensample nach den soziodemografischen Merkmalen verteilt, zeigt die Tabelle 2.1. Tabelle 2.1: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Bundesstichprobenziehung Stichprobenmerkmale Stichprobengröße n % Gesamt 526 100 Männlich 278 53 Weiblich 248 47 Jugendliche ohne Migrationshintergrund (ohne Mig) 446 85 Jugendliche mit Migrationshintergrund (Mig) 80 15 Jugendliche mit Eltern mit Matura 223 42 Jugendliche mit Eltern ohne Matura 303 58 AHS/BHS-Schüler/innen 328 62 Lehrlinge/Beschäftigungslose (BS/AMS) 198 38 West-Österreich 105 20 Ost-Österreich 421 80 Quelle: GÖG/ÖBIG Alter der Probandinnen und Probanden Die Probandinnen und Probanden hatten das 17. Lebensjahr bereits vollendet, das 19. Lebensjahr noch nicht erreicht. Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 5 Migrationsstatus 80 Jugendliche (rund 15 %) weisen einen Migrationshintergrund auf. Dies sind jene erhobenen Jugendlichen, die nicht in Österreich geboren wurden (Migranten/Migrantinnen der ersten Generation) oder die einen Elternteil haben, der nicht in Österreich geboren wurde (Migranten/Migrantinnen der zweiten Generation). Da die Untersuchungsgruppe mit Migrationshintergrund relativ klein ist, sind innerhalb dieser Subgruppe detaillierte Analysen nicht möglich. Sozioökonomischer Hintergrund – Ausbildung und Beschäftigung Karies ist erwiesenermaßen mit typischen Verhaltensmustern verbunden. Da einige Verhaltensweisen in bestimmten Sozialschichten bzw. Familien gehäuft vorkommen, ist in der Regel ein Zusammenhang zwischen sozioökonomisch bestimmter Lebensweise und dem Kariesbefall festzustellen (DMS III 1999). In der vorliegenden Untersuchung repräsentierten der Bildungsstatus der Eltern (mindestens ein Elternteil mit Matura, kein Elternteil hat maturiert) und der besuchte Schultypus der Jugendlichen den sozioökonomischen Status. Die vorliegende Stichprobe umfasst Schüler/innen von AHS und BHS, Lehrlinge in Berufsschulen und Arbeiter/innen mit bzw. ohne Arbeitsverhältnis. 2.3 Untersuchungsdesign Die Auswahl und Definition der Untersuchungsvariablen erfolgte nach internationalen Richtlinien (WHO 1999, ICDAS II 2005, EGOHID 2008). Soziodemografische Parameter (Wohnort, Alter, Migrationshintergrund usw.) wurden von den jungen Frauen und Männern erfragt. Zudem beantworteten die Probanden und Probandinnen auch Fragen zur praktizierten Mundgesundheitspflege. Der klinische (zahnmedizinische) Untersuchungsteil bestand in der Beurteilung des Zahnfleisches (Gingivitiszeichen, Zahnfleischtaschen, Zahnstein sichtbar), einer Bewertung des Kariesaufkommens und einer kieferorthopädischen Begutachtung (Kieferlagebeziehung, Bisslage, Platzverhältnisse etc.). 2.3.1 Kariesbefundung Die Kariesprävalenz (der Kariesbefall) wird international in DMFT/dmft- und DMFS/dmfs-Werten ausgedrückt. Mit Großschreibung der Indexbezeichnung sind die Werte im bleibenden Gebiss gemeint, mit Kleinschreibung jene im Milchgebiss. Der 6 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Buchstabe T/t (Tooth) bezieht sich auf den ganzen Zahn als Bewertungseinheit, der Buchstabe S/s (Surfaces) verdeutlicht, dass jede einzelne Zahnfläche bewertet wird. Der DMFT-Index stellt die Summe der kariösen (decayed), gezogenen (missing) und gefüllten (filled) Zähne (teeth) im bleibenden Gebiss pro Person dar. Der DMFS-Index zeigt die Summe der kariösen, gezogenen und gefüllten Zahnflächen (surfaces) des bleibenden Gebisses pro Person. Um den Grad der kariösen Veränderung eines Zahnes bzw. einer Zahnfläche darzustellen, findet nach WHO-Methodik folgende Schreibweise Verwendung: D0 = gesunde Zahnoberfläche; D1 = opak oder braun verfärbte Schmelzoberfläche, das bedeutet inaktive, reversible Schmelzkaries; D2 = sichtbarer Schmelzdefekt, der auf den Schmelz beschränkt ist; D3 = Defekt, der ins Dentin reicht (Kavität), es besteht unbedingter Füllungsbedarf (vgl. Tabelle 2.2). In den D3MF/S-Index gehen nur die irreversiblen kariösen Defekte ein. D1 und D2 gelten noch als reversible Veränderungen. Zwar werden dabei auch bereits kariöse Schäden registriert, diese sind bei entsprechender Behandlung (z. B. durch lokale Fluoridanwendung, erweiterte Versiegelung etc.) jedoch reversibel (Pitts 2005). Werden Kategorien gemeinsam ausgewertet, so wird dies z. B. als D1+2 oder D1+2+3 gekennzeichnet. Die Befundung von Karies erfolgt nach den Kriterien des ICDAS II (International Caries Detection and Assessment System, www.dundee.ac.uk/dhsru/news/icdas.html 2005). Mit den von internationalen Kariesepidemiologen neu entwickelten ICDASStandardcodes werden die verschiedenen Stadien des Kariesbefalls (stages) visuell einheitlich bewertet. Somit ist die Basis geschaffen, Kariesdaten international zu vergleichen und zu vernetzen. Die ICDAS-II-Scores (Kariesdiagnosen) reichen in Abhängigkeit des Kariesschweregrades (Eindringungstiefe in die Zahnschichten) von 0 bis 6 (vgl. Tabelle 2.4). In Tabelle 2.4 sind auch die Behandlungsmethoden angeführt, die die einzelnen ICDAS-Scores erfordern. Tabelle 2.3 veranschaulicht die Einordnung der neuen ICDAS-Scores in das WHO-DMF/dmf-System. Danach entsprechen die ICDAS-Scores 3, 4, 5 und 6 dem WHO-Kriterium D3/d3 (füllungsbedürftige Karies) und fließen somit in die Berechnung des D3MFT/d3mft-Indexwertes ein. Die Dokumentation der Kariesdaten erfolgt durch Bewertung der einzelnen Zahnflächen. Die Seitenzähne (Vormahlzähne und Mahlzähne) werden anhand von fünf Flächen bewertet, die Frontzähne (Schneidezähne und Eckzähne) anhand von vier Flächen. In der vorliegenden Untersuchung wurden alle Zahnflächen des Gebisses nach den in Tabelle 2.4 angeführten Diagnosekriterien bewertet. Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 7 Um den DMFT-Index pro Person zu berechnen, mussten die Flächen-Diagnosen (vgl. Tabelle 2.3) zu einem Wert für den ganzen Zahn aggregiert werden. Dabei wurde wie in der Tabelle 2.4 dargestellten Weise vorgegangen. Tabelle 2.2: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesdiagnosen Kariesdiagnose Anmerkungen Gesund D0 Verfärbter Zahnschmelz D1 Kariöser Schmelzdefekt D2 Kavität, Behandlungsbedarf D3 (decayed) Füllung F (filled) Traumatisiert T Nicht bewertbar* Zahn fehlt wegen Karies M (missing) Zahn fehlt aus anderem Grund Minimal invasive Füllung** F (filled) Versiegelung * Nicht bewertbar war eine Zahnfläche, wenn z. B. infolge einer festsitzenden kieferorthopädischen Apparatur die Fläche nicht vollständig einsichtig war. ** Eine minimal invasive Füllung ist eine sehr kleine Restauration der Kaufläche eines Backenzahnes wie z. B. die erweiterte Fissurenversiegelung oder das Grübchen. Quelle: GÖG/ÖBIG, WHO Tabelle 2.3: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Einordnung der ICDAS-Scores in das DMF-System Kariesdiagnose DMF-System ICDAS-Score Gesund D0 0 Reversible inaktive Schmelzkaries, Verfärbung D1 1 bzw. 2 Mikrokavität (Schmelzdefekt 0,5 mm Durchmesser, Sonde steckt) D3 3 Dunkel durchscheinender Dentinschatten D3, D4 4 Eindeutige einflächige Kavität D3, D4 5 Mehrflächige Kavität D3, D4 6 Quelle: GÖG/ÖBIG, WHO, Arbeitsgruppe ICDAS 8 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 2.4: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährigen – ICDAS II (International Caries Detection and Assessment System) und erforderliche Behandlung ICDAS-Scores 0 1 2 3 4 5 6 Diagnosen Erforderliche Behandlung Keine kariöse Veränderung; gesund Kariös verfärbte aber nicht defekte Schmelzoberfläche; ganz oberflächliche Schmelzkaries, Verfärbung ist nur nach Lufttrocknen sichtbar Kariös verfärbte aber nicht defekte Schmelzoberfläche; oberflächliche Schmelzkaries, eindeutige Verfärbung, ohne Lufttrocknen sichtbar Ganz kleiner Schmelzdefekt (tiefe Schmelzkaries; WHO-Sonde steckt; die darunter liegende Dentinschicht ist betroffen), Mikrokavität Durchscheinender dunkler Schatten im Dentin (underlying grey shadow from dentin) keine Behandlung notwendig lokale Fluoridierung; abwarten und kontrollieren Eindeutige Kavität (eindeutiges Loch bis ins Dentin reichend, die WHO-Sonde ist frei beweglich) Mehrflächige Kavität mit sichtbarem Dentin (Extensiv Cavity) herkömmliche Einflächen-Füllung lokale Fluoridierung; abwarten und kontrollieren minimal invasive Füllung; (erweiterte Fissurenversiegelung) Füllung Höckerdeckung, Onlay oder Krone ist notwendig Die ICDAS-Scores 1 und 2 bedeuten unterschiedliche Stufen von oberflächlicher Schmelzkaries, wobei Score 1 eine sichtbare Schmelzverfärbung nach Lufttrocknen des Zahnes darstellt, während Score 2 eine sichtbare Schmelzverfärbung ohne Lufttrocknen des Zahnes bedeutet. 1 Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 2.5: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Vorgehensweise bei Aggregierung von Flächendiagnosen zu Zahnwerten Zahn-Wert1 D0 Wenn alle Flächen eines Zahnes mit D0 bewertet wurden. D1 Wenn mindestens eine Fläche mit D1 und alle anderen mit D0 bewertet wurden. D2 Wenn mindestens eine Fläche mit D2 und alle anderen mit D0 oder D1 bewertet wurden. D3 Wenn mindestens eine Fläche mit D3 bewertet wurde – d. h. die behandlungsbedürftige Dentinkaries wird höher bewertet als alle anderen Kategorien, da sie im Sinne des Kariesindex die „gravierendste“ Diagnose darstellt. F Wenn mindestens eine Fläche mit F, alle anderen mit D0, D1, oder D2, aber keine Fläche mit D3 bewertet wurde (da eine gefüllte Fläche einmal kariös war, wird eine Füllung „schwerer“ als eine Verfärbung oder eine Schmelzkaries eingestuft). M 1 Flächenwerte Der bleibende Zahn fehlt wegen Karies, d. h. alle Flächen wurden mit M bewertet. Alle anderen Diagnosen (Zahn fehlt aus anderem Grund, versiegelte Fläche, nicht bewertbare Fläche, traumatisierte Fläche usw.) gehen nicht in den Kariesindex (D3MF) ein. Quelle: GÖG/ÖBIG Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 9 2.3.2 Vitalität Die Zähne von Achtzehnjährigen werden entsprechend den Empfehlungen der WHO auch auf ihre Vitalität untersucht. Der Vitalitätstest ist eigentlich eine Sensibilitätsprüfung (Städtler 1994). Man testet die Nervenfunktion des Zahnes. Ein Zahn, dessen Nerv (Pulpa) gesund ist, reagiert auf thermische Einwirkungen mit Schmerzempfindung. Beim Vitalitätstest (Kältetest) sprüht der Zahnarzt bzw. die Zahnärztin Kohlensäureschnee (-72 Grad Celsius) auf ein Wattepellet („Tüpferchen“) und berührt damit den zu prüfenden Zahn wurzelnah. Verspürt der Proband dabei eine unangenehme kalte Empfindung, so ist der geprüfte Zahn vital, das heißt der Vitalitätstest ist positiv. Devitale Zähne (Sensibilitätstest ist negativ) entstehen, wenn das Zahnmark (Pulpa) durch eine Entzündung (z. B. infolge tiefgehender Karies oder eines Traumas) irreversibel geschädigt ist. In einem solchen Fall muss die Zahnärztin / der Zahnarzt zuerst den betroffenen Nerv (Pulpa) ziehen und den Zahn anschließend „wurzelbehandeln“. 2.3.3 Community Periodontal Index (CPI) Der CPI eignet sich zur Befundung parodontaler Schäden vor allem für epidemiologische Zwecke (Hellwege 1999). Er beurteilt die Blutungsneigung des Zahnfleisches und misst die Zahnfleischtaschentiefe sowie das Vorhandensein von harten Zahnbelägen (Zahnstein). Die CPI-Befundung wird mittels WHO-CPI–Sonde und Mundspiegel an allen Zähnen der Sextanten durchgeführt. Wird an Zähnen eines Sextanten ein pathologischer Befund (CPI > 0) festgestellt, so wird der gesamte entsprechende Sextant mit dem jeweils am höchsten diagnostizierten Befundungsgrad (vgl. Tabelle 2.6) bewertet. Tabelle 2.6: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Community Periodontal Index (CPI) – Bewertungsgrade Definition – Anmerkungen Gesund Befundungsgrade 0 Bluten beobachtet 1 Zahnstein (calculus) entdeckt 2 Zahnfleischtasche 4–5 mm 3 Zahnfleischtasche 6 mm und mehr 4 Quelle: GÖG/ÖBIG 10 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 2.3.4 Kieferorthopädische (KFO-) Untersuchung Gebissanomalien beeinträchtigen, abhängig von ihrem Schweregrad, die Gebisserhaltung und -funktion. Sie stören die Sprache und die Gesichtsästhetik und führen zu psychischen Belastungen. Abweichungen und Fehlstellungen des Kauorgans begünstigen darüber hinaus das Entstehen von Karies und Zahnbetterkrankungen. Dabei erweisen sich die Nischen zwischen schief stehenden und gekippten Zähnen als ideale „Wachstumsstätte“ für die Plaque. Aufgrund der großen Bedeutung der Gebissstrukturen für die Lebensqualität kommt dem rechtzeitigen Erkennen und der Versorgung von Gebissanomalien eine wichtige Rolle zu (Borutta 1995). Die meisten Gebissfehlstellungen (z. B. bei Kreuzbiss oder verkehrtem Überbiss usw.) können während der Körperwachstumsphase erfolgreich behandelt werden (am wirkungsvollsten sind kieferorthopädische Korrekturen zwischen dem achten und dem achtzehnten Lebensjahr). Aus diesem Grunde wurde eine kieferorthopädische Begutachtung als wichtige Ergänzung in das zahnmedizinische Untersuchungskonzept aufgenommen. Auch die WHO sieht bei den Achtzehnjährigen eine kieferorthopädische Untersuchung vor (WHO, Oral Health Surveys 1999). Die kieferorthopädischen Befunde wurden unter Zuhilfenahme der Mess-Skala der CPI-Sonde rein visuell (mit freiem Auge) nach in Tabelle 2.7 angeführten Parametern erstellt. Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 11 Tabelle 2.7: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – KFO-Diagnosen Gebissanomalie Möglichkeit Crowding in Frontzahnsegmenten (Frontzahn-Engstand) Spacing in Frontzahnsegmenten (Lücken zwischen den Zähnen) Diastema (= Lücken zwischen den oberen zentralen Frontzähnen) Oberkiefer Irregularität (Unregelmäßigkeiten des Oberkieferzahnbogens im Frontzahnbereich) Unterkiefer Irregularität (Unregelmäßigkeiten des Unterkieferzahnbogens im Frontzahnbereich) Oberkiefer overjet (wenn in horizontaler Richtung der Oberkiefer über den Unterkiefer vorsteht; gemessen an den Frontzähnen) Unterkiefer overjet (verkehrter Frontzahnüberbiss) Offener Biss Molarrelation (Bisslage bezogen auf 6er-Molaren) Ja/Nein Ja/Nein Ja/Nein Ja/Nein Ja/Nein Ausmaß in Millimeter (2 mm entsprechen dem regulären Frontzahnüberbiss) Ausmaß in Millimeter Ja/Nein Normal Half cusp (der untere Molar ist um einen Zahnhöcker mesial oder distal verschoben) Full cusp (der untere Molar ist um zwei oder mehr Zahnhöcker mesial oder distal verschoben) Quelle: GÖG/ÖBIG Die kieferorthopädischen Befunde wurden bei maximaler Inkuspitation (die Zahnreihen des Oberkiefers beißt auf die gegenüberliegenden Zähne des Unterkiefers) rein visuell (mit dem Auge) nach in Tabelle 2.7 angeführten Diagnosen erstellt. 2.4 Untersuchungsablauf Die Untersuchungen erfolgten zwischen November 2008 und März 2009. Vorher führte Herr Univ.-Prof. Dr. Peter Städtler eine eintägige Kalibrierung des Untersuchungsteams durch. Ein Erhebungstag in den Schulen lief folgendermaßen ab: Zuerst begleitete die Direktorin bzw. der Direktor der Schule das Erhebungsteam zum Untersuchungszimmer (Schularztzimmer oder eine sonstige Räumlichkeit) und übergab die Liste mit den Namen und der Klassenzugehörigkeit aller für die Untersuchung in Frage kommenden Schüler/innen. Aus dieser Liste zog das Untersuchungsteam die für 12 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 die Erhebung benötigte Probandenstichprobe nach dem Zufallsprinzip (unter Berücksichtigung der Geschlechterparität und eines bestimmten Anteils an Personen mit Migrationshintergrund). Pro Schule wurden insgesamt achtzehn junge Frauen und Männer für die Erhebung ausgewählt. In den meisten Schulen forderte die Direktion die ersten drei ausgewählten Probandinnen und Probanden auf (meist über Lautsprecher) in das Untersuchungszimmer zu kommen. Die jeweils erhobene Person kehrte nach der Untersuchung wieder in das Klassenzimmer zurück und schickte die jeweils nächste Probandin oder den Probanden in das Untersuchungszimmer usw. Vor der Befragung und zahnmedizinscher Untersuchung gaben die jungen Menschen durch ihre Unterschrift ihr Einverständnis zur Teilnahme. Die klinische Begutachtung erfolgte rein visuell (mit dem Auge) mit Hilfe der WHOSonde und Mundspiegel unter standardisierter Beleuchtung (Kaltlichtlampe). Die Probandinnen und Probanden lagen während der Untersuchung am Rücken auf einem Untersuchungsbett. Zuerst führte die Untersucherin den Sensibilitätstest an allen vorhandenen Zähnen durch. Dann tastete die Medizinerin mit Hilfe eines Mundspiegels und der WHO-Sonde jede Zahnfläche des Gebisses ab und bewertete sie nach Kariesdiagnosekriterien (ICDAS II vgl. Punkt 2.3.1). Danach bewertete sie das Parodont (Zahnbett) mit der CPI-Sonde nach in Punkt 2.3.3 angeführten Diagnosekriterien. Abschließend begutachtete die Untersucherin die Gebisse nach kieferorthopädischen Parametern (Crowding, Spacing, Diastema, Irregularitäten der Zahnbögen, Overbite und Overjet sowie die Molarrelation (vgl. Punkt 2.3.4). Bestand Behandlungsbedarf, wurde dies dem/der Untersuchten mitgeteilt bzw. es wurde der Besuch einer Zahnarztpraxis empfohlen. Die Dateneingabeperson speicherte die Befunde vor Ort in einer AccessDatenbank. Arbeitsuchende Jugendliche wurden in zwei Servicestellen des AMS (Wien und Linz) angesprochen und zur Teilnahme aufgefordert, um auch einen bestimmten Anteil an Beschäftigungslosen in der Stichprobe zu erhalten. Die Motivation der Jugendlichen an den AMS-Stellen gestaltete sich jedoch äußerst schwierig, sodass sich letztlich insgesamt nur neun Personen zur Untersuchung bereit erklärten. Zur Überprüfung der Befund-Genauigkeit war vorgesehen, eine zufällig ausgewählte Person ein zweites Mal zu untersuchen. Diese Doppeluntersuchungen waren aber aus unterrichtstechnischen Gründen meist nicht möglich. In vorangegangenen Erhebungsjahren erreichten die Doppeluntersuchungen einen Übereinstimmungswert über 95 Prozent (Kappa 0,95). Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 13 3 Ergebnisse In die folgende Ergebnisanalyse flossen die Daten von 526 jungen Frauen und Männern ein. Wie sich die Untersuchten nach Geschlecht und Sozialindikatoren (Ausbildung der Eltern, derzeitige Beschäftigung der Probandinnen und Probanden, Migrationsstatus, Wohnregion) verteilen, ist aus Tabelle 2.1 ersichtlich. Der Zahnzustand der 18-Jährigen ist nach dem Geschlecht, Migrationsstatus, Ausbildung der Eltern bzw. Schultypus oder Beschäftigung der Jugendlichen und nach Wohnregion (West-Österreich, Ost-Österreich) beschrieben. Dabei werden folgende Abkürzungen verwendet: ohne Mig für Personen ohne Migrationshintergrund, Mig für Personen mit Migrationshintergrund, ohne Matura für Jugendliche von Eltern ohne Matura, mit Matura für Jugendliche von Eltern mit Matura, AHS und BHS für Schüler/innen, BS für Lehrlinge und AMS für arbeitslose Jugendliche. Zudem fasst dieses Kapitel die Antworten der untersuchten Achtzehnjährigen hinsichtlich ihres Mundgesundheitsverhaltens zusammen. 3.1 WHO-Ziele Das WHO-Ziel fokussiert in der Altersgruppe der Achtzehnjährigen nicht mehr auf das Ausmaß von Karies, sondern auf die Vollzähligkeit und die Funktionalität des Gebisses (physiologische Okklusion): Achtzehnjährige sollen über ein vollzähliges eigenes Gebiss verfügen. Das bedeutet, dass noch kein Zahn wegen Karies extrahiert wurde und der MT-Index-Wert Null ergibt. Ein vollzähliges natürliches Gebiss weist 28 eigene Zähne (ohne Weisheitszähne) mit 128 Flächen auf (zwölf Frontzähne mit je vier Flächen, acht Vormahlzähne mit je fünf Flächen und acht Mahlzähne mit je fünf Flächen). 97 Prozent der Untersuchten (häufiger Mädchen als Burschen vgl. Tabelle 3.1) weisen noch alle 28 eigenen Zähne auf. Jene drei Prozent der erhobenen Jugendlichen, die nicht mehr über 28 eigene Zähne verfügen, verloren zum größten Teil nur einen Zahn aufgrund von Karies (vgl.Tabelle 3.1). Zahnverlust wegen Karies korriliert mit dem Geschlecht, dem Migrationsstatus (vgl.Tabelle 3.2), der Bildung der Eltern (vgl. Tabelle 3.3) und der Beschäftigung der Jugendlichen (vgl.Tabelle 3.4) sowie der regionalen Lage (vgl. Tabelle 3.5). Die sozioökonomischen Merkmale Migrationshintergrund und niederer Bildungsstatus sind mit einem erhöhten kariesbedingten Zahnverlust verbunden und Jugendliche aus ostösterreichischen Wohngebieten verfügen weniger häufig über ein vollzähliges eigenes Gebiss als jene aus West-Österreich. Diesen Gruppen der jungen Menschen musste 14 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 überdurchschnittlich häufig bereits mehr als ein Zahn wegen Karies gezogen werden (vgl. Tabelle 3.2 bis Tabelle 3.5). Im Durchschnitt verloren die untersuchten Achtzehnjährigen 0,05 bleibende Zähne (MT = 0,05; vgl. Tabelle 3.1), weil diese in größerem Ausmaß kariös und deshalb nicht mehr erhaltungswürdig waren. Für eine ausreichende Kauleistung ist notwendig, dass sich die Zähne der Kieferbögen (Oberkiefer und Unterkiefer) geschlossen aneinander reihen und jeder Oberkieferzahn auf seinen entsprechenden Unterkieferzahn (Antagonist) beißt. Diese Gebisskonstellation nennen Zahnmediziner physiologische Okklusion. Alle Zähne des Gebisses müssen bei den Kaubewegungen gut abgestützt sein. Zahnlücken im Mittelbereich der Kieferbögen (Schaltlücken) gewährleisten keine einwandfreie Gebissfunktion und sie beeinträchtigen die Nahrungsaufnahme. Zahnlücken im Frontbereich des Gebisses beeinträchtigen zudem die Gesichtsästhetik und mindern das Selbstwertgefühl einer Person. Sind in einem bleibenden Gebiss aber mindestens 20 eigene Zähne (10 Antagonistenpaare) verfügbar und grenzen diese lückenlos aneinander, so akzeptieren einige zahnmedizinische Wissenschaftler diese Gebisskonstellation, nach dem Konzept der verkürzten Zahnreihe, bereits als funktionsfähiges Gebiss (Witter 1999). Nach diesen Kriterien verfügen nahezu alle erhobenen Achtzehnjährigen über ein Gebiss mit ausreichender Kauleistung (es sind 99 % der Burschen und 100 % der Mädchen). Tabelle 3.1: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Geschlecht (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne Anzahl fehlender Zähne pro Gebiss Alle Jugendlichen % Mädchen % Burschen % 0 97 98 96 1 1,9 1,6 2,2 Mehr als ein Zahn fehlt 1,1 0,4 1,8 Alle Zähne fehlen 0 0 0 MT-Mittelwert 0,05 0,03 0,06 Quelle: GÖG/ÖBIG Kapitel 3 / Ergebnisse 15 Tabelle 3.2: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Migrationsstatus (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne Anzahl fehlender Zähne pro Gebiss Alle Jugendlichen % Ohne Mig % Mig % 0 97 97,1 96,3 1 1,9 2,2 0 Mehr als ein Zahn fehlt 1,1 0,7 3,8 Alle Zähne fehlen 0 0 0 MT-Mittelwert 0,05 0,04 0,10 Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.3: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Bildung der Eltern (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne Anzahl fehlender Zähne pro Gebiss Alle Jugendlichen % Eltern mit Matura1 % 0 97 98,2 96 1 1,9 1,3 2,3 Mehr als ein Zahn fehlt 1,1 0,4 1,7 Alle Zähne fehlen 0 0 0 MT-Mittelwert 0,05 0,02 0,07 1 Schüler/innen von Eltern mit Matura 2 Schüler/innen von Eltern ohne Matura Eltern ohne Matura2 % Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.4: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Bildung (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne Anzahl fehlender Zähne pro Gebiss Alle Jugendlichen % Schüler/Schülerinnen1 Lehre/AMS2 0 97 98,8 93,9 % % 1 1,9 0,3 4,5 Mehr als ein Zahn fehlt 1,1 0,9 1,5 Alle Zähne fehlen 0 0 0 MT-Mittelwert 0,05 0,03 0,08 1 AHS bzw. BHS-Schülerinnen und Schüler 2 Lehrlinge und Arbeitslose Quelle: GÖG/ÖBIG 16 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 3.5: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Wohnregion (in Prozent) und Anzahl wegen Karies fehlender Zähne Anzahl fehlender Zähne pro Gebiss Alle Jugendlichen % West-Österreich % Ost-Österreich % 0 97 99 96,4 1 1,9 1,0 2,1 Mehr als ein Zahn fehlt 1,1 0 1,4 Alle Zähne fehlen 0 0 0 MT-Mittelwert 0,05 0,01 0,06 Quelle: GÖG/ÖBIG 3.2 Karies Über die Überprüfung der WHO-Vorgabe hinaus, interessiert vor allem auch das Ausmaß der Kariesverbreitung unter den Achtzehnjährigen. Kariesepidemiologische Ergebnisse in dieser Altersgruppe zeigen, ob die oralprophylaktische Erziehung im Kindesalter (Gruppenprophylaxe in den Kindergärten und Volksschulen) auch nachhaltig zielführend ist. Zur Vergleichbarkeit wird das Ausmaß der kariösen Erkrankung anhand international gebräuchlicher Begriffe dargestellt. Dabei beschreibt die Kariesmorbidität (Kariesverbreitung) jenen Prozentanteil an Individuen mit mindestens einer akut kariösen Zahnfläche. Die Kariesprävalenz (Kariesbefall) stellt die Summe der durch Karies geschädigten Zähne bzw. Zahnflächen pro Gebiss dar und wird in DMF-Indexwerten ausgedrückt (siehe Punkt 2.3.1). Laut WHO-Richtlinien gelten jene Personen als kariesfrei (no obvious decay experience), deren Gebiss gegenwärtig keinen aktiv (füllungsbedürftigen) kariösen Defekt (D3T= 0) aufweist. Zudem darf kein Zahn gefüllt sein (FT = 0) und es darf auch kein Zahn aus kariösen Gründen fehlen (MT = 0). Ein „völlig gesundes Gebiss“ haben Menschen, die in ihrem Leben noch nie Karies hatten. Ihre Zähne dürfen auch keine kariösen Frühläsionen aufweisen (D1,2,3T = 0, MT = 0, FT = 0). Personen mit Karieserfahrung (obvious decay experience) sind jene, deren Zähne entweder gegenwärtig aktiv kariös sind (D3T > 0) oder früher kariös waren, inzwischen aber gefüllt wurden (FT > 0), oder wenn schon Zähne wegen Karies gezogen wurden (MT > 0). Kapitel 3 / Ergebnisse 17 Personen mit mindestens einem sichtbaren aktiv kariösen Zahn (D3T > 0, ist Kavität) gelten als behandlungsbedürftig. Gebisse, die gegenwärtig nur Füllungen (FT> 0) oder kariesbedingte Zahnlücken aufweisen (MT > 0), aber keine Kavität oder Sekundärkaries (D3T = 0), gelten als saniert. 3.2.1 Kariesmorbidität – Anteil kariesfreier Personen Ein Viertel (25 %) der Achtzehnjährigen ist nach WHO-Definition kariesfrei („no obvious decay experience“ nach ICDAS II). Diese Menschen zeigen an ihren Zähnen noch keine kariösen Kavitäten oder Füllungen. Sie weisen auch keine Zahnlücken aufgrund von Karies auf. Bei ihnen ist der D3MFT-Wert null. Der überwiegende Teil (knapp zwei Drittel) der kariesfreien Jugendlichen verfügt sogar über völlig gesunde Zähne, ohne jegliche kariöse Spuren (D1+2+3MFT = 0), während der kleinere Anteil lediglich oberflächliche, reversible Zahnschmelzverfärbungen (D1+2T > 0) an den Zähnen zeigt (vgl. Abbildung 3.1). Die präventiv ausgerichtete Zahnheilkunde strebt durch lokale Fluoridierungsmaßnahmen an (non invasive Dentistry), die Progression solcher als Kariesvorstufen angesehenen Veränderungen zu verhindern. Ohne entsprechende professionelle Intervention enstehen aus solchen kariösen Initialläsionen jedoch irreversible füllungsbedürftige Kavitäten (aktive Karies). Demgegenüber liegt die Kariesmorbidität (propotion with obvious decay experience nach ICDAS II) bei den Achtzehnjährigen bei 75 Prozent. Bei diesen Jugendlichen ist der D3MFT-Indexwert größer null (D3MFT > 0). Das bedeutet, dass Ihre Gebisse entweder füllungsbedürftig sind (Mikrokavitäten oder herkömmliche Kavitäten aufweisen) oder bereits Füllungen aufweisen oder Zahnlücken zeigen, weil Zähne wegen Karies extrahiert wurden. Rund 22 Prozent der Untersuchten zeigen in ihren Gebissen lediglich die ganz kleinen Defekte der Zahnschmelzoberfläche (Mikrokavitäten vgl. Tabelle 3.6). Diese Läsionen werden nach neuen zahnmedizinischen Erkenntnissen bereits „minimal invasiv“ mit modernen Füllungsmaterialien versiegelt (minimal invasive Dentistry), da unbehandelt herkömmliche Kavitäten aus diesen Schäden entstehen. Rund zwölf Prozent der Jugendlichen leiden an mindestens einer „taditionellen“ Kavität. Solche „Löcher“ bedürfen bereits einer herkömmlichen Kavitätenpräparation, bei der relativ viel gesunde Zahnsubstanz „geopfert“ werden muss (invasiv Dentistry). Nach der neuen ICDAS-IIDiagnostik besteht somit bei rund 34 Prozent der Achtzehnjährigen akuter zahnärztlicher Handlungsbedarf. Demgegenüber sind bei rund 42 Prozent der untersuchten Personen alle kariösen Defekte zahnmedizinisch saniert (vgl. Abbildung 3.1). 18 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Im Vergleich zwischen den Geschlechtern gibt es bezüglich Kariesmorbidität geringfügige Unterschiede zugunsten der Mädchen (vgl. hierzu und zu den vorangegangenen Ausführungen Abbildung 3.1). Mädchen weisen in ihren Gebissen häufiger lediglich jene ganz kleinen kariösen Defekte auf (Mikrokavitäten kommen bei 24 % der Mädchen und 20 % der Burschen vor), die noch mit minimal invasiver Behandlung ausreichend saniert werden können. Bei 16 Prozent der Burschen und acht Prozent der Mädchen ist die Behandlung der offenen kariösen Zähne nur mit der herkömmlichen Füllungsmethode (große Füllungen) möglich. Der Zusammenhang zwischen Kariesmorbidität und Migrationsstatus sowie sozioökonomischer Lage, dargestellt durch Bildungsstatus der Eltern und Schultypus bzw. der derzeitigen Beschäftigung der Probandinnen und Probanden und die Unterschiede nach Bundesregion sind in Tabelle 3.6 bis Tabelle 3.9 dargestellt. Mit Migrationshintergrund steigt bei Jugendlichen die Kariesmorbidität (das Kariesrisiko ist um ca. 4 Prozentpunkte erhöht). Überdies leiden Jugendliche mit Migrationshintergrund an viel weniger häufig gefüllten kariösen Zähnen als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (der Unterschied beträgt rund 10 Prozentpunkte; vgl. Tabelle 3.6). Die offenen kariösen Defekte an den Zähnen der Probandinnen und Probanden mit Migrationshintergrund sind zu einem überdurchschnittlich hohen Prozentanteil jene kleinen Defekte (Mikrokavitäten), die durch rechtzeitige zahnärztliche Kontrollbesuche mit minimal invasiven Maßnahmen erfolgreich behandelt werden können (vgl. Tabelle 3.6). Der Bildungsstatus der Eltern erweist sich erfahrungsgemäß als deutlicher Einflussfaktor auf die Kariesmorbidität und den zahnärztliche Behandlungsbedarf bei Jugendlichen. Das Kariesrisiko steigt um drei Prozentpunkte, wenn die Eltern der Jugendlichen nicht maturiert haben (vgl. Tabelle 3.7). Auffällig häufiger leiden Jugendliche mit Eltern ohne Matura im Vergleich zu Jugendlichen von Eltern, die maturiert haben, an offenen großen (herkömmlichen) Kavitäten. Die Bildung der Jugendlichen wirkt sich ebenfalls auf das Kariesaufkommen aus (vgl. Tabelle 3.8). Beschäftigungslose Jugendliche und Lehrlinge leiden unter einer um sechs Prozentpunkte erhöhten Karieserfahrung, während sich bei den Schülerinnen und Schülern die Kariesmorbididät um zwei Prozentpunkte vermindert. Nach Wohnregion betrachtet, zeigt sich auch bei den untersuchten Achtzehnjährigen – wie schon bei den Sechs- und Zwölfjährigen (ÖBIG 2007 und ÖBIG 2008) – der typische West-Ost-Unterschied in der Zahngesundheit. In der vorliegenden Erhebung steigt die Karieshäufigkeit in den ost-österreichischen Wohngebieten im Vergleich zu den westösterreichischen Wohnregionen um zwölf Prozentpunkte (von 66 % auf 78 %; vgl. Tabelle 3.9). Gegenüber dem österreichischen Durchschnitt steigt die Karieshäufigkeit Kapitel 3 / Ergebnisse 19 in den östlichen Bundesländern um drei Prozentpunkte, während sie in den westösterreichischen Gebieten um neun Prozentpunkte sinkt. Abbildung 3.1: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Kariesdiagnosen und Geschlecht in Prozent 526 Personen (100 %) 248 Frauen (100 %) und 278 Männer (100 %) Völlig gesundes Gebiss (D1-3MFT = 0) 15,8 % Personen 16,1 % Frauen und 15,5 % Männer Veränderungen (D1-3MFT > 0) 84,2 % Personen 83,9 % Frauen und 84,5 % Männer Kariesvorstufe (D1+2T > 0, D3MFT = 0)1) Erfahrung mit Karies (D3MFT > 0) 8,7 % Personen 8,9 % Frauen und 8,6 % Männer 75,5 % Personen 75,0 % Frauen und 75,9 % Männer Behandlungsbedarf (D3T > 0) 33,9 % Personen 31,9 % Frauen 35,6 % Männer 1 Saniertes Gebiss (D3T = 0, MFT > 0) 41,6 % Personen 43,1 % Frauen 40,3 % Männer Nach WHO-Definition kariesfrei Quelle: GÖG/ÖBIG 20 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 3.6: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Migrationsstatus in Prozent Diagnose Alle Jugendlichen Ohne Mig Mig 16 16 15 9 9 6 Kariesfrei (D3MFT = 0) 25 25 21 Saniert (D3T = 0, MFT > 0) 42 43 36 Mikrokavität1 22 20 31 Nicht saniert2 11 12 12 Völlig gesundes Gebiss Kariesvorstufe 1 Mikrokavität ist ein ganz kleiner Schmelzdefekt, der mit einer minimal invasiven Füllung (erweiterte Fissurenversiegelung) behandelt wird. 2 Gebisse bedürfen mindestens einer herkömmlichen Füllung. Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.7: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Bildung der Eltern in Prozent Diagnose Alle Jugendlichen Eltern mit Matura Eltern ohne Matura 16 19 13 9 10 8 Kariesfrei (D3MFT = 0) 25 29 21 Saniert (D3T = 0, MFT > 0) 42 43 41 Mikrokavität1 22 21 22 Nicht saniert2 11 7 16 Völlig gesundes Gebiss Kariesvorstufe 1 Mikrokavität ist ein ganz kleiner Schmelzdefekt, der mit einer minimal invasiven Füllung (erweiterte Fissurenversiegelung) behandelt wird. 2 Gebisse bedürfen mindestens einer herkömmlichen Füllung. Quelle: GÖG/ÖBIG Kapitel 3 / Ergebnisse 21 Tabelle 3.8: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Bildung in Prozent Diagnose Alle Jugendlichen Schüler/innen Lehre/AMS 16 16 16 9 11 5 Kariesfrei (D3MFT = 0) 25 27 21 Saniert (D3T = 0, MFT > 0) 42 41 42 Mikrokavität1 22 22 22 Nicht saniert2 11 10 15 Völlig gesundes Gebiss Kariesvorstufe 1 Mikrokavität ist ein ganz kleiner Schmelzdefekt, der mit einer minimal invasiven Füllung (erweiterte Fissurenversiegelung) behandelt wird. 2 Gebisse bedürfen mindestens einer herkömmlichen Füllung. Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.9: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kariesmorbidität und Wohnregion in Prozent Diagnose Alle Jugendlichen West-Österreich Ost-Österreich 16 27 13 9 7 8 Kariesfrei (D3MFT = 0) 25 34 21 Saniert (D3T = 0, MFT > 0) 42 38 43 Mikrokavität1 22 18 23 Nicht saniert2 11 10 13 Völlig gesundes Gebiss Kariesvorstufe 1 Die Mikrokavität ist ein ganz kleiner Schmelzdefekt, der mit einer minimal invasiven Füllung (erweiterte Fissurenversiegelung) behandelt wird. 2 Gebisse bedürfen mindestens einer herkömmlichen Füllung. Quelle: GÖG/ÖBIG 3.2.2 Kariesprävalenz Zur statistischen Beschreibung des Kariesbefalls (Kariesprävalenz) wird international der DMFT-Index herangezogen. Der Index summiert die durch Karies geschädigten Zähne pro bleibendes Gebiss (vgl. Punkt 2.3.1). Dabei steht „D“ für kariöse (Decayed) Zähne, „M“ für Zähne, die aufgrund kariöser Zerstörung entfernt wurden (Missing) und „F“ für gefüllte Zähne (Filled). Bei der Berechnung des DMF-Index werden nur die wegen Karies gezogenen Zähne als M-Zähne gezählt. Die aus kieferorthopädischer Indikation entfernten Zähne sind aus dem DMF-Index ausgeschlossen. Auch die im Rahmen einer Verletzung (Trauma) fehlenden Zähne sind im Index nicht enthalten. 22 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Kariesprävalenz auf Zahnebene – DMFT-Index Der DMFT-Index ermittelt den Kariesbefall im bleibenden Gebiss zahnbezogen. Er dient meist Vergleichszwecken, da weltweit die meisten Untersuchungen nach diesem Index durchgeführt werden. Die WHO gibt diesem Index besonderes Gewicht: Der internationale Hauptvergleichswert für den Zahngesundheitszustand der Bevölkerung eines Landes ist der D3MFT-Wert bei den Zwölfjährigen. Die GÖG/ÖBIG-Untersuchung der Zwölfjährigen im Jahr 2007 weist einen Wert von 1,4 (WHO-Zielwert bis 2020 ist 1,5) aus. Für die Achtzehnjährigen wurde in der vorliegenden Untersuchung ein D3MFT-Index von 3,6 errechnet, wobei erfreulicherweise die gefüllten Zähne den größten Anteil am D3MFT-Wert ausmachen (der FT-Anteil beträgt 80 %). Der Anteil an füllungsbedürftigen Zähnen (D3T) beträgt 18 Prozent, während die restlichen zwei Prozentanteile am D3MFT-Index auf wegen Karies extrahierte Zähne (MT) entfallen (vgl. Tabelle 3.10). Tabelle 3.10: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Geschlecht Von Karies betroffene Zähne pro Person im Durchschnitt Diagnose Alle Jugendlichen Mädchen Burschen Kariöse Zähne (D3T) 0,7 0,6 0,8 Fehlende Zähne (MT) 0,05 0,03 0,06 Gefüllte Zähne (FT) 2,9 2,9 2,9 D3MFT 3,6 3,5 3,8 Zähne mit Verfärbungen (D1+2T) 2,4 2,4 2,4 Quelle: GÖG/ÖBIG Die Gebisse der jungen Männer sind geringfügig mehr von Karies betroffen als jene ihrer Altersgenossinnen (vgl. Tabelle 3.10). Dieses Ergebnis weicht von den bisherigen Beobachtungen ab, nach welchen eher Mädchengebisse im größeren Ausmaß von Karies geschädigt sind (ÖBIG 2007, ÖBIG 2008). Der etwas höhere D3MFT-Index in der Männergruppe resultiert aus der geringfügig höheren D3T-Komponente. Das bedeutet, dass die jungen Männer im Vergleich zu den Mädchen weniger häufig zahnmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Kapitel 3 / Ergebnisse 23 Tabelle 3.11: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Migrationsstatus Von Karies betroffene Zähne pro Person im Durchschnitt Diagnose Alle Jugendlichen Ohne Mig Mig Kariöse Zähne (D3T) 0,7 0,6 0,9 Fehlende Zähne (MT) 0,05 0,04 0,10 Gefüllte Zähne (FT) 2,9 2,9 3,1 D3MFT 3,6 3,5 4,0 Zähne mit Verfärbungen (D1+2T) 2,4 2,3 2,8 Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.11 verdeutlicht, dass ein Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und überdurchschnittlich hohem Kariesbefall auch in der Indexgruppe der Achtzehnjährigen festzustellen ist. Gegenüber den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund erhöht sich der D3MFT-Index in der Migrantengruppe um 43 Prozent. Im Vergleich dazu steigt unter den Zwölfjährigen mit Migrationshintergrund gegenüber den Einheimischen der durchschnittliche Kariesbefall pro Gebiss sogar um 92 Prozent (ÖBIG 2008). Beim Betrachten der Tabelle 3.11 fällt auch die überdurchschnittlich hohe MTKomponente in der Migrantengruppe auf. Das bedeutet, dass kariös erkrankte Zähne von Jugendlichen mit Migrationshintergrund eher gezogen werden als jene von einheimischen Jugendlichen. Tabelle 3.12: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Bildung der Eltern Von Karies betroffene Zähne pro Person im Durchschnitt Diagnose Alle Jugendlichen Eltern mit Matura Eltern ohne Matura Kariöse Zähne (D3T) 0,7 0,5 0,8 Fehlende Zähne (MT) 0,05 0,02 0,07 Gefüllte Zähne (FT) 2,9 2,7 3,0 D3MFT 3,6 3,2 3,9 Zähne mit Verfärbungen (D1+2T) 2,4 2,3 2,5 Quelle: GÖG/ÖBIG 24 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 3.13: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Bildung Von Karies betroffene Zähne pro Person im Durchschnitt Diagnose Alle Jugendlichen Schüler/innen Lehre/AMS Kariöse Zähne (D3T) 0,7 0,5 0,9 Fehlende Zähne (MT) 0,05 0,03 0,08 Gefüllte Zähne (FT) 2,9 2,8 3,1 D3MFT 3,6 3,4 4,0 Zähne mit Verfärbungen (D1+2T) 2,4 2,3 2,6 Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.12 und Tabelle 3.13 zeigen die Unterschiede von DMFT-Werten und seinen Einzelkomponenten im Zusammenhang mit dem Bildungsstatus. Die vorliegenden Zahlen untermauern den Konnex zwischen geringem Bildungs- und Einkommensniveau und vermehrtem Kariesaufkommen. Die Daten der vorliegenden Erhebung bestätigen jene ÖBIG-Ergebnisse, die das zahngesundheitliche Gefälle zwischen Westund Ost-Österreich aufzeigten. Auch bei den Achtzehnjährigen sind die Zähne der in Ost-Österreich lebenden Jugendlichen deutlich stärker von Karies betroffen (ÖBIG 2007, ÖBIG 2008). Die Kariesprävalenz (D3MFT-Index) steigt in ost-österreichischen Regionen im Vergleich zu den westlichen Bundesgebieten um 31 Prozent an (vgl. Tabelle 3.14). Tabelle 3.14: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFT-Index und Wohnregion Von Karies betroffene Zähne pro Person im Durchschnitt Diagnose Alle Jugendlichen West-Österreich Ost-Österreich Kariöse Zähne (D3T) 0,7 0,5 0,7 Fehlende Zähne (MT) 0,05 0,01 0,06 Gefüllte Zähne (FT) 2,9 2,4 3,0 D3MFT 3,6 2,9 3,8 Zähne mit Verfärbungen (D1+2T) 2,4 1,4 2,6 Quelle: GÖG/ÖBIG Kariesprävalenz auf Zahnflächenebene – DMFS-Index Während der DMFT-Index den Kariesbefall im bleibenden Gebiss zahnbezogen ermittelt, erfasst der DMFS-Index die Kariesprävalenz zahnflächenbezogen und ist daher weitaus genauer als der DMFT-Index. Beim DMFS-Index geht z. B. ein extrahierter Molar mit fünf bewerteten Flächen und daher mit fünffach höherer Wertung in den Kapitel 3 / Ergebnisse 25 Index ein als ein entsprechender Zahn mit einflächiger Füllung. Der DMFS-Index erlaubt somit noch genauere Analysen zur Kariesausbreitung im bleibenden Gebiss. Im Durchschnitt zeigen die Achtzehnjährigen an ihren bleibenden Zähnen 5,1 von Zahnfäule betroffene Flächen (D3MFS). Der Anteil an gefüllten (sanierten) Flächen (FSAnteil) macht 78 Prozent (gut drei Viertel) aus (vgl. Tabelle 3.15). In Bezug auf das Geschlecht weisen wiederum die Zähne der Burschen gegenüber jenen der Mädchen einen erhöhten kariösen Flächenbefall auf (um 20 % vgl. Tabelle 3.15). Beachtenswert ist auch, dass jeder Achtzehnjährige zusätzlich im Durchschnitt rund drei Zahnflächen mit Kariesvorstufen (D1+2-Komponente vgl. Tabelle 3.15) aufweist. Diese sichtbaren Verfärbungen stellen bereits demineralisierte Schmelzareale dar. Solche Schädigungen werden aber definitionsgemäß im D3MFS-Indexwert nicht erfasst, weil sie ausheilbar sind. Sie bedürfen jedoch einer regelmäßigen professionellen Intervention. Die entsprechenden präventiven Maßnahmen bei beginnender Schmelzkaries (D1+2-Läsionen) sind: täglich zweimaliges Zähneputzen mit fluoridierter Zahnpasta und regelmäßige Kontrollbesuche bei der Zahnärztin oder dem Zahnarzt, die oder der die beginnende kariöse Läsion mit höher konzentrierten lokalen Fluoriden „non invasiv“ behandelt. Dadurch kommt es infolge einer Remineralisierung des Zahnschmelzes zu einer Art Ausheilung der kariösen Läsionen. Ohne entsprechende vorsorgende Maßnahme entwickeln sich aus solchen „Kariesvorstufen“ aktive Kavitäten. Tabelle 3.15: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index und Geschlecht Von Karies betroffene Zahnflächen pro Person im Durchschnitt Diagnose Alle Jugendlichen Mädchen Burschen Kariöse Flächen (D3S) 0,8 0,6 0,9 Fehlende Flächen(MS) 0,2 0,2 0,3 Gefüllte Flächen (FS) 4,0 3,8 4,3 D3MFS 5,1 4,6 5,5 Flächen mit Verfärbungen (D1+2S) 3,1 3,1 3,1 Quelle: GÖG/ÖBIG Der D3MFT-Index gibt die durchschnittliche Anzahl kariöser Zähne pro Gebiss an und der D3MFS-Index beziffert die durchschnittliche Anzahl geschädigter Zahnflächen pro Gebiss. Die Kariesintensität resultiert aus der Berechnung D3MFS dividiert durch D3MFT (das ist die durchschnittliche Anzahl kariöser Zahnflächen pro geschädigten Zahn vgl. Tabelle 3.16). Die kariösen Zähne der untersuchten Achtzehnjährigen umfassen österreichweit durchschnittlich 1,4 betroffene Flächen. Über diesem Durchschnitt liegen Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie Lehrlinge und Beschäftigungslose. Diese Menschen zeigen an ihren kariösen Zähnen die umfangreichsten Defekte, da ihre kranken Zähne wahrscheinlich nicht rechtzeitig gefüllt werden. Am geringsten erweist 26 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 sich die Kariesintensität bei Jugendlichen aus den west-österreichischen Regionen, wo offene kariöse Zähne augenscheinlich am häufigsten in einem frühen Krankheitsstadium behandelt werden (vgl. Tabelle 3.16). Tabelle 3.16: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS–Index und Kariesintensität D3MFS und durchschnittliche Anzahl kariöser Zahnflächen pro kariöser Zahn Diagnose Alle Ohne Jugend- Mig Mig lichen D3MFS D3MFS/D3MFT Eltern Eltern ohne Schüler/ mit Matura innen Matura Lehre/ West- Ost- AMS Öster- Öster- reich reich 5,1 4,9 5,8 4,4 5,6 4,6 5,9 3,9 5,4 1,4 1,4 1,5 1,4 1,4 1,4 1,5 1,3 1,4 Quelle: GÖG/ÖBIG Die errechneten DMFS-Index-Werte bestätigen ganz deutlich die Ergebnisse der DMFT-Auswertungen. Dies gilt für den Einfluss des Geschlechts auf den Indexwert (Karies betrifft Burschenzähne geringfügig häufiger und schwerer als jene von Mädchen vgl. Tabelle 3.15) oder die erhöhte Kariesaktivität in den Untersuchungsgruppen mit Migrationshintergrund, Lehre/AMS, Eltern ohne Matura und Jugendliche in ostösterreichischen Wohngebieten (vgl. Tabelle 3.16). 3.2.3 Polarisierung Die Karies-„Polarisation“ verdeutlicht, dass nicht alle Menschen gleichermaßen von Karies betroffen sind. Immer mehr Kinder und Jugendliche sind kariesfrei, während relativ wenige Heranwachsende an verhältnismäßig hohem Kariesbefall leiden. Die Gruppe jener, die den Großteil der insgesamt identifizierten Schäden auf sich vereinen, besteht v. a. aus sozial schwächer situierten Menschen (ÖBIG 1996 bis ÖBIG 2008). Nach den aktuellen oralepidemiologischen GÖG/ÖBIG-Daten konzentrieren sich auf ca. 25 Prozent der sechsjährigen österreichischen Kinder 85 Prozent des gesamten Kariesaufkommens und 22 Prozent der Zwölfjährigen vereinen 81 Prozent der beobachten Schäden auf sich. Die Hälfte der kariösen Flächen findet sich auf den Zähnen von weniger als zehn Prozent der Heranwachsenden (ÖBIG 2001 bis 2008). Von den erhobenen Achtzehnjährigen zeigt ein Viertel keinerlei sichtbare irreversible Kariesschäden an den Zähnen. Drei Viertel der untersuchten Jugendlichen haben jedoch mit Karies schon Erfahrung gemacht (Jugendliche mit Karieserfahrung). Bei einem guten Drittel (34 %) der erhobenen jungen Frauen und Männer besteht wegen zumindest eines aktiven kariösen Defektes im Gebiss akuter zahnärztlicher Behandlungsbedarf (Jugendliche mit Behandlungsbedarf vgl. Abbildung 3.1). Für alle Proban- Kapitel 3 / Ergebnisse 27 dinnen und Probanden errechnen sich im Mittel 5,1 kariös geschädigte Flächen pro Gebiss. Teilt man die Gesamtheit der in der Erhebung vorgefundenen Kariesschäden nur unter den Jugendlichen mit Karieserfahrung auf, beträgt der durchschnittliche Kariesbefall pro Person schon 6,7 D3MFS. In der noch kleineren Personengruppe der Jugendlichen mit Behandlungsbedarf errechnet sich ein durchschnittlicher kariöser Flächenbefall von immerhin 8,1 D3MFS. Das bedeutet, dass die Gebisse dieser Probandinnen und Probanden im Vergleich zum Durchschnitt aller Untersuchten eine um 59 Prozent erhöhte Kariesaktivität aufweisen (vgl. Tabelle 3.17). Tabelle 3.17: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index Von Karies betroffene Zahnflächen pro Person im Durchschnitt Diagnose Alle Jugendlichen Jugendliche mit Karieserfahrung (D3MFT > 0) Jugendliche mit Behandlungsbedarf (D3T > 0) Kariöse Zahnflächen (D3S) 0,8 1,0 2,3 Fehlende Zahnflächen (MS) 0,2 0,3 0,6 Gefüllte Zahnflächen (FS) 4,0 5,4 5,2 D3MFS 5,1 6,7 8,1 Zahnflächen mit Kariesvorstufen (D1+2S) 3,1 3,6 4,2 Quelle: GÖG/ÖBIG Karies ist erwiesenermaßen mit typischen Verhaltensmustern verbunden (Micheelis 2006). Da einige Verhaltensweisen in bestimmten Sozialschichten gehäuft vorkommen, ist in der Regel ein Zusammenhang zwischen sozioökonomisch bestimmter Lebensweise und dem Kariesbefall festzustellen (DMS III 1999, ÖBIG 2001 bis 2008). Tabelle 3.18 bis Tabelle 3.21 stellen den durchschnittlichen Kariesbefall (DMFS-Index) in der Gruppe der besonders von Zahnfäule betroffenen Achtzehnjährigen (Jugendliche mit Behandlungsbedarf) unter Berücksichtigung ausgewählter sozioökonomischer Kriterien dar. Die für die Kariesprävalenz (DMFS-Index-Wert) errechneten Daten verdeutlichen, dass mit den sozioökonomischen Merkmalen „Migrationshintergrund“, „Lehre/AMS“ und „ost-österreichischer Lebensraum“ die höchste Kariesaktivität verbunden ist. Überdurchschnittlich von Karies betroffen sind zudem Jugendliche mit den sozioökonomischen Eigenschaften „Eltern ohne Matura“. Auf diese benachteiligten Personen mit offenen Defekten konzentriert sich ein großer Teil des gesamten Kariesaufkommens. 28 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 3.18: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index und Migrationsstatus Von Karies betroffene Zahnflächen pro Person im Durchschnitt Jugendliche mit Behandlungsbedarf (D3T > 0) Diagnose Alle Jugendlichen Ohne Mig Mig Kariöse Zahnflächen (D3S) 2,3 2,0 2,3 Fehlende Zahnflächen (MS) 0,6 0,4 0,9 Gefüllte Zahnflächen (FS) 5,2 4,7 5,4 D3MFS 8,1 8,0 8,5 Zahnflächen mit Kariesvorstufen (D1+2S) 4,2 4,4 3,8 Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.19: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS–Index und Bildung der Eltern Von Karies betroffene Zahnflächen pro Person im Durchschnitt Jugendliche mit Behandlungsbedarf (D3T > 0) Diagnose Alle Jugendlichen Eltern mit Matura Eltern ohne Matura Kariöse Zahnflächen (D3S) 2,3 2,0 2,5 Fehlende Zahnflächen (MS) 0,6 0,3 0,7 Gefüllte Zahnflächen (FS) 5,2 5,4 5,1 D3MFS 8,1 7,7 8,3 Zahnflächen mit Kariesvorstufen (D1+2S) 4,2 4,2 4,1 Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.20: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index und Bildung der Jugendlichen Von Karies betroffene Zahnflächen pro Person im Durchschnitt Jugendliche mit Behandlungsbedarf (D3T > 0) Diagnose Alle Jugendlichen Schüler/innen Lehre/AMS Kariöse Zahnflächen (D3S) 2,3 2,1 2,6 Fehlende Zahnflächen (MS) 0,6 0,3 0,9 Gefüllte Zahnflächen (FS) 5,2 5,1 5,3 D3MFS 8,1 7,5 8,9 Zahnflächen mit Kariesvorstufen (D1+2S) 4,2 4,2 4,1 Quelle: GÖG/ÖBIG Kapitel 3 / Ergebnisse 29 Tabelle 3.21: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – DMFS-Index und Region Von Karies betroffene Zahnflächen pro Person im Durchschnitt Jugendliche mit Behandlungsbedarf (D3T > 0) Diagnose Alle Jugendlichen West-Österreich Ost-Österreich Kariöse Zahnflächen (D3S) 2,3 2,0 2,4 Fehlende Zahnflächen (MS) 0,6 0,8 0,6 Gefüllte Zahnflächen (FS) 5,2 3,9 5,4 D3MFS 8,1 6,1 8,5 Zahnflächen mit Kariesvorstufen (D1+2S) 4,2 2,9 4,9 Quelle: GÖG/ÖBIG Die Flächenwerte (DMFS-Index) machen die Polarisation der Karies deutlich. SiC-Index Da ein erheblicher Teil der Heranwachsenden kariesfrei bleibt, fokussiert die WHO nunmehr auf jene Personen mit dem höchsten Kariesaufkommen. Dazu führte sie eine zusätzliche internationale Bezugsgröße, den SiC-Index (Significant Caries Index) ein. Für die internationale Vergleichsaltersgruppe der Zwölfjährigen fordert die WHO bis 2020 einen SiC-Index-Wert von unter drei D3MFT. In Österreich betrug dieser Wert in der Erhebung im Jahr 2007 noch 4,1 D3MFT (ÖBIG 2008). Der SiC-Index-Wert errechnet sich aus der Einteilung der Probandinnen und Probanden nach D3MFT-Werten. Es wird jenes Drittel an Personen mit dem höchsten D3MFTWerten ermittelt und für diese Untergruppe der durchschnittliche D3MFT-Wert errechnet. Dieser Wert ergibt den SiC-Index-Wert. Er liefert Aussagen zum durchschnittlichen Kariesbefall in der Gruppe der Kariesrisikopersonen. Hohe SiC-Werte weisen auf ein besonders hohes Kariesrisiko der Untersuchungsgruppe hin. Wenn die Zahngesundheit in einer Population stark polarisiert ist, unterscheiden sich D3MFT und SiC stark voneinander. Auf Basis der SiC-Indizes können daher intensiv zu betreuende Bevölkerungsgruppen, Regionen, Kindergärten oder Schulen identifiziert werden. Zudem eignet sich der SiC-Index, die Entwicklung der Zahngesundheit in Risikogruppen abzubilden (Pieper 2005). In der vorliegenden Erhebung errechnet sich für das SiC-Drittel ein durchschnittlicher Kariesbefall von 8,5 D3MFT (im Vergleich dazu alle Achtzehnjährigen 3,6 D3MFT). Mädchen weisen einen SiC-Wert von 7,5 D3MFT auf und in der Gruppe der Burschen errechnet sich für das Drittel an Personen mit besonderer Kariesaktivität ein durch- 30 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 schnittlicher D3MFT von 8,7. Dies zeigt, dass vor allem Burschen von Karies gefährdet sind. Abbildung 3.2: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – SiC-Index und D3MFT-Index 10 9 8,5 7,6 7,5 8 9,2 8,7 8,5 7,4 8,4 8,2 7,7 7,2 Achsentitel 7 6 5 4 3,6 3,5 3,8 3 3,5 4 3,9 3,2 3,4 4 3,8 2,9 D3MFT SiC‐Index 2 1 0 Quelle: GÖG/ÖBIG In Abbildung 3.2 fällt zunächst der deutlich überhöhte SiC-Index in der Subgruppe der Lehrlinge bzw. Beschäftigungslosen auf. Niedriger als im österreichischen Durchschnitt liegt der SiC-Index in den Subgruppen der Jugendlichen, die in west-österreichischen Regionen leben (7,2 D3MFT), bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund sowie bei Jugendlichen, deren Eltern maturiert haben und bei Schülerinnen und Schülern. 3.2.4 Sanierungsgrad und Behandlungsbedarf Ein ganz wichtiger Parameter für Aussagen zur zahnärztlichen Versorgung bzw. zur Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen ist der Sanierungsgrad (Care Index Percentage). Er wird durch den prozentuellen Anteil an gefüllten Zähnen bzw. Flächen (FT/S-Wert) am gesamten Kariesindexwert (D3MFT/S-Wert) zum Ausdruck gebracht (F dividiert durch D3MF). Nach dieser Berechnung beträgt der Sanierungsgrad bei den erhobenen Achtzehnjährigen basierend auf dem DMFT-Index 80 Prozent. Diese Zahl besagt, dass die kariösen Zähne der untersuchten Jugendlichen zum größten Teil (mehr als drei Viertel) gefüllt Kapitel 3 / Ergebnisse 31 sind. Zwischen den Geschlechtern besteht ein Unterschied im Sanierungsgrad zugunsten der Mädchen (bei den Mädchen beträgt der Sanierungsgrad 83 % und bei den Burschen 78 %). Geringfügig über dem österreichischen Durchschnitt liegt auch der Sanierungsgrad in den Subgruppen Jugendliche von Eltern mit Matura, Schüler/innen, Jugendliche ohne Migrationshintergrund und Jugendliche in west-österreichischen Wohngebieten. Die Zahlen in Tabelle 3.22 zeigen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund, Jugendliche von Eltern ohne Matura, Lehrlinge und Beschäftigungslose sowie jene Jugendlichen aus öst-österreichischen Gebieten mit der Behandlung ihrer offenen kariösen Zähne überdurchschnittlich lange zuwarten, sodass diese Kavitäten schließlich mehrere Zahnflächen umfassen können (mehrflächige Kavitäten). Tabelle 3.22: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Sanierungsgrad Anteil an gefüllten Zähnen bzw. Flächen am D3MFT/S-Wert in Prozent Diagnose Alle Ohne Jugendlichen Mig Mig Eltern mit Eltern Schüler/ Lehre/ West- Ost- Matura ohne innen AMS Öster- Öster- FT/D3MFT 80 83 78 84 reich reich 76 82 77 83 79 FS/D3MFS 78 82 76 84 77 83 76 85 78 Matura Quelle: GÖG/ÖBIG Bei zwei Dritteln der untersuchten Achtzehnjährigen besteht kein akuter Behandlungsbedarf. 16 Prozent der Personen mit sanierungsbedürftigen Zähnen haben nur eine offene kariöse Fläche im Gebiss. Bei weiteren 15 Prozent sind zwischen zwei und fünf Zahnflächen füllungsbedürftig. Zusätzliche zwei Prozent weisen allerdings zwischen sechs und fünfzehn sanierungsbedürftige Flächen auf und 0,2 Prozent der untersuchten Jugendlichen leiden sogar an mehr als 15 akut kariösen Flächen (vgl. Tabelle 3.23). Im österreichischen Durchschnitt (alle Achtzehnjährigen) errechnen sich 0,8 füllungsbedürftige Zahnflächen. In der Probandengruppe mit behandlungsbedürftigen Gebissen ergeben sich allerdings im Durchschnitt bereits 2,3 Zahnflächen mit offener Karies (unbehandelt). Wie die kariösen Gesamtschäden konzentrieren sich somit auch die füllungsbedürftigen Defekte auf eine relativ geringe Anzahl an Betroffenen (vgl. Tabelle 3.23). 32 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 3.23: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Behandlungsbedarf und Polarisation Anzahl behandlungsbedürftige Zahnflächen Jugendliche % 0 1 2 3 4 5 6–10 11–15 >15 Mittelwert (D3S) 66 16 8 5 2 0,4 1,7 0,4 0,2 0,8 Quelle: GÖG/ÖBIG Die Daten hinsichtlich Kariessanierung zeigen, dass die zahnärztliche Versorgung der Achtzehnjährigen beim Großteil zufriedenstellend ist. Der Sanierungsgrad muss sich daher besonders bei Jugendlichen mit vermehrter akuter Karies verbessern. Diese Menschen kommen häufig aus einem sozial benachteiligten Milieu (vgl. Tabelle 3.22). Möglicherweise bestehen bei diesen Personen Hürden (existenzielle bzw. finanzielle Sorgen, große Zahnarztangst), die den Besuch einer Zahnarztpraxis erschweren. 3.3 Spezifische Ergebnisse Die folgenden Abschnitte beinhalten die Ergebnisse spezieller Untersuchungen (Größe und Umfang der offenen kariösen Dentindefekte, Füllungsmaterialien, Versiegelungen und devitale Zähne). Darüber hinaus werden die erhobenen parodontalen und kieferorthopädischen Parameter wie auch die Ergebnisse hinsichtlich des Mundpflegeverhaltens dargestellt. 3.3.1 Größe und Umfang der akuten behandlungsbedürftigen Dentinkaries Die neue Bewertungsskala des ICDAS-II-Systems liefert auch Information hinsichtlich der Größe und des Umfangs der behandlungsbedürftigen kariösen Dentindefekte (D3Läsionen). Solche Auskünfte dienen vor allem der Evaluierung prophylaktischer Maßnahmen bzw. der zahnärztlichen Versorgung. So sollte mit einem ausreichenden zahnärztlichen Versorgungsprogramm (regelmäßige Inanspruchnahme der präventiven zahnärztlichen Leistungen und hinreichende zahnärztliche Behandlung) der Anteil an großen Dentindefekten (traditionelle Kavität) an den akuten kariösen Zähnen sehr klein Kapitel 3 / Ergebnisse 33 sein, während die ganz kleinen kariösen Defekte (Mikrokavität) überwiegen. Für die Kariesepidemiologie bedeutet das, dass große herkömmliche Zahnfüllungen immer seltener auftreten und kleine „minimal invasive Füllungen“ in den Gebissen zukünftig dominieren werden. Am häufigsten beobachtete die Untersucherin bei den Probandinnen und Probanden die ganz „kleinen Löcher“. Diese Mikrokavitäten sind bei mehr als der Hälfte (60 %) der Fälle mit füllungsbedürftiger Karies (D3-Läsion) befundet. Eindeutige Kavitäten führten zu einem D3-Anteil von dreizehn Prozent und „ganz große Defekte“ (ausgedehnte Kavität), die mehrere Zahnflächen umfassen, sind zu 15 Prozent an der D3Komponente beteiligt (vgl. Abbildung 3.3). Zwölf Prozent der Fälle, in denen eine aktive Karies festgestellt wurde, fallen unter jene spezifische ICDAS-II-Diagnose, bei der an der Oberfläche nur ein ganz kleiner Defekt im Schmelz zu sehen ist, in den darunter liegenden Dentinschichten zeigt sich jedoch ein dunkler kariöser Schatten (underlaying grey shadow, vgl. Tabelle 2.4). Die akut kariösen Zähne der Achtzehnjährigen weisen demnach in der überwiegenden Mehrheit (60 %) jene ganz kleinen Defekte auf, die lediglich einer minimal invasiven zahnärztlichen Behandlung bedürfen (vgl. Abbildung 3.3). Die restlichen 40 Prozent der offenen Kariesfälle benötigen eine herkömmliche zahnärztliche Füllungsmethode. In den Subgruppen „Mädchen“ (72 % -Mikrokavitätenanteil) und „Jugendliche von Eltern mit Matura“ (76 % -Mikrokavitätenanteil) fallen drei Viertel der diagnostizierten D3Läsion auf Mikrokavitäten, während die restlichen Subgruppen (Burschen, Mig, Eltern ohne Matura, Lehre/AMS, Ost-Österreich) einen überdurchschnittlich hohen Anteil an den herkömmlichen umfangreicheren Kavitäten aufweisen. 34 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Abbildung 3.3: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Behandlungsbedürftige Läsionen (D3-Läsionen) 12 % 15 % 60 % 13 % Mikrokavität Kavität große, mehrflächige Kavität underlaying grey shadow Quelle: GÖG/ÖBIG 3.3.2 Füllungsmaterialien Die moderne präventiv ausgerichtete Zahnmedizin fordert in der konservierenden Zahnheilkunde frühzeitige Behandlung sowie gewebeschonende Kavitätenpräparation („minimal invasiv dentistry“). Das Füllungsmaterial der ersten Wahl stellen die Composites dar. Das Untersuchungsteam dokumentierte die Materialien, mit denen kariöse Defekte an den Zähnen der Achtzehnjährigen gefüllt werden. Jugendliche mit Karieserfahrung zeigen im Durchschnitt vier mit einer Füllung versehene Zahnflächen (FS-Wert) in ihren Gebissen. In diesem Wert sind auch die minimal invasiven Füllungen enthalten. Der Anteil der „ganz kleinen“ an allen Füllungen macht österreichweit bei beiden Geschlechtern und ohne Unterschied nach Migrationsstatus elf Prozent aus. Einen überdurchschnittlich hohen Anteil an „minimal invasive Füllungen“ besitzen Jugendliche in der Subgruppe „west-österreichisches Wohngebiet“ (17 %-Anteil) sowie jene Jugendlichen, die eine AHS bzw. BHS besuchen (13 %-Anteil), während Lehrlinge und Beschäftigungslose (Lehre/AMS) mit einem neun Prozent-Anteil unter dem österreichischen Durchschnitt liegen. Kapitel 3 / Ergebnisse 35 Die minimal invasive Füllungstechnik ist bei ganz kleinen Schmelzdefekten indiziert, z. B. wenn ausschließlich die Rillen (Fissuren) an den Kauflächen der Backenzähne von Karies befallen sind (die Fissur ist unterbrochen bzw. oberflächlich defekt). Bei der minimal invasiven Therapie wird mittels einer äußerst gewebsschonenden Methode die Karies entfernt (es wird „fast nicht gebohrt“) und anschließend der oberflächliche Defekt mit einem speziellen Versiegelungsmaterial (Composite) versiegelt. Abbildung 3.4: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Füllungsmaterialien 1% 2% 11% 31% 55% minimal invasiv Composite Amalgam Zemente restaurative Arbeiten Quelle: GÖG/ÖBIG Fissurenversiegelung Die Auswertung hinsichtlich der verwendeten Füllungsmaterialien zeigt, dass in den Gebissen der Jugendlichen noch immer die „Amalgamplombe“ als Werkstoff dominiert. Ästhetisch hochwertige, aber auch teure Zahnrestaurationen (Inlays) sind bei Achtzehnjährigen äußerst selten (vgl. Abbildung 3.4). 3.3.3 Fissurenversiegelung Karies entsteht an bevorzugten Stellen (Prädilektionsstellen) am Zahn. Diese liegen in den Fissuren (Kaufflächen und Grübchen), in Approximalräumen (Zahnzwischenräumen) und bei freiliegendem Zahnhals auch an der Wurzeloberfläche. Kinder und Jugendliche zeigen am häufigsten Karies in den Fissuren der Backenzähne. Erfolge der präventiven Zahnheilkunde wurden in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen durch den Einsatz von Versiegelungen der kariesgefährdeten Kauflächen erreicht (Micheelis 36 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 2006). Bei der Fissurenversiegelung werden die Rillen der Kauflächen auf den Backenzähnen mit Kunststoff aufgefüllt und somit gegen Kariesbakterien geschützt. Versiegelte Zahnflächen werden als F-Komponente des DMFS-Index nicht berücksichtigt. Zur Unterscheidung der Fissurenversiegelung von einer Füllung ist festgelegt, dass eine versiegelte Fläche vorliegt, wenn das Versiegelungsmaterial ganz dicht der anatomischen Fissur folgt. Es dürfen keine Zeichen einer Kavitätenpräparation erkennbar sein. Weist aber dieselbe Okklusalfläche sowohl eine Versiegelung als auch eine Karies (erweiterte Versiegelung, Füllung oder Kavität) auf, so geht in die Datenaufnahme ausschließlich der schwerwiegendere Befund (es gilt immer der höchste Befund) ein. Nur acht Prozent der untersuchten Achtzehnjährigen verfügen zumindest über einen versiegelten Backenzahn. Hinsichtlich des Vorkommens von Fissurenversiegelungen bestehen nach Geschlecht, nach Migrationsstatus, Bildungsstatus der Eltern und Beschäftigung der untersuchten Jugendlichen keine markanten Unterschiede. Jedoch zeigt sich, dass Probandinnen und Probanden aus den west-österreichischen Wohnregionen deutlich häufiger versiegelte Backenzähne besitzen (16 % haben Versiegelungen) als jene Jugendlichen in Ost-Österreich (6 % haben Versiegelungen). 3.3.4 Devitale Zähne Hat die Karies einen Zahn bereits so tiefgehend befallen, dass das Zahnmark (Pulpa) auch betroffen ist (Karies profunda), muss der Zahn entweder gezogen werden oder es wird mit einer endodontischen Therapie (Wurzelkanalbehandlung) versucht, den Zahn doch noch zu erhalten. Bei dieser aufwändigen Behandlung entfernt der Zahnarzt bzw. die Zahnärztin zuerst die erkrankte Pulpa (Nerv) und füllt den Wurzelkanal anschließend mit einem speziellen Füllungsmaterial bakteriendicht ab (Schweizer Zahnärztegesellschaft 2000). Der wurzelbehandelte Zahn ist nun devital. Die Daten fachspezifischer epidemiologischer Studien zeigen, dass die Häufigkeit devitaler (wurzelbehandelter) Zähne mit steigendem Lebensalter zunimmt. So weist weltweit schon jeder zweite fünfzigjährige Mensch zumindest einen wurzelbehandelten Zahn in seinem Gebiss auf und bei den über 60-Jährigen haben bereits 62 Prozent zumindest einen devitalen Zahn (Eriksen 1998). Devitale Zähne gelten in der Medizin als potenzielle Krankheitsherde (Entzündungsherde). Es kann zu einer Eiteransammlung an der Wurzelspitze kommen (Abzess) und in seltenen Fällen zur Osteomyelitis. Beim wurzelgefüllten Zahn handelt es sich um „totes“ Gewebe, das nicht mehr durchblutet ist und daher sind auch die physiologischen Abwehrmechanismen an dieser Stelle nicht mehr so wirksam. Zudem sind devitale Zähne vermehrt frakturgefährdet (Barbakov 2000). Kapitel 3 / Ergebnisse 37 Bei zehn Prozent der Achtzehnjährigen (12 % der Burschen und 8 % der Mädchen) fiel der Sensibilitätstest negativ aus, das bedeutet, dass die Gebisse dieser Personen mindestens einen devitalen Zahn aufweisen. Neun Prozent der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund und 15 Prozent der Jugendlichen mit Migrationshintergrund haben zumindest einen devitalen Zahn im Gebiss. Bei zwölf Prozent der Jugendlichen von Eltern ohne Matura und sieben Prozent der Jugendlichen von Eltern mit Matura ist zumindest ein Zahn schon wurzelbehandelt. In der Schülergruppe (AHS, BHS) fiel die Sensibilitätsprüfung an mindestens einem Zahn in acht Prozent der Fälle negativ aus und bei 14 Prozent der Beschäftigten (Lehre/AMS) ergab der Vitalitätstest ein negatives Ergebnis. Keinen Unterschied in der Vorkommenshäufigkeit devitaler Zähne zeigt der regionale Vergleich. In WestÖsterreich wie in Ost-Österreich leiden zehn Prozent der Achtzehnjährigen zumindest unter einem wurzelbehandelten devitalen Zahn. Die durchschnittliche Anzahl devitaler Zähne beträgt in der vorliegenden Erhebung 1,1 pro Person ohne Berücksichtigung von Geschlecht oder sozioökonomischen Faktoren. 3.4 Ergebnisse der parodontalen Untersuchung Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontium) äußern sich durch typische Symtome: wie Zahnfleischbluten, Rötung und Schwellung des Zahnfleischen (Gingivitis), Zahnfleischtaschenbildung und Mundgeruch. Bei der Parodontitis kommt es überdies zu einem kontinuierlichen Abbau des Zahnhalteapparates und letztendlich zum Zahnverlust. Zahnfleischerkrankungen sind aber durch gezielte Mundhygiene und professionelle Zahnreinigung in der Zahnarztpraxis zum größten Teil vermeidbar (ÖBIG 2001). Die WHO empfiehlt die parodontale Gesundheit der Achtzehnjährigen nach dem CPIIndex (vgl. Tabelle 2.6) zu untersuchen (WHO 1999). Die Prävalenz der Zahnbetterkrankungen (Parodontopathien) wurde daher mittels dieses Index gemessen. Rund 40 Prozent der Erhobenen weisen an mindestens einem Sextanten entzündetes Zahnfleisch auf (vgl. Tabelle 3.24). Annähernd im österreichischen Durchschnitt liegen die Prävalenzraten in den Subgruppen Eltern ohne Matura (40 % haben mindestens einen Sextanten mit krankem Zahnfleisch), Eltern mit Matura (Prävalenzrate beträgt 38 %), West-Österreich (Prävalenzrate beträgt 38 %), Ost-Österreich (Prävalenzrate beträgt 40 %). In der Gruppe der Burschen steigt die Prävalenzrate im Vergleich zum Durchschnitt der Achtzehnjährigen um zehn Prozentpunkte und in der Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund sogar um zwölf Prozentpunkte. Deutlich unter dem Durchschnitt liegen die Mädchen mit einer Prävalenzrate von 29 Prozent. In der Gruppe der Schüler/innen (AHS/BHS) errechnet sich eine Prävalenzrate von 37 Prozent 38 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 und Lehrlinge bzw. arbeitslose Jugendliche sind mit 44 Prozent von Zahnbetterkrankungen betroffen. Demgegenüber weisen rund 61 Prozent der untersuchten jungen Frauen und Männer völlig einwandfreie CPI-Befunde auf. Diese Personen zeigen an allen Sextanten des Gebisses ganz gesunde parodontale Verhältnisse (vgl. Tabelle 3.24). Dreizehn Prozent der Untersuchten besitzen fünf parodontal gesunde Sextanten und bei weiteren zwölf Prozent diagnostizierte die Untersucherin zwischen drei und vier völlig gesunde Sextanten. Zusätzliche sechs Prozent zeigten allerdings nur mehr einen bis zwei parodontal einwandfreie Sextanten im Gebiss und bei neun Prozent der Erhobenen stellte die Untersucherin parodontale Schäden an allen sechs Sextanten fest. Tabelle 3.24: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – CPI und Polarisierung Sichtbare Anzeichen von Zahnfleischerkrankungen Alle Jugendlichen % Mädchen % Burschen % Kein Sextant betroffen 60 71 51 Ein Sextant betroffen 13 11 14 Zwei Sextanten betroffen 7 8 6 Drei Sextanten betroffen 5 3 6 Vier Sextanten betroffen 3 2 4 Fünf Sextanten betroffen 3 2 5 Sechs Sextanten betroffen 9 3 14 Quelle: GÖG/ÖBIG Die WHO bestimmte bis zum Jahr 2020 für die Achtzehnjährigen mindestens vier Sextanten mit ganz gesundem Zahnfleisch. Die erhobenen Jugendlichen verfügen durchschnittlich über 4,8 gesunde Sextanten. Mädchen besitzen im Mittel sogar 5,3 gesunde Sextanten. Kapitel 3 / Ergebnisse 39 Tabelle 3.25: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – CPI-Diagnosen und Geschlecht, Migrationsstatus CPI-Diagnose Alle Jugendlichen Mädchen Burschen Ohne Mig Mig Gesund (CPI = 0) 60 71 51 63 49 Bluten (CPI = 1) 21 20 21 20 25 Zahnstein (CPI = 2) 15 7 23 14 23 2 1 4 2 3 Seichte Taschen (CPI = 3) Tiefe Taschen (CPI = 4) 0 0 0 0 0 Nicht beurteilbar 2 1 1 1 0 Zähne fehlen 0 0 0 0 0 Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 3.26: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – CPI-Diagnosen und Bildung, Region CPI-Diagnose AHS/BHS Lehre/AMS Eltern m. Matura Eltern o. Matura WestÖsterreich OstÖsterreich Gesund (CPI = 0) 64 58 62 59 61 60 Bluten (CPI = 1) 21 20 24 19 16 22 Zahnstein (CPI = 2) 12 19 10 19 15 15 Seichte Taschen (CPI = 3) 2 3 2 3 8 1 Tiefe Taschen (CPI = 4) 0 0 0 0 0 0 Nicht beurteilbar 1 0 2 0 0 2 Zähne fehlen 0 0 0 0 0 0 Quelle: GÖG/ÖBIG Hinsichtlich des Schweregrades der parodontalen Erkrankungen dominieren bei den Jugendlichen die CPI-Befunde Grad 1 (Zahnfleischbluten) und Grad 2 (Zahnstein vorhanden). Diese Krankheitsstadien benötigen zur Ausheilung lediglich eine „Hygienisierung“ (professionelle Zahnreinigung) sowie Mundhygieneinstruktionen. Zahnfleischbluten (Gingivitis) an mindestens einem Sextanten diagnostizierte die Untersucherin in 21 Prozent der befundeten Fälle. 31 Prozent der erhobenen Jugendlichen sagen, dass ihr Zahnfleisch innerhalb des vergangenen Jahres beim Putzen kaum geblutet hat und 16 Prozent der jungen Frauen und Männern geben an, innerhalb des letzten Jahres beim Zähneputzen ab und zu blutendes Zahnfleisch bemerkt zu haben. Schwere parodontale Destruktionen wie Zahnfleischtaschen (CPI-Grade 3 und 4) diagnostizierte die Medizinerin bei den jungen Menschen äußerst selten (vgl. Tabelle 3.26). Lokalisierter Attachmentverlust (Zurückweichen des Zahnfleisches) zeigte sich bis zu einem Prozent, ohne wesentliche Unterschiede zwischen den Subgruppen. Zahnstein ist mineralisierter, harter Zahnbelag, der sich bei der routinemäßigen, täglichen Zahnhygiene mit der Zahnbürste nicht mehr abputzen lässt. Bei mangelhafter 40 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Mundhygiene baut sich Zahnstein ungestört Schicht für Schicht zu „gewaltigen“ Massen auf. An seinem Grund löst er dann ein zahnwurzelwärts gerichtetes Zurückweichen des Zahnfleisches (Attachementverlust) aus. Die raue Oberfläche des Zahnsteines eignet sich hervorragend als Anlegestelle für Bakterien. Zahnstein übernimmt eine Trägerfunktion für die aktive Plaque und fördert die Entstehung und Ausbreitung parodontaler Infektionen (Hellwege 1999). Um solchen degenerativen Verläufen entgegenzuwirken, empfehlen Prophylaxeexperten regelmäßige professionelle Zahnreinigung (2 x jährlich). Bei dieser Präventionsmaßnahme entfernen zahnärztliche Professionisten alle harten Zahnbeläge mit speziellen Instrumenten und schaffen somit saubere und glatte Zahnschmelzoberflächen. 15 Prozent der Achtzehnjährigen zeigen an mindestens einem Sextanten Zahnstein. Mädchen liegen mit der CPI-Grad-2-Prävalenzrate (Zahnstein vorhanden) von sieben Prozent deutlich unter dem Durchschnitt. Erhöht sind die CPI-Grad-2-Prävalenzraten in den Subgruppen der Burschen, der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, bei den Lehrlingen und Beschäftigungslosen (Lehre/AMS) sowie bei den Jugendlichen mit Eltern ohne Matura (vgl. Tabelle 3.25 und Tabelle 3.26). Regionale Unterschiede sind hinsichtlich der Prävalenz von Zahnstein nicht zu beobachten. Auf die Frage, ob innerhalb des letzten Jahres eine professionelle Zahnreinigung durchgeführt wurde, antworteten 40 Prozent der Jugendlichen mit „Ja“ (42 % Mädchen, 39 % Burschen, 43 % ohne Mig, 29 % Mig, 39 % Jugendliche von Eltern ohne Matura, 42 % Jugendliche von Eltern mit Matura, 42 % Schüler/innen, 37 % Lehrlinge/Arbeitslose, 43 % West-Österreich, 40 % Ost-Österreich). 3.5 Ergebnisse der KFO-Untersuchung Stellungsanomalien der Kiefer (skelettale Anomalien) und der Zähne (dentale Anomalien) beschreiben alle Abweichungen des Kauorgans von einem anatomisch und funktionell fehlerfreien Zustand (Eugnathie). Fehlstellungen der Kiefer bzw. der Zähne führen je nach Schweregrad zu ästhetischen und funktionellen Beeinträchtigungen. Soziokulturelle Verhaltensweisen zeigen großen Einfluss auf die Gebissentwicklung (Borutta 1991). Risikofaktoren für erworbene Fehlentwicklungen des Kauorgans sind gebissschädigende Gewohnheiten wie Dauernuckeln, Fingerlutschen, Lippenbeißen, Zungenpressen usw. Manche dieser „Habits“ kommen in bestimmten Sozialschichten gehäuft vor. Auch bestehen zwischen erworbenen Gebissanomalien und Karies gegenseitige ungünstige Einflüsse auf die Erkrankungsrate. Karies fördert bei vorzeitigem Zahnverlust Fehlentwicklungen des Gebisses. Umgekehrt begünstigen falsche Zahnund Kieferstellungen die Entstehung von Karies. Kapitel 3 / Ergebnisse 41 Eine ideale Struktur des Kauorgans findet man nur bei einem kleineren Teil der Bevölkerung (in Österreich weisen z. B. 46 Prozent der Zwölfjährigen eine orthodontisch einwandfreie Gebissstruktur auf; ÖBIG 2007, 2008). Bei der Mehrheit der Menschen liegen Abweichungen und Fehlstellungen des Kauorgans unterschiedlichen Schweregrades vor (Borutta 1991). Tabelle 3.27 und Tabelle 3.28 zeigen, wie sich die kieferorthopädischen Diagnosen auf die Achtzehnjährigen verteilen. Dabei gibt Tabelle 3.27 jene Gebissanomalien an, die durch abnorme Platzverhältnisse in den Kiefern verursacht sind: Dazu gehören: Crowding (Staffelstellung der Frontzähne), Spacing (Lückenbildung zwischen den Frontzähnen), Diastema (Lücke zwischen den mittleren oberen Schneidezähnen) und Kieferbogenirregularität (gekippte oder gedrehte Zähne). Tabelle 3.28 stellt die Verteilung der diagnostizierten Bisslagefehler dar. Das sind: zu starker Vorbiss des Oberkiefers (Prognathie), Vorbiss des Unterkiefers (verkehrter Überbiss oder Progenie), offener Biss, Kantbiss und Kreuzbiss. Tabelle 3.27: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kieferorthopädische Diagnosen: abnorme Platzverhältnisse KFO-Diagnosen Alle Jugendlichen % Mädchen % Burschen % Crowding 44 40 48 Spacing 12 8 15 9 6 12 Oberkieferirregularität 23 19 26 Unterkieferirregularität 40 37 42 Diastema Quelle: GÖG/ÖBIG 42 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 3.28: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Kieferorthopädische Diagnosen: Bissfehler Diagnosen Oberkieferoverjet > 2,5 mm Alle Jugendlichen % Frauen % Männer % 48 51 44 Unterkieferoverjet > 0 mm 6 3 8 Offener Biss* 3 2 3 Kreuzbiss** Molarrelation II***, MR III*** 7 4 4 54 54 53 * Offener Biss: Bei Kieferschluss (Occlusion) treffen die Oberkieferzähne nicht auf die Unterkieferzähne. ** Kreuzbiss: Bei Kieferschluss überlappen die Oberkieferzähne nur abschnittsweise die Unterkieferzähne (Oberkieferoverjet), während in manchen Gebissabschnitten die Unterkieferzähne die Oberkieferzähne überlappen (Unterkieferoverjet). *** Molarrelation (MR): Die Bisslage (Okklusion) bezogen auf die 6er-Molaren (MR I = ideal, MR II = die Bisslage ist um eine Höckerbreite verschoben, MR III = die Bisslage ist um zwei Höckerbreiten verschoben). Quelle: GÖG/ÖBIG Durch den Einsatz kieferorthopädischer Geräte (Zahnspangen) können in der Behandlung von Fehlstellungen der Kiefer und der Zähne gute Erfolge erzielt werden. Zur Inanspruchnahme solcher kieferorthopädischer Behandlungen zeigt die vorliegende Erhebung folgenden Trend: Rund 94 Prozent der Achtzehnjährigen wurden im Laufe ihres Lebens schon einmal von einer Kieferorthopädin / einem Kieferorthopäden begutachtet (es waren 93 % der Burschen und 95 % der Mädchen). 52 Prozent trugen schon einmal eine Zahnregulierung (56 % der Mädchen und 49 % der Burschen). 36 Prozent der Jugendlichen hatten eine kieferorthopädische Gebisskorrektur zum Zeitpunkt der Erhebung bereits abgeschlossen, während sich neun Prozent der erhobenen Mädchen und Burschen noch in Behandlung befanden. Sieben Prozent der Achtzehnjährigen haben ihre kieferorthopädische Behandlung abgebrochen. Jene Jugendlichen, die sich einer kieferorthopädischen Behandlung unterzogen haben, wurden nach ihrer Zufriedenheit mit dem Behandlungsergebnis gefragt. Die Mädchen und Burschen sollten auf einer Skala von null bis zehn ihren persönlichen „Zufriedenheits-Wert“ angeben. Der errechnete Mittelwert zur Behandlungszufriedenheit beträgt zwei. Das Durchschnittsalter zu Behandlungsbeginn ergibt 10,6 Jahre und die durchschnittliche Behandlungsdauer beträgt 3,5 Jahre. In Bezug auf die Regulierungsmethode dominieren die abnehmbaren „Zahnspangen“ (23 % der Jugendlichen trugen eine abnehmbare Zahnspange). Festsitzende Apparaturen verwendeten die kieferorthopädischen Experten und Expertinnen bei 16 Prozent der Achtzehnjährigen und bei 14 Prozent der Mädchen und Burschen wurde kombiniert (abnehmbar und festsitzend) behandelt. In jenen neun Prozent der Fälle, in welchen die Behandlung noch nicht Kapitel 3 / Ergebnisse 43 abgeschlossen war, trugen 94 Prozent der betroffenen Jugendlichen bei der klinischen Untersuchung ihre „fixe Zahnspange“, während die übrigen sechs Prozent zuhause ein abnehmbares Gerät besitzen. 3.6 Ergebnisse zum Mundgesundheitsverhalten In den folgenden Abschnitten werden die Zahnarztinanspruchnahme und das Präventionsverhalten der Jugendlichen beschrieben. Zur Qualität der folgenden Ergebnisse ist zu erwähnen, dass die Daten mittels Befragungen erhoben wurden, also Selbstangaben und dadurch möglicherweise nur eingeschränkt zuverlässig sind. Ergebnisse zur Zahnarztinanspruchnahme Gut die Hälfte (52 %) der Achtzehnjährigen gibt an, innerhalb des letzten halben Jahres eine Zahnarztpraxis aufgesucht zu haben. Zusätzliche 30 Prozent waren zumindest einmal innerhalb des letzten Jahres in einer Zahnarztpraxis. Bei 18 Prozent der Erhobenen liegt der letzte Zahnarztbesuch allerdings schon zwei Jahre oder länger zurück (vgl. Tabelle 3.29). Regelmäßige zahnärztliche Besuche (mindestens einmal jährlich) nimmt somit nur ein relativ kleiner Teil der Achtzehnjährigen nicht wahr. Es zeichnet sich ein Einfluss des Geschlechts, des Migrationsstatus sowie der Bildungslage auf die zahnärztliche Inanspruchnahme ab (vgl. Tabelle 3.29). Regelmäßige zahnärztliche Inanspruchnahme, d. h. mindestens einmal jährlich gelingt den Burschen, Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie den Lehrlingen oder Beschäftigungslosen im Vergleich zum Durchschnitt der Achtzehnjährigen weniger häufig, während die Mädchen oder Schüler/innen (AHS/BHS) überdurchschnittlich häufig den jährlich empfohlenen Zahnarzttermin wahrnehmen. In der Gruppe jener Jugendlichen, die angeben, zwei Jahre oder länger nicht in einer Zahnarztpraxis gewesen zu sein, nennen zwei Prozent „große Angst vor der zahnärztlichen Behandlung“ als Grund für ihre seltene Zahnarztbesuchs-Frequenz. Der Anteil der Jugendlichen mit großer Zahnarztangst erhöht sich deutlich mit den sozioökonomischen Merkmalen „Migrationhintergrund“ und „Lehre bzw. AMS“ (2 % alle Jugendlichen versus 5 % Mig; 4 % Lehre/AMS). 44 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 3.29: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährige – Befragung zu letztem Zahnarztbesuch in Prozent Fragen Alle Jugendlichen Mädchen Burschen Ohne Mig Mig AHS/BHS Lehrlinge/ AMS Zahnarztbesuch im letzten Jahr Zahnarztbesuch vor zwei Jahren und länger Noch kein Zahnarztbesuch Keine Erinnerung, wann letzter Zahnarztbesuch 82 86 79 83 76 86 76 18 14 22 17 24 14 24 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Quelle: GÖG/ÖBIG Auf die Frage nach dem Grund des letzten zahnärztlichen Besuchs, geben gut zwei Drittel (69 %) der Erhobenen an, wegen einer Kontrolle in der Zahnarztpraxis gewesen zu sein. 16 Prozent mussten wegen Beschwerden die Zahnarztpraxis aufsuchen und bei weiteren 15 Prozent war eine kieferorthopädische Kontrolle bzw. ein anderer Grund der Anlass, die Zahnärztin oder den Zahnarzt aufzusuchen. Hier zeigen sich Unterschiede nach Migrationsstatus, Wohnregion und Bildungsstatus der Jugendlichen. Von den Jugendlichen mit Migrationshintergrund nützten 64 Prozent den letzten Zahnarztbesuch für eine Kontrolle und ein Viertel (25 %) war wegen Beschwerden in der Zahnarztpraxis. In den west-österreichischen Regionen geben 71 Prozent als Grund für den letzten Zahnarztbesuch eine Kontrolluntersuchung an und nur neun Prozent gingen wegen Beschwerden zur Zahnärztin oder zum Zahnarzt. Im Vergleich dazu diente den ost-österreichischen Jugendlichen in 68 Prozent der Fälle ihr letzter Zahnarztbesuch der Kontrolle und 18 Prozent gingen wegen Beschwerden in die Zahnarztpraxis. Von den Schüler/innen waren 13 Prozent das letzte Mal wegen Beschwerden bei der Zahnärztin oder dem Zahnarzt und in der Gruppe der Lehrlinge oder Beschäftigungslosen geben 20 Prozent an, dass sie zuletzt wegen Beschwerden die Zahnarztpraxis aufsuchten. Der Anteil der Schüler/innen, die das letzte Mal zur Kontrolle zur Zahnärztin oder zum Zahnarzt gingen, beträgt 73 Prozent. 62 Prozent der Lehrlinge und Beschäftigungslosen nannten als Grund für Ihren Zahnarztbesuch die Kontrolle. Da die zahnärztliche Behandlung zu den Grundversorgungen der Bevölkerung zählt, sollen Zahnarztpraxen auch in weniger dicht besiedelten Gegenden vorhanden sein. Das EGOHIP II (European Global Oral Health Indicators Development Program) bestimmte für eine ausreichende Zahnarztdichte, eine Zahnarzterreichbarkeit von 30 Minuten. Die untersuchten Jugendlichen (99 %) geben an, dass es möglich ist, von ihrem Zuhause aus in 30 Minuten eine Zahnarztpraxis zu erreichen. Dieses Ergebnis Kapitel 3 / Ergebnisse 45 bezieht sich auf alle Studienteilnehmer/innen. Regionale Unterschiede sind nicht erkennbar. Ergebnisse zum Präventionsverhalten Im Gegensatz zu vielen anderen chronischen Erkrankungen lassen sich Karies und Parodontitis durch effektive Vorsorgemaßnahmen zum größten Teil vermeiden (Micheelis 2006, ÖBIG 2000 bis 2008). Die Jugendlichen wurden zum Gebrauch von fluoridierter Zahnpasta und Zahnseide bzw. hinsichtlich ihres Zigaretten- und Alkoholkonsums befragt. Lokal applizierte Fluoride (fluoridierte Zahnpasta) bilden eine Schicht an der Zahnoberfläche und schützen somit die Zähne und das Zahnfleisch vor den schädigenden Mundhöhlenbakterien (Fluor-Monitoring, ÖBIG 2007). Die Reinigung der Zahnzwischenräume mit Zahnseide ist wichtig und notwendig. Sie sollte grundsätzlich etwa ab einem Alter von zwölf Jahren regelmäßig stattfinden (Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates zur Kariesprophylaxe, erarbeitet durch die Kommission für Zahnmedizin und Prophylaxe, im Auftrag des BMGF, Wien 2001). Rauchen und regelmäßiger Alkoholkonsum schaden den Zähnen und dem Zahnfleisch auch bei optimaler Mundhygiene. Raucher haben ein 15-fach erhöhtes Risiko, ihre Zähne vorzeitig zu verlieren (ÖBIG 2006). Zwei Drittel (66 %) der Achtzehnjährigen wissen nicht, ob die Zahnpasta, die sie täglich für die Zahnreinigung benützen, auch Fluoride enthält. Sie gaben an, bei der Auswahl ihrer Zahnpasta nicht auf die Inhaltsstoffe zu achten. 30 Prozent (beinahe ein Drittel) der Jugendlichen verwenden bewusst fluoridierte Zahnpasta. Das weist darauf hin, dass diesen Mädchen und Burschen die oralpräventive Wirkung fluoridierter Zahnpasta bekannt ist. Vier Prozent behaupten zu wissen, dass in ihrer Zahnpasta keine Fluoride enthalten sind. In Bezug auf die Verwendung fluoridierter Zahnpasta, zeigen sich vor allem Unterschiede beim Bildungsstatus. Ein Drittel (36 %) der Jugendlichen von Eltern mit Matura, aber lediglich ein gutes Viertel (26 %) der Jugendlichen von Eltern ohne Matura wissen, dass fluoridierte Zahnpasta ein effektives Mittel zur Kariesprävention darstellt. Diese Gruppe will von dieser Vorsorgemaßnahme profitieren und verwendet daher bei ihrer Mundhygiene bewusst fluoridierte Zahnpasta. Ebenso verwendet ein deutlich größerer Anteil an Schülerinnen und Schülern im Vergleich zu Lehrlingen bzw. Arbeitslosen bewusst fluoridierte Zahnpasta (33 % versus 27 %). Jugendliche in ostösterreichischen Wohnregionen gaben gegenüber Jugendlichen in westlichen Regionen (31 % versus 28 %) geringfügig häufiger an, dass sie bewusst fluoridierte Zahnpasta verwenden. 46 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Einmal täglich sollen die Zwischenräume der Zähne mit Zahnseide gründlich gesäubert werden. Lediglich fünf Prozent der Erhobenen geben an, sich täglich die Zahnzwischenräume mit Zahnseide zu reinigen (7 % Mädchen und 3 % Burschen). Neben dem Geschlecht zeichnet sich auch hier wieder der Einfluss der Bildung sowie der Wohnregion ab. Die Merkmale Mädchen, Eltern mit Matura (6 % E.m.M. versus 4 % E.o.M.), AHS-/BHS-Schüler/innen (6 % AHS/BHS versus 4 % Lehrlinge/AMS) und westösterreichisches Wohngebiet (9 % west-österreichisches versus 4 % ost-österreichisches) sind mit einer höheren Anwendung der Zahnzwischenreinigung verbunden. 31 Prozent der untersuchten Jugendlichen sagen, dass sie innerhalb der letzten zwölf Monate täglich rauchten. Das sind ein gutes Drittel (36 %) der Burschen und ein gutes Viertel (26 %) der Mädchen. Jugendliche mit Migrationshintergrund rauchen geringfügig häufiger (35 %) als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (31 %). 37 Prozent der Jugendlichen von Eltern ohne Matura rauchen regelmäßig, während nur 23 Prozent der Jugendlichen von Eltern mit Matura regelmäßig täglich zur Zigarette greift. Auch Lehrlinge bzw. Beschäftigungslose greifen häufiger zur Zigarette (38 % rauchen täglich) als Schüler/innen (27 % rauchen täglich). Nach Wohnregion rauchen Jugendliche in west-österreichischen Regionen geringfügig häufiger täglich als in ost-österreichischen Gebieten (35 % versus 30 %). Alkohol wird von den Achtzehnjährigen nur gelegentlich konsumiert. 91 Prozent der Mädchen und Burschen behaupten, ausschließlich an Wochenenden oder bei „Parties“ Alkohol zu trinken. Bedeutende Unterschiede nach soziodemografischen Merkmalen zeichnen sich hier nicht ab. Die Jugendlichen wurden auch gefragt, ob sie im letzten Jahr durch Zahnschmerzen beeinträchtigt waren. Zahnbeschwerden innerhalb des letzten Jahres gibt immerhin ein gutes Drittel (35 %) der Achtzehnjährigen an. Jedoch kamen diese zahnbezogenen Beeinträchtigungen der Lebensqualität bei den Erhobenen in der großen Mehrheit der Fälle lediglich „kaum“ vor. Am häufigsten waren Jugendliche mit Migrationshintergrund von Zahnbeschwerden betroffen (45 %). Wie zahlreiche internationale Daten weisen auch die vorliegenden Ergebnisse die Unterschiede im oralen Gesundheitsverhalten in Abhängigkeit von Migrationsstatus sowie sozialer Lage aus. Erklärungen für mangelnde oralpräventive Verhaltensorientierung in sozial benachteiligten Schichten sind zumeist schwierigere Lebensumstände und geringere finanzielle Möglichkeiten. Kapitel 3 / Ergebnisse 47 Zusammenfassung Das WHO-Ziel 2020, wonach das bleibende Gebiss bei den Achtzehnjährigen noch vollzählig sein soll (MT=0), ist noch nicht gänzlich erfüllt (vgl. Abschnitt 3.1) Drei Prozent der Achtzehnjährigen verloren bereits mindestens einen Zahn wegen Karies. Der durchschnittliche Zahnverlust beträgt 0,05 MT. Ein Viertel (25 %) der Achtzehnjährigen ist kariesfrei (D3MFT = 0). Sechzehn Prozent besitzen ein makelloses Gebiss, ohne jegliche Schmelzschädigungen (D1+2+3MFT = 0). Neun Prozent zeigen in ihren Gebissen lediglich reversible Schmelzverfärbungen (D1-, D2-Läsionen). Die Achtzehnjährigen weisen einen D3MFT von 3,6 auf. Den größten Anteil am Gesamtindex (80 %) haben die gefüllten Zähne (FT = 2,9). 0,7 Zähne sind nicht behandelt (D3T). Extrahierte Zähne scheinen selten auf (MT = 0,05, vgl. Tabelle 3.10). Die Auswertung nach Flächen ergibt einen mittleren D3MFS von 5,1. Davon sind 0,8 Flächen unbehandelt kariös (D3-Flächen) und vier Flächen gefüllt (FS). Zusätzlich weisen durchschnittlich rund drei Zahnflächen (D1+2 = 3,1) reversible kariöse Frühläsionen auf. Der Sanierungsgrad der kariös geschädigten Zähne beträgt 80 Prozent, der Behandlungsbedarf liegt demnach bei 20 Prozent. Das Kariesrisiko (Kariesmorbidität, Kariesprävalenz) sowie die Zahnverlustrate sind mit soziodemografischen Faktoren verbunden. Burschen und jene Jugendlichen von Eltern mit niedrigem Bildungsstatus, Lehrlinge, Beschäftigungslose sowie Personen mit Migrationshintergrund leiden unter überdurchschnittliche hoher Kariesaktivität. Ebenso besteht ein Zusammenhang zwischen der Kariesaktivität und der Wohnregion. In den östlichen Bundesländern zeichnet sich gegenüber den westlichen ein erhöhtes Kariesaufkommen ab (vgl. Abschnitt 3.2). Ca. ein Drittel (34 %) der untersuchten Personen leidet unter zumindest einem offenen kariösen Defekt, der akut behandlungsbedürftig ist (D3T> 0). In der großen Mehrheit der Fälle (60 %) mit Sanierungsbedarf, handelt es sich jedoch lediglich um jene ganz kleinen Defekte (Mikrokavitäten), die mit äußerst gewebsschonender Methode (minimal invasiv Dentistry) ausreichend behandelt werden können. Wie bei den Sechs- und Zwölfjährigen verteilt sich Karies auch bei den Achtzehnjährigen nicht gleichmäßig unter den Untersuchten. Vielmehr konzentrieren sich die 48 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 kariösen Schäden auf eine verhältnismäßig kleine Probandengruppe. Der SiC-Index beträgt 8,5 D3MFT. Bei nur acht Prozent der Achtzehnjährigen ist zumindest ein Zahn versiegelt. Versiegelte Backenzähne finden sich bei Jugendlichen in den westlichen Bundesländern etwas häufiger als in den östlichen. Zehn Prozent der Achtzehnjährigen haben mindestens einen devitalen Zahn im Gebiss (mehr Burschen als Mädchen vgl. Punkt 3.3.4). Knappe zwei Drittel (61 %) der jungen Menschen zeigen ganz gesundes Zahnfleisch (CPI = 0 an allen Sextanten). Durchschnittlich besitzen die Achtzehnjährigen 4,8 Sextanten mit ganz gesunden parodontalen Verhältnissen (CPI = 0). Somit ist das WHO-Ziel 2020 hinsichtlich der parodontalen Gesundheit heute schon erfüllt. 52 Prozent der Achtzehnjährigen wurden kieferorthopädisch behandelt. Abnehmbare Geräte dominieren in der Regulierungsmethode. Kapitel 3 / Ergebnisse 49 4 Mundgesundheit bei Achtzehnjährigen 1998 bis 2008 Um die Mundgesundheit in der WHO-Indexgruppe der Achtzehnjährigen zu dokumentieren, erhob die Koordinationsstelle Zahnstatus in den Jahren 1998, 2003 und 2008 repräsentative Stichproben an Jugendlichen in über das ganze Bundesgebiet verteilten Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS), Berufsbildenden höheren Schulen (BHS), Berufsschulen (BS) und Arbeitsmarkt-Service-Stellen (AMS) nach dem Design der Basic Oral Health Surveys (WHO 1999). Im Rahmen dieses Kapitels wird nun anhand einer Vergleichsanalyse die Entwicklung hinsichtlich der Mundgesundheit geprüft (Kariesmorbidität, Behandlungsbedarf, Kariesprävalenz, Vitalität, Zahnfleischerkrankungen). In der folgenden Analyse ist zu beachten, dass die Auswertungen der Kariesindikatoren in den Jahren 1998 und 2003 noch nach herkömmlicher WHO-Klassifizierung erfolgten, während im Jahr 2008 die Kariesparameter nach dem neuen ICDAS-II-System (vgl. Tabelle 2.2 und Tabelle 2.3) berechnet wurden. Da aber nach ICDAS II bereits die ganz kleinen Schmelzdefekte (Mikrokavitäten), die nach der früheren WHO-Einteilung noch als Kariesvorstufen (D2-Läsionen) gelten, in den D3MFT/ D3MFS-Index einbezogen werden, ergeben sich nach dieser neuen Auswertungsmethode im Vergleich zur „alten“ WHO-Berechnungsart erhöhte Morbiditäts- und Prävalenzwerte. 4.1 Kariesmorbidität Wie aus Tabelle 4.1 hervorgeht, sind zwischen den Jahren 1998 und 2008 sämtliche Indikatoren zur Kariesmorbidität deutlich rückläufig. Zeigte im Jahr 1998 lediglich ein Prozent der Achtzehnjährigen völlig gesunde Zähne (D1+2+3MFT = 0), so besaßen im Jahr 2003 bereits elf Prozent ein völlig gesundes Gebiss. Zwischen den Jahren 2003 und 2008 erhöhte sich der Anteil an Achtzehnjährigen, die keinerlei kariöse Veränderungen in ihren Gebissen aufweisen (D1+2+3MFT = 0) noch einmal (um 5 Prozentpunkte). Der Anteil kariesfreier Jugendlicher (D3MFT = 0) stieg innerhalb der letzten zehn Jahre von 16 Prozent auf 25 Prozent an. Folglich reduzierte sich die Karieserfahrung (D3MFT > 0) in diesem Zeitraum um neun Prozentpunkte (vgl.Tabelle 4.1). Nach den in Tabelle 4.1, in Zeile „Behandlungsbedürftig“ angeführten Zahlen-Werten hat der Anteil an Jugendlichen mit füllungsbedürftigen Zähnen (Jugendliche mit Behandlungsbedarf) zwischen den Jahren 1998 und 2008 scheinbar zugenommen. Dieses Ergebnis erklärt sich darin, dass in den Erhebungsjahren 1998 und 2003 die kleinen Schmelzdefekte (Mikrokavitäten) nach WHO-Einteilung noch als reversible 50 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Kariesvorstufen (D2-Läsionen) bewertet und daher auch nicht als behandlungsbedürftig angesehen wurden. Nach modernen präventionsorientierten zahnmedizinischen Erkenntnissen (ICDAS II) zählen diese Defekte jedoch bereits zur irreversiblen füllungsbedürftigen Karies (D3-Läsionen) und daher müssen diese Läsionen auch schon präventiv mit einer kleinen Füllung (minimal invasiv Dentistry) versehen werden. Subtrahiert man den Prozentanteil an Jugendlichen mit Mikrokavitäten vom Anteil der behandlungsbedürftigen Personen (mindestens eine herkömmliche Füllung ist notwendig), so ergibt sich im Untersuchungsjahr 2008 eine Behandlungsbedarfsrate von nur zwölf Prozent (12 % bedürfen einer traditionellen Füllungstherapie). Insofern ist der Bedarf an herkömmlicher invasiver Füllungstherapie bei den Achtzehnjährigen innerhalb der letzten zehn Jahre deutlich zurückgegangen (vgl. Tabelle 4.1) 22 Prozent der im Jahr 2008 erhobenen Jugendlichen weisen an ihren Zähnen sogenannte „Mikrokavitäten“ (ganz kleine Schmelz-Diskontinuitäten) auf (vgl. Tabelle 4.1). Diese kleinen kariösen Defekte werden nach neuen zahnmedizinischen Erforschungen bereits „minimal invasiv“ gefüllt (es muss kaum gesunde Zahnhartsubstanz entfernt werden) und so zum „Stillstand“ gebracht. Damit minimal invasive Füllungen auch über längere Zeit „haltbar“ sind, sind von Patientenseite her große Kooperation (Compliance) bezüglich sorgfältiger Mundhygiene und regelmäßige Zahnarztinanspruchnahme gefordert. Tabelle 4.1: Zahnstatuserhebung 1998, 2003 und 2008/2009 Achtzehnjährige – Vergleich Kariesmorbidität Alle Jugendlichen in Prozent Diagnose Keine Veränderungen 1998 2003 2008 16 1 11 Kariesvorstufen 15 8 9 Kariesfrei 16 19 25 Karieserfahrung 84 81 75 Mikrokavitäten n. v. n. v. 22 Behandlungsbedürftig 20 17 34 Saniert 64 64 42 n. v. = Daten sind nicht verfügbar Quelle: GÖG/ÖBIG Tabelle 4.2 zeigt die Entwicklung der Kariesmorbidität nach Geschlecht. Während bei den Sechs- und Zwölfjährigen hinsichtlich Kariesmorbidität keine eindeutigen, geschlechtsspezifischen Unterschiede erkennbar sind (vgl. ÖBIG 2007 u. ÖBIG 2008), zeichnet sich bei den Achtzehnjährigen folgender Trend ab: Sowohl Mädchen als auch Burschen haben sich innerhalb der letzten zehn Jahre in allen Parametern zur Kariesmorbidität kontinuierlich verbessert. Gegenwärtig sind Burschenzähne gegenüber Kapitel 4 / Mundgesundheit bei Achtzehnjährigen 1998 bis 2008 51 Mädchenzähnen ganz geringfügig häufiger von Karies betroffen und etwas weniger häufig saniert. Tabelle 4.2: Zahnstatuserhebung 1998, 2003 und 2008/2009 Achtzehnjährige – Vergleich Kariesmorbidität und Geschlecht in Prozent 1998 Diagnose Mädchen Keine Veränderungen 2003 2008 Burschen Mädchen Burschen Mädchen Burschen 0 1 9 12 16 Kariesvorstufen 16 14 9 7 9 9 Kariesfrei 16 15 18 19 25 24 Karieserfahrung 15 84 85 82 81 75 76 n. v. n. v. n. v. n. v. 24 20 Behandlungsbedürftig 14 25 12 22 8 16 Saniert 70 60 70 59 43 40 Mikrokavitäten n.v. = Daten sind nicht verfügbar Quelle: GÖG/ÖBIG 4.2 Kariesprävalenz Die Achtzehnjährigen bewirkten auch eine deutliche Rückentwicklung der Kariesprävalenz (vgl. Tabelle 4.3). Der D3MFT-Index reduzierte sich zwischen den Jahren 1998 und 2003 um 20 Prozent und darauf (bis 2008) um weitere 18 Prozent. Noch stärker als der D3MFT-Wert fällt der D3MFS-Index (zwischen 1998 und 2003 um 28 % und zwischen 2003 und 2008 um 29 %). Daraus resultiert auch, dass die Kariesintensität (das ist die durchschnittliche Anzahl geschädigter Zahnflächen pro geschädigten Zahn; D3MFS / D3MFT) in den Gebissen der Achtzehnjährigen deutlich abgenommen hat. Die Kavitäten an den kariösen Zähnen sind kleiner geworden. Zudem „verkleinerten“ sich auch die Füllungen an den sanierten Zähnen (im Jahre 1998 waren die sanierten Zähne durchschnittlich an 1,8 Flächen gefüllt und 2009 an 1,4 Flächen). Eine Erklärung für dieses Ergebnis könnte darin liegen, dass Jugendliche nun mit der Sanierung ihrer kariösen Zähne weniger lang zuwarten und häufiger eine Zahnarztpraxis aufsuchen. 52 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Tabelle 4.3: Zahnstatuserhebung 1998, 2003 und 2008/2009 Achtzehnjährige – Kariesprävalenz (D3MFT/S-Indexwerte) Alle Jugendlichen Kariesprävalenz 1998 2003 D3MFT 5,5 4,4 3,6 MT 0,2 0,1 0,05 FT 4,9 4,0 2,9 D3MFS 2008 10,0 7,2 5,1 FS 8,4 6,1 4,0 D3MFS/D3MFT 1,8 1,6 1,4 Quelle: GÖG/ÖBIG Das WHO-Hauptziel gibt für Achtzehnjährige vor, noch keinen Zahn wegen Karies verloren zu haben (MT = 0). Im Untersuchungsjahr 1998 zeigten 63 Prozent der Untersuchten ein vollständiges eigenes Gebiss, während es 2003 bereits 93 Prozent waren, die noch keinen Zahn wegen Karies verloren hatten und in der letzen Erhebung (2008) stieg der Anteil an Jugendlichen mit einem vollzähligen eigenen Gebiss auf 97 Prozent an. Der durchschnittliche Zahnverlust verringerte sich zwischen 1998 und 2009 von 0,2 MT auf 0,05 MT (vgl. Tabelle 4.3). Die WHO-Vorgabe 2020 wird somit beinahe schon erreicht. Mit achtzehn Jahren sind alle bleibenden Zähne bereits längere Zeit in der Mundhöhle exponiert. Die Zahnreihen sind geschlossen und mehr Zähne können kariös werden. Zwischen dem zwölften- und dem achtzehnten Lebensjahr kommt es erwiesenermaßen zu einem Anstieg des Kariesbefalls. Der Vergleich des aktuellen kariösen Flächenbefalls (D3MFS-Index) mit jenem der Zwölfjährigen aus der Erhebung 2002 (damals waren die in der vorliegenden Erhebung untersuchten Achtzehnjährigen zwölf Jahre alt) ergibt eine gegenwärtige Karieszuwachsrate von 0,6 Zahnflächen pro Jahr. In analogen Vergleichen (Zwölfjährige und Achtzehnjährige) aus älteren Untersuchungen betrug die jährliche Zuwachsrate Ende der 1990iger Jahren bzw. Anfang der 2000er Jahre noch zwischen einer und zwei kariösen Flächen. Hält dieser Trend an, ist bei den Achtzehnjährigen in den nächsten Jahren ein weiterer Kariesrückgang zu erwarten. Kapitel 4 / Mundgesundheit bei Achtzehnjährigen 1998 bis 2008 53 4.3 SiC-Index Der SiC-Index (Significant Caries Index) bezieht sich auf die Kariesbelastung bei Risiko personen. Er dient der Erfassung der Karieshochrisikogruppe. Der SiC-Wert gibt den durchschnittlichen Kariesbefall (D3MFT-Wert) bei jenem Drittel an Probandinnen und Probanden mit der höchsten Kariesprävalenz an (vgl. Abbilung 4.1). Wenn die Zahngesundheit in einer Population stark polarisiert ist, unterscheiden sich D3MFT und SiC stark voneinander. Abbilung 4.1: Zahnstatuserhebung 1998, 2003 und 2008/2009 Achtzehnjährige – Sic-Index (Significant Caries Index) 12 10,8 10 8,9 8,5 8 6 SiC-Index 4 2 0 1998 2003 2008 Quelle: GÖG/ÖBIG Abbilung 4.1 zeigt, dass sich der SiC-Index-Wert innerhalb der letzten zehn Jahre zurückentwickelt hat. Wiesen die Jugendlichen mit besonders hoher Kariesaktivität im Jahr 1998 durchschnittlich rund elf von Karies betroffene Zähne auf, waren es im Jahr 2003 nur noch neun (18 % Reduktion). Zwischen den Jahren 2003 und 2008 kommt es zu einer weiteren Verminderung des SiC-Index-Wertes um fünf Prozent. Dieser Trend zeigt, dass innerhalb der letzten zehn Jahre auch jene Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko vom Kariesrückgang profitiert haben. 54 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 4.4 Vitalität Im Jahre 1998 wiesen die Achtzehnjährigen durchschnittlich 0,3 marktote Zähne auf, 2003 waren es durchschnittlich 0,2 und in der vorliegenden Erhebung beträgt die durchschnittliche Anzahl devitaler Zähne 1,1. Demnach hat die Anzahl an Zähnen, die aufgrund einer tiefen Karies (Wurzelkaries) wurzelbehandelt wurden und daraufhin devital sind, in den Gebissen der Achtzehnjährigen zugenommen. Die devitalen Zähne finden sich in den Gebissen einer immer kleiner werdenden Gruppe von Risikopersonen (Polarisierung). Hatten im Jahr 1998 18 Prozent der Untersuchten mindestens einen devitalen Zahn im Mund, waren im Jahr 2003 nur mehr 16 Prozent der Erhobenen von Devitalität der Zähne betroffen. In der vorliegenden Erhebung diagnostizierte die Untersucherin lediglich bei zehn Prozent der Jugendlichen mindestens einen devitalen Zahn. 4.5 Zahnfleischerkrankungen Von Zahnbetterkrankungen (Gingivitis, Zahnfleischtaschen, Zahnstein, Attachementverlust) sind die Achtzehnjährigen nach wie vor nicht sehr häufig betroffen. Knapp zwei Drittel (61 %) der Jugendlichen besitzen noch völlig gesundes Zahnfleisch an allen Sextanten des Gebisses. Durchschnittlich finden sich in den Gebissen der Jugendlichen 4,8 Sextanten mit gesundem Zahnfleisch. Hohe CPI-Grade (3 und 4) wurden in der vorliegenden Altersgruppe nur äußerst selten befundet (vgl. Tabelle 3.26). Die diesbezügliche WHO-Vorgabe (vgl. Abschnitt 3.1) ist daher schon erfüllt. Dieses Ergebnis spricht auch für eine zufriedenstellende Mundhygiene bei der großen Mehrheit der Jugendlichen. 4.6 Zusammenfassung Vergleich Der Vergleich des Zahnstatus 1998, 2003 und 2008 zeigt, dass der Trend des Caries decline, der bei den Sechs- und Zwölfjährigen beobachtet wird (ÖBIG 2007 und ÖBIG 2008) sich auch bei den Achtzehnjährigen weiter fortsetzt. Innerhalb von zehn Jahren ist der Anteil an Jugendlichen mit völlig gesunden Gebissen (D1+2+3MFT = 0) um 15 Prozentpunkte gestiegen und die Kariesmorbidität hat um neun Prozentpunkte abgenommen. Die Kariesprävalenz, bezogen auf die Anzahl der betroffenen Zähne ist um 38 Prozent zurückgegangen, zahnflächenbezogen hat sie sich sogar beinahe halbiert (49 % Reduktion). Der Kariesbefall ist nicht nur in der durchschnittlichen Probandengruppe gesunken, sondern auch in der stark betroffenen Jugendgruppe (der SiC-Index ist um 18 Prozent gesunken). Dies deutet darauf hin, dass die Achtzehnjährigen von den im Kindergarten- und Volksschulalter ergriffenen Gruppenprophylaxe- Kapitel 4 / Mundgesundheit bei Achtzehnjährigen 1998 bis 2008 55 maßnahmen zur Kariesreduktion grundsätzlich profitieren. Parallel zur positiven Entwicklung der Mundgesundheit stellt sich aber auch bei den Achtzehnjährigen eine Polarisierung der Kariesbetroffenheit dar. Beinahe die Hälfte der Kariesschäden findet sich bei knapp einem Viertel der Jugendlichen. Insofern ist eine spezielle Betreuung von Heranwachsenden mit erhöhtem Kariesrisiko äußerst wichtig. Von überdurchschnittlicher Kariesaktivität betroffen sind in der Altersgruppe der Achtzehnjährigen neben den Burschen auch jene Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie Personen mit den sozioökonomischen Merkmalen „Jugendliche von Eltern ohne Matura“ und Lehrlinge bzw. Beschäftigungslose. Zudem leiden Jugendliche aus den östlichen Bundesländern gegenüber jenen Jugendlichen aus West-Österreich an einer geringfügig erhöhten Kariesaktivität (vgl. Abschnitt 3.2). 56 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 5 Europäischer Vergleich Für den europäischen Vergleich wurden die Global Oral Data Bank (Oral Health Country / Area Profile Program, WHO) bzw. die Website des CECDO (Council of European Chief Dental Officers) im Internet nach oralepidemiologischen Daten von Achtzehnjährigen durchsucht (%-Anteil kariesfrei, D3MFT/S zwischen 2003 und 2008). Repräsentative Länderdaten zu Achtzehnjährigen sind nur aus sehr wenigen Staaten verfügbar, da zumeist die Sechs- und Zwölfjährigen und die Erwachsenen (35- bis 44Jährigen und 65- bis 74-Jährigen) in einer Stichprobengröße für nationale Auswertungen erhoben werden. Einige Länder fassen mehrere Altersstufen zu einer Beobachtungseinheit (z. B. 15- bis 25-Jährige) zusammen und erheben diese nur alle zehn Jahre. Da den Zahnstatus der Achtzehnjährigen nur sehr wenige Länder erheben, lassen sich hier kaum internationale Vergleiche ziehen. Ein Vergleich europäischer Daten ist auch nur annäherungsweise möglich, da die Untersuchungen in unterschiedlichen Jahren erfolgen bzw. auch in Betracht gezogen werden muss, dass die Daten auf unterschiedlichen Berechnungsweisen basieren. Auswertungen nach dem neuen ICDAS II, wie in Österreich, ergeben höhere Karieswerte als Berechnungen von Kariesindikatoren nach der herkömmlichen WHO-Methode. Tabelle 5.1: Zahnstatuserhebung 2008 Achtzehnjährigen – Kariestrends Land Jahr kariesfrei D3MFT MT Quelle, Anmerkungen Norwegen 2004 40 % 1,7 0,02 WHO/Area Profile Schweden 2000 42 %1 3,62 n. v. WHO/Area Profile Schweden 2002 40 %1 3,52 n. v. WHO/Area Profile Schweden 2005 41 %1 3,12 n. v. WHO/Area Profile Dänemark 2005 n. v. 3,3 n. v. WHO/Area Profile Dänemark 2006 n. v. 3,1 n. v. WHO/Area Profile Österreich 1998 16 % 5,5 0,17 ÖBIG Österreich 2003 19 % 4,4 0,09 ÖBIG Österreich 2008 26 % 3,6 0,02 GÖG/ÖBIG Türkei 2002 15 % 5,0 0,9 WHO/Area Profile Lettland 1998 n. v. 7,5 n. v. WHO/Area Profile Lettland 2004 n. v. 8,2 n. v. WHO/Area Profile n.v. = Daten nicht verfügbar 1 Der angegebene Prozentsatz „kariesfrei“ beinhaltet nur die Approximalflächen 2 Der D3FT ist ausgewiesen. Quellen: WHO-Datenbank, CECDO (Council of European Chief Dental Officers) - Website im Internet Kapitel 5 / Europäischer Vergleich 57 Tabelle 5.1 präsentiert die wenigen verfügbaren Ergebnisse der Datenrecherche (Anteil kariesfreier Personen, D3MFT, MT). Aufgrund der spärlichen Datenlage sind derzeit keine qualitativen Aussagen hinsichtlich eines gesamt-europäischen Trends möglich. Kariesexperten berichten aber über einen generellen Rückgang der Kariesverbreitung in der Europäischen Union (in allen Altersgruppen) während der 1990er Jahre (Menghini 2003, Micheelis 2006). Dieser Caries decline ist in den Erwachsenen-Altersgruppen weniger stark ausgeprägt als bei den Zwölfjährigen. Innerhalb Europas geht er mit einem erheblichen West-Ostgefälle einher, wobei die nord-westlichen Nationen (skandinavischen Länder) die niedrigsten (besten) Kariesindikatoren ausweisen (ÖBIG 2004). Die in Tabelle 5.1 angeführten Daten zeigen, dass sich Karies im bleibenden Gebiss kontinuierlich rückentwickelt und dass bleibende Zähne aufgrund von ausgedehnter Karies nur mehr äußerst selten vorzeitig verloren werden (siehe sehr niedrige MT-Werte). Zukünftige Bestrebungen müssen dahin tendieren, den bereits erzielten niedrigen Kariesbefall in der Altersgruppe der Zwölfjährigen auch nach Beendigung der gruppen- prophylaktischen Betreuung in Kindergärten und Volksschulen durch ausreichende individualprophylaktische Initiative sicherzustellen. Gruppenprophylaxe muss dahin gehen, dass tägliche Zahnreinigung mit fluoridierter Zahnpasta, regelmäßige zahnärztliche Kontrollen sowie zahngesunde Ernährungsgewohnheiten zur sozialen Norm werden. Gegenwärtig weisen Longitudinalstudien in Skandinavien zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr noch ein Kariesinkrement von knapp einer Zahnfläche pro Jahr nach (Momeni 2007). In Österreich beträgt der entsprechende jährliche Karieszuwachs nach den neuesten Daten auch knapp eine Fläche (0,6 Flächen vgl. Abschnitt 4.2). 58 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 6 Resümee Die WHO zielt in ihrem Programm bis zum Jahr 2020 bei Achtzehnjährigen auf ein vollständiges Gebiss mit 28 eigenen Zähnen. Sie fordert einen MT-Wert (die durchschnittliche Anzahl wegen Karies extrahierter Zähne) von null und hinsichtlich der parodontalen Gesundheit mindestens vier Sextanten mit gesundem Zahnfleisch. Mundgesundheit und Entwicklungstrend von 1998 bis 2008 Die Achtzehnjährigen verzeichnen gegenwärtig eine Zahnverlustrate von lediglich drei Prozent (3 % der untersuchten Jugendlichen verloren mindestens einen Zahn aus Kariesgründen). Die durchschnittliche Anzahl der wegen Karies extrahierten Zähne des bleibenden Gebisses ist mittlerweile sehr gering (MT = 0,05). Zwischen den Jahren 1998 und 2003 sank der Zahnverlust um 30 Prozentpunkte und bis zum Jahr 2008 reduzierte sich der Anteil an Jugendlichen mit Lückengebiss um weitere vier Prozentpunkte. Der aktuelle hohe Prozentsatz (97 %) an Achtzehnjährigen mit einem lückenlosen natürlichen Gebiss verdeutlicht, dass Karies eindämmbar ist. Die von der WHO bis 2020 geforderte Zahnverlustrate von null MT wird allerdings gegenwärtig noch nicht ganz erfüllt. Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopathien) manifestieren sich im Allgemeinen erst im Erwachsenenalter (ÖBIG 2000 bis 2008). Unter den erfassten Achtzehnjährigen zeigen Zahnfleischerkrankungen dementsprechend eine eindeutig geringere Verbreitung als Karies. Ein gutes Drittel (40 %) weist völlig gesunde Zahnfleischverhältnisse auf. Mit durchschnittlich 4,8 gesunden Sextanten erfüllen die jungen Frauen und Männer heute schon die WHO-Forderung für parodontale Gesundheit. Innerhalb der letzten zehn Jahre gelang es durch Maßnahmen in der Gruppenprophylaxe auch die Kariesmorbidität sowie Kariesprävalenz bei Achtzehnjährigen deutlich zu senken. Der Anteil an Jugendlichen mit Karieserfahrung fiel um neun Prozentpunkte (von 84 % auf 75 %) und der Kariesbefall reduzierte sich um 38 Prozent (von 5,5 D3MFT auf 3,6 D3MFT). Dieser Trend findet sich auch bei der Kariesintensität (das ist die durchschnittliche Anzahl geschädigter Zahnflächen pro geschädigten Zahn; D3MFS / D3MFT), die von 1,8 kariösen Flächen pro Zahn auf 1,4 (22 %) gefallen ist. Ebenso markant gesunken ist der Anteil an Achtzehnjährigen mit zumindest einer aktiven offenen Karies (Jugendliche mit Behandlungsbedarf). Im Jahr 1998 benötigten noch 20 Prozent der Erhobenen zur Sanierung ihrer kariösen Zähne eine herkömmliche Füllungstherapie, gegenwärtig sind lediglich bei zwölf Prozent der Achtzehnjährigen traditionelle Füllungstherapien erforderlich. Nicht nur die gesamte Altersgruppe, sondern auch jene Jugendlichen mit hohem Kariesrisiko profitierten vom Kariesrück- Kapitel 6 / Resümee 59 gang. Der SiC-Index, der den durchschnittlichen Kariesbefall im Personendrittel mit den höchsten D3MFT-Werten angibt, ist zwischen den Jahren 1998 und 2008 von 10,8 D3MFT auf 8,5 D3MFT um 23 Prozent zurückgegangen. Der große Unterschied zwischen dem D3MFT-Index (3,6) und dem SiC-Index (8,5) unterstreicht, dass sich Karies auch in der Altersgruppe der Achtzehnjährigen beträchtlich polarisiert. Beinahe die Hälfte der Kariesschäden findet sich bei einem knappen Viertel der erhobenen Jugendlichen. Zahngesundheit und soziodemografische Einflussfaktoren Vergleicht man die Ergebnisse nach dem Geschlecht, so zeigt sich, dass achtzehnjährige Burschen geringfügig häufiger und schwerer von Karies betroffen sind als die Mädchen. Der erhöhte D3MFT-Index in der Burschengruppe resultiert aus einem höheren Anteil unbehandelter offener Defekte (D3T-Komponente). Das deutet darauf hin, dass junge Männer im Vergleich zu ihren Altersgenossinnen seltener aktive Maßnahmen zur Behandlung ihrer kariösen Zähne ergreifen. Bildungsstatus der Eltern, Bildungsniveau der Probandinnen und Probanden sowie Migrationsstatus stellen in der vorliegenden Ergebnisanalyse bedeutende Einflussfaktoren für die Mundgesundheit dar. Mit höherem Bildungsstand der Eltern und höherem Bildungsniveau der Probandinnen und Probanden sinken Kariesrisiko und Behandlungsbedarf. Mit besserem Bildungsstatus reduziert sich die Zahnverlustrate. Die Betrachtung der Achtzehnjährigen nach Geburtsland bzw. jenem ihrer Eltern zeigt wesentliche Unterschiede in der Kariesaktivität und dem Behandlungsbedarf. Personen mit Migrationshintergrund sind überdurchschnittlich häufig von Karies betroffen und ihre Gebisse weisen einen überdurchschnittlich hohen Kariesbefall und Behandlungsbedarf auf. Die Analyse der Ergebnisse zeigt auch eine Korrelation zwischen Karies und Wohnregion der Jugendlichen. In den west-österreichischen Gebieten ist der Anteil kariesfreier Achtzehnjähriger deutlich höher als in den östlichen Bundesländern und die Durchschnittswerte für den Kariesbefall sind in den im Westen Österreichs gelegenen Wohngebieten niedriger. Ein hoher SiC-Index weist auf ein besonders hohes Kariesvorkommen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe hin (Pieper 2005). Daher werden auf Basis der SiC-Werte intensiv zu betreuende Personengruppen identifiziert. In der vorliegenden Untersuchung errechnet sich der höchste SiC-Index-Wert in der Gruppe der Lehrlinge/Arbeitslosen (9,2 D3MFT). Überdurchschnittlich hoch ist der SiC-Index-Wert zudem in der Gruppe der Jugendlichen mit Eltern ohne Matura. Darüber hinaus liegt der SiCIndex-Wert auch bei den Burschen geringfügig über dem Durchschnitt. 60 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Die Ergebnisse der vorliegenden Erhebung zeigen, dass Mundgesundheit vor allem durch schicht-und kulturspezifische Faktoren beeinflusst wird. Insbesondere das Bildungsniveau ist hier hervorzuheben, da mit Bildung Wissen, Normen, Einstellungen und Gewohnheiten verbunden sind, die das Gesundheitsverhalten lenken (z. B. Mundhygiene, Ernährung etc.). Europäischer Vergleich Im internationalen Vergleich liegen kaum aussagekräftige und vergleichbare Ergebnisse vor, da Achtzehnjährige nur in sehr wenigen europäischen Ländern erhoben werden. Um trotzdem Hinweise zur Kariesbetroffenheit im vollentwickelten bleibenden Gebiss zu erhalten, fassen einige Länder mehrere Altersstufen (15- bis 25-Jährige) zu einer Beobachtungseinheit zusammen und erheben diese alle zehn Jahre. Einige annähernd mit den österreichischen Daten vergleichbare Werte aus Skandinavien verweisen darauf, dass sich die achtzehnjährigen ÖsterreicherInnen in Bezug auf ihre Zahngesundheit bereits auf einem sehr hohen Niveau befinden. Durch verbesserte Umsetzung der bestehenden Vorsorgemaßnahmen sind hier noch weitere Fortschritte denkbar. Empfehlungen » Laufendes Monitoring (regelmäßiges detailliertes Erfassen) der oralen Gesundheit ist unentbehrlich, um angemessene Strategien für die Prävention der häufigsten Erkrankungen der Mundhöhle zu entwerfen, um Vorsorgeaktivitäten zu evaluieren und um die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung entsprechend zu entwickeln (zahnmedizinischer Personalbedarf, Zahnärztedichte, Studiencurricula etc.) » Im Interesse der Vergleichbarkeit von Mundgesundheitsergebnissen müssen standardisierte Erhebungsmethoden bereitgestellt werden. Für die Erfassung von Karies werden weltweit bereits seit Jahren das DMFT-System und neuerdings das ICDAS-II-System genützt. Demgegenüber fehlen für parodontale und kieferorthopädische Erhebungen nach wie vor einheitlich definierte Indizes bzw. vergleichbare Messmethoden. Ein grenzüberschreitender Erfahrungsaustausch im erweiterten Europa ist diesbezüglich anzustreben, um innovative Impulse zu erhalten. » Für eine weitere Verbesserung der Mundgesundheit bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sind die bestehenden Prophylaxemaßnahmen unbedingt fortzusetzen (Gruppenprohylaxe) und noch zu verfeinern. Mundgesundheitsvorsorge muss frühestmöglich beginnen, damit Zahngesundheit zur Selbstverständlichkeit wird (z. B. Schwangerenbetreuung, Mütterberatung, Einbeziehung von Gynäkologen und Gynäkologinnen, Hebammen, Kindergärtnerinnen/Kindergärtnern und Kinderärztinnen und Kinderärzten in die Kariesprävention, Mundgesundheitserziehung in Kinderkrippen). Außerdem besteht die Möglichkeit, über den SiC-Index Kariesrisiko- Kapitel 6 / Resümee 61 gruppen bzw. jene Personen mit erhöhter Kariesaktivität zu erkennen und die Entwicklung ihrer Mundgesundheit zu prüfen. Diesen Menschen muss im Vergleich zum Durchschnitt eine intensivere Vorbeugung angeboten werden. » Die Zahnheilkunde muss auf präventive Ausrichtung (non-invasive Maßnahmen wie lokale Fluoridierung, minimal invasiv Dentistry, professionelle Zahnreinigung) statt kurative Behandlungsmaßnahmen (invasive Dentistry) fokussieren. 62 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus bei Achtzehnjährigen 1998-2008 Literaturverzeichnis Barbakov, F. (2000): Qualitätsleitlinien in der Zahnmedizin. Schweizer Zahnarztgesellschaft Borutta, A. (1995): The 1991 German section of the WHO II ICS, WHO Collaborative Centre. Erfurt Eriksen, H. (1998): Epidemiology of apical paradontitis. Haugejorden, O. (2002): Evidence for reversel of the caries decline among Norwegian Children. In Journal of Paediatric Dentistry 12, 306–315 Hellwege, K. (1999): Die Praxis der zahnmedizinischen Prophylaxe. Heidelberg Holst, A. (2004): Changes in caries experience among 6-year-olds in Blekinge. Sweden between 1994 and 2000. 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