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Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)
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Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) beschreibt die Fähigkeit
elektrotechnischer Geräte, in ihrer Umgebung befriedigend zu funktionieren,
ohne andere Geräte zu stören oder selbst von anderen Systemen gestört zu
werden. Außerdem sollen sie störungsfrei miteinander arbeiten können. Die
EMV bezieht sich ausschließlich auf Störsignale, die von technischen Geräten
ausgehen bzw. auf diese einwirken. Es gibt eine Reihe von Rechtsvorschriften,
die Produkte im Hinblick auf die EMV erfüllen müssen. Für Medizinprodukte
gelten darüber hinaus zusätzliche Regeln.
Störempfindlichkeit und Störfestigkeit
Wichtige Begriffe in der EMV sind die elektromagnetischen Störempfindlichkeit
(EMS) und die elektromagnetische Störfestigkeit. Die elektromagnetische
Störfestigkeit gibt an, bis zu welchem Grad die Umgebung des Gerätes mit
elektromagnetischer Strahlung belastet sein darf, bis es davon beeinträchtigt wird.
Wie hoch die Störfestigkeit eines Gerätes sein muss, hängt von den Anforderungen
ab, die es erfüllen soll.
Als elektromagnetische Störempfindlichkeit (EMS) wird die Unfähigkeit eines
elektrischen Bauteils beschrieben, unter Einwirkung eines elektromagnetischen
Störsignals ohne Funktionsminderung zu arbeiten. Dabei wird zwischen interner und
externer EMS unterschieden. Die interne EMS bezieht sich auf elektromagnetische
Störungen, die im System selbst entstehen. Im Gegensatz dazu bezeichnet die
externe EMS die von außen auf das Gerät einwirkenden elektromagnetischen
Störungen.
Kopplung: Signalaustausch zwischen den Geräten
Ein Gerät selbst kann entweder eine Störquelle oder auch eine Störsenke sein. Als
Störquelle wird es bezeichnet, wenn es Störsignale aussendet. Ein Objekt, auf das
die Störsignale einwirken und dadurch gegebenenfalls einen Fehler im System
verursachen, ist eine sogenannte Störsenke. Der Signalaustausch zwischen
Störquelle und Störsenke wird Kopplung genannt. Dieser Kopplung können
verschiedene Mechanismen zugrunde liegen, die nach ihrer physikalischen Wirkung
unterschieden werden:
Induktive Einkopplung: Ein stromdurchflossener Leiter bildet ein magnetisches
Feld um seine Leitungsbahn aus. Dieses magnetische Feld beeinflusst weitere
Stromkreise in seiner Nähe.
Kapazitive Einkopplung: Liegen zwei Leitungen nahe genug beieinander,
beeinflussen ihre magnetischen Felder den Stromkreis der benachbarten Leitung.
Galvanische Einkopplung: Die Einkopplung erfolgt über Leitungen, wobei
Quelle und Senke leitend miteinander verbunden sind. Beispiel: Mehrere
Schaltungskreise teilen sich eine Masse- oder Versorgungsleitung. Der
gemeinsam genutzte Leiter bildet einen Wechselstromwiderstand (Impedanz)
aus. An diesem fällt Spannung ab, was wiederum auf die angeschlossenen
Stromkreise einwirkt.
Strahlungskopplung (über größere Entfernungen): Auch wenn Quelle und
Senke in großem Abstand zueinander stehen, kann es über ein elektisches ode
rein magnetisches Feld zur Einkopplung kommen. Die Quelle sendet hierbei
elektromagnetische Störsignale aus, die die Senke beeinflussen.
Klassifizierung und Prüfung je nach Anschluss
Die Geräte werden je nach Anschluss an das Niederspannungsnetz des Gebäudes, in
dem sie stehen, in unterschiedliche Gruppen und Klassen eingeteilt.
Zur Gruppe 1 gehören Geräte, bei denen leitergebundene Hochfrequenzenergie für
die innere Funktion des Gerätes erzeugt wird. Bei den Geräten Gruppe 2 wird
Hochfrequenzenergie erzeugt, um Materialien im Gerät zu bearbeiten. In die Klasse
A werden Pordukte nur dann eigeteilt, wenn Klasse B nicht zutrifft. Zur Klasse B
gehören Geräte, die im Wohnbereich und in Einrichtungen betrieben werden sollen,
die direlt an ein Niederspannungsnetz angeschlossen sind.
Typische Beispiele für Medizinprodukte mit elektrischen und/oder elektronischen
Komponenten, die Hochfrequenz-Energie für die eigene Funktionalität und nicht zur
Einwirkung auf den Patienten nutzen, sind Navigationssysteme für die Chirurgie,
Dialysesysteme oder optische Messsysteme.
Der Umfang der EMV-Prüfung richtet sich nach der Klassifizierung. Ist ein Gerät in
Gruppe 1, Klasse A eingeteilt, können folgende Prüfungen duchgeführt werden:
Prüfungen zur Störaussendung (Funkstörspannung, Funkstörfeldspannung)
Prüfungen zur Störfestigkeit (Entladung statischer Elektrizität, Hochfrequentes
eletromagnetisches Feld, schnelle Transiente, Stoßspannungen und Stoßströme,
Einkoppelung von Hochfrequenzströmen und Hochfrequenzspannungen,
Magnetfelder energietechnischer Frequenzen, Spannungseinbrüche und
Spannungsunterbrechungen)
Prüfungen zu Netzrückwirkungen (Oberwellen und Flicker)
Für die Prüfungen sind Prüfaufbauten in speziell ausgerüsteten Räumen
erforderlich. Im Regelfall beauftragt der Hersteller ein akkreditiertes EMV-Prüflabor
und stimmt mit dem Labor und/oder seinem Zertifizierer die erforderlichen
Prüfungen ab.
Rechtliche Grundlagen
Die grundlegenden Anforderungen an Betriebsmitteln werden in Paragraf 4 des
Gesetzes über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG)
aufgeführt:
(1) Betriebsmittel müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik so
entworfen und gefertigt sein, dass 1. die von ihnen verursachten
elektromagnetischen Störungen kein Niveau erreichen, bei dem ein
bestimmungsgemäßer Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten oder
anderen Betriebsmitteln nicht möglich ist; 2. sie gegen die bei
bestimmungsgemäßem Betrieb zu erwartenden elektromagnetischen Störungen
hinreichend unempfindlich sind, um ohne unzumutbare Beeinträchtigung
bestimmungsgemäß arbeiten zu können.
(2) Ortsfeste Anlagen müssen zusätzlich zu den Anforderungen nach Absatz 1 nach
den allgemein anerkannten Regeln der Technik installiert werden. Die zur
Gewährleistung der grundlegenden Anforderungen angewandten allgemein
anerkannten Regeln der Technik sind zu dokumentieren.
Allerdings gelten für Medizinprodukte erweiterte Vorschriften: die
Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG, die Richtlinie über In-vitro-Diagnostika
98/79/EG und die Richtlinie über aktive implantierbare Medizinprodukte
90/385/EWG. In der Medizinprodukterichtlinie werden im Anhang I alle
einzuhaltenden, grundlegenden Anforderungen für eine EM-verträgliche
Konstruktionsbauweise beschrieben. Die Richtlinie 93/42/EWG gibt vor, dass
Produkte derart ausgelegt und hergestellt sein müssen, dass die Risiken im
Zusammenhang mit der Erzeugung elektromagnetischer Felder, die in ihrer üblichen
Umgebung befindliche weitere Einrichtungen oder Ausrüstungen in deren Funktion
beeinträchtigen können, soweit wie möglich verringert werden.
Speziell für elektrische Apparate in der Medizin liegt die Normenreihe 60601 vor.
Der Teil 1, DIN EN 60601-1, beschreibt als Basisnorm die allgemeinen Festlegungen
für die Sicherheit einschließlich der wesentlichen Leistungsmerkmale von
medizinischen elektrischen Geräten. Die Ergänzungsnormen zur DIN EN 60601-1
beziehen sich auf Anforderungen bestimmter Produktklassen (etwa DIN EN 606011-3: Strahlenschutz). Teil 2, die DIN EN 60601-2, spezialisiert sich hingegen auf die
Anforderungen an einzelne Produktarten – beispielsweise bezieht sich die DIN EN
60601-2-33 auf die EMV von Magnetresonanztomographen. Aus der Basisnorm
DIN EN 60601-1 wird direkt auf die Ergänzungsnorm DIN EN 60601-1-2 für
elektromagnetische Verträglichkeit (EMV-Norm) verwiesen. Diese Norm umfasst die
Themen der EMV-Anforderungen für medizinische elektrische Geräte sowie deren
EMV-Prüfungen. Im Zusammenhang mit dem Teil 2 (DIN EN 60601-2-XX) können
sich Abweichungen bezüglich der EMV-Norm ergeben. Neben diesem Teil 2 der
60601er Normreihe können auch weitere Normen, die im „Official Journal“, dem
Amtsblatt der Europäischen Union, veröffentlicht wurden, zu Abweichungen der
EMV-Norm führen.
Harmonisierte Normen
Harmonisierte Normen sind europäische Normen, die von einer anerkannten
europäischen Normengesellschaft
Standardization
(CEN),
dem
–
etwa
European
dem
European Committee for
Committee
for
Electrotechnical
Standardization (CENELEC) und dem European Telecommunications Standards
Institute (ETSI) – entwickelt wurden. Die aktuell geltenden harmonisierten Normen
werden
im
„Official
Journal“
der
europäischen
Union
veröffentlicht.
Die
harmonisierten Normen zur EMV entsprechen den Anforderungen der EMVRichtlinie 2004/108/EG. Diese dienen als Grundlage zur Ausrichtung sowie zur
Prüfung der Produkte auf EMV. Beispiele für harmonisierte Normen im Bereich der
Medizintechnik sind:
SN EN 80601-2-59: Wärmebildkameras für Reihenuntersuchungen von
Menschen auf Fieber
SN EN 80601-2-35: Decken, Matten und Matratzen zur Erwärmung von
Patienten
DIN EN ISO 15004-1: Ophthalmische Instrumente
Allerdings sind harmonisierte Normen nicht rechtlich verbindlich. Hersteller können,
müssen sie jedoch nicht anwenden. Dafür spricht, dass sie dann davon ausgehen
können, dass das Produkt
dem Stand der Technik entspricht
und
die
Grundlegenden Anforderungen hinsichtlich der EMV sowie die Vorgaben der EMVRichtlinie erfüllt. Gibt es für ein Produkt keine passende Norm, muss das
Unternehmen anderweitig nachweisen, dass die Sicherheitsvorgaben eingehalten
werden. Dieses Verfahren kann insbesondere für neue Produkte sehr aufwendig
sein.
Buch-Tipp:
Geodbloed, J. J. (1997): EMV - Elektromagnetische Verträglichkeit. Analyse und
Behebung von Störproblemen. 1. Auflage, München, Bad Kissingen, Berlin,
Düsseldorf, Heidelberg
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