Referat über Netzrückwirkungen Steuerblindleistungen, Oberwellen, EMV-Probleme Bild: EMV - Meßtechnik, Rohde & Schwarz 1. Einleitung: Mit diesem Referat soll der Zusammenhang von Steuerblindleistungen, Oberwellen und den damit verbundenen EMV-Problemen verdeutlicht werden. Beim Betrieb der netzgeführten Stromrichterantriebe treten Rückwirkungen im speisenden Netz auf. Die wichtigsten sind - die Steuerblindleistung - die Oberwellen - die Verzerrungen der Netzspannung mit den damit verbunden EMV-Problemen Entstehung der Steuerblindleistung ist z. B. ein Wechselstromsteller mit Phasenanschnittsteuerung, an dem an der Netzseite eine sinusförmige Spannung anliegt. Beim Steuerwinkel α=0° sind die Netzspannung und die Grundschwingung des Leiterstromes in Phase. Der Stromrichter entnimmt dem Netz nur Wirkleistung. Beim gesteuerten Stromrichter besitzt der Strom aber die Form eines abgeschnittenen Sinus. Die Phasenverschiebung zwischen der Netzspannung und der Grundschwingung des Leiterstroms ist näherungsweise gleich dem Steuerwinkel α ( im Bild: α=90° ), die immer eine entsprechende induktive Steuerblindleistung verursacht. Daher ergibt sich eine nicht-sinusförmige Belastung des Netzes! Damit entstehen im Netz Störungen die mit weiterem Abweichen des Stromes von der Sinusform zunehmen. Da Strom und Spannung nicht dieselbe Form besitzen, ergibt sich eine Blindleistung, die sogenannte Steuer- oder Oberwellenblindleistung. Zusätzlich zur Steuerblindleistung entnehmen alle netzgeführten Stromrichter dem Netz noch die zur Kommutierung benötigte Kommutierungsblindleistung. Diese spielt aber eine untergeordnete Rolle, so daß sie vernachlässigt werden kann. Abhilfe schaffen da Folgesteuerungen. Verstellt man den Steuerwinkel α nur bei einem von zwei (oder mehreren) gleichstromseitigen in Reihe geschalteten Stromrichtern, dann wird die dem Netz entnommene Blindleistung bei gleicher Spannung kleiner als bei der Speisung durch einen einzelnen Stromrichter oder bei gleichzeitiger Verstellung beider Stromrichter. Bei der Folgesteuerung können entweder beide Stromrichter steuerbar mit Thyristoren ausgeführt und entsprechend angesteuert werden, oder es wird nur der eine Stromrichter gesteuert, dann wird der nicht steuerbare Stromrichter mit Dioden bestückt. Dies ergibt eine halbgesteuerte Schaltung. Die Steuerblindleistung erreicht ihr Maximum erst etwa in der Mitte des Aussteuerbereichs, bei halber Ausgangsspannung. Dadurch werden Blindlaststöße im Anfahrbereich von Antrieben weitgehend vermieden. Der Einsatz der halbgesteuerten Schaltungen wird aber andererseits dadurch eingeschränkt, daß mit ihnen kein Wechselrichterbetrieb möglich ist. Die wichtigsten Schaltungen sind die halbgesteuerte unsymmetrische Brücke für Wechselstrom B2HZ und bei Drehstrom die Schaltung B6HZ. Eine weitere Möglichkeit, die Steuer- oder Oberwellenblindleistung zu verringern, ist die Verwendung einer Schwingungspaketsteuerung. Dabei wird ein Verbraucher abwechselnd für eine bestimmte Anzahl von Perioden immer im Nulldurchgang der Netzspannung ein- und ausgeschaltet. Man erreicht, daß der Strom entweder sinusförmig oder Null ist. Da der Strom zur Last aber ebenfalls ein- und ausgeschaltet wird, ergibt sich auch hier eine Steuerblindleistung. Diese ist aber wegen der niederfrequenten Steuerung der Leistung erheblich geringer. Oberwellen. Der Name ergibt sich aus der Tatsache, daß ein von der Sinusform abweichendes Signal in der Darstellung als Spektrum Oberwellen besitzt. Die Amplitude der Oberwellen ist ein Maß für die erzeugte Blindleistung. Mit einem Spektrumanalyser lassen sich die Oberwellen sichtbar machen. Ein Spektrumanalyser stellt eine Spannung in Abhängigkeit von der Frequenz dar. Diese Oberwellen entstehen bei Gleichstromantrieben dadurch, daß der Stromrichter mit großer Glättungsdrossel im Gleichstromkreis das Netz mit rechteckförmigen Stromblöcken belastet. Die Zerlegung des Netzstromes in seine Frequenzanteile (Fourier-Analyse) ergibt neben der Grundschwingung eine Reihe von Oberschwingungen, die je nach Schaltung des Stromrichters in Amplitude und Frequenz unterschiedliche Werte aufweisen. Die Netzrückwirkung durch Stromoberschwingungen nimmt sowohl mit steigender Pulszahl des Stromrichters als auch mit steigender Frequenz ab. Das Bild zeigt den idealisierten blockförmigen Netzstrom einer Stromrichterschaltung und seine Zerlegung in Grund- und Oberschwingungen. Praktisch sind jedoch die Amplituden höherer Ordnungszahlen erheblich niedriger, da der Netzstrom wegen der endlichen Kommutierungszeiten trapezähnlich verläuft und sich daher der Sinusform besser annähert. Zur Vermeidung der Netzrückwirkungen oder zur Verbesserung des cos ϕ werden die Oberströme durch Filterkreise abgesaugt oder die Blindströme kompensiert. Verzerrungen der Netzspannung wirken sich in Form von periodischen Spannungseinbrüchen aus. Sie entstehen durch Kommutierung im Stromrichter und werden deshalb auch Kommutierungseinbrüche genannt. (Kommutierung: ist der Übergang des Gleichstromes von V1 auf V2. Durch Zünden von V2 werden die beiden an der Kommutierung beteiligten Stränge betriebsmäßig kurzgeschlossen, und es fließt ein Kurzschlußstrom. Dieser Kurzschlußstrom steigt solange an, bis der Gesamtstrom in V1, der sich aus dem Gleichstrom I in Vorwärtsrichtung und dem Kurzschlußstrom Ik in Rückwärtsrichtung zusammensetzt, zu 0 wird! V1 sperrt dann sofort und der Strom in V2 hat die Höhe des Gleichstromes erreicht und die Kommutierung ist abgeschlossen.) I Bei der vollgesteuerten Drehstrom-Brückenschaltung ergeben sich insgesamt vier Spannungseinbrüche pro Netzperiode und Strang, deren Lage von dem jeweiligen Steuerwinkel α abhängt. Die betriebsmäßigen Kurzschlüsse im Stromrichter verursachen ihrerseits Einbrüche in der Netzspannung, deren Höhe abhängig ist vom Verhältnis der Induktivität des Netzes selbst zur Induktivität, die dem Stromrichter vorgeschaltet ist (Kommutierungsdrosseln). Was ist EMV ? Die Abkürzung „EMV“ steht für „Elektromagnetische Verträglichkeit“. In englischsprachiger Literatur steht der Begriff „EMC“ für „electromagnetic compatibility“ anstelle von „EMV“. Nach der Definition der entsprechenden EG-Richtlinie ist dies: „die Fähigkeit eines Apparates, einer Anlage oder eines Systems, in der elektromagnetischen Umwelt zufriedenstellend zu arbeiten, ohne dabei selbst elektromagnetische Störungen zu verursachen, die für alle in dieser Umwelt vorhanden Apparate, Anlagen oder Systeme unannehmbar wären.“ Diese weitgesteckte Definition umfaßt Einwirkungen durch natürliche elektromagnetische Erscheinungen z.B. Gewitter, ebenso wie Einflüsse durch technische Geräte auf „elektrische und elektronische Apparate, Anlagen und Systeme, die elektrische und elektronische Bauteile enthalten.“ Sie umfaßt nicht Einwirkungen von elektromagnetischen Erscheinungen auf biologische Systeme, d.h. Menschen, Tiere und Pflanzen. Die Definition sagt gleichzeitig aus, daß die ungewollte Entstehung von elektromagnetischer Störenergie als gegeben hingenommen wird, daß aber diese Energie auf ein für die Umwelt zumutbares Maß begrenzt werden muß. Zur Beurteilung der elektromagnetischen Verträglichkeit ist es notwendig, meßtechnisch erfassbare und reproduzierbare Größen zu definieren, mit denen sowohl das aktive Störvermögen von Geräten als auch deren Störfestigkeit gegen äußere Einflüsse hinreichend genau beschreiben zu können. 1. Störaussendungen (engl. „emission“) Das aktive Störvermögen eines elektrischen Gerätes, d.h. seine Fähigkeit, elektromagnetische Störungen zu erzeugen, wirkt auf seine Umwelt hauptsächlich direkt über angeschlossene Leitungen, über Abstrahlung vom Gehäuse bzw. internen Bauteilen oder über Abstrahlung von angeschlossenen Leitungen. Zur Beurteilung, ob die vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden, sind je nach untersuchtem Frequenzbereich folgende Größen zu erfassen: 1.1 Netzoberschwingungen (engl. „harmonics“) Im Frequenzbereich 0-2 kHz sind Grenzwerte für auf das Versorgungsnetz rückwirkende Oberschwingungen definiert, die in angeschlossenen Geräten entstehen können. Gemessen werden die Oberschwingungsströme auf Harmonischen der Netzfrequenz bis zur 40fachen Ordnung, d.h. in der Regel von 100 Hz (doppelte Netzfrequenz) bis 2 kHz. 1.2 Netzspannungsschwankungen (engl. „ voltage fluctuations“) Zum Schutz anderer angeschlossener Verbraucher dürfen an das Versorgungsnetz angeschlossene Geräte durch ihren Betrieb dort nur in begrenztem Umfang Spannungsschwankungen hervorrufen (siehe Kommutierung). Wiederholen sich Spannungsänderungen in kurzen Zeitabständen, verursachen sie beispielsweise störende Helligkeitsschwankungen so gen. Flicker bei Lampen, die an dasselbe Stromversorgungsnetz angeschlossen sind. Je nach Wiederholungshäufigkeit sollen Spannungsschwankungen von bis zu 3 % nicht überschritten werden. 2. Störfestigkeit (engl. „immunity“) Es ist notwendig und zumutbar, daß Gerätehersteller bereits bei der Entwicklung und Fertigung von elektrischen und elektronischen Geräten Vorsorge treffen, daß bestimmte elektromagnetische Einwirkungen den Gebrauch solcher Geräte nicht unzumutbar beeinträchtigen. Zur Beurteilung der Störfestigkeit kommen verschiedene Prüfungen in Frage. 2.1 Störfestigkeit gegen leitungsgeführte impulsförmige Störgrößen Gegen Einwirkungen durch Strom- und Spannungsimpulse sind moderne Geräte mit Halbleiterbauelementen sehr empfindlich, wenn keine geeigneten Schutzmaßnahmen getroffen werden. Mit unterschiedlichen Prüf-Störimpulsen läßt sich die Störfestigkeit gegen solche Einflüsse feststellen. Auch auf Gleichstromversorgungsnetzen, wie z.B. dem Bordnetz eines KFZ, muß mit kurzzeitigen Spannungsimpulsen von erheblicher Größe gerechnet werden. Diese dürfen keineswegs die Funktion von Steuerungs- und Sicherheitssystemen beeinflussen. 2.2 Störfestigkeit gegen Spannungseinbrüche und Kurzzeitunterbrechungen der Stromversorgung (engl. „voltage dips and interruptions“) Moderne Digitaltechnik kann auch auf Kurzzeitunterbrechungen und Spannungseinbrüche bei der Stromversorgung empfindlich reagieren. Mit verschiedenen Prüfverfahren werden solche Einflußmöglichkeiten untersucht. Sie sind so gewählt, daß sie für den üblichen Alltagsgebrauch ausreichend erscheinen. Dies schließt aber nicht aus, daß unter besonderen Umständen dennoch Unverträglichkeit auftreten kann. Feststellung: Störaussendung betrifft immer die Umwelt eines Gerätes, d. h. sie können bei – oft unbekannten – Dritten Probleme verursachen, ohne daß der Betreiber des störenden Gerätes hiervon weiß. Störfestigkeit wirkt sich im Regelfall auf den Benutzer des betroffenen Gerätes aus. Störfestigkeit hat letztlich auch etwas mit Qualität und Qualitätsansprüchen zu tun. So wird z. B. eine teure HiFi-Stereoanlage hinsichtlich der Störfestigkeit weit kritischer betrachtet als ein billiger tragbarer „Radio-Recorder“. Literaturverzeichnis Fachkunde Elektrotechnik, Prof. Dr. Günter Springer, 21. Auflage, 1996, Europa-Verlag Leistungselektronik, Rainer Felderhoff, 1. Auflage, 1984, Carl Hanser Verlag Moderne Stromrichterantriebe, Peter F. Brosch, 2. Auflage, 1992, Vogel-Verlag EMV Rechtsvorschriften, Dietmar Rahmes, 1. Auflage, 1993 Franzis-Verlag EMV-Meßtechnik von A-Z, Xaver Sutter, Achim Gerstner, 1. Auflage, 1994, Franzis-Verlag