Vorlesung 5

Werbung
Zahlen und Zahldarstellungen – kulturkulturhistorische und ontogenetische Aspekte
einer Begriffsbildung
Ein Modell von Begriffsbildung
Die Zahlentwicklung im Individuum
Zahlen und Zahldarstellungen aus kulturhistorischer Sicht
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 1 von 25
Ein Modell von Begriffsbi
Begriffsbil
riffsbildung
(Hischer &Lambert in Hischer: Mathematikunterricht und Neue Medien. 2002, S. 138ff)
„Das Wort „Begriff“ wird verschieden gebraucht, teils in einem psychologischen, teils
in einem logischen Sinne, teils auch in einer unklaren Mischung von beiden.“
(Frege: Begriff und Gegenstand. 1892)
ontogenetischer Aspekt
“Wie vollzieht sich die Begriffsbildung im Individuum?“
Psychologie untersucht Aufbau kognitiver Strukturen, d.h. den Vollzug von Lernzuwachs und Wissenserwerb im Individuum
Philosophie untersucht intersubjektive Strukturen des Wissens, also solche, über
die viele Menschen (zumindest innerhalb eines Kulturkreises) gleichermaßen verfügen (epistemologische Strukturen, von griech. episteme = Wissen)
kulturhistorischer Aspekt
“Wie und warum entstehen / entstanden und wie und warum verändern sich
Sichtweisen auf Begriffe innerhalb einer Wissenschaft bzw. eines kulturellen Bereichs?“
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 2 von 25
(Abbildung aus Hischer 2002, S. 145)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 3 von 25
Welche Aspekte von Begriffsbildung sind hier jeweils gemeint?
2. Begriffsbildung im Algebraunterricht
2.1 Begriffsbildungsprozesse
Der Zahlbegriff, der Verknüpfungsbegriff, die
Begriffe Term und Gleichung, sowie der Funktionsbegriff bilden sich im Laufe des Algebraunterrichts heraus.
Diese Begriffsbildungsprozesse spiegeln bis zu
einem gewissen Grade die historische Entwicklung wider.
Die Lernenden können sich dieser Begriffsentwicklungen in reflektierenden Phasen des
Unterrichts bewusst werden.
Man sollte versuchen, ihnen den Eindruck zu
vermitteln, dass diese Begriffsentwicklungen
nicht abgeschlossen sind.
Tatsächlich besteht ja auch in der Sekundarstufe II die Möglichkeit, weiter an den Begriffen zu
arbeiten und Neues zu schaffen.
(aus Vollrath, Algebra in der Sekundarstufe,
zitiert nach Hischer, Maathematikunterricht und Neue Medien)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 4 von 25
Die Zahlentwicklung im Individuum
Der Zahlbegriff wird allmählich erworben (nach PIAGET):
sensumotorisch (0-2 J.): Greifreflexe, Wahrnehmungskoordination, Gegenstandskonzept, Gegenstandspermanenz
vorbegrifflich und voroperational (2-4 J.): Vorstellung einzelner Gegenstände, Zusammenfassung von Gegenständen (Klassenbildung)
anschaulich und voroperational (4-6 J.): bewusste Klassenbildung (Elemententscheidung nach charakteristischen Eigenschaften), Teilklassenbildung
konkret operational (6-12 J.): Invarianzen, Reversibilität, Zahlen als
Schemata
formal operational (ab 12 J.): Abstraktion von Gegenständen, Zahlbeziehungen und Rechenoperationen thematisierbar und argumentativ verfügbar
(vgl. Hermann Maier: Didaktik des Zahlbegriffs. Schroedel 1990)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 5 von 25
Piagets Modell vom Zahlbegriffserwerb
sucht nach Stadien der Flexibilität des Beziehungsdenkens (Wie weit ist
das Operative und abstrakte Begriffliche gediehen?)
sucht weniger nach alterstypischen Reifemerkmalen des Verhaltens, des
handwerklichen Könnens, des Wissens oder der kulturspezifischen Anpassung
denkt eine zwangsläufige Entwicklung zum Rechenzahlaspekt hin
ordnet den Ordinalzahlaspekt dem Kardinalzahlaspekt nach und unter,
was ontogenetisch in unserem Kulturkreis durch den Erwerb von Zahlwortreihen (Abzählreime, ...) eher invertiert wird, d.h.
in die zahlenmäßige Erfassung größerer Mengen (Kardinalzahlaspekt)
wird ein künstliches Element der Anordnung gebracht (Ordinalzahlaspekt),
das erst wieder als irrelevant für die Anzahl- und Rechenzahlbestimmung
durchschaut werden muss
(nach Führer: Vorlesungsskript Didaktik der Mathematik. 1999/2000)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 6 von 25
Was ist also eine Zahl?
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 7 von 25
„Einheit ist das, wonach jedes Ding eines genannt wird. Zahl ist die aus Einheiten zusammengesetzte Menge.“
(Euklid: Elemente VII. um 300 v. Chr.)
„Gegenstand der Arithmetik ist die ganze Zahl, aber per analogiam sind es
vier Gegenstände, nämlich die ganze Zahl, z.B. 3, die gebrochene Zahl, wie
z.B. 1/7, die irrationale, wie z.B. Wurzel aus 7, die benannte, wie z.B. 3x²;
diese alle werde ich erklären.“
(Cardano: Practica Arithmeticae generalis. 1539)
„Bei Bestimmungen oder Ausmessungen der Größen aller Art kommt es also
darauf an, dass erstens eine gewisse bekannte Größe von gleicher Art festgesetzt wird, welche das Maß oder die Einheit heißt und lediglich von unserer
Willkür abhängt. Darauf bestimmt man, in welchem Verhältnis die gegebene
Größe zu diesem Maße steht, welches stets durch Zahlen angegeben wird.
Somit ist eine Zahl nichts anderes als ein Verhältnis, in dem eine Größe zu einer anderen steht, welche als Einheit angenommen wird.“
(Euler: Vollständige Anleitung zur Algebra. um 1770)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 8 von 25
Zahlaspekte oder „Grundvorstellun
„Grundvorstellungen“ Stichworte / Beispiele
Kardinalzahlaspekt
Ordinalzahlaspekt
Maßzahlaspekt
Anzahlen. Wie viele?
Ordnungszahl
An wievielter Stelle?
Zählzahl
Aufteilung. Wie viele davon?
Größenwert
mit Einheit. Wie lang? Wie teuer?
Skalenwert
Ort auf Zahlengerade, Skala, Pegelstand
(wichtige visuelle Repräsentation zur geometrisch
gestützten Einsicht)
Operatoraspekt
Rechenzahlaspekt
Vielfachheit. Wie oft?
algorithmisch
Anwendung eines Verfahrens.
algebraisch
Es gibt allgemeine Regeln.
Symbolaspekt
Schicksalszahlen, z. B. 3, 7, 13
Codierungsaspekt
Matrikelnummer, Telefonnummer ...
(Padberg: Didaktik der Arithmetik. 1992)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 9 von 25
Für die Schule sind diese Aspekte deshalb wichtig, weil in einem reifen Zahlbegriff alle Aspekte verschmolzen sind.
Bsp. (Lambert): Thorben hat die Kinotickets mit den Nummern 123 bis 129 gekauft. Wie viele
Tickets sind das? – Welche Grundvorstellungen tauchen hier auf?
Zahlaspekte sagen nicht (volständig), was Zahlen sind. Sie beschreiben aber
„Grundvorstellungen“, um zu einem immer reiferen Zahlbegriff kommen zu
können. Die umsichtige Vermittlung von „Grundvorstellungen“ soll Lernenden
zu einer möglichst beziehungsreichen , fehlerresistenten und ausbaufähigen
Wahrnehmung der wichtigsten Gehalte eines mathematischen Begriffs verhelfen.
Grundvorstellungen dienen als Wegweiser, um wenigstens die wirklich bedeutsamen Gegenstände so unterrichten zu können, dass zugleich subjektiv
und objektiv sinnvolle Bedeutungszuweisungen nahegelegt werden.
(nach Führer: Vorlesungsskript Didaktik der Mathematik. 1999/2000)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 10 von 25
Man kann – strukturmathematisch – das Rechnen mit natürlichen Zahlen auf
dem Kardinalzahlaspekt aufbauen, ohne Zählen zu können:
Wir vergleichen Mengen mittels bijektiver Zuordnung.
Jede (natürliche) Zahl ist dann eine Äquivalenzklasse gleichmächtiger
Mengen.
Durch eine konkrete Menge lässt sich dann eine Zahl repräsentieren.
Dies ließe sich auch dann durchführen, wenn es außer Mengenlehre gar
nichts gäbe auf der Welt: ∅, {∅}, {∅, {∅}}, K
Wir verabreden, diese Zahlen Null, Eins, Zwei usw. zu nennen.
Abzählen ist dann eine Bijektion zwischen einem „Anfangsteil“ der Namenfolge und den Elementen der zu zählenden Menge.
[...] Dass Anna Anna heißt, ist sicher wahr, bedeutet aber nicht viel!
(nach Führer: Vorlesungsskript Didaktik der Mathematik. 1999/2000)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 11 von 25
Das Begriffsfeld „Zählen“
Aspekte
Bemerkungen
Abzählen
Von 1 an beginnend wird die Zahlfolge
aufgesagt und die Zahlen Objekten zugeordnet
strukturiertes Zählen
Ausnutzen einer vorhandenen oder aufgeprägten Struktur (z. B. Rechteckmuster,
Bündelungs- und Sortierstrategien)
zunächst werden Objekte mehrfach gezählt
systematisches Mehrfachzählen
und in einem zweiten Schritt reduziert
indirektes Zählen / Schätzen
Zählen einer Teilmenge und Schluss auf die
Gesamtheit
kombinatorische Strategien
z.B. Wegemodell, Baumdiagramm
(nach Führer: Vorlesungsskript Didaktik der Mathematik. 1999/2000)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 12 von 25
Zahlen und Zahldarstellungen aus kulturhistorischer Sicht
Ägyptische Hochkultur (3000 v. Chr. – 300 v. Chr.)
Zahlzeichen in Hieroglyphenschrift
spezielle Symbole für Zehnerpotenzen von 1 bis 106
(Abb.en aus Kaiser, Nöbauer: Geschichte
der Mathematik.)
Darstellung durch Wiederholung der Symbole → Addition und Subtraktion problemlos möglich, Multiplikation und Division hingegen nicht
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 13 von 25
Ägyptische Multiplikation durch Verdoppeln und Addieren:
In Aufgabe 32 aus dem Papyrus Rhind stößt man auf das Problem, das
Produkt 12 ⋅ 12 berechnen zu müssen:
1
2
4
8
12
24
48 ⁄
96 ⁄
144
Die Division geht auch über Verdoppelungstabellen: 753 : 26 = ?
1
26
2
52
4
104 ⁄
208 ⁄
8
416 ⁄
16
753 = 416 + 208 + 104 + 25, also 753 : 26 = 28 Rest 25
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 14 von 25
Ägyptische Bruchrechnung
nur Stammbrüche (Zähler = 1) und 2/3 wurden verwendet;
zur Ausführung der Multiplikation durch Verdoppeln mussten Brüche mit
Zähler 2 in Stammbrüche zerlegt werden; hierzu gab es Tabellen
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 15 von 25
Ein archaischer Wirtschaftstext (Mesopotamien um 3200 v. Chr.)
(Abb.en aus Müller, Steinbring, Wittmann:Arithmetik als Prozess)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 16 von 25
Babylonische Keilschrift – Das älteste Stellenwertsystem der Welt (um
1900 v. Chr.)
3⋅60 + 42 = (3 42)60 = 222
4⋅60 + 33 = (4 33)60 = 273
14⋅602 + 28⋅60 + 23 = (14 28 23)60 = 52103
(Abb.en aus Müller, Steinbring, Wittmann:Arithmetik als Prozess)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 17 von 25
Ein Näherungswert für die
Wurzel aus 2:
(1 24 51 10)60
24 51
10
= 1+
+
+
2
60 60
60 3
≈ 1,41421296 3
Keilschrifttext aus der Yale Babylonian Collection, YBC 7289
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 18 von 25
Das Zahlsystem der Römer, das Rechenbrett, der Abakus
Fünferstruktur
I = 1, V = 5, X = 10, L = 50, C = 100, D = 500, M = 1000
Zahlen werden in der Regel additiv dargestellt ...
III = 3, IIII = 4, CCCC = 400 usw.
... die subtraktive Darstellung ist erst seit dem Mittelalter üblich
IV = 5 − 1=4, CD=500 − 100 = 400
Schriftliche Rechenverfahren sind nahezu unmöglich, aber das gebräuchliche Rechnen auf dem Rechenbrett oder mit dem (Hand-)Abakus wurde
von Händlern virtuos beherrscht
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 19 von 25
Griechenland (um 500 v. Chr.) – Die Geburt der deduk
deduktiven Arithmetik
Zahlen wurden etwa ab dem 5. Jhdt. v. Chr. durch Buchstaben ausgedrückt:
1=α, 2=β, 3=γ, 4=δ, 5=ε usw.
Mit dieser Zahldarstellung waren Rechenverfahren praktisch unmöglich!
Die Pythagoreer entwickeln im 5. Jhdt. v. Chr. die Lehre vom Gerade und
Ungeraden, entdecken Zusammenhänge an figurierten Zahlen und begründen diese → (natürliche) Zahlen werden zum Untersuchungsgegenstand einer beweisenden Mathematik
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 20 von 25
Abacisten vs. Algoristen – Die Zeit der Rechenmeister
Rechnen mit dem Abakus zeigt noch enge Bezüge zu den sinnlichanschaulichen Gegebenheiten oder den durch sie repräsentierten Objekte auf
Verdrängung der römischen Ziffern (als Symbole für gezählte Objekte
oder Einheiten) durch die indisch-arabischen Ziffern (als Namen für Zahlen) ab dem 12. Jhdt. n. Chr. in Oberitalien und Süddeutschland
Rechenbuch von Mohammed Ibn Musa Alchwarizmi (um 800 n.Chr.)
Leonardo von Pisa (Fibonacci): Liber abaci (1202)
Adam Ries (1492 – 1559): Rechenung auff der linihen und federn (1522)
(enthält die heute noch gebräuchlichen Rechenalgorithmen zu den
Grundrechenarten)
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 21 von 25
Zahlbereichserweiterungen
Zahlbereichserweiterungen historisch und in der Schule
negative Zahlen
Leonardo von Pisa, liber abaci (1202): negative Zahlen als Schulden
De quatuor hominibus et bursa ab eis reperta, questio notabilis. [...] hanc
quidem questionem insolubilem esse monstrabo, nisi concedatur, primum
hominem habere debitum
Nicolas Chuquet (gest. 1488):
nombres composez par plus et par moins
gibt als Lösung eines Gleichungssystems mit fünf Unbekannten an : 180,
120, 60, 0 moins 60
Michael Stifel (1487 – 1567):
numeri absurdi, numeri ficti infra nihil, fitque haec fictio summa utilitate
pro rebus mathematicis
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 22 von 25
John Wallis (1616 – 1703) :
Es ist unmöglich, dass eine Größe weniger sei als Nichts oder eine Zahl
kleiner als Null. Trotzdem ist die Annahme einer negativen Größe weder
nutzlos noch absurd, wenn sie nur richtig verstanden wird [...] −3 Schritte
vorwärts zu gehen ist dasselbe wie 3 Schritte zurückgehen.
Carl Friedrich Gauss (1777 – 1855):
Positive und negative Zahlen können nur da eine Anwendung finden, wo
das Gezählte ein Entgegengesetztes hat, was mit ihm vereinigt gedacht
der Vernichtung gleich zu stellen ist.
Bruchzahlen, rationale Zahlen
Papyrus Rhind enthält eine Reihe von Aufgaben zur Bruchrechnung, allerdings nur mit Stammbrüchen; babylonische Keilschrifttexte enthalten auch
Symbole für Brüche mit größerem Zähler;
Pythagoreer (um 500 v. Chr.):
Proportionenlehre (Bruch als Verhältnis kommensurabler Strecken) und
die Entdeckung inkommensurabler Strecken
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 23 von 25
Michael Stifel:
Brüche sind in gewissem Sinne benannte Zahlen, da aber die Benennung
eine Zahl und nicht der Name eines konkreten Gegenstandes ist, können
Brüche in uneigentlichem Sinne abstrakte Zahlen genannt werden.
Taquet (1656):
Die Brüche unterscheiden sich der Sache nach nicht von den ganzen Zahlen. Der einzige Unterschied ist, dass die Brüche Dinge bezeichnen, die
Teile der durch die ganzen Zahlen bezeichneten Dinge sind.
Heinrich Weber (1895):
Eine dichte Menge kann man bilden, wenn man die natürlichen Zahlen in
Paaren zusammenfasst, und diese Paare als Elemente einer Menge auffasst. Die Paare sollen Brüche genannt und mit m:n bezeichnet werden,
und zwei solche Brüche m:n und m’:n’ werden einander gleich gesetzt,
wenn mn’=nm’ ist.
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 24 von 25
irrationale Zahlen
Heron von Alexandria (um 75 n. Chr.):
Rationale und irrationale Größen gehören beide nicht zu dem an sich
Gedachten, sondern zu dem mit anderem Verglichenen [...] jede Größe
ist an und für sich weder rational noch irrational, [...] sondern erst durch
Vergleich mit einer durch Setzung angenommenen Einheit.
Michael Stifel:
Mit Recht wird bei den irrationalen Zahlen darüber disputiert, ob sie wahre Zahlen sind oder nur fingierte [...] Aber andere Gründe veranlassen
uns zur entgegengesetzten Behauptung, dass wir nämlich bestreiten müssen, dass die irrationalen Größen Zahlen sind.
Weierstraß (1859/60), Dedekind (1872), Cantor (1872), Bachmann
(1892), Hilbert (1899):
Konstruktion bzw. Axiomatisierung der reellen Zahlen
... und in der Schule ?
Univerität des Saarlandes WS 2009/2010
5. Vorlesung am 09. November 2009
FR 6.1 Mathematik
OStR Uwe Peters
Didaktik II: Arithmetik und Algebra
Folie 25 von 25
Herunterladen