Lernverhalten des Pferdes

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Fachbeitrag Mai 2012
Lernverhalten von Pferden – Theorie
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Lernen ist so alltäglich, dass man sich im Allgemeinen keine großen Gedanken
darüber macht. Wer aber sein Pferd ausbilden will, sollte verstehen wie ein Pferd
lernt, um effektiv arbeiten zu können. Egal ob das holen von der Weide,
Verladetraining oder das Erarbeiten von Seitengängen. Ein Pferd lernt immer und
wenn man weiß wie Lernen funktioniert lassen sich viele Fehlschläge und Frust
vermeiden.
Warum lernt ein Pferd?
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In einer sich dauernd ändernden Umwelt sichert Lernen das Überleben. Um zu
überleben und den Fortbestand der Art zu sichern sind sogenannte Ressourcen
wichtig. Ressourcen sind Futter und Wasser, Sozial- und Fortpflanzungspartner,
körperliche Unversehrtheit und die eigenen Nachkommen. Für diese Ressourcen
investiert ein Pferd Arbeit und lernt – für nichts anderes.
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Geht eine Ressource verloren, wird das Pferd nach Möglichkeiten suchen um seinen
optimalen Zustand wieder herzustellen. Hat es einen Weg gefunden, merkt es sich
diesen um das nächste Mal schneller ans Ziel zu kommen. Es hat etwas gelernt!
Lernen lässt sich nicht abschalten, es findet zu jeder Zeit statt. Wir können aber
beeinflussen was das Pferd lernt.
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Wie funktioniert Lernen
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Lernen heißt, eine Erfahrung im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Dazu muss das
Belohnungssystem des Gehirns aktiviert werden. Dieses Belohnungssystem wird
über Emotionen aktiviert. Ohne Aktivierung dieses Systems wird nichts im
Langzeitgedächtnis gespeichert. Daher bleiben Dinge die fest mit einer Emotion
verknüpft sind besser im Gedächtnis.
Es macht dabei erst mal keinen Unterschied ob die Emotion positiv oder negativ ist.
Auch schreckliche Erlebnisse bleiben im Gedächtnis.
Das heißt, ein Pferd lernt sowohl über Erfolg als auch über Misserfolg. Beides sind
Faktoren die das Lernen aktivieren, da beide Zustände mit Emotionen, Freude oder
Ärger, verknüpft sind. Ob es ein Misserfolg oder ein Erfolg ist, beurteilt jedes
Lebewesen unterschiedlich.Es ist aber immer so, dass je stärker die Emotion, je
größer die Freude über das erreichte Ziel, desto besser lernt man.
Dies ist natürlich auch bei Misserfolg der Fall, das kann soweit gehen, dass ein
traumatisches Ereignis ausreicht, um ein Pferd ein Leben lang zu beeinflussen.
Wie oben erwähnt, lernt ein Pferd sowohl durch negative wie auch durch positive
Reize. Es ist leider so, dass der Erfolg, einer Gefahr durch ein bestimmtes Verhalten
entronnen zu sein größer sein kann, als der Erfolg durch braves Verhalten ein
Leckerchen gewonnen zu haben. Deshalb führt Lernen unter dem Druck manchmal
zu schnelleren Lernerfolgen als durch den Reiz direkter Belohnungen.
Das funktioniert aber nur solange gut, solange das Pferd negativen Reiz und eigene
Handlung wirklich verknüpfen kann.
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Ständige Angst und vor allem die Ausweglosigkeit wenn man eine Strafe nicht
kommen sah und sie so auch nicht vermeiden konnte, frustriert und kann je nach
Veranlagung, zu Aggression oder völliger Passivität führen. Menschen die so mit
ihrem Pferd arbeiten haben bald einen „Verbrecher“ der dann meist verkauft wird
oder ein freundliches Pferd, das sich seinem Schicksal ergibt und jede Freude und
jeden Ausdruck verliert.
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Positive Erfahrungen dagegen motivieren zu selbstständigem Handeln und dem
freudigen Ausprobieren anderer Verhaltensweisen. Unter diesem Aspekt ist Betteln
eine durchaus positive Reaktion.
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Positive und negative Erfahrungen bilden also einen Rahmen für einen Lernvorgang:
Eine optimale Lernsituation bildet also eine positive Bilanz zwischen erarbeitetem
Erfolg und überwundenem Misserfolg.
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Angeborenes Verhalten
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Lernen sichert das Überleben, aber Lernen kostet auch Zeit. Deshalb sind allen
Lebewesen von Geburt an bestimmte Verhaltensmuster angeboren, die nicht erst
erlernt werden müssen. Dazu gehört für das Beutetier Pferd eine ungeheure
Sensibilität für Angst und Flucht. Die Devise lautet: Erst fliehen, dann nachdenken.
Ein Pferd erschreckt sich, spring vielleicht ein paar Meter beiseite, dreht sich dann
um und schaut. Dieses Wegspringen ist ein angeborenes Verhalten, das Pferd denkt
erst beim Umschauen nach ob die Flucht wirklich nötig war. Auch die Angst des
Menschen wird sofort von seinem Pferd wahrgenommen und macht es unsicher.
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Wir Menschen reagieren auf Stress und Angst leider, auch nicht viel anders als
unsere Tiere, mit Flucht oder Kampf. Da wir leider sehr schlecht zu Fuß sind laufen
wir nur selten weg, sondern werden agressiv. Wir Schimpfen oder Schlagen unser
Pferd für sein Fehlverhalten. Dies ist aber keineswegs eine angemessene Strafe
sondern entspringt der eigenen Furcht.
Für uns Reiter ist es daher besonders wichtig in brenzligen Situationen einen kühlen
Kopf zu bewahren und unserem Pferd ein Fels in der Brandung zu sein.
Prägung und Sozialisierung
Unmittelbar nach der Geburt beginnt die zeitlich eng begrenzte Prägungsphase des
Fohlens. Durch Prägung findet ein genetisch vorgegebener Lernprozess statt. Ein
Beispiel dafür ist die Prägung auf die Mutter. Eine Prägung kann nicht rückgängig
gemacht werden.
Danach gibt es eine Phase der Sozialisierung beim jungen Pferd es lernt sich in einer
Gruppe von Pferde so zu verhalten, dass es als Mitglied akzeptiert wird. In dieser
Zeit der Identitätsfindung als Pferd lernt es auch andere Arten wie den Menschen
und vielleicht Hunde, Katzen etc. kennen. Ein Fohlen sollte also schon in diesem
Alter den Menschen als etwas positives Wahrnehmen, weil diese ersten Erfahrungen
sein Verhältnis zum Menschen ein Leben lang beeinflussen werden.
Gewöhnung
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Gewöhnung ist eine häufig angewandte und darüber hinaus auch eine der
einfachsten Methoden. Dabei wird das Pferd so lange einem Reiz ausgesetzt, bis die
Reaktion auf den Reiz nachlässt. Das Verhalten des Pferdes wird weder belohnt
noch bestraft.
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Ein Beispiel hierfür ist das Vorbeireiten an Mülltonnen oder ähnlich schrecklichen
Dingen. Das erste Mal erschrickt das Pferd, aber je öfter man an derselben Tonne
vorbei kommt desto geringer wird die Reaktion bis das Pferd ganz entspannt daran
vorbei läuft.
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Durch Gewöhnung lernt ein Pferd also nichts Neues, sondern es verlernt eine
vorhandene Verhaltensreaktion. Der Lernprozess bezieht sich jeweils nur auf einen
ganz bestimmten Reiz und ist nicht auf andere Reize übertragbar.
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Lernen „im Schlaf“
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Auch dieses Phänomen kennen wir Reiter aus der Praxis. Wenn ein Pferd keine
Angst vor blauen Mülltonnen hat, gilt dies noch lange nicht für gelbe Tonnen.
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Jede neue Erfahrung muss vom Gehirn erst einmal verarbeitet werden, bevor sie im
Langzeitgedächtnis hängen bleibt. Für diese Verarbeitung braucht das Gehirn Ruhe.
So kann man gut beobachten, dass Trainingspausen zu einer sprunghaften
Verbesserung der Leistung führen können.Für die Reitstunde heißt das, das
eigentliche Ergebnis des Trainings kann man erst am nächsten Tag oder später
sehen.
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Die Erfahrung, dass eine neue Lektion auf einmal vom Pferd verstanden wurde,
obwohl man gar nicht weiter geübt hat, hat hoffentlich jeder Reiter schon einmal
gemacht.
Motorisches Lernen
Motorisches Lernen ist das Auswendiglernen von Bewegungen. Das erfordert Zeit
und häufige Wiederholungen.Motorisches Lernen betreiben z.B. Tänzer die eine
Choreographie einstudieren. Irgendwann muss man nicht mehr nachdenken welcher
Schritt als nächstes kommt, sondern die Füße laufen wie von alleine. Man hat eine
Bewegungsfolge auswendig gelernt.
Dasselbe passiert wenn man mit einem Pferd eine Prüfungsaufgabe übt oder eine
Quadrille reitet. Damit hat man aber auch schnell die Nachteile dieser Lernmethode
aufgezeigt. Es kann sich schnell Langeweile und in Folge Unaufmerksamkeit
einstellen. Das Pferd spult die Übung ab ohne wirklich auf die Reiterhilfen zu achten.
Konditionierung
Bei der klassischen Konditionierung wird ein Reiz fest mit einer Reaktion verknüpft.
Wir alle kennen Pavlow´s Hunde die jedes Mal zum Klang einer Glocke gefüttert
wurden und irgendwann beim Läuten zu sabbern begannen.
Oder man nimmt einen Clicker und das Pferd lernt, dass auf den Klick ein
Leckerchen folgt.
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Auch beim Reiten konditionieren wir ein Pferd. Der Zug am Zügel oder der Druck des
Schenkels haben für ein Pferd erst einmal keine Bedeutung. Erst wenn es beim
Anreiten jedes Mal beim Schenkeldruck vorwärts getrieben wird bekommt der
Schenkel die Bedeutung „vorwärts“.
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Allerdings heißt das nicht, dass die Konditionierung für immer bestehen bleibt. Wird
der Schenkel wiederholt eingesetzt, ohne eine Änderung des Tempos zu wollen, wird
das Pferd etwas Neues lernen, nämlich: Wenn der Schenkel kommt, geh nicht
schneller. So verliert der Schenkel mit der Zeit seine Bedeutung und man hat
wahrscheinlich ohne es zu wollen ein faules Pferd.
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Das heißt, konditionierte Verhaltensweisen müssen immer wieder aufgefrischt
werden um erhalten zu bleiben.
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Weitere Informationen zur Umsetzung in die Praxis im Fachbeitrag Juni 2012
mit den Themen: Die Trainingssituation, Timing, Belohnung, Strafe,
Konsequenz
Von Julia Kunath und Doris Wiesinger, Mai 2012, www.pferdegerecht.info
Quellen- und Literaturangaben:
Marlitt Wendt, Vertrauen statt Dominanz, Wege zu einer neuen Pferdeethik
Barbara Schöning, Trainingsbuch Pferdeerziehung
Barbara Schöning, Pferdeverhalten Körpersprache und Kommunikation
Günther Bloch, Von Alpha, Dominanz und anderen populären Irrtümern
Alfonso Aguilar, Wie Pferde lernen wollen
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