OC Crashkurs Bioinfos

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Crashkurs Organische
Chemie
Zweck dieses Crashkurses
•
Viele Studenten der Bioinformatik, Biophysik und auch der Biologie
haben Chemie in der Oberstufe abgewählt.
•
Große Überraschung zu Beginn des Studiums: ich brauche ja auch
Chemie, um Biochemie, Physiologie, Genetik usw. zu verstehen.
•
Die Studienpläne der o.g. Fächer sehen vor, dass Sie Allgemeine
Chemie und Biochemie hören sollen. Biochemie ist aber ohne
Organische Chemie nicht machbar.
•
Fazit: Crashkurs Organische Chemie = 5 Nachmittage mit je 5-6 h OC
entspricht einer ca. 1,5-2-stündigen OC-Vorlesung.
•
In dieser kurzen Zeit kann nur die für die Biochemie relevante OC
behandelt werden. Nutzen Sie die anschließende Biochemie-Vorlesung
zur Vertiefung der Organischen Chemie mit Hilfe geeigneter Literatur!
Literatur
•
Latscha/Kazmaier – Chemie für Biologen, Springer-Verlag, 3. Aufl. 2008
•
Gossauer – Struktur und Reaktivität der Biomoleküle, VCH, 1. Aufl. 2006
Inhaltsverzeichnis
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
Einführung
Reaktive Teilchen in der organischen Chemie
Alkane
Halogenalkane
Alkene
Alkine
Aromaten
Alkohole und Ether
Aldehyde, Ketone und Derivate
Carbonsäuren und Carbonsäurederivate
Amine und wichtige Heterocyclen
Aminosäuren
Biochemie
Saccharide
3
1.
Einführung
1.1. Was ist Organische Chemie?
•
Um 1800: Berzelius bezeichnete alle Verbindungen, die von lebenden
Organismen produziert werden, als „organisch“.
•
Aus Elementaranalysen: alle „Organischen Verbindungen“ enthalten
als zentrales Element Kohlenstoff C.
•
1828: Wöhler wandelt Ammoniumcyanat (anorganisch!) in Harnstoff
(organisch!!) um.
•
Heute: alle organischen Verbindungen enthalten neben C auch immer
H. Ausserdem O, N, F, Cl, Br, I, P, S, Se, Li, Mg, B, Al, Ti, Pd, Zn, Zr,
Cu, Co u. a. Elemente des PSE (Heteroatome).
•
Definition: Organische Chemie ist die Chemie der
Kohlenstoffverbindungen. Sie beschreibt deren Herstellung,
Eigenschaften und Umwandlungen.
•
Wichtiger Zusammenhang: Biochemie ist Organische Chemie der
lebenden Organismen.
4
1.2. Schreibweise in der Organischen Chemie
•
Wichtig: Strukturformeln sind in der OC viel wichtiger als
Summenformeln!
•
Strukturformeln werden üblicherweise nach bestimmten Regeln
gezeichnet, so dass die Formeln die Strukturen realistisch abbilden,
schnell gezeichnet werden können und eindeutig sind.
•
1) Lange Kohlenstoffketten werden als Zick-Zack-Linien gezeichnet.
2) Jedes Eck entspricht einem C-Atom (C wird nur gezeichnet, wenn
man es braucht)
3) Hs werden nur gezeichnet, wenn man sie braucht.
4) Heteroatome werden immer gezeichnet!
5) Freie Elektronenpaare zeichnet man nur, wenn man sie braucht.
6) Positive oder negative Ladungen werden immer angegeben!
7) Ein Strich entspricht einem Elektronenpaar (Lewis-Formel oder
Valenz-Strich-Formel).
O
OH
5
1.3. Eigenschaften von Kohlenstoff in
Organischen Verbindungen
•
Kohlenstoff kann maximal vier Bindungen zu Bindungspartnern
ausbilden. Dann ist er neutral (Formalladung 0).
•
Kohlenstoff kann auch nur drei Bindungen zu Bindungspartnern
ausbilden. Dann ist er entweder positiv (Formalladung +1;
Carbeniumion) oder negativ (Formalladung -1; Carbanion). Ladungen
muss man in Formeln immer angeben.
•
Kohlenstoff kann auch nur zwei Bindungen zu Bindungspartnern
ausbilden. Dann ist er wieder neutral mit einem freien Elektronenpaar
(Carben). Zweifach positiv oder zweifach negativ geladene C-Atome
kommen in organischen Verbindungen nicht vor.
•
Kohlenstoff ist in seinen Verbindungen immer hybridisiert. Kohlenstoff
kann sp3-hydbridisiert, sp2-hybridisiert oder sp-hybridisiert sein (vgl.
Vorlesung „Allgemeine Chemie“).
•
Je nach Hybridisierung und Ladung gibt es unterschiedliche
Strukturen.
6
”
H
H
C
H
H
H
C
H
H
H
C
H
H
C
N
“
N H
C
H
H “
C
H
O
C
H
”
C
H
H
• sp3-hybridisierter Kohlenstoff ist
entweder neutral oder anionisch. sp3hybridisierter Kohlenstoff kann nur
Einfachbindungen ausbilden. Das CAtom ist immer tetraedrisch umgeben.
• sp2-hybridisierter Kohlenstoff ist
entweder neutral oder kationisch. sp2hybridisierter Kohlenstoff kann Einfachund Doppelbindungen ausbilden. Das CAtom ist immer trigonal planar umgeben.
H
N
• sp-hybridisierter Kohlenstoff ist entweder
neutral, anionisch oder kationisch. sphybridisierter Kohlenstoff kann Doppelund Dreifachbindungen ausbilden. Das
C-Atom ist immer linear umgeben.
7
•
Orbitalmodell einer C-CEinfachbindung. Sie ist
rotationssymmetrisch bzgl. der
Kernverbindungslinie (σBindung). Bindungswinkel: 109°,
Länge: 154 pm.
Bindungsenergie: 330 kJ/mol.
•
Orbitalmodell einer C=CDoppelbindung. Bindungswinkel:
120°, Länge: 134 pm.
Eine Doppelbindung besteht aus
einer rotationssymmetrischen σBindung und einer spiegelsymmetrischen π-Bindung.
Bindungsenergie 620 kJ/mol.
8
•
Orbitalmodell einer C≡CDreifachbindung. Bindungswinkel: 180°, Länge: 121 pm.
Eine Dreifachbindung besteht
aus einer rotationssymmetrischen σ-Bindung und zwei
spiegelsymmetrischen πBindungen. Bindungsenergie
810 kJ/mol.
9
1.4. Allgemeines zur Struktur Organischer
Verbindungen
•
Die C- und H-Atome bilden das Grundgerüst („Kohlenstoff-Skelett“)
organischer Verbindungen. Organische Verbindungen werden primär
nach ihrem Grundgerüst eingeteilt.
Organische Verbindungen
Acyclische Verbindungen
Gesättigte
Kohlenwasserstoffe
Cyclische Verbindungen
Ungesättigte
Kohlenwasserstoffe
Heterocyclen
Carbocyclen
gesättigt
ungesättigt aromatisch
Alicyclen
gesättigt
ungesättigt aromatisch
Aromaten
10
•
Die Mehrzahl der organischen Verbindungen enthalten neben C und
H auch noch Heteroatome (N, P, O, S, Se, F, Cl, Br, I usw.).
•
Die Heteroatome sind in definierter Weise mit C-Atomen verknüpft
und bilden sogenannte Funktionelle Gruppen. Funktionelle Gruppen
bestimmen die Reaktionsweisen organischer Moleküle.
•
Wichtige funktionelle Gruppen in der organischen Chemie:
R NH2
R NH–R´
R´
R N
R´´
O
R OH
O
R NO
R
R NO2
R CN
R
O
R F
O
R Cl
R´
R Br
O
O
R
NR´R´´
OH
OH
R
H
O
R O P
R OR´
R
R
OH
R SH
R I
OR´
Cl
R SR´
R SO3H
11
•
Beispiele:
O
OH
” O
O
N
“
OH
OH OH
NH2
COOH
HOOC
COOH
HO COOH
HO
O
HO
HO
•
Heteroatome oder funktionelle Gruppen werden oft auch als
Substituenten bezeichnet (weil sie formal ein oder mehrere H-Atome
ersetzen).
12
1.5. Ladungsverteilung in Organischen Molekülen
− Mesomerie
•
Kovalente Bindungen zwischen zwei C-Atomen sind unpolar!
•
Kovalente Bindungen zwischen Kohlenstoff und Heteroatomen sind
mehr oder weniger polar! (Elektronegativitätsunterschied!!)
•
Eine einzige Lewis-Formel (Valenz-Strich-Formel) kann polare
Bindungen nicht beschreiben.
•
Deshalb haben Heisenberg und Ingold das Konzept der Mesomerie
entwickelt: man beschreibt die Ladungsverteilung in einem
organischen Molekül mit Hilfe von mehreren Mesomeren
Grenzstrukturen (die keine reale Existenz haben!!!). Die Überlagerung
aller möglichen mesomeren Grenzstrukturen eines Moleküls ergibt die
reale Ladungsverteilung des Moleküls. Dabei gewichtet man die
einzelnen mesomeren Grenzformeln entsprechend ihrer Stabilität.
•
Mesomere Grenzformeln kann man durch Verschieben von
π-Elektronenpaaren ineinander umwandeln („Elektronenschieben“;
die Richtung wird von Elektronenschiebepfeilen angedeutet).
13
–0,5
O
+0,1
+0,3
H
H
O
O
”
“
Mesomere Grenzformeln
H
H
H
H
Reale Ladungsverteilung
O
–0,5
+0,5
Überlagerung 1:1
•
Durch Überlagerung zweier mesomerer Grenzformeln von Aceton
wird die reale Ladungsverteilung relativ gut beschrieben.
•
Wichtig: um mesomere Grenzformeln zu erhalten, werden
Elektronenpaare immer vom Bindungspartner mit kleiner EN zum
Bindungspartner mit großer EN verschoben.
•
Wichtig: die EN im PSE gelten nur für neutrale Atome!!! Anionen
haben kleinere EN, Kationen haben größere EN als Neutralteilchen.
14
•
Mesomere Grenzformeln sind in der OC extrem wichtig, um die
Ladungsverteilung in den Molekülen und damit deren physikalische
und chemische Eigenschaften abzuschätzen
•
Physikalische Eigenschaften: Siedepunkt, Schmelzpunkt, Löslichkeit,
Farbe usw.
•
Chemische Eigenschaften: Struktur, Reaktivität
1
1
6
2
6
2
5
3
5
3
4
4
Mesomere Grenzformeln
•
Mesomerie erklärt bei Benzol, warum alle
Bindungen gleich lang sind (139 pm).
•
Mesomerie ist generell wichtig für die
Struktur von Molekülen und für
Reaktivitäten und Reaktionsmechanismen.
Überlagerung 1:1
15
1.6. Ladungsverteilung in Organischen Molekülen
Induktive und Mesomere Effekte
•
Mesomerie beschreibt das Verschieben von π-Elektronenpaaren
innerhalb eines Moleküls. Was macht man, wenn man keine πElektronenpaare hat?
•
Man berücksichtigt Elektronenverschiebungen über σ-Bindungen.
Diese finden auf Grund von Elektronegativitätsunterschieden der
beteiligten Bindungspartner statt.
•
Definition: Zieht ein Substituent in einem Molekül σ-Elektronen zu
sich und wird dadurch negativ polarisiert, dann übt dieser Substituent
einen Negativen Induktiven Effekt (kurz: −I-Effekt; lies: Minus-I-Effekt)
auf das Molekül aus. Schiebt ein Substituent in einem Molekül σElektronen von sich und wird dadurch positiv polarisiert, dann übt
dieser Substituent einen Positiven Induktiven Effekt (kurz: +I-Effekt;
lies: Plus-I-Effekt) auf das Molekül aus.
•
Die Auswirkung von Induktiven Effekten auf einzelne Atome des
Moleküls ist um so größer, je weniger σ-Bindungen zwischen
Substituent und betrachtetem Atom liegen.
16
•
Beispiel: pKS-Werte von Chlorbuttersäuren
COOH
COOH
Cl
COOH
Cl
pKS
4,8
2,9
4,1
Cl
COOH
4,5
•
Die Cl-Atome polarisieren die OH-Gruppe der Säuren um so
schwächer, je weiter sie entfernt sind. Der −I-Effekt nimmt ab.
•
Beispiel: pKS-Werte von Chloressigsäuren
COOH
Cl
COOH
Cl
pKS
•
4,7
1,3
Cl
COOH
Cl Cl
0,8
Je mehr Cl-Atome am gleichen C-Atom sitzen, um so stärker ist der
−I-Effekt.
17
•
Definition: Zieht ein Substituent in einem Molekül π-Elektronen oder
n-Elektronen zu sich und wird dadurch negativ polarisiert, dann übt
dieser Substituent einen Negativen Mesomeren Effekt (kurz: −MEffekt; lies: Minus-M-Effekt) auf das Molekül aus. Schiebt ein
Substituent in einem Molekül π-Elektronen oder n-Elektronen von sich
und wird dadurch positiv polarisiert, dann übt dieser Substituent einen
Positiven Mesomeren Effekt (kurz: +M-Effekt; lies: Plus-M-Effekt) auf
das Molekül aus.
•
Die Auswirkung von Mesomeren Effekten auf einzelne Atome des
Moleküls ist um so größer, je weniger π-Bindungen zwischen
Substituent und betrachtetem Atom liegen.
•
Mesomere Effekte sind immer stärker als induktive Effekte.
Wichtig: Mesomere Effekte hängen nicht von der Elektronegativität
ab!!!
O
H
”
H
O“
H
O“
H
O“
δ+ O
”
”
δ–
H
δ–
δ–
18
2.
Reaktive Teilchen in der Organischen Chemie
2.1. Säuren und Basen
•
Eine Brönstedt-Säure ist eine Verbindung, die H+ abgeben kann.
•
Wichtige Brönstedt-Säuren, die in der Organischen Chemie
angewendet werden:
CH3 COOH
CH3
CF3 COOH
SO3H
CH3 SO3H
HOOC COOH
CF3 SO3H
HO COOH
HOOC
COOH
O
HO S OH
O
H Cl
O
HO N “
O ”
O
HO
P
OH
OH
19
•
Eine Brönstedt-Base ist eine Verbindung, die H+ aufnehmen kann.
•
Wichtige Brönstedt-Basen, die in der Organischen Chemie
angewendet werden:
LiOH
NaOMe
NH3
NaOH
NaH
NaOEt
NEt3
KOH
NaNH2
KOtBu
HNiPr2
secBuLi
tert.BuLi
LDA
nBuLi
•
CaH2
N
H
N
Vorsicht! Die eigentlichen Basen sind OH−, NH2−, H−, nBu− usw.
20
•
Eine Lewis-Säure ist ein Elektronenpaar-Acceptor.
•
Wichtige Lewis-Säuren, die in der Organischen Chemie angewendet
werden:
LiCl
MgCl2
BF3
BCl3
SnCl2
TiCl4
LiBr
MgBr2
AlCl3
BBr3
SnCl4
ZrCl4
FeCl3
ZnCl2
Al(OR)3
•
Wichtig: die eigentliche Lewis-Säure ist das Metall-Ion!
•
Eine Lewis-Base ist ein Elektronenpaar-Donor.
•
Wichtige Lewis-Basen, die in der Organischen Chemie angewendet
werden:
–
H2O
HOR
R3N
Cl
OH–
OR–
R3P
Br
R2O
–
I–
SR–
R2S
21
2.2. Nucleophile und Elektrophile
•
Ein Nucleophil (Nu−) ist ein „kernsuchendes“ Teilchen. Nucleophile
sind entweder Anionen oder Neutralverbindungen mit einem oder
mehreren Atomen mit negativer Partialladung. Die meisten BrönstedtBasen und Lewis-Basen sind auch Nucleophile. Eine Ausnahme
bilden Basen mit sehr großen Substituenten, wie z.B. LDA.
•
Generell gilt: Alle Nucleophile sind auch Basen, aber nicht alle Basen
sind Nucleophile!
C N
H
N H
H
H
”N H
H
O
H
” COOR
H
COOR
R1
N H
H
R1
”N H
R
O
H
”
R
δ”
LI
δ“
δ“
Mg
δ”
Br
1
N R
H
H O
R O
2
R1
N R2
R3
H
S
H
”
R
O H
H S
R
S
H
O
1
R
” N R2
”
R1
S
R S
O
”
Cl
Br
O
R
S H
R2
O
R
”
I
”
”
”
O
”
R
S
”
22
•
Ein Elektrophil (E+) ist ein „elektronensuchendes“ Teilchen.
Elektrophile sind entweder Kationen oder Neutralverbindungen mit
einem oder mehreren Atomen mit positiver Partialladung. Die meisten
Brönstedt-Säuren und Lewis-Säuren sind auch Elektrophile.
O
+
H
R
O
H
N
R´
R
H
R1
R
“
R3
2
•
R1
R2
N
1
R
O
O
1
R
2
OR
R
Cl
R´
2
R C N
R
“
N O
“
O N O
Extrem wichtig: Elektrophile reagieren immer mit Nucleophilen!!!
Dadurch lassen sich > 95% aller Reaktionen in der organischen
Chemie beschreiben.
23
2.3. Carbanionen, Radikale und Cabokationen
•
Ein Carbanion ist ein Ion mit einer negativen Ladung an einem CAtom. Carbanionen sind immer basisch und meistens auch
nucleophil.
•
In Carbanionen ist das negativ geladene C sp3-hybridisiert und damit
tetraedrisch (wenn man das freie Elektronenpaar mitzählt) oder
pyramidal (wenn man nur die drei Substituenten betrachtet).
Ausnahme: wenn Mesomerie mit C=C- oder C=X-Doppelbindungen
möglich ist).
H
+
1
R
•
R
2
R
3
-H
R
1
”
2
R
R3
Entfernt man formal ein Elektron aus einem Carbanion (Oxidation!),
dann kommt man zu Radikalen. In Radikalen ist das C-Atom mit dem
ungepaarten Elektron sp3-hybridisiert und damit tetraedrisch bzw.
pyramidal. Ausnahme: wenn Mesomerie mit C=C- oder C=XDoppelbindungen möglich ist).
”
R1 2 R3
R
- e–
•
R1 2 R 3
R
24
•
Ein Carbokation (= Carbeniumion) ist ein Ion mit einer positiven
Ladung an einem C-Atom. Carbeniumionen sind immer elektrophil.
•
In Carbeniumionen ist das positiv geladene C sp2-hybridisiert und
damit trigonal planar.
X
1
R
•
R
2
R3
- X–
R1 “ 3
R
R2
Carbeniumionen sind um so stabiler, je mehr Alkylsubstituenten sie
besitzen. Carbeniumionen sind besonders stabil, wenn die positive
Ladung durch Doppelbindungen oder Phenylringe delokalisiert
werden kann.
“
“
“
“
“
Stabilität von Carbeniumionen nimmt ab
•
Carbanionen, Radikale und Carbeniumionen sind sehr reaktive
Teilchen, die überwiegend nur als reaktive Zwischenstufen bei
organischen Reaktionen auftreten.
25
3.
Alkane
3.1. Offenkettige Alkane
•
Offenkettige Alkane sind gesättigte Kohlenwasserstoffe mit der
allgemeinen Summenformel CnH2n+2.Die C-Atome sind sp3-hybridisiert
und nur über σ-Bindungen miteinander verbunden.
H
•
Das einfachste Alkan ist das Methan CH4.
•
Das Alkan mit 2 C-Atomen ist das Ethan C2H6.
•
Vom Ethan gibt es 2 verschiedene Formen, die durch Drehen der
beiden CH3-Gruppen um die Einfachbindung ineinander überführbar
sind. Beide Forman haben dieselbe Summenformel, aber
unterschiedliche räumliche Struktur.
•
Definition: Moleküle mit der gleichen Summenformel, aber
unterschiedlicher Strukturformel, nennt man Isomere.
•
Definition: Isomere, die durch Drehen eines Teils des Moleküls um
eine C-C-Einfachbindung ineinander überführbar sind, nennt man
26
Konformationsisomere.
H
H
H
H H
H C C H
H H
•
•
•
Um Konformationsisomere zu zeichnen,
gibt es die Newman-Projektion. Man
betrachtet dabei das Molekül entlang der
C-C-Einfachbindung, um die gedreht
wird. Das vordere C-Atom wird als Punkt
gezeichnet, das hintere als Kreis.
Die Konformation, bei der die H-Atome
(oder allgemein irgendwelche
Substituenten) „auf Lücke“ stehen, nennt
man gestaffelte Konformation (engl.:
staggered). Die Konformation, bei der die
H-Atome „auf Deckung“ stehen, nennt
man ekliptische Konformation (engl.:
eclipsed).
In der ekliptischen Konformation kommen
sich die Wasserstoffe so nah, dass sie
sich „gegenseitig spüren“. In der OC
nennt man diese Wechselwirkung
sterische Hinderung.
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
HH
H
H
HH
gestaffelt
ekliptisch
geringe
sterische
Hinderung
größere
sterische
Hinderung
stabilere
Konformation
weniger
stabile
Konformation
Über 99% aller Ethanmoleküle
liegen bei RT in der
gestaffelten Konformation vor.
27
•
•
Das Alkan mit 3 C-Atomen heißt Propan C3H8.
Auch von Propan und allen höheren Alkanen
gibt es Konformationsisomere. Die stabilste
Form ist die, in der möglichst viele Atome
gestaffelt sind. ⇒ zick-zack-Form.
Das nächst höhere Alkan ist das Butan C4H10.
Vom Butan gibt es neben den Konformationsisomeren noch zwei weitere Isomere, die sich
bzgl. der Verknüpfung der C-Atome
unterscheiden.
•
Definition: Isomere, die sich durch die
Verknüpfung von Atomen unterscheiden, nennt
man Konstitutionsisomere.
•
Von allen höheren Alkanen gibt es sowohl
Konformationsisomere als auch
Konstitutionsisomere.
•
Das nächst höhere Alkan ist das Pentan C5H12.
Es gibt folgende Konstitutionsisomere: nPentan, i-Pentan, neo-Pentan.
HH
H
H
HH HH
n-Butan
(normal)
i-Butan
(iso)
n-Pentan
i-Pentan
neo-Pentan
28
•
Das nächst höhere Alkan ist das
Hexan C6H14. Es gibt n-Hexan, i-Hexan,
3-Methyl-pentan, 2,3-Diomethylbutan und
neo-Hexan (2,2-Dimenthylbutan).
•
Die nächst höheren Alkane sind Heptan
C7H16, Octan C8H18, Nonan C9H20, Decan
C10H22 usw.
•
Entfernt man formal von den Alkanen ein
H-Atom, dann kommt man zu den AlkylResten (mit den entAlkan
sprechenden stereoMethan CH4
chemischen BezeíchEthan CH3–CH3
nungen n-, iso-, neo-).
•
Alkane und Alkylgruppen
bilden eine homologe
Reihe = zwei aufeinanderfolgende Glieder unterscheiden sich um CH2.
Alkylrest
Methyl CH3–
Ethyl CH3–CH2-–
n-Propan CH3CH2CH3
n-Propyl CH3CH2CH2–
Butan
Butyl
Pentan
Pentyl
Hexan
Hexyl
Heptan
Heptyl
….
….
29
3.2. Cycloalkane
•
Cycloalkane sind gesättigte ringförmige Kohlenwasserstoffe mit der
allgemeinen Summenformel CnH2n.
....
Cyclopropan
•
•
Cyclobutan
Cyclopentan
Cyclohexan
Cycloheptan
Cyclopropan ist eben, der Bindungswinkel beträgt
60° ⇒ hohe Ringspannung (= Baeyer-Spannung).
Alle H-Atome stehen
ekliptisch ⇒ hohe sterische Hinderung (bei
Ringen = Pitzer-Spannung).
Cyclobutan weicht der Baeyer-Spannung und der
Pitzer-Spannung teilweise aus, indem es eine
gewinkelte Konformation einnimmt
(Schmetterling-Konformation).
................
H
H H
H
H
H
H
H
H
H
H H
H
H
30
•
Cyclopentan hat die geringste Baeyer-Spannung
und weicht der in einem ebenen 5-Ring
auftretenden Pitzer-Spannung dadurch aus, dass
es eine Briefumschlag-Konformation annimmt.
•
Cyclohexan ist nicht eben. Es existiert in zwei
spiegelbildlichen Sesselkonformationen, die sich
leicht ineinander umwandeln können. Dabei wird
u.a. die Wannenkonformation durchlaufen. Die
Wannenkonformation ist weniger stabil als die
Sesselkonformationen. Wichtig: es gibt 2 Arten von
H-Atomen in der Sessel-Konformation von Hexan:
solche, die axial stehen (ax) und solche, die
equatorial stehen (eq).
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
120°
ax
ax
eq ax
eq
f
eq
eq
ax eq
ax
ax
eq
eq
eq
ax
ax
f
eq
eq
eq
ax
ax
ax
ax
eq
eq eq
eq
ax
ax
eq
eq eq
ax
ax
31
•
Zwischen den axialen Substituenten treten
sogenannte 1,3-diaxiale Wechselwirkungen auf,
die diese Positionen destabilisieren. Deshalb
bevorzugen substituierte Cyclohexane diejenige
Sesselkonformation, bei der der Substituent
equatorial steht.
ax
ax
eq ax
eq
eq
eq
eq
ax eq
ax
ax
CH3
CH3
•
Cyclohexanderivate spielen in der Natur eine sehr große Rolle.
Dabei kommt ein Cyclohexanring oft nicht einzeln vor, sondern
bildet zusammen mit anderen Ringen kondensierte Ringsysteme.
C
A
B
D
Hβ
Hβ Hβ
Hα Hα
Hα
32
3.2. Radikalische Substitution von Alkanen
•
Die wichtigste Reaktion der Alkane ist die Radikalische Substitution
SR mit Chlor und Brom.
•
Bei radikalischen Substitutionen wird ein H durch ein reaktionsfähiges
Radikal ersetzt.
hν
Cl Cl
H
H
H
H
H
H
H
•
H
H
H
H
H
•
H
H
H
H
H
H
H
H
•
H
H
•
H
•Cl
- HCl
Cl Cl
- Cl•
Startreaktion (Kettenstart)
2 Cl•
H
H
•
H
H
H
H
H
H
Propagation (Kettenreaktion)
Cl
H
H
H
H
H
H
•Cl
H
H
H
Abbruchreaktion (Radikalkombination)
Cl
H
33
•
Auf diese Weise erhält man aus Alkanen Chloralkane = Alkylchloride
und Bromalkane = Alkylbromide, die als Ausgangsmaterialien für viele
andere organische Verbindungen wichtig sind.
•
Mit elementarem Fluor verläuft die Reaktion explosionsartig,
elementares Iod reagiert nicht (insgesamt endotherme Reaktion!).
•
Man erhält generell Produktgemische, die meist destillativ getrennt
werden.
34
4.
Halogenalkane
4.1. Struktur der Halogenalkane
•
Halogenalkane erhält man z.B. aus Alkanen durch radikalische
Chlorierung oder radikalische Bromierung.
CH4
CH3–CH3
Cl2
Cl2
CH3Cl
CH2Cl2
+
CH3–CH2Cl
+
+
CH3–CHCl2
CHCl3
+
+ CCl4
ClCH2–CH2Cl
+ ....
•
Sie werden bezeichnet durch den Namen des Alkylrestes mit der
Endung –chlorid, -bromid usw. oder durch die Vorsilbe Chlor-, Bromusw. und die Endung des entsprechenden Alkans.
•
CH3Cl = Methylchlorid = Chlormethan; CH3−CHBr2 = 1,1-Dibromethan
= Ethylidenbromid; ClCH2−CH2Br = 1-Brom-2-Chlor-ethan
•
In Halogenalkanen ist die C-Hal-Bindung in Abhängigkeit der
Elektronegativität des Halogens (−I-Effekt) mehr oder weniger stark
polarisiert. Dadurch bekommt der Kohlenstoff eine positive
Partialladung und wird elektrophil (wichtig für Reaktionen der
35
Alkylhalogenide).
•
Wichtige Halogenalkane sind Methyliodid CH3I, Ethyliodid CH3-CH2I,
Dichlormethan CH2Cl2, Chloroform CHCl3, Dichlordifluormethan
CCl2F2 (Frigen), 1-Brom-1-Chlor-2,2,2-trifluorethan CHBrCl-CF3
(Halothan) und viele andere.
•
Komplizierteres Beispiel: Chlorbutan C4H9Cl. Zur Summenformel
C4H9Cl gibt es verschiedene mögliche Strukturformeln (= Isomere).
Cl
1-Chlorbutan
Cl H
2-Chlorbutan
H Cl
2-Chlorbutan
•
Es gibt zwei Isomere von 2-Chlorbutan. Grund: Das C-Atom 2 in
2-Chlorbutan ist ein asymmetrisches C-Atom.
•
Definition: Ein C-Atom mit 4 verschiedenen Subsstituenten nennt
man asymmetrisches C-Atom.
•
Definition: Isomere mit definierter Konstitution, die sich bzgl. der
räumlichen Anordnung der Substituenten an einem asymmetrsichen
C-Atom unterscheiden, nennt man Konfigurationsisomere.
36
•
Die beiden Konfigurationsisomere von 2-Chlorbutan verhalten sich
zueinander wie Bild und Spiegelbild, die man aber nicht zur Deckung
bringen kann.
•
Definition: Moleküle, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten, sich
aber nicht zur Deckung bringen lassen, sind chiral. Allgemein:
Chiralität ist die Eigenschaft von Gegenständen (auch Molekülen!),
nicht mit ihrem Spiegelbild identisch zu sein.
„Bild“
Cl H
Cl H
„Spiegelbild“
Enantiomere
•
Definition: „Bild“ und „Spiegelbild“ nennt man Enantiomere.
Enantiomere sind Konfigurationsisomere, die sich nicht mit ihrem
Spiegelbild zur Deckung bringen lassen.
•
Zur Bestimmung der Konfiguration von asymmertischen C-Atomen
haben Cahn, Ingold und Prelog die sogenannte Sequenzregel
entwickelt.
37
•
Sequenzregel: Man ordnet jedem Substituenten an einem
asymmetrischen C-Atom eine Rangordnung zu, die sich aus der
Ordnungszahl der Atome der Substituenten ergibt. Nun orientiert man
das Molekül so, dass der rangniedrigste Substituent nach hinten
zeigt. Man sieht einen „Merzedes-Stern“, bei dem man sich nun vom
ranghöchsten zum rangniedrigsten Substituenten bewegen muss.
Erfolgt diese Bewegung im Uhrzeigersinn, dann besitzt das
asymmetrische C-Atom R-Konfiguration, erfolgt diese Bewegung im
Gegenuhrzeigersinn, dann besitzt das asymmetrische C-Atom SKonfiguration.
S-2-Chlorbutan
•
Cl H
Cl H
S
R
R-2-Chlorbutan
Enantiomere sind nicht identisch und haben unterschiedliche
Eigenschaften in chiraler Umgebung! In achiraler Umgebung sind alle
Eigenschaften der beiden Enantiomere gleich, wenn sie nicht von der
38
Raumrichtung abhängen.
•
Chirale Verbindungen sind optisch aktiv, d.h. sie drehen die Ebene
des linear polarisierten Lichts um einen bestimmten Winkel α.
•
Das eine Enantiomer dreht die Ebene des linear polarisierten Lichts
nach rechts (+), das andere Enantiomer nach links (−).
•
Wichtig: (+) und (-) haben nichts mit R und S zu tun!!!
•
Definition: Eine 1:1-Mischung von zwei Enantiomeren nennt man
Racemat. Racemate sind optisch inaktiv.
•
Wichtig: die meisten Biomoleküle (Aminosäuren, Zucker, DNA usw.)
sind chiral und optisch aktiv. Racemate treten in der Natur höchst
selten auf!!!
39
•
Noch komplizierteres Beispiel: 2-Brom-3-Chlorbutan.
Cl H
H Cl
Enantiomere
BrH
H Br
Diastereomere
Cl H
H Br
H Cl
Enantiomere
BrH
•
Alle Konfigurations- und Konformationsisomere fasst man zu den
Stereoisomeren zusammen. Stereoisomere kann man auch
unterteilen in Enantiomere und Diastereomere. Enantiomere sind
Stereoisomere, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten, sich aber
nicht zur Deckung bringen lassen. Diastereomere sind alle anderen
Stereoisomere.
•
Enantiomere und Diastereomere treten bei Aminosäuren und Zuckern
auf.
40
4.2. Reaktionen der Halogenalkane
•
Die Halogene ziehen auf Grund von ihrem −IEffekt Ladung von den benachbarten C-Atomen
ab. Dadurch erhalten diese C-Atome eine
positive Partialladung und werden elektrophil
und können mit Nucleophilen reagieren.
δδδ+
δ+ δ–
δδ+
X
X = F, Cl, Br, I
4.2.1. Nucleophile Substitution SN
•
Wenn man Alkylhalogenide mit Nucleophilen reagieren lässt, dann
wird das Halogenid durch das Nucleophil ersetzt. Solche
„Ersetzungsreaktionen“ bezeichnet man als Nucleophile Substitution
SN.
•
Beispiel: Williamson-Ether-Synthese
O
H
+ Na
- H2
Abgangsgruppe
”
O
“
Na
Nucleophil
= Edukt 1
I
”
-I
Elektrophil
= Edukt 2
O
Produkt
41
•
Es gibt 2 Arten von SN-Reaktionen: SN1 und SN2.
•
SN1-Reaktionen (Nucleophile Substitution 1. Ordnung) verlaufen
nach einem Zeitgesetz 1. Ordnung.
vR = k [ R − X ]
•
Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt also nur von der Konzentration
des Elektrophils (hier: Alkylhalogenid) ab. D.h., der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist der Bruch der C-X-Bindung.
- X”
Allgemeiner SN1Mechanismus
•
R
X
langsam
Bei SN1-Reaktionen tritt als Zwischenstufe immer ein Carbeniumion auf!
Reaktive Zwischenstufen können
prinzipiell isoliert werden.
Zwischenstufen sind lokale Minima im
Reaktionsprofil!
R
+ Nu”
“
R
schnell
Nu
Zwischenstufe
R
R
X + Nu
”
“
R
”
Nu + X
42
•
Eine SN1-Reaktion läuft nur ab, wenn ein stabiles Carbeniumion als
Zwischenverbindung auftritt und eine gute Abgangsgruppe vorliegt.
“
“
“
“
“
Stabilität von Carbeniumionen nimmt ab
•
SN1-Reaktion verlaufen um so leichter, je besser die Abgangsgruppe
das Molekül verlässt. Die „Güte“ einer Abgangsgruppe nennt man
Nucleofugie.
RN2“
ROSO2CF3
ROSO2CH3
ROSO2
CH3
RI
RBr
ROH2“
Nucleofugie nimmt ab
RCl
“
RORH
“
RNR3
RF
ROOCR´
ROH
ROR´
RNH2
Nucleofugie nimmt ab
•
Wichtig: man kann schlechte Abgangsgruppen durch Protonieren in
43
gute Abgangsgruppen umwandeln.
•
SN2-Reaktionen (Nucleophile Substitution 2. Ordnung) verlaufen
nach einem Zeitgesetz 2. Ordnung.
vR = k[ R − X ][ Nu ]
•
Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt also sowohl von der
Konzentration des Elektrophils (hier: Alkylhalogenid) als auch der
Konzentration des Nucleophils ab. SN2-Reaktionen bestehen nur aus
einem Schritt mit Rückseitenangriff!
HH
Allgemeiner SN2Mechanismus
R
X
H
”
+ Nu
Nu
H
HH
X
R
- X”
Nu
R
Übergangszustand
•
Bei SN2-Reaktionen tritt nur ein
Übergangszustand auf, der nicht
isoliert werden kann.
Übergangszustände sind Maxima im
Reaktionsprofil und können niemals
isoliert werden!
44
•
Eine SN2-Reaktion läuft nur ab, wenn kein stabiles Carbeniumion als
Zwischenverbindung auftreten kann und wenn ein gutes Nucleophil
an der Reaktion teilnimmt.
•
Die „Güte“ (Stärke) eines Nucleophils nennt man Nucleophilie. Für
häufig verwendete Nucleophile findet man folgende Reihenfolge:
RSe”
RS”
CN”
I”
PhNH2
OH”
N3”
Pyridin
Br”
PhO”
AcO”
Cl”
F”
NO3”
H2O
Nucleophilie nimmt ab
•
Aus experimentell bestimmten Reaktionsgeschwindigkeiten bei SN2Reaktionen kann man folgende allgemeine Regeln ableiten:
1) Ein Nucleophil mit einer negativen Ladung ist besser als seine
konjugierte Säure.
2) Im Periodensystem nimmt die Nucleophilie innerhalb einer Periode
von links nach rechts ab (genauso wie Basizität).
3) Im Periodensystem nimmt die Nucleophile innerhalb einer Gruppe
von oben nach unten zu (umgekehrt zur Basizität).
4) Je größer die Substituenten in einem Nucleophil sind, um so
geringer ist die Nucleophile.
45
•
Die häufigsten Nucleophile in der Biochemie sind H2O, R-NH2 und RSH. Die häufigsten Abgangsgruppen in der Biochemie sind H2O,
R-NH2, R-SHund vor allem PO43−.
•
Komplizierteres Beispiel:
Cl H
•
=
H
Cl
O-H
HO
Cl
H
– Cl
”
HO
H
Setzt man z.B. enantiomerenreines S-2-Chlorbutan bei einer SN2Reaktion ein, dann erhält man R-2-Butanol. Bei der SN2-Reaktion
kehrt sich durch den planaren Übergangszustand die Konfiguration
am asymmetrischen C-Atom um! Dies bezeichnet man nach ihrem
Entdecker als Walden´sche Umkehr.
46
4.2.2. Eliminierung E
•
Wenn man Alkylhalogenide mit Basen reagieren lässt, dann wird
Halogenwasserstoff aus dem Molekül abgespalten. Solche
Abspaltungsreaktionen nennt man Eliminierungen E.
•
Beispiel:
”
HH
O
K“
Br
HH
- KBr
- HO
•
Es gibt 3 Arten von Eliminierungen: E1, E2 und E1cB.
•
Bei E1-Eliminierungen dissoziiert zuerst die Abgangsgruppe (hier:
Halogenid-Ion) ab und es bildet sich ein Carbeniumion. Dies ist der
geschwindigkeitsbestimmende Schritt, so dass die E1-Eliminierung
auch einem Zeitgesetz 1. Ordnung gehorcht.
vR = k [ R − X ]
47
•
Aus dem Carbeniumion wird dann von einer Base ein H+ entfernt, so
dass sich eine Doppelbindung ausbildet.
H
”
B
Allgemeiner E1Mechanismus
- BH
XH
”
H
HH HH
-X
H
“
H
HH
H
H
HH HH
Zwischenstufe
H
B”
- BH
H
H
HH
•
Man erhält Produktgemische, bei denen i.d.R. das Produkt mit der
stabileren Doppelbindung überwiegt (vgl. Kap. 5)
•
Bei E2-Eliminierungen verläuft die Reaktion nach einem Zeitgesetz 2.
Ordnung über einen Übergangszustand, den man nicht isolieren
kann! Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt von der Konzentration des
Alkylhalogenids und von der Konzentration der Base ab.
vR = k[ R − X ][ B ]
48
•
Die C-H- und die C-X-Bindung werden gleichzeitig gebrochen. Man
spricht von einem Synchronmechanismus oder von einem
konzertierten Prozess. Wichtig: H und X müssen antiperiplanar
angeordnet sein.
Allgemeiner E2Mechanismus
B
H
XH
H
HH HH
Rotation
um C-CBindung
H
X
H
B”
H
H
H
H
X
- BH
H
Übergangszustand
•
Auch hier erhält man Produktgemische, bei denen i.d.R. das Produkt
mit der stabileren Doppelbindung überwiegt (vgl. Kap. 5)
•
Bei E2-Eliminierungen verläuft die Reaktion nach einem Zeitgesetz 2.
Ordnung über einen Übergangszustand, den man nicht isolieren
kann! Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt von der Konzentration des
Alkylhalogenids und von der Konzentration der Base ab.
49
•
Für E1cB-Eliminierungen wird im Molekül noch eine stark
elektronenziehende Gruppe (−M-Effekt) benötigt. Dann kann ein
Proton durch eine Base abstrahiert werden und das entstehende
Carbanion wird mesomeriestabilisiert. Im nächsten Schritt wird ddann
die Abgangsgruppe abgespalten.
X
Allgemeiner E1cBMechanismus
•
O
”
B
X
O
R
HH
”
R
H
O
- X”
R
H
Biochemische Eliminierungen verlaufen häufig nach einem E1cBMechanismus.
50
5.
Alkene
5.1. Struktur der offenkettigen Alkene
•
Offenkettige Alkene sind ungesättigte Kohlenwasserstoffe mit einer
Doppelbindung (vgl. Kap. 1.3., Folie 8). Allgemeine Summenformel:
CnH2n. Die C-Atome der Doppelbindung sind sp2-hybridisiert.
•
Der Name der Alkene leitet sich von der Vorsilbe für das
entsprechende Kohlenstoffgerüst ab ( Eth, Prop, But, Pent,...) und der
Endung –en für Alken.
H
H
•
Das einfachste Alken ist das Ethen C2H4.
•
Das nächsthöhere Alken ist das Propen C3H6.
•
Vom Buten C4H8 gibt es mehrere Isomere.
Die Doppelbindung kann zwischen den CAtomen 1 und 2 liegen oder zwischen den
C-Atomen 2 und 3. 1-Buten und 2-Buten sind
Konstitutionsisomere (speziell: Regioisomere).
Ein zusätzliches Konstitutionsisomer ist das
Isobuten (2-Methyl-propen).
H
H
H2C CH CH2 CH3
1-Buten
H3C CH
CH CH3
2-Buten
Isobuten
51
•
Vom 2-Buten gibt es zwei Isomere, die
sich bezüglich der Stellung der Methylcis-2-Buten
Gruppen an der Doppelbindung untercis-transscheiden. Das Isomer, bei dem die beiden
Isomere
Methylgruppen auf derselben Seite liegen,
heißt cis-2-Buten, das Isomer mit den
trans-2-Buten
Methylgruppen auf unterschiedlichen Seiten
heißt trans-2-Buten. cis- und trans-2-Buten kann man nicht durch
Drehen um die Doppelbindung ineinander überführen! Um cis-2Buten in trans-2-Buten umzuwandeln, muss man die π-Bindung
brechen. Dies kann man durch Bestrahlen mit UV-Licht erreichen.
hν
•
•
•
•
•
Definition: Isomere mit definierter Konstitution, die sich in der
räumlichen Anordnung von Substituenten um ein starres Molekülgerüst (Doppelbindung, Ring, C-Atom) unterscheiden, nennt man
Konfigurationsisomere.
•
cis- und trans-Isomere sind Konfigurationsisomere. Oft spricht man
52
auch von geometrischen Isomeren.
•
Wichtig: Konfigurationsismere lassen sich nur durch Brechen und
Neuknüpfen von Bindungen ineinander umwandeln.
•
Von allen höheren offenkettigen Alkenen gibt es ebenfalls cis-transIsomere (neben den Konstitutionsismeren).
•
cis- und trans-Isomere haben unterschiedliche Eigenschaften
(Siedepunkte, Schmelzpunkte, Löslichkeit, Reaktivität, Stabilität
usw.). trans-Isomere sind stabiler als cis-Isomere!
H
Sterische Hinderung
•
H
H
H
H H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
Keine sterische
Hinderung
Auch die unterschiedlichen Konstitutionsismere von Alkenen sind
unterschiedlich stabil. Endständige Doppelbindungen sind weniger
stabil als innere Doppelbindungen. Grund: Hyperkonjugation.
Stabilität nimmt ab
53
•
Beispiel für ein kompliziertes Alken:
H3C
Cl
HOOC
Cl
HOOC
H
H3C
H
•
Sind das cis-trans-Isomere? Es sind sicher Konfigurationsisomere
(speziell: geometrische Isomere), aber die Bezeichnungen cis und
trans kann man nur für 1,2-disubstituierte Doppelbindungen mit zwei
gleichen Substituenten verwenden.
•
Für höher substituierte Alkene: Z/E-Nomenklatur.
•
Nach Cahn, Ingold und Prelog wird den beiden Substituenten an
jedem C-Atom der Doppelbindung eine Rangfolge zugeordnet. Der
Rang eines Substituenten ergibt sich aus der Ordnungszahl der
Atome. Liegen die beiden ranghöchsten Substituenten auf derselben
Seite der Doppelbindung, dann besitzt die Doppelbindung ZKonfiguration (Z = zusammen), liegen die beiden ranghöchsten
Substituenten auf entgegengesetzten Seiten der Doppelbindung,
dann besitzt die Doppelbindung E-Konfiguration (E = entgegen).
E-3-Chlor-2-methylpropensäure
2
H3C
1
Cl
HOOC
1
H
2
Rangordnung
1
HOOC
1
Cl
H3C
2
H
2
Z-3-Chlor-2-methylpropensäure
54
5.2. Struktur der cyclischen Alkene
•
Cyclische Alkene haben die allgemeine Summenformel CnH2n-2.
Analog zu den Cycloalkanen gibt es unterschiedliche Ringgrößen.
....
Cyclopropen
•
Cyclobuten
Cyclopenten
Cyclohexen
Cyclohepten
Bis zur Ringgröße 7 können Cycloalkene nur cisDoppelbindungen enthalten. Für Cycloocten gibt
es beide Möglichkeiten.
•
Cyclohexenringe treten in der Natur häufiger auf,
z.B. Cholesterin oder Provitamin-D2 (Ergosterol).
................
H
H
H
H
H
H
HO
H
H
H
H
HO
H
55
5.3. Herstellung der Alkene
•
Alkene kann man generell durch Eliminierung aus substituierten
Alkanen herstellen. Dabei bildet sich immer das stabilste Alken (am
höchsten substituierte Doppelbindung, wenn möglich in der transKonfiguration) bevorzugt, wenn man gute Abgangsgruppen
verwendet. (Regel von Saytzeff). Bei schlechten Abgangsgruppen
bildet sich bildet sich bevorzugt das Produkt mit der weniger stabilen
Doppelbindung (Regel von Hoffmann).
KOtBu
- HCl
Saytzeff-Produkt
Cl
KOtBu
Hoffmann-Produkt
NMe3
“
•
- NMe3
Als Konkurrenzreaktionen zu Eliminierungen können immer auch
Nucleophile Substitutionen ablaufen. Durch Erhitzen und voluminöse
56
Basen begünstigt man die Eliminierung.
•
Man kann auch sauer eliminieren. Dies wird immer bei der
Eliminierung von Alkoholen durchgeführt, weil man OH− nicht basisch
eliminieren kann (ganz schlechte Abgangsgruppe).
OH
H3PO4
•
Man kann auch sauer eliminieren. Dies wird immer bei der
Eliminierung von Alkoholen durchgeführt, weil man OH− nicht basisch
eliminieren kann (ganz schlechte Abgangsgruppe). Durch Protonieren
wird die schlechte Abgangsgruppe OH− in die gute Abgangsgruppe
H2O überführt, die dann nach einem E1-Mechanismus eliminiert.
Derartige Eliminierungen kommen in der Biochemie häufig vor.
•
Weitere Möglichkeiten zur Erzeugung von Doppelbindungen werden
in späteren Kapiteln besprochen.
57
5.4. Reaktionen der Alkene
•
•
Die wichtigsten Reaktionen der Alkene sind Additionsreaktionen.
R1
R3
R2
R4
X–Y
X
R3 4
R
1
R 2
R
Y
Die Substituenten R1 bis R4 beeinflussen die Ladungsdichte der
Doppelbindung. Elektronenreiche Doppelbindungen gehen
elektrophile Additionen ein, elektronenarme Doppelbindungen
reagieren in nucleophilen Additionen.
5.4.1. Elektrophile Additionen AdE
•
Man kann sowohl symmetrische Teilchen X-X als auch unsymmetrische Teilchen X-Y an Doppelbindungen addieren. Die
wichtigsten symmetrischen Teilchen sind Halogene (außer Fluor) und
Wasserstoff. Die wichtigsten unsymmetrischen Teilchen sind H2O,
Halogenwasserstoffsäuren, Alkohole R-OH, Thiole R-SH, Aldehyde
und Ketone.
58
•
Symmetrische Teilchen haben zunächst kein elektrophiles Zentrum.
Bei der Annäherung an eine Doppelbindung erfolgt jedoch eine
Polarisierung auf Grund der Abstoßung der π-Elektronen und der
Elektronen des angreifenden Teilchens. Es bildet sich ein so
genannter π-Komplex. Die gezeigte Brom-Addition wurde lange Zeit
als Nachweis für Alkene verwendet (Brom wird schnell entfärbt).
Br δ”
R1
R2
δ”
R3
R4
Br–Br
R1
R2
Br δ“
δ”
“ Br
R3
R4
Br
3
1
R
R4
R 2
R
π-Komplex
Br
”
R1
R2
R3 4
R
Br
Bromoniumion
−
•
Dann wird aus dem polarisierten Teilchen ein Br abgespalten und
das Br+ im Bromoniumion gebunden. Das abgespaltene Bromidion
greift nun von hinten (SN2) an und öffnet das Bromoniumion zum
trans-Produkt (trans-Addition).
•
Beispiel:
BrH
Br2
H Br
Br
Br
+
59
•
Die Addition von H2 benötigt Katalysatoren, da die π-Bindung von
Alkenen die σ-Bindung im H2-Molekül nicht ausreichend polarisieren
kann (warum?), um einen π-Komplex zu bilden. Als Katalysatoren
verwendet man vorwiegend Ni, Pd, oder Pt.
•
An der Katalysatoroberfläche dissoziiert das H2-Molekül in 2 H-Atome,
die dann auf das Alken übertragen werden können.
H H
H H
•
Pd
•
Pd
•
Pd
•
Pd
•
Pd
•
Pd
H
Pd
H
Pd
•
Pd
•
Pd
H
Pd
H
Pd
Katalysecyclus
H
H
H
Pd
•
H
Pd
Pd
Pd
H
Pd
H
Pd
H
Pd
H
Pd
•
Pd
•
Pd
Wichtig: die katalytische Hydrierung ist eine cis-Addition!
H
Pd
H
Pd
60
•
Die Addition unsymmetrischer Teilchen HX erfolgt an unsymmetrisch
substituierte Doppelbindungen immer so, dass dasjenige C-Atom, das
mehr Hs trägt, den Wasserstoff aus HX bindet, das andere bekommt
die Gruppe X. Wer hat, dem wird gegeben! (Regel von Markownikow).
H3 C
H3 C
•
CH2
H3C
“
H3C
+ H–X
X
”
H3C
CH3
H3C
H3C
X
Moderne Erklärung dafür: Die Reaktion verläuft so, dass sich alös
Zwischenstufe das stabilste Carbeniumion bildet. Das gilt auch für die
Addition von H2O, die allerdings durch katalytische Mengen H2SO4
katalysiert werden muss (warum?).
H3C
H3C
H3C
OH
H2O
kat. H2SO4
H3C
H3C
CH2
HBr
H3C
H3C
H3C
Br
61
5.4.2. Nucleophile Additionen AdN
•
Nucleophile Additionen funktionieren nur gut bei elektronenarmen
Doppelbindungen, also bei Alkenen mit elektronenziehenden
Substituenten.
O
R
“
R´
R
O
– OH
•
”
R
O
”
R´
O
”
O O H
H
O
R
O
O
”
R´
Scheffer-Weitz-Reaktion
R´
In der Biochemie finden nucleophile Additionen an elektronenarme
Doppelbindungen bevorzugt mit Wasser oder Aminen oder Thiolen
als Nucleophilen statt. Additionen von C-Nucleophilen werden in
späteren Kapitel besprochen.
62
5.4.3. Radikalische Additionen AdR
•
Radikalische Additionen verlaufen ebenfalls sehr leicht mit
elektronenreichen Doppelbindungen. Halogenwasserstoffsäuren
lassen sich auch in Gegenwart von Luftsauerstoff radikalisch an
Doppelbindungen addieren. Statt Luftsauerstoff kann man auch einen
Radikalkettenstarter verwenden wie z.B. Dibenzoylperoxid.
• O2•
Br•
H Br
– HOO•
H3C
H3C
•
•Br
CH2
H3C
H3C
•
+ H Br
CH2 Br
– Br•
H3C H
CH2 Br
H3C
Wichtig: Die radikalische Addition von HX verläuft nach AntiMarkownikow. Grund: Reaktion verläuft über das stabilste Radikal als
Zwischenstufe.
63
6.
Alkine
6.1. Struktur der offenkettigen Alkine
•
Offenkettige Alkine sind ungesättigte Kohlenwasserstoffe mit einer
Dreifachbindung (vgl. Kap. 1.3., Folie 8). Allgemeine Summenformel:
CnH2n-2. Die C-Atome der Dreifachbindung sind sp-hybridisiert.
•
Der Name der Alkine leitet sich von der Vorsilbe für das
entsprechende Kohlenstoffgerüst ab (Eth, Prop, But, Pent,...) und der
Endung –in für Alkin.
•
•
•
Das einfachste Alkin ist das Ethin C2H2.
Das nächsthöhere Alkin ist das Propin C3H4.
Vom Propin gibt es noch ein Konstitutionsisomer mit zwei Doppelbindungen: Allen
Vom Butin C4H6 gibt es nur zwei Isomere,
mit einer Dreifachbindung: 1-Butin und 2-Butin.
H3C H2C
H
H3C
H
H
H3C
H
H
•
H
H
H
CH3
64
•
Vom Butin gibt es noch zwei weitere Konstitutionsisomere mit je zwei
Doppelbindungen: Methylallen und 1,3-Butadien.
H3C
HC • CH2
•
Die Doppelbindungen in Allenen nennt man kumuliert, die in 1,3Dienen nennt man konjugiert.
•
Zwei konjugierte Doppelbindungen sind stabiler als zwei kumulierte
Doppelbindungen, weil erstere mesomeriestabilisiert sind (alle 4 CAtome sind sp2-hybridisiert und können miteinander überlappen).
6.2. Struktur der cyclischen Alkine
•
Cyclische Alkine gibt es erst ab einer Ringgröße von 9 C-Atomen.
Das gilt ebenfalls für cyclische Allene. Cyclische Diene gibt es ab 4
Ringgliedern.
65
6.3. Herstellung der Alkine
•
Ethin kann man aus Ethen herstellen, indem man zuerst Brom addiert
und dann zwei mal HBr eliminiert. Ethin ist in reiner Form explosiv.
Br2
•
KOtBu
Br
Br
– 2 HBr
Man kann Ethin auch aus Calciumcarbid CaC2 durch Hydrolyse mit
Wasser erzeugen (früher: Carbidlampen).
CaC2
•
2 H2O
Ca(OH)2 + C2H2
Alle höheren Alkine werden aus Ethin hergestellt. Dabei nutzt man
aus, dass H-Atome von endständigen Dreifachbindungen leicht mit
Basen als H+ abgespalten werden können. Man erhält dann AcetylidAnionen oder sogar Acetylid-dianionen (Carbidionen).
H
H
NaNH2
NH3 fl.
H
”
Na
“
NaNH2
NH3 fl.
Na
“ ”
”
Na
“
66
•
Die Acetylid-Ionen werden z. B. mit Alkylhalogeniden alkyliert.
X
H
”
Na
“
R
R´
R
H
R´
NaNH2
R
NH3 fl.
R´
H
Y
R
”
Na
R´
“
R1
R2
R
R
1
R´
R
2
67
6.4. Reaktionen der Alkine
•
Acetylid-Ionen sind nucleophil. Man kann sie deshalb mit
Elektrophilen umsetzen (Reppe-Reaktionen). Vgl. Kap. 9.
•
Alkine gehen elektrophile Additionen ein. Z. B. kann man HCl
addieren und gelangt dann zu Vinylchlorid.
HCl
H
•
H
H
Cl
H
Vinylchlorid = Ausgangsmaterial für
PVC Polyvinylchlorid
Nucleophile Additionen an Dreifachbindungen funktionieren sowohl
bei elektronenarmen Dreifachbindungen als auch bei
alkylsubstituierten Dreifachbindungen.
R
•
H
R´´ OH
H
O R´´
cat. KOH
R
R´
R´
Als Nucleophile können Alkohole, Thiole, Carbonsäuren u.a.
verwendet werden.
68
•
Die Addition von Wasser erfordert Hg2+-Ionen als Katalysator. Dabei
entsteht zunächst ein Enol, das sofort zum Keton isomerisiert.
2“
Hg
R
2“
Hg
R´
R
R
– Hg
•
2“
H
R
Hg“
R´
H “
O H
R
– H+
R´
O H
“
Hg
R´
O H
H
R´
R
R´
O
Lindlar-Hydrierung: Man kann Alkine mit desaktiviertem Pd und H2
zu cis-Alkenen hydrieren.
R
•
H
O
Pd / Chinolin
R
R'
BaSO4 / H2
H
H
R´
Wenn man nicht-desaktiviertes Pd verwendet, dann erhält man
Alkane (wird nicht als Lindlar-Hydrierung bezeichnet).
69
7.
Aromaten
•
In den Anfängen der organischen Chemie wurden zahlreiche
Verbindungen aus Pflanzen isoliert, die alle einen aromatischen
Geruch gemeinsam hatten. Man bezeichnete diese Verbindungen als
Aromaten und stellt erst sehr viel später fest, dass sie gemeinsame
strukturelle Merkmale besitzen.
7.1. Struktur der wichtigsten Aromaten
•
Die erste genau charakterisierte aromatische Verbindung war Benzol.
Benzol besitzt die Summenformel C6H6 und muss demnach stark
ungesättigt sein. Chemisch verhält es sich aber nicht wie erwartet.
Z.B. wird Brom nicht entfärbt.
•
Von 1862 bis 1872 gab es mehrere Strukturvorschläge für Benzol.
Kekulé 1862
Dewar 1867
Ladenburg 1869
Kekulé 1872
70
•
Heute wissen wir, dass kein Gleichgewicht zwischen den beiden
Strukturen vorliegt. Man muss beide Formeln als mesomere
Grenzformeln ansehen.
Energie
71
•
Im Benzol liegen nicht abwechselnd Doppelbindungen und Einfachbindungen vor, sondern alle Bindungen sind gleich lang:139 pm. Das
entspricht einer 1,5-fach-Bindung. Alle 6 C-Atome sind sp2hybridisiert.
•
Benzol ist um ca. 150 kJ/mol stabiler als ein fiktives Cyclohexatrien
mit alternierenden Einfach- und Doppelbindungen.
•
Inzwischen kennt man sehr viele Aromatische Verbindungen, die sich
alle vom Benzol ableiten und (4n+2) π-Elektronen besitzen.
•
Hückel-Regel: Aromatische Verbindungen besitzen (4n+2) πElektronen. Im einfachsten Fall liegt ein so genanntes aromatisches
π-Elektronensextett vor.
•
Diese π-Elektronen sind cyclisch konjugiert und verleihen dem
Molekül eine besondere Stabilität.
•
Beispiele für substituierte monocyclische Aromaten:
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
CH3
Toluol
o-Xylol
m-Xylol
CH3
p-Xylol
H3C
CH3
Mesitylen
72
OH
OH
OH
OH
OH
OH
OH
Phenol
Brenzkatechin
NO2
NH2
Resorzin
OH
Hydrochinon
COOH
COOH
HO
OH
Phloroglucin
CN
HO
Nitrobenzol
OH
Annilin
CHO
Benzoesäure
CHO
Salicylsäure
Benzonitril
CHO
OCH3
OCH3
Benzylalkohol
Benzaldehyd
Anisaldehyd
OH
Vanillin
Styrol
73
•
Bei zweifach substituierten Benzolen bezeichnet man die
verschiedenen Substitutionsmuster als ortho- (1,2-disubstituiert),
meta- (1,3-disubstituiert) und para- (1,4-disubstituiert).
•
In der Biochemie findet man aromatische Verbindungen oft als
Pflanzeninhaltsstoffe, Farbstoffe, Vitamine und auch als Hormone. Es
gibt auch Aminosäuren, die aromatische Reste enthalten.
•
Polycyclische Aromatische Verbindungen werden gelegentlich in
Pilzen gefunden und sind für Menschen oft wichtige Antibiotika oder
Cytosatika. Solche aromatischen Naturstoffe leiten sich von industriell
wichtigen Grundchemikalien ab.
Naphthalin
•
Azulen
Anthracen
Phenanthren
Aromatische Grundchemikalien werden aus Erdöl, Steinkohlenteer
und Braunkohle gewonnen. Daraus werden dann viele substituierte
Aromaten hergestellt.
74
7.2. Reaktionen von Aromaten
•
Die wichtigsten Reaktionen von Aromaten sind a) die Elektrophile
Aromatische Substitution SEAr und b) die Nucleophile Aromatische
Substitution SNAr.
•
Wichtig: Aromaten reagieren bevorzugt in Substitutionsreaktionen,
weil dabei das aromatische π-Elektronensextett erhalten bleibt.
7.2.1. Elektrophile Aromatische Substitution
•
Auf Grund des aromatischen π-Systems können Aromaten von
Elektrophilen angegriffen werden. Dabei wird immer ein H+ durch ein
Elektrophil ersetzt.
+E
+
E
– H+
75
•
Diese Reaktion läuft in mehreren Teilschritten ab.
1) Das Elektrophil setzt sich locker auf die π-Elektronenwolke und
bildet einen so genannten π-Komplex.
2) Der π-Komplex reagiert weiter zum so genannten σ-Komplex
(Wheland-Komplex), indem das Elektrophil an ein konkretes C-Atom
bindet. Dabei wird vorübergehend der stabile aromatische Zustand
aufgehoben. Der σ-Komplex ist aber mesomeriestabilisiert!
3) H+ wird abgespalten, wobei der stabile aromatische Zustand wieder
hergestellt wird. Das H+ bleibt kurzfristig noch in einem zweiten
π-Komplex gebunden, bevor es das Molekül vollständig verlässt.
HE
+ E+
E
“
“
σ-Komplex
π-Komplex I
E
E
H
π-Komplex II
“
–H
+
76
•
Wenn man bereits von substituierten Aromaten ausgeht, beeinflusst
der bereits vorhandene Substituent die Position der Zweitsubstitution.
a) elektronenschiebende Substituenten erleichtern die Reaktion des
Elektrophils und dirigieren es bevorzugt in ortho- und para-Position.
EDG
+E
EDG
+
EDG
E
+
– H+
E
Reaktion ist
schneller als bei
Benzol; i.d.R.
bildet sich mehr pals o-Produkt.
a) elektronenziehende Substituenten erschweren die Reaktion des
Elektrophils und dirigieren es bevorzugt in meta-Position.
EWG
+
+E
+
–H
EWG
E
Reaktion ist
langsamer als bei
Benzol
77
•
Beispiele für Elektrophile Aromatische Substitutionen.
1) Halogenierung. Halogenierungen erfordern i.d.R. eine LewisSäure als Katalysator (meist FeCl3 oder AlCl3).
Cl
H Cl
Cl Cl
AlCl3
δ” δ“
“
AlCl4”
Cl3Al Cl Cl
– AlCl3
– HCl
2) Friedel-Crafts-Alkylierung. Bei der Friedel-Crafts-Alkylierung
setzt man Alkylhalogenide zusammen mit katalytischen Mengen
einer Lewis-Säure mit Aromaten um.
R
HR
R Cl
AlCl3
δ” δ“
Cl3Al Cl R
“
AlCl4”
– AlCl3
– HCl
Tertiäre Alkylhalogenide reagieren über die freien Carbeniumionen.
78
3) Friedel-Crafts-Acylierung. Bei der Friedel-Crafts-Acylierung setzt
man Carbonsäurehalogenide oder Anhydride zusammen mit
stöchiometrischen Mengen einer Lewis-Säure mit Aromaten um.
Dabei entstehen Aromatische Ketone.
”
AlCl3
O Cl
H
R
O
Cl
AlCl3
R
O
Cl
”
“
Cl3Al O
R
” O
Cl3Al
Cl
R
“
– H“
R
H2O
3“
– Al
– Cl”
4) Vilsmeier-Formylierung. Bei der Vilsmeier-Formylierung werden
Aromaten mit Dimethylformamid und Phosphoroxychlorid POCl3 in
aromatische Aldehyde überführt.
79
Cl
H
“ Me
N
Me
Cl
H
H
NMe2
“
H
O
H2O
5) Nitrierung. Aromaten werden durch Nitriersäure (H2SO4 konz. +
HNO3 konz.) nitriert.
”
O“ ”
HN O
O N O
“
O“ O
N
“
- H“
5) Azokupplung. Aromaten werden durch Diazoniumsalze unterhalb
von 0 °C zu Azoverbindungen gekuppelt.
N N
“
HN N
“
-H
“
N N
80
7.2.2. Nucleophile Aromatische Substitution
•
Elektronenarme aromatische π-Systeme mit geeigneter Abgangsgruppe X können von Nucleophilen angegriffen werden. Dabei wird
die Abgangsgruppe immer durch das Nucleophil ersetzt.
X
Nu
–
+ Nu
EWG
EWG
– X–
•
Für Nucleophile Aromatische Substitutionen gibt es prinzipiell zwei
verschiedene Mechanismen: a) Additions-EliminierungsMechanismus und b) Eliminierungs-Additions-Mechanismus.
•
Additions-Eliminierungs-Mechanismus
Das Nucleophil greift den elektronenarmen Aromaten unter Ausbildung eines σ-Komplexes (Meisenheimer-Komplex) an der Position
an, an der die Abgangsgruppe sitzt. Dabei wird der aromaatische
Zustand vorübergehend aufgehoben. Der σ-Komplex ist jedoch auch
mesomeriestabilisiert (vor allem über vorhandene −M-Substituenten
wie NO2. Im nächsten Schritt wird die Abgangsgruppe abgespalten.
81
H
H
R
Cl N “
”
NO2
Cl
NO2
H2N R
H
Cl N
NO2
•
NHR
NO2
”
-H
R
“
NO2
- Cl”
NO2
NO2
NO2
Eliminierungs-Additions-Mechanismus (Arin-Mechanismus)
Aromaten, die nur schwach elektronenarm sind, reagieren oft nach
dem Eliminierungs-Additions-Mechanismus. Das angreifende
Nucleophil ist i.d.R. auch eine sehr starke Base. Als
Zwischenverbindung tritt ein so genanntes Arin auf.
Cl
H
H
”
O H
O
H
”
O H
OH
H
KOH/NaOHSchmelze
– H2O
– Cl
”
Arin
82
8.
Alkohole, Phenole und Ether
•
Alkohole besitzen eine oder mehrere OH-Gruppen (Alkohol-Gruppe,
Hydroxy-Gruppe), die an einen Alkylrest gebunden sind. Ist eine OHGruppe an einen Arylrest gebunden, dann spricht man von Phenolen.
•
Wichtig: Nie 2 OH-Gruppen am gleichen C-Atom!
8.1. Struktur der wichtigsten Alkohole
•
Der einfachste Alkohol ist Methanol CH3OH. Methanol wird industriell
aus CO und H2 und einem Cu/Zn/Al-Katalysator bei 250 °C und 50
bar Druck hergestellt.
•
Der nächst höhere Alkohol ist Ethanol C2H5OH. Ethanol wird aus
Ethen durch Addition von Wasser hergestellt.
H
H
+ H2SO4 konz.
H3C CH2
H
•
H
O
O S OH
O
+ H2O
H3C CH2 OH
– H2SO4 verd.
Die Firma Karlsberg stellt Ethanol durch alkoholische Gärung aus
Traubenzucker her.
83
•
Der nächst höhere Alkohol ist Propanol C3H7OH. Von Propanol gibt
es zwei Konstitutionsisomere.
Primäres
C-Atom ⇒
primärer
Alkohol
•
OH
OH
n-Propanol
i-Propanol
Vom Butanol gibt es 4 Konstitutionsisomere: n-Butanol, sec.Butanol,
i-Butanol und tert.Butanol (ein tertiärer Alkohol). Vom sec.Butanol
existieren 2 Stereoisomere, nämlich die beiden Enantiomere.
OH
n-Butanol
OH
OH
i-Butanol
sec.Butanol
HO H
•
Secundäres
C-Atom ⇒
secundärer
Alkohol
OH
tert.Butanol
H OH
Von allen Alkoholen mit mehr als 4 C-Atomen gibt es ebenfalls
Konstitutionsisomere und Stereoisomere (sowohl Enantiomere als
auch Diastereomere).
84
•
n-Hexanol C6H13OH, n-Octanol C8H17OH und n-Dodecanol C12H25OH
(Laurylalkohol) findet man in Pflanzensäften. In natürlichen Wachsen
kommen z.B. n-Hexadecanol (Cetylalkohol) C16H33OH und nTriacontanol C30H61OH und n-Dotriacontanol C32H65OH vor.
•
Wichtige ungesättigte Alkohole sind Allylalkohol C3H5OH und
Crotylalkohol C4H7OH.
OH
OH
Allylalkohol
•
Der Sexuallockstoff des Seidenspinners Bombyx mori ist ein zweifach
ungesättigter Alkohol (Bombykol).
OH
•
Crotylalkohol
Bombykol
Die Cyclischen Alkohole spielen für synthetische Zwecke eine
wichtige Rolle. In der Natur treten vor allem Cyclohexanolderivate wie
z.B. das Cholesterin auf. Viele Steroidhormone
sind Cyclohexanolderivate.
H
Cholesterin
H
HO
H
H
85
•
•
In Fetten findet man (in Form von Fettsäureestern) das Glycerin (1,2,3-Propantriol).
HO
HO
In vielen Stoffwechselwegen spielen
Substanzen mit OH-Gruppen (die noch
weitere funktionelle Gruppen besitzen) eine
wichtige Rolle. Z. B. kann Traubenzucker
auch als 5-fach-Alkohol (Pentaol) aufgefasst
werden.
HO
HO
HO
OH
O
OH
OH
8.2. Synthese von Alkoholen
•
Hydrolyse von Alkylhalogeniden
KOH / H2O
R
X
– KX
•
OH
R
Addition von Wasser an Alkene
OH
H2O / H+ cat.
R
R
86
•
Reduktion von Aldehyden, Ketonen und Carbonsäurederivaten
LiAlH4
O
R
R
H
R
R
R´
LiAlH4
O
R
R
OR´
•
LiAlH4
O
O H
H
H
O H
H
R´
O H
H
H
Weitere Methoden werden in den Kap. 9 und 10 besprochen.
8.3. Reaktionen von Alkoholen
8.3.1. Nucleophile Substitution
•
Die OH-Gruppe lässt sich nach überführen in eine bessere
Abgangsgruppe durch Nucleophile ersetzen.
R
O
S Cl
O
OH
N
R
O
S
O
O
”
C N
– TsO”
R
CN
87
•
Alkohole bzw. in deprotonierter Form als Alkoholate können auch
selbst als Nucleophile fungieren.
Cl H
N
H3C
O
H
–H
“
H3C
”
O
Me
– Cl
HO
Ph
”
Me
Ph
8.3.2. Eliminierung
•
Die OH-Gruppe lässt sich nach überführen in eine bessere
Abgangsgruppe mit starken, nicht-nucleophilen Basen auch
eliminieren.
O
S Cl
O
HO
TsO
H
TsO
N
+ H“
– H2O
H
H
” “
O K
H
H
H “
“
–H H
H
88
8.3.3. Oxidation
•
Primäre Alkohole lassen sich leicht zu Aldehyden oder Carbonsäuren
oxidieren. Sekundäre Alkohole können zu Ketonen oxidiert werden.
1) Oxidation Primärer Alkohole zu Carbonsäuren
Primäre Alkohole werden sehr leicht von Chromat CrO42−,Dichromat
Cr2O72− oder Chromsäureanhydrid CrO3 (Chromtrioxid) in verdünnter
Schwefelsäure mit Aceton als Lösungsvermittler zu Carbonsäuren
oxidiert (Jones-Oxidation).
Zunächst bildet sich aus dem Alkohol und einem Derivat der
Chromsäure H2CrO4 ein Chromsäureester (Cr(+VI)). In diesem greift
ein doppelt gebundener Sauerstoff in einem 5-gliedrigen
Übergangszustand ein H der CH2-Gruppe an und spaltet dieses als
H+ ab. Das zugehörige Elektronenpaar bildet eine C=ODoppelbindung und verdrängt dadurch die Bindung zum Chrom. Es
bildet sich eine Cr(+IV)-Verbindung, die weiter in Cr(+III) und Cr(+VI)
disproportioniert, und ein Aldehyd als Zwischenverbindung. Dieser
reagiert in der wässrig-sauren Lösung zu einem Aldehydhydrat (zwei
OH-Gruppen am gleichen C-Atom nennt man Hydrat (!!!), nicht
Alkohol (!!!)).
89
O
O Cr O
H O
HH
R
O
H
+ H“
H
”
H
O O
O Cr O
R
H O
H
H
–
H
H “
”
H
O O
O Cr O
R
H O
R
O
Cr O
O
H
“
+H
H
R
O
Aldehyd
“
O H
H
O O
O Cr O
R
H O
H
H
”
H
O O
O Cr O
R
H O
–H
H
O
H
“
– H2O
H
“O H
R
H
O H
H
R
H
O
– H“
R
O
Cr O
O
O H
H
O H
Aldehydhydrat
Das Aldehydhydrat wird erneut von einer Cr(+VI)-Verbindung oxidiert,
so dass letztlich eine Carbonsäure entsteht.
Wichtig: das Aldehydhydrat wird oxidiert, nicht der Aldehyd!
90
O
O Cr O
H O
H OH
R
O
H
+ H“ HO
H
”
O O
O Cr O
R
H O
OH
H
–
R
O
Cr O
O
H
H “
”
HO
O O
O Cr O
R
H O
HO
H
– H“ HO
H
O O
O Cr O
R
H O
H
”
O O
O Cr O
R
H O
– H2 O
HO
R
H
O
O
Cr O
O
Carbonsäure
O
Im Labor kann man diese Reaktion mit bloßem Auge verfolgen. Am
Anfang ist die Reaktionsmischung orangerot (Cr+VI), am Ende
dunkelgrün (Cr+III).
91
2) Oxidation primärer Alkohole zu Aldehyden
Nachdem nicht der freie Aldehyd zur Carbonsäure oxidiert wird,
sondern dessen Hydrat, muss man nur von wässrigen
Reaktionsmischungen zu wasserfreien Reaktionsmischungen
wechseln, um den Aldehyd herzustellen. Man verwendet
Dichlormethan als Lösungsmittel und Pyridiniumdichromat als
Oxidationsmittel (weil Alkalimetallchromate und Dichromate als auch
CrO3 in CH2Cl2 nicht löslich sind!). Vom vorigen Mechanismus läuft
nur der erste Teil ab. Um entstehendes Reaktionswasser zu
entfernen, setzt man pulverisiertes Molekularsieb zu.
H OH
R
H
O ”
” O
“
“
O
Cr
O
O
Cr
H N
N H
O
O
CH2Cl2 / Molekularsieb / RT
O
R
H
Aldehyd
92
O
O Cr O
H O
HH
R
O
H
+ H“
H
”
H
O O
O Cr O
R
H O
H
H
–
R
O
Cr O
O
O
H
H “
”
H
O O
O Cr O
R
H O
H
H
“
–H
H
O O
O Cr O
R
H O
H
”
H
O O
O Cr O
R
H O
– H2O
H
R'
H
O
O
Cr O
O
Wichtig: wasserfreie Lösungsmittel verwenden und ein
Trockenmittel (Molsieb) verwenden!
93
3) Oxidation secundärer Alkohole zu Ketonen
Secundäre Alkohole kann man nach Jones (CrO3/H2SO4/H2O/Aceton)
oder in wasserfreiem Dichlormethan mit Pyridiniumdichromat zu
Ketonen oxidieren. Ketone können zwaar auch Hydrate bilden, diese
Ketonhydrate können unter diesen Bedingungen jedoch nicht weiter
oxidiert werden.
O
O Cr O
H O
R' H
R
O
H
+H
“
H
”
R'
O O
O Cr O
R
H O
H
H “
”
R'
O O
O Cr O
R
H O
R'
H
–H
H
O O
O Cr O
R
H O
“
H
”
R'
O O
O Cr O
R
H O
– H2O
R'
R
H
O
O
Cr O
O
R'
H
–
R
O
Cr O
O
O
94
8.4. Struktur der wichtigsten Phenole
•
Der Grundkörper der Phenole ist das Phenol Ph-OH. Die
Eigenschaften der Phenole werden einerseits durch die OH-Gruppe,
andrerseits auch durch den aromatischen Ring bestimmt. So
beeinflusst der Phenylring z. B. die pKS-Werte der Phenole
(pKS ≈ 9), während Alkohole schwächer sauer sind (pKS von 15 bis
17).
•
Weitere wichtige Phenole:
OH
OH
OH
OH
OH
OH
OH
OH
Phenol
α-Naphthol
HO
β-Naphthol
Brenzkatechin
Resorzin
OH
Hydrochinon
I
H NH2
COOH
I
O
HO
I
H NH2
COOH
I
Thyrosin
Thyroxin
95
8.5. Synthese von Phenolen
•
Hock´sche Phenolsynthese. Benzol wird mit Propen in Gegenwart
von Phosphorsäure zu Cumol alkyliert. Dieses reagiert mit Sauerstoff
in einer Radikalreaktion zu Cumolhydroperoxid, das bei Behandlung
mit Schwefelsäure zu Phenol und Aceton reagiert.
O
O
H
OH
H2SO4
O2
O
+
H3PO4
Cumol
•
Cumolhydroperoxid
Dow-Phenolsynthese. Chlorbenzol wird mit NaOH in einer
nucleophilen aromatischen Substitution nach dem Arin-Mechanismus
in Phenol überführt.
Cl
KOH/NaOHSchmelze
OH
96
•
Phenolverkochung. Anillin wird mit NaNO2 und HCl in Phenyldiazoniumchlorid umgewandelt. Phenyldiazoniumsalze sind nur bis
ca. 0 °C stabil. Erwärmt man sie auf Raumtemperatur oder höher,
spalten sie N2 ab und bilden ein Phenylkation, das mit Wasser zu
Phenol reagiert.
NH2
“
N O
N
+ H“
N
“ N
H2N
O
HN
N
– H“
H
O“
H
+ H“
N
“N
∆
– H2O
H
“ N
O
HN
O
– N2
N
N
O
H
– H“
“
OH
+ H2O
– H“
Der Mechanismus der Phenolverkochung ist eine Variante des
Eliminierung-Additions-Mechanismus von SNAr-Reaktionen, bei dem
kein AArin auftritt.
97
8.6. Reaktionen von Phenolen
•
Nucleophile Substitution. Phenole können nach Deprotonieren mit
Alkylhalogeniden zu Phenylalkylethern umgesetzt werden.
I
+ NaOH
OH
ONa
O
– H2O
Wichtig: die OH-Gruppe von Phenolen kann nur durch spezielle
übergangsmetallkatalysierte Reaktionen substituiert werden.
Phenolische OH-Gruppen können nicht eliminiert werden.
•
Elektrophile Aromatische Substitution. Phenole reagieren sehr gut mit
Elektrophilen. Dabei wird der neue Substituent bevorzugt in o- und pStellung zur phenolischen OH-Gruppe dirigiert. Eine wichtige SEArReaktion von Phenol ist die Kolbe-Schmitt-Reaktion, bei der aus
Natriumphenolat und CO2 Salicylsäure hergestellt wird.
O C O
O ”
“
Na
H
O
O
O
O
”
”
O
O
+H
O
H
“
OH
O
H 98
•
Oxidation von Diphenolen. ortho-Diphenole und para-Diphenole
können leicht zu den so genannten Chinonen oxidiert werden. mDiphenole reagieren nicht oder zersetzen sich beim Veruch, sie zu
oxidieren.
OH
Ag2O / Na2SO4
Diethylether
O
OH
O
OH
K2CrO4 / H2SO4
O
OH
O
Chinone spiele eine wichtige Rolle bei Oxidationsprozessen in der
Biochemie.
8.7. Ether
•
Ether sind „Wassermoleküle“, bei denen die beiden Hs durch Alkyloder Arylreste ausgetauscht wurden. Ether spielen in der Chemie
eine wichtige Rolle als Lösungsmittel. Viele natürliche Duftstoffe sind
Ether.
99
O
O
O
O
Diethylether
O
O
Tetrahydrofuran
Dioxan
Anisol
Diphenylether
•
Ether werden überwiegend durch Williamson-Ethersynthese
hergestellt.
•
An der Luft bilden Ether leicht so genannte Etherperoxide.
HH
O
–
•
H
• O O•
O
– HO2•
O
O
O
OH
•
HO O
+ HO2•
O
H
O
n
Mit konzentrierter Iodwasserstoffsäure können Ether wieder gespalten
werden.
O
HI
OH +
I
100
•
Spezielle Ether sind die Epoxide oder Oxirane. Es handelt sich im
dreigliedrige Ringe, wobei ein Atom ein Sauerstoff ist. Solche
gespannten, reaktionsfähigen Ether können durch intrramolekulare
Nucleophile Substitution oder durch Prileshaev-Reaktion hergestellt
werden.
”
O
O
H
O
”
”
O
O
O
Cl
– HCO3”
H
O
•
Cl
– Cl”
O
O
R
O
Prileshaev-Reaktion
Epoxide sind gute Alkylierungsmittel und reagieren sehr leicht mit
Nucleopohilen unter Ringöffnung. In der Leber werden Alkene im
Rahmen von Entgiftungsreaktionen zunächst epoxidiert, wodurch sie
schädlicher werden als die Alkene zuvor. Erst wenn das Epoxid mit
Wasser zum Diol geöffnet wurde, werden die Verbindungen
ungiftiger.
101
9.
Aldehyde, Ketone und Derivate
•
Aldehyde, Ketone und Chinone haben alle eine Carbonylgruppe, die
mit keinem weiteren Heteroatom verbunden ist. Die Carbonylgruppe
gehört zu den wichtigsten funktionellen Gruppen in der Organischen
Chemie und in der Biochemie.
δ”
δ”
R
O
δ“
H
Aldehyd
δ”
R
O
δ“
R'
Keton
O
δ“
δ”
δ”
O
δ“
O
δ“
δ“
o-Chinon
O
δ”
p-Chinon
Wichtig: die
Carbonylgruppe ist so
polarisiert,
dass das
Carbonyl-C
elektrophil ist.
Carbonyl-C-Atome sind sp2-hybridisiert. Carbonylgruppen sind eben.
9.1. Struktur der wichtigsten Aldehyde und Ketone
•
Der einfachste Aldehyd ist Formaldehyd CH2O. Formaldehyd ist
gasförmig und löst sich gut in Wasser (Formalin-Lösung). Dabei bildet
Formaldehyd ein Hydrat. Beim Eindampfen von Formalin-Lösung
scheidet sich polymerer Paraformaldehyd als weißes Pulver ab. 102
H
O
O
”
H
H
H
H
HO
•
O
O
O H
O“
H H
”
– H“
H
O
+ H“
O
H
H H
– H2O
Hydrat
Paraformaldehyd
O
O H
O
H H
Die nächst höheren Aldehyde sind Acetaldehyd, Propionaldehyd,
Butyraldehyd und Isobutyraldehyd (ranzige Butter), n-Valeraldehyd
(Baldrian), n-Capronaldehyd, n-Caprylaldehyd und n-Caprinaldehyd.
Sie sind teilweise wichtige Synthesechemikalien, kommen aber auch
in der Natur vor.
O
H
Acetaldehyd
CHO
CHO
Propionaldehyd
n-Butyraldehyd
CHO
Capronaldehyd
Benzaldehyd
CHO
i-Butyraldehyd n-Valerianaldehyd
CHO
CHO
Caprylaldehyd
CHO
CHO
Caprinaldehyd
O
CHO
Anisaldehyd
103
•
Es gibt natürlich auch ungesättigte Aldehyde, die auch wichtige
Synthesechemikalien darstellen.
CHO
Acrolein
•
CHO
CHO
Crotonaldehyd
Propargylaldehyd
Neben diesen monofunktionellen Aldehyden gibt es auch Aldehyde,
die mehrere Aldehydgruppen enthalten.
OHC CHO
Glyoxal
•
OHC
CHO
CHO
OHC
Malonaldehyd
Succinaldehyd
Wichtig: Malonaldehyd ist eine 1,3-Dicarbonylverbindung. Durch die
beiden ziehenden Aldehydgruppen werden die H-Atome der CH2Gruppe azide und reagieren unter Keto-Enol-Tautomerie in die EnolForm, die bei Malonaldehyd sehr instabil ist.
HH
O
HH
O
O
H
H
HH
O
H
H
H
”
O
O
H
H
O
O
H
H
H
O
O
H
H
H
104
•
Aldehyde können auch noch Hydroxygruppen als zweite funktionelle
Gruppe enthalten.
HO H
HO
CHO
HO
CHO
Glycolaldehyd
•
HO H
Lactaldehyd
CHO
D(+)-Glycerinaldehyd
HO
HO
H OH H
CHO
OHH OH
Traubenzucker
Das einfachste Keton ist das Aceton. Es ist eine wichtige Grundchemikalie und ein wichtiges Lösungsmittel. Das nächst höhere Keton
ist Butanon, das ebenfalls für Synthesen verwendet wird. Bei den
höheren Ketonen muss man im Namen die Position der Carbonylgruppe durch eine Zahl angeben, z.B. 2-Pentanon oder 3-Pentanon.
O
O
O
O
Aceton
Butanon
2-Pentanon
3-Pentanon
O
O
Acetophenon
O
Propiophenon
Benzophenon
105
•
Wichtige ungesättigte Ketone
O
O
O
Methylvinylketon
•
2-Cyclopentenon
2-Cyclohexenon
Wichtige Diketone
O
O
O
O
O
O
O
Diacetyl
Benzil
O
Acetylaceton
Acetonylaceton
Acetylaceton ist (wie Malonaldehyd) auch eine 1,3-Dicarbonylverbindung, die im Gleichgewicht mit ihrer Enolform steht. Die
Enolform ist sowohl mesomeriestabilisiert als auch über eine intramolekulare Wassserstoffbrückenbindung begünstigt.
O
O
15%
O
H
O
85%
106
•
Wichtiges Triketon: Ninhydrin zum Aminosäurenachweis. Ninhydrin ist
ein 1,2,3-Triketon, das nur als Hydrat stabil ist.
δ“
δ“
O
H
δ“
O
H
δ“
O
O
O
δ“
O
H
“O
O
”
H
– H“
+ H“
δ“
δ“
O
OH
OH
O
•
Allgemein bilden Caronylgruppen, die zu stark elektronenziehenden
Gruppen benachbart sind, sehr leicht Hydrate.
•
In der Natur und in der Biochemie spielen Ketone mit zusätzlichen
funktionellen Gruppen eine große Rolle.
O
HO
H OH H
O
HO
O
HO H
HO H
Acetoin
Benzoin
HO
OH
Dihydroxyaceton
OH
H OH O
Fructose
107
9.3. Synthese von Aldehyden und Ketonen
•
Aldehyde kann man durch Oxidation von primären Alkoholen mit
Pyridiniumdichromat in wasserfreiem Dichlormethan und Zustaz eines
Trockenmittels herstellen (vgl. Kap. 8, Folien 92, 92).
•
Industriell kann man Alkohole mit geeigneten Katalysatoren
dehydrogenieren. Davon leitet sich der Name ab (Alkohol
dehydrogenatus).
Cu
O H
R
H
H
O
R
H
250 - 300 °C
– H2
•
Reduktion von Carbonsäurederivaten. Man kann Carbonsäureester
mit geeigneten Reduktionsmitteln (z.B. DIBALH) bei tiefer Temperatur
(−80 °C) zu Aldehyden reduzieren.
O
R
OR'
Al
H
–80 °C
R
O Al
H
OR'
+ H2O
R
O H
H
OR'
O
R
– R'OH
H
108
•
Ketone kann man durch Oxidation von secundären Alkoholen mittels
Jones-Oxidation oder mit Pyridiniumdichromat in wasserfreiem
Dichlormethan und Zustaz eines Trockenmittels herstellen (vgl. Kap.
8, Folien 92, 92).
•
Industriell kann man auch secundäre Alkohole mit geeigneten
Katalysatoren dehydrogenieren.
O H
R
R'
H
Cu
O
R
250 - 300 °C
R'
– H2
•
Friedel-Crafts-Acylierung liefert Aryl-Alkyl-Ketone oder Diarylketone
(vgl. Kap. 7, Folie 79).
•
Addition von Wasser an innere Alkine ergibt Enole, die zu Ketonen
tautomerisieren (vgl. Kap. 6, Folie 69).
•
Hock´sche Phenolsynthese liefert als Nebenprodukt Aceton (Kap. 8,
Folie 96).
109
9.4. Reaktionen von Aldehyden und Ketonen
•
Auf Grund der Polarität der C=O-Gruppe ist das Carbonyl-C-Atom
elektrophil, so dass man mit einem Nucleophil angreifen kann.
nucleophil
O
R
O
H
nucleophil
”
O
R
R “ H
elektrophil
O
O
H
HH
pKS ≈ 16
•
R'
”
R “ R'
elektrophil
O
H
O
O
O
O
H
HH
pKS ≈ 5
HH HH
pKS ≈ 20
HH HH
symbolisiert
den −I-Effekt
pKS ≈ 9
Durch den −I-Effekt der Carbonylgruppe werden die α-H-Atome
acidifiziert, so dass man sie leicht abspalten kann und mit den
erhaltenen Enolen/Enolaten Reaktionen in α-Posotion zur C=O110
Gruppe ausführen kann
9.4.1.Nucleophile Additionen von HeteroatomNucleophilen
•
Reaktionen an der Aldehydgruppe sind nucleophile Additionen, die
über tetraedrische Zwischenstufen verlaufen (AdNCO) und
tetraedrische Endprodukte ergeben.
•
Als Nucleophile können die üblichen Nucleophile der organischen
Chemie verwendet werden. Die wichtigsten sind H2O, R−OH, R−SH,
R−NH2, R−NH−R‘, R−NH−NH2, NH2OH, CN− und andere wichtige CNucleophile.
•
Hydratbildung: Die Addition von Wasser führt zu den Hydraten von
Aldehyden und Ketonen. Die Hydratbildung ist i.d.R. reversibel (steht
in Einklang mit der Erlenmeyer-Regel). Je stärker elektronenziehend
die Seitenketten, um so leichter bilden sich Hydrate und um so
stabiler sind sie.
O
R
H
O
”
H
R
R'
O H
O“
R' H
”
– H“
R
O
+ H“
O
R
R' H
O H
O
R' H
111
•
Beispiele:
H
H
•
O
OH
OH
Cl3C
HO OH
OH
H
OH
F3C
OH
OH
CF3
O
Acetalbildung: Aldehyde und Ketone reagieren mit Alkoholen in
Gegenwart von katalytischen Mengen Säure unter Wasserabspaltung
zu Acetalen. Alle Teilschritte des Reaktionsmechanismus sind
reversibel, so dass man das abgespaltene Wasser aus der
Reaktionsmischung entfernen muss, um gute Ausbeuten zu erhalten.
O
R
+H
R'
“
O
H
H
H O R''
HO
R
R “ R'
“
O R''
HO OR''
– H“
R'
R
+ H“
R'
Halbacetal
H
“O
H
R
O–R''
R'
R''
O“
– H2O
R
R''
H
H O R''
R'' O
R
“
O R'' – H“
R'
R''O OR''
R
R'
Acetal
112
•
Wichtig: Weil die Acetalbildung reversibel ist, kann man durch Zusatz
von Wasser und katalytischen Mengen Säure Acetale auch wieder
spalten in Alkohol und Carbonylverbindung.
•
Wichtig: Offenkettige Halbacetale sind instabil !!! (Ausnahme?)
Cyclische Halbacetale sind stabil und können isoliert werden, wenn
sie 5 oder 6 Ringglieder besitzen.
O
H
H
H
OH
O
O
H
O
O
O
H
OH
H
•
5-gliedriges cyclisches
Halbacetal = 1-Hydroxytetrahydrofuran
6-gliedriges cyclisches
Halbacetal = 1-Hydroxytetrahydropyran
Wichtig: Zucker liegen als stabile Halbacetale vor!!!
HO
HO
H OH H
H
O
OHH OH
HO
HO
HO
O
OH
OH
113
•
Thioacetalbildung: Aldehyde und Ketone reagieren mit Thiolen
R−SH in Gegenwart von katalytischen Mengen Säure unter
Wasserabspaltung zu Dithioacetalen. Alle Teilschritte des
Reaktionsmechanismus sind reversibel, so dass man das
abgespaltene Wasser aus der Reaktionsmischung entfernen muss,
um gute Ausbeuten zu erhalten. Der Mechanismus entspricht dem
der Acetalbildung.
•
Bildung von Iminen. Setzt man Aldehyde oder Ketone mit primären
Aminen in Gegenwart katalytischer Mengen Säure um, dann bilden
sich Imine.
H
O
R
+H
R'
“
O
N R''
H
H
H
HO
R
R “ R'
“
N R''
H
R'
– H“
H
HO N R''
R
“
+H
R'
Halbaminal
H H
“O N R''
H
R
R'
– H2O
H “ R''
N
R
R'
– H“
N
R
R''
Imin (R‘‘ ≠ H)
R'
114
•
Analog zu den primären Aminen reagieren andere Stickstoffderivate
wie z.B. Hydroxylamin (als Hydrochlorid), Semicarbazid, 2,4-Dinitrophenylhydrazin und Hydrazin.
H2NOH • HCl
O
R
R'
– H2O
OH
N
Oxim
R
R'
O
H2N NH
O
R
R'
N
NH2
– H2O
R
NH
NH2
Semicarbazon
R' O
O2N
H2N NH
O
R
R'
NO2
NO2
N
R
– H2 O
NH
2,4-Dinitrophenylhydrazon
NO2
R'
O
H2N NH2
O
R
R'
– H2 O
N
R
R
NH2
R
R'
– H2O
Hydrazon
R'
N
R
R'
N
R'
Azin
115
•
Bildung von Enaminen: Aldehyde oder Ketone ergeben Enamine,
wenn man sie mit secundären Aminen und katalytischen Mengen H+
umsetzt.
1
R
“
O
R
+H
R'
H R1
“O N R2
H
R
R'
O
R
H
H
HO
R
“ R'
R1 “ R2
N
– H2O
R
HH
•
N R2
H
R'
–H
R1
“
R
“ 2
N R
R1
R'
N
– H“
R1
2
HO N R
R
“
+H
R'
R2
R'
Enamin
H
Bildung von Aminalen: Aldehyde oder Ketone ohne α-H-Atome
ergeben Aminale, wenn man sie mit secundären Aminen und
katalytischen Mengen H+ umsetzt. Die Reaktion verläuft analog zu
obigem Mechanismus bis zum Iminiumion. Dieses kann sich aber
weder zum Imin noch zum Enamin stabilisieren, so dass nur die
Möglichkeit der Addition eines zweiten Amins zum Aminal bleibt.
116
+ H“
O
R
R'
H R1
“O N R2
H
R
R'
O
R1
2
N R
H
H
H
HO
R
R “ R'
– H2O
R1 “ R2
N
R
R'
R1
2
N R
H
1
“ 2
N R
R1
R'
2R
– H“
R
2
HO N R
R
R'
1
R “ 2
R
1 N
N
R
H
R
R'
– H“
+ H“
R2
R1
N
R1
N
R R'
Tertiäre Amine reagieren nicht mit Aldehyden oder Ketonen.
•
Reduktion von Aldehyden und Ketonen: Aldehyde und Ketone
kann man mit hydrid-übertragenden Reagenzien wie z.B. NaBH4
oder LiAlH4 zu Alkoholen reduzieren.
Aldehyde ergeben primäre Alkohole nach wässriger Aufarbeitung.
Ketone ergeben secundäre Alkohole nach wässriger Aufarbeitung.
•
In der Biochemie erfolgt die Reduktion ebenfalls durch Hydridübertragung oder durch die schrittweise Übertragung von zwei
Elektronen und anschließend einem H+.
117
R
2
H”
“
H Al H Li
H
O
R
”
R'
R
O
R'
H” H
AL
“
Li
O
H
H
“
Li +
Al
H
H
H
R
R'
H
H
R'
R
H
O
H
O
Al
”
O
R' R
R'
R
O
H
“
Li
H2O
R
R'
H“ oder
OH
R
R'
H
OH”
9.4.2.Nucleophile Additionen von C-H-aziden
Verbindungen
•
C-H-azide Verbindungen sind Verbindungen des Typs,
bei denen durch die −I- und −M-Substituenten die HAtome so sauer werden, dass man sie leicht abspalten
kann (pKS-Werte zwischen 5 und 25). Dafür stehen
Basen mit pKS-Werten von 10-45 zur Verfügung.
H
R
EWG
EWG
118
•
Cyanhydrinbildung: Blausäure (HCN) kann als Nucleophil an
Aldehyde oder Ketone addieren. Dabei bilden sich so gennante
Cyanhydrine.
H C N
O
R
H
O“
R'
– C N
”
R
O
C N
”
R
R'
H
R'
CN
Cyanhydrin (z.B. in
Leinsamen (!))
•
Wichtig: Cyanhydrine spalten beim Erhitzen oder in Gegenwart von
Säure wieder HCN ab!
•
Benzoinkondensation: Setzt man Benzaldehyd mit katalytischen
Mengen KCN um, dann bildet sich nur intermediär ein Cyanhydrin,
das dann aber mit noch vorhandenem Benzaldehyd weiter reagiert.
”
O
C N
H
C N
”
O
H
O
H
”
O
O
H
O
C N
O
H
OH
Benzoin
CN H
– C N
”
H
119
Analog reagieren andere Aldehyde ohne α-H-Atome.
•
Strecker-Synthese: Aldehyde werden mit Ammoniumcarbonat und
Kaliumcyanid umgesetzt. Nach saurer Hydrolyse des gebildeten
Aminonitrils (vgl. Kap. 10.1., Folie 132) bilden sich Aminosäuren.
O
R
H
•
N H + HCN
+ NH3
R
R
H
– H2 O
H NH2
+ H2O / H+
CN
H NH2
R
COOH
Wittig-Reaktion: Setzt man Alkylhalogenide mit Triphenylphosphin
um, so bilden sich in einer SN2-Reaktion Alkyltriphenyl-phosphoniumsalze. Durch den positiv geladenen Phosphor (starker −I und −MEffekt) werden die H-Atome der benachbarten CH2- oder CH-Gruppe
azide. Man kann sie mit Basen abspalten und erhält dann so
genannte Phosphor-Ylide (lies: Ülid), die man an Carbonylgruppen
addieren kann.
PPh3
R
X
R
“
”
PPh3 X
H
H
Wittig-Salz
LDA
“
–H
R
“
PPh3
”
H
Ylid
R
PPh3
H
Ylen
120
O
R
R'
PPh3
Ph3P O
H
H
R
H
H
R'
– Ph3P=O
R
H
H
R'
Die Wittig-Reaktion ist eine der wichtigsten Methoden, um Alkene
herzustellen.
•
Reppe-Reaktion: Endständige Acetylene kann man leicht
deprotonieren. Die Acetylid-Ionen sind gute Nucleophile und addieren
sich leicht an Aldehyde und Ketone. Man erhält so genannte
Propargylalkohole. Reppe-Reaktionen sind industriell sehr wichtig.
O
R
H
Na“ H ”
– H2
R
”
R
”
R'
O
R
R
R'
H2O / H“
OH
R
R
R'
121
•
Aldol-Reaktion: Wenn man Acetaldehyd mit KOH deprotoniert, dann
erhält man Kalium-Enolat des Acetaldehyds. Dieses reagiert mit noch
vorhandenem Acetaldehyd zu Aldol.
H
H
O
”
O
O H
H
H
Acetaldehyd
•
H
O ”
H
H
H
”
CH3
O
O
H3C
Enolat
+ H2O
H
– OH”
OH O
H3C
Aldolat
H
Aldol
Diese Reaktion funktioniert auch bei höheren Aldehyden. Von
gekreuzter Aldolreaktion spricht man, wenn man zwei verschiedene
Carbonylverbindungen miteinander umsetzt. Besonders wichtig sind
Reaktionen zwischen Enolaten von Ketonen und Aldehyden. Die
umgekehrte Reaktion funktioniert nicht! (warum?).
O
R
N
R'
HH
Keton
”
Li
“
O
R
”
O
R''
”
H
R'
H
Ketonenolat
O
O
R''
R'
RH
Aldolat
OH O
+ H2O
”
– OH
R''
R'
RH
Aldol
122
•
Wichtig: Um das Aldolprodukt zu isolieren, muss man die Reaktionsmischung vorsichtig neutralisieren. Bei zu starkem ansäuern wird die
OH-Gruppe im Aldol noch sauer eliminiert. Man spricht dann insgesamt von Aldolkondensation, die eine α,β-ungesättigtes
Dicarbonylverbindung ergibt.
OH O
H “ H
O
O
+ H“
R''
R'
R''
RH
•
O
“
R'
– H2O
RH
R''
O
R'
RH
–H
“
R''
R'
R
Knoevenagel-Kondensation: Wenn man eine 1,3-Dicarbonylverbindung deprotoniert und als Enolatkomponente in der Reaktion
mit einem Aldehyd einsetzt, dann erhält man α,β-ungesättigte 1,3Dicarbonylverbindungen. Als 1,3-Dicarbonylverbindung verwendet
man meist Ester der Malonsäure.
O
H
H
COOR
COOR
”
– H–O–R
1
R
– H2O
O R
2
R
COOR
COOR
H
COOR
”
COOR
1
R
”
2
R
O
1
R
2
R
COOR
+ H–O–R
H
COOR –
O R
”
HO
R1 2
R
COOR
H
COOR
123
•
Mannich-Reaktion: Man setzt ein secundäres Amin mit einem
Aldehyd um in Gegenwart katalytischer Mengen H+. Dabei bildet sich
ein Iminiumion, das mit einem Keton in der Enol-Form reagiert und
ein β-Aminoketon bildet.
1
R
N
H
O
R
H
“
H / – H2O
O
R'
HH
R2
+ H“
R''
–H
“
2
R1 “ R
N
H
R
O
R'
R1
H
– H“
R
H
R2
N
O
R''
R' H
R''
Durch Zugabe von Säure oder einfaches Erhitzen der Mannich-Base
kann man das secundäre Amin eliminieren und erhält ebenfalls α,βungesättigte Ketone.
124
9.5. Chinone
•
Chinone kann man aus o-Dihydroxybenzolderivaten oder pDihydroxybenzolderivaten durch Oxidation erhalten. Umgekehrt kann
man Chinone wieder in die Dihydroxybenzole durch Reduktion
umwandeln. Diese Prozesse laufen auch in der Zelle mit speziellen
Chinonen an, wie z.B. Ubichinon.
O
”
“
+ H” (2 e + H )
H3CO
H3CO
H
O
10
”
“
– H” (2 e + H )
O
”
H3CO
H3CO
H
OH
10
Ubichinon (Vitamin Q10)
Analoge Reaktionen laufen mit Vitamin E und Vitamin K ab (vgl.
Biochemie).
125
10. Carbonsäuren und Carbonsäurederivate
10.1. Strukturen der wichtigsten Carbonsäuren
•
Carbonsäuren enthalten die Carboxyl-Gruppe COOH. Die
Carbonsäuren kann man unterteilen in Monocarbonsäuren (nur eine
COOH-Gruppe), Dicarbonsäuren (zwei COOH-Gruppen im Molekül),
Tricarbonsäuren (drei COOH-Gruppen) usw.
O
Ameisensäure (C1)
Essigsäure (C2)
H
O
OH
Capronsäure (C6)
O
O
OH
Önanthsäure (C7)
O
Propionsäure (C3)
Caprylsäure (C8)
O
OH
O
OH
Pelargonsäure (C9)
O
Valeriansäure (C5)
OH
O
OH
Buttersäure (C4)
OH
OH
O
OH
Caprinsäure (C10)
126
OH
O
Laurinsäure (C12)
OH
O
Myristinsäure (C14)
OH
O
Palmitinsäure (C16)
OH
O
Margarinsäure (C17)
OH
O
Stearinsäure (C18)
OH
O
Arachinsäure (C20)
OH
127
•
Es gibt auch zahlreiche ungesättigte Carbonsäuren, die aus
pflanzlichen oder tierischen Fetten isoliert wurden.
Acrylsäure
O
O
OH
OH
Elaidinsäure
O
Crotonsäure
OH
O
O
Methacrylsäure
OH
OH
Ölsäure (Oleinsäure)
O
Tiglinsäure
•
OH
O
Angelikasäure
OH
Langkettige ungesättigte
Fettsäuren mit cisDoppelbindung senken den
Cholesterinspiegel, auch
mehrfach ungesättigte
Fettsäuren mit cisDoppelbindungen.
128
•
Insbesondere mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind in der
Biochemie von Bedeutung (Membranbestandteile).
O
Ölsäure (C18)
Linolsäure (C18)
α-Linolensäure (C18)
γ-Linolensäure (C18)
Nomenklatur der Fett-säuren:
OH entweder verwendet man
Trivialnamen oder man
verwendet systematische
Namen oder man verwendet
O
Abkürzungen, die die Zahl der
C-Atome, die Zahl der
OH
Doppelbindungen und die
Position der Doppelbindungen
angeben (18:3 ∆9,12,15) = αO
Linolensäure.
Bezeichnet man die C-Aome
OH
nach dem gr. Alphabet, dann
ist das letzte C-Atom immer ω.
Das letzte C-Atom der letzten
OH Doppelbindung ist dann ω−3
oder ω−6 usw.
O
O
OH
Arachidonsäure (C20)
129
•
Dicarbonsäuren sind ebenfalls sehr wichtige Substanzen, sowohl für
die chemische Industrie als auch für den Stoffwechsel.
Oxalsäure (C2)
HOOC
HOOC COOH
COOH
Pimelinsäure (C7)
Malonsäure (C3)
HOOC
Bernsteinsäure
(C4)
HOOC
Glutarsäure (C5)
HOOC
COOH
HOOC
COOH
COOH
Suberinsäure (C8)
HOOC
COOH
Azelainsäure (C9)
COOH
HOOC
COOH
Sebacinsäure (C10)
Adipinsäure (C6)
•
HOOC
COOH
Ungesättigte Dicarbonsäuren
Maleinsäure (cis)
HOOC
COOH
Fumarsäure (trans)
HOOC
COOH
130
•
Wichtige Hydroxy-Carbonsäuren und Keto-Carbonsäuren
O
O
HO
H OH
OH
O H OH
(+)-Äpfelsäure
(+)-Milchsäure
Ox.
Ox.
Ox.
O
O
O
HO
OH
OH
O
H
Glyoxylsäure
•
HO
OH
OH
Glycolsäure
O
O
OH
O
O
α-Ketoglutarsäure
Brenztraubensäure
Wichtige Dihydroxy-Dicarbonsäure: Weinsäure
H
HO
COOH
HO
H
COOH
H
HO
COOH
HO
H
COOH
H
HO
COOH
HO
H
COOH
HO
H
COOH
H
HO
COOH
, -Weinsäure
, -Weinsäure
, -Weinsäure
, -Weinsäure
meso -Weinsäure
131
10.2. Synthese von Carbonsäuren
•
Oxidation von primären Alkoholen (vgl. Kap. 8.3.3., Folien 89-91).
•
Hydrolyse von Nitrilen. Alkylhalogenide kann man mit KCN in
Alkylnitrile überführen. Nitrile können sauer hydrolysiert werden,
wobei Carbonsäuren entstehen.
”
R
X
O
O
R
•
R
”
–X
N
R
C N
H
+ H“
C
N H
O H
H
– NH3
R
N
R
O
H
“
H
H
N“
H
H
H
+H
“
H
C
O
R
O
H
“
H
H
N
“ H
H
H
O
O
– H“
R
H “ H
O H
– H“
R
N
O H
H
H “
O H
C
N
H
O
R
–H
“
H
H + H“
N
O H
H
O
R
O
H
Hydrolyse von Cyanhydrinen liefert α-Hydroxycarbonsäuren.
132
•
Malonestersynthese. Malonsäurediethylester können mit
Natriumethanolat deprotoniert werden. Die gebildeten
Carbanionen/Esterenolate können mit Alkylhalogeniden alkyliert
werden. Nach Hydrolyse des Alkylmalonsäurediethylesters wird
decarboxyliert, so dass man eine verlängerte Carbonsäure erhält.
H
H
COOEt ” O
COOEt
H
– EtOH
COOEt
”
COOEt
R X
”
–X
O
– EtO
”
R
H
R
H
COOEt
HO
O
R
H
COOEt
O
OH
R
R
H
O
”
C OEt O H
O
H
O – CO2
O
R
”
O OH
OEt
COOEt
H
OH
H
OH
HH
Analog kann man die Produkte der Knoevenagel-Kondensation
hydrolysieren und decarboxylieren. Man erhält α,β- ungesättigte
133
Carbonsäuren.
10.3. Reaktionen von Carbonsäuren
•
Die wichtigesten Reaktionen von Carbonsäuren führen zu folgenden
Carbonsäurederivaten:
O
R
O
Cl
R
Carbonsäurechlorid
O
O
O
R
R
Anhydrid
O
O
R'
R
Ester
N
R''
R'
Amid
10.3.1. Bildung von Carbonsäurechloriden
•
Kocht man Carbonsäuren mit Thionylchlorid, dann entstehen
Carbonsäurechloride (neben HCl und SO2).
O
R
Cl
O
H
O
S
– HCl
– SO2
O
Cl
R
Cl
134
10.3.2. Bildung von Carbonsäureanydriden
•
Carbonsäurechloride und Natriumsalze der Carbonsäuren reagieren
miteinander zu Carbonsäureanhydriden. Der Reaktionsmechanismus
entspricht einer nucleophilen Substitution an einer Carbonylgruppe
und wird als SN2t bezeichnet, weil er nach einem Zeitgesetz 2.
Ordnung und über eine tetraedrische Zwischenverbindung verläuft.
O
O
Allg. SN2t-Mechanismus
R
” O
R
Cl
O
O
O
R
Cl
– Cl”
Tetraedrische
Zwischenstufe sp3
sp2
•
R
”
O
R
O
O
R
sp2
Kocht man Carbonsäuren mit P4O10 (Phosphor-V-oxid = Wasser
entziehendes Mittel), dann wird aus zwei Carbonsäuren ein H2O
abgespalten und man erhält dieselbe Verbindung (anhydros = ohne
Wasser).
O
R
O
OH HO
+ P4O10
R
– H2O
O
R
O
O
R
135
10.3.3. Bildung von Carbonsäureestern
•
Ester sind Reaktionsprodukte von Carbonsäuren und Alkoholen. Die
Reaktion erfolgt ausschließlich säurekatalysiert unter Wasserabspaltung. Das Wasser muss aus dem Reaktionsgemisch entfernt
werden.
O
R
+H
O
H “ H
O
R
•
O
H
“H
O
“
H
O
R
R'
O
– H2O
H O R'
H
R
O
“
R
O
O
H
–H
O
“
R
H
O
O
H
R'
+ H“
O
“
R'
H H
O“
R'
O
H
–H
R
O
R'
Auch Säurechloride und Alkohole ergeben Ester. Dabei muss man
noch eine Base zusetzen, um den Alkohol zu deprotonieren und um
die freiwerdende HCl zu binden.
O
R
” O
Cl
R'
”
O
R
O
Cl
O
R'
– Cl”
R
O
R'
136
•
Wenn die Alkohol-Gruppe und die Säuregruppe Bestandteil
desselben Moleküls sind, dann bilden sich cyclische Ester (= Lactone)
besonders leicht, wenn sich 5- oder 6-gliedrige Ringe ausbilden
können.
+H
HO
O
OH
“
– H2O
O
O
+ H“
HO
HO
O
– H2O
Butyrolacton
•
O
O
Valerolacton
Ester und Lactone treten in der Natur oft als Riechstoffe oder
Aromastoffe auf.
O
O
O
O
Essigsäure-isobutylester
(Bananen-Aroma)
Exaltolid (moschusartiger Geruch)
137
•
Eine wichtige Klasse von Estern sind Fette, Öle und andere aus
Fettsäuren aufgebaute Erster (zusammenfassend als Lipide
bezeichnet), die in lebenden Organismen meist als Energiespeicher
und in Membranen vorkommen.
Lipide
Speicherlipide
Fette
Öle
Membranlipide
Phospholipide
Phosphoglyceride =
Glycerophospholipide
•
Sphingomyeline =
Spingophospholipide
Glycolipide
Cholesterin
Ganglioside
Sphingoglyco
lipide
Fette: Ester von Fettsäuren und Glycerin. Es kommen überwiegend
gesättigte Fettsäuren vor. Es müssen nicht gleichartige Fettsäuren mit
einem Glycerinmolekül verknüpft sein.
O
O
O
O O
O
138
•
Öle: Ester von Fettsäuren und Glycerin. Es kommen überwiegend
ungesättigte Fettsäuren vor. Je mehr ungesättigte Fettsäuren
enthalten sind, um so dünnflüssiger wird das Öl. Es müssen nicht
gleichartige Fettsäuren mit einem Glycerinmolekül verknüpft sein.
O
O
O
O
O
O
•
Phosphoglyceride: Glycerin ist nur mit zwei Fettsäuren (gesättigt
oder ungesättigt) verestert. Die dritte OH-Gruppe ist mit Phosphorsäure verestert, die zusätzlich noch mit anderen geladenen Gruppen
OH
verestert sein kann.
O P OH
O
O
O
O
O
139
”
O
O P O
O
Lecithin (= Phosphatidylcholin)
H3C CH3
N
“ CH3
O
O
O
O
•
Sphingomyeline: Anstatt Glycerin enthalten Sphingomyeline
Sphingosin, das nur mit einer Fettsäure (gesättigt oder ungesättigt)
verknüpft ist (meist Palmitinsäure). Eine OH-Gruppe ist mit
Phosphorsäure verestert, die zusätzlich noch mit anderen geladenen
Gruppen verestert sein kann.
OH
OH
Ceramid
O
N
H
O
N
H
Sphingosin
H2N
OH
OH
O
O P O
”O
CH3
ein Sphingomyelin
N CH3
“ CH
3
140
OH
•
Sphingoglycolipide: Anstatt Glycerin enthalten Sphingoglycolipide
Sphingosin, das nur mit einer Fettsäure (gesättigt oder ungesättigt)
verknüpft ist (meist Palmitinsäure). Eine OH-Gruppe ist mit einem
Monosaccharid verestert. Liegt statt des Monosaccharids ein Di- oder
Oligosaccharid vor, dann nennt man die Verbindung Gangliosid (weil
sie in den Membranen von Nervenzellen vorkommen).
OH
ein Sphingoglycolipid
•
O
N
H
HO
O
Glucosylceramid
OH
OH
OH
O
Gangliosid: Anstatt Glycerin enthalten Ganglioside Sphingosin, das
nur mit einer Fettsäure (gesättigt oder ungesättigt) verknüpft ist (meist
Palmitinsäure). Eine OH-Gruppe ist mit einem Di- oder Oligosaccharid
verknüpft. Sie kommen in den Membranen von Nervenzellen vor).
OH
O
N
H
O
Disaccharid
oder
Oligosaccharid
141
10.3.4. Bildung von Carbonsäureamiden
•
Carbonsäurechloride, Carbonsäureanhydride oder Carbonsäureester
kann man mit Ammoniak oder mit primären oder secundären Aminen
zu den Carbonsäureamiden umsetzen.
R1
H N
R2
O
R
X
”
H
O
R
1
”
N R2 – H“
O
“R
X
R
O
1
N R2
R
X
– X”
R
N
R2
R1
Die neu entstandene C-N-Bindung nennt man Amidbindung. Falls die
Aminogruppe von einer Aminosäure stammt, spricht man auch von
Peptidbindung (vgl. Biochemie).
•
Wichtig: Amidbindungen haben eingeschränkte Drehbarkeit, weil auf
Grund des +M-Effektes der Amingruppierung zusammen mit dem −MEffekt der Carbonylgruppe die C-N-Bindung partiellen Doppelbindungscharakter besitzt.
”
O
R
N
R2
R1
R
δ”
O
O
“ R1
N
R2
R
R1
N δ“
R2
142
10.4. Reaktionen von Carbonsäurederivaten
•
Umwandlung in Carbonsäuren. Alle Carbonsäurederivate können
durch Reaktion mit Wasser und H+ oder OH− wieder in Carbonsäuren
überführt werden.
1) Carbonsäurehalogenide. Aliphatische Carbonsäurehalogenide
reagieren heftig mit Wasser (sowohl sauer als auch alkalisch),
aromatische Carbonsäurehalogenide reagieren langsam mit Wasser
(sowohl sauer als auch alkalisch).
2) Carbonsäureanhydride. Aliphatische Carbonsäureanhydride
reagieren heftig mit Wasser (sowohl sauer als auch alkalisch),
aromatische Carbonsäureanhydride reagieren langsam mit Wasser
(sowohl sauer als auch alkalisch).
3) Ester. Die säurekatalysierte Esterhydrolyse ist die exakte
Umkehrung der Esterbildung und führt deshalb nur zu einer
Gleichgewichtsmischung. Die alkalische Esterhydrolyse verläuft
vollständig, da die entstehende Carbonsäure im letzten Schritt
deprotoniert wird, was die Reaktion irreversibel macht.
Wichtig: deshalb kann man Ester nicht basenkatalysiert aus
Carbonsäuren und Alkoholen herstellen!!!
143
O
R
”
”
O H
O
R'
O
O
O
R'
R
“
”
– O R'
H
”
O H
O
R
O
H
O
R
O
”
O
H2O / H
saure
Aufarbeitung
R
O
H
4) Carbonsäureamide. Carbonsäureamide werden leichter im sauren
hydrolysiert als im alkalischen (warum?). Verglichen mit den anderen
Carbonsäurederivaten erfolgt die Hydrolyse von Amiden deutlich
langsamer (warum?)
O
R
N
R2
R
1
”
”
O H
1
H – R
O
N R1
R
”
2
N R
O
R
O
H
R
1
”
N R2
O
R
O
”
R2
H2O / H“
saure
Aufarbeitung
O
O
R
O
H
144
O
R
–
•
N
2
R
R
H
1
“ H
O
“
1
R
1
R
H N
R2
“
O
R
N
R2
H
O
R
H
O O
– H“
R
R2
– H“
H
H
H
O O “
H
R N 1
R
H
O H
H
H
N R1
H
O O
H
“
R N 1
R
2
H R
“
R2
O
R
O
H
Claisen-Kondensation. Bei der Claisen-Kondensation werden Ester
mit aziden α-H-Atomen mit dem Alkoholat, das die Alkoholkomponente des Esters ist, deprotoniert. Da so erhaltene Esterenolat
reagiert mit einem nicht deprotonierten Ester nach einem SN2tMechanismus zu β-Ketoestern.
”
O
R
O
O R'
O
R'
R
HH
–
O
R'
R'
O
R
O
R
O
”
O
O
R'
R
O
R
O R'
”
R'
O
”
O
O
R
R'
145
10.5. Kohlensäure und Derivate
•
Kohlensäure H2CO3 ist nur unter hohem CO2-Druck stabil. Unter
Normalbedingungen zerfällt sie in H2O und CO2. Es gibt jedoch
zahlreiche stabile Kohlensäurederivate. Das wichtigste davon ist
Phosgen COCl2 (zählt zu den anorganischen Verbindungen).
CO + Cl2
Aktivkohle
•
O
200 °C
Cl
Cl
Aus Phosgen kann man fast alle anderen wichtigen (organischen)
Kohlensäurederivate herstellen.
1) Chlorameisensäureester
O
Cl
1 R–O–H
Cl
O
R
– HCl
O
Cl
2) Kohlensäureester (Dialkylcarbonate, Diarylcarbonate oder
Alkylarylcarbonate)
O
R
O
O
1 R'–O–H
Cl
R
– HCl
O
O
R'
146
3) Carbamate (Urethane)
O
R
O
1 R'–NH2
O
Cl
R
– HCl
O
N
H
R'
4) Harnstoff und Harnstoffderivate
O
2 NH3
Cl
Cl
O
Cl
O
H2N
– 2 HCl
2 R–NH2
Cl
NH2
O
R
– 2 HCl
N
H
N
H
R
5) Isocyanate
O
Cl
1 R–NH2
Cl
O
R
– 1 HCl
N
H
Cl
R N C O
– 1 HCl
147
6) Guanidin
2 NH3
O
Cl
Cl
– 2 HCl
O
H2N
1 NH3
NH2
– H2O
formal
NH
H2N
1 NH3
NH2
Guanidin
real
H2N C N
Cyanamid
Wichtige Guanidin-Derivate sind z.B. die Aminosäure Arginin oder die
Nucleinbase Guanin.
O
NH
H2N
NH
COOH
NH2
Arginin
H
H2N
N
N
N
N
H
Guanin
148
11. Amine und wichtige Heterocyclen
11.1. Strukturen der wichtigsten Amine
•
Amine sind Alkyl- oder Arylderivate von Ammoniak NH3 und sind
Basen mit pKS-Werten zwischen 4 und 11.
•
Ist im NH3 ein H durch einen Rest R ersetzt, dann spricht man von e
primären Aminen. Sind zwei Hs durch zwei Reste R und R‘ ersetzt,
nennt man die Verbindung secundäres Amin. Sind alle drei Hs durch
Reste ersetzt, dann liegt ein tertiäres Amin vor. Trägt der Stickstoff
vier Reste, dann handelt es sich um ein quartäres Ammonium-Ion.
H
R N
H
primäres Amin
•
R'
R N
H
R'
R N
R''
secundäres Amin
R1
4
tertiäres Amin
Beispiele:
R2
“
N R3
R
quartäres Ammoniumion
N
NH2
n-Butylamin
N
H
Diisopropylamin
Ethylmethylnaphthylamin
149
NH2
“
N
CH3
HO
”
Cl
Benzyltriethylammoniumchlorid
Anilin
“N
CH3
O
”
CH3 OH
CH3
O
Cholin
“N
CH3
CH3
”
OH
Acetylcholin
11.2. Herstellung der Amine
•
Alkylierung von Ammoniak. Ammoniak und Amine sind nicht nur
basisch, sondern auch nucleophil (Ausnahme?). D.h., man kann sie
mit Alkylhalogeniden umsetzen. Nachteil: durch jede eingefüührte
Alkylgruppe wird der Stickstoff nucleophiler und reagiert immer
schneller mit noch vorhandenem Alkylhalogenid, bis man schließlich
zum quartären Ammoniumsalz kommt.
H
N H
H
R–Cl
SN2
R
N H
H
R–Cl
SN2
R
R–Cl
N H
R
SN2
Reaktionsgeschwindigkeit nimmt zu
R
R–Cl
N R
R
SN2
R
”
“ N R Cl
R
R
150
•
Gabriel-Synthese. Man geht von Phthalimid aus, deprotoniert mit
KOH und setzt das so erhaltene Kaliumphthalimid mit Alkylhalogeniden um. Im Kaliumphthalimid kann der Stickstoff nur einmal
mit Alkylhalogeniden reagieren (warum?) und man erhält nach
Hydrolyse nur primäre Amine.
KOH
N H
O
O
O
O
– H2O
N
”
R–Cl
– Cl
O
”
N R
H2O
R NH2
O
Alternativ wird im letzten Schritt statt Wasser Hydrazin H2N−NH2
eingesetzt (liefert bessere Ausbeuten).
•
Sekundäre und tertiäre Amine werden entweder durch Alkylierung
von primären oder secundären Aminen hergestellt und das erhaltene
Gemisch durch Destillation getrennt oder durch spezielle Verfahren
erzeugt.
151
11.3. Strukturen wichtiger N-Heterocyclen
•
Heterocyclen sind cyclische Verbindungen, bei denen mindestens ein
C-Atom durch ein Heteroatom (die wichtigsten sind N, O, S) ersetzt
wurde.
•
Beispiele:
Carbocyclus
formal Ersetzen
eines CHx durch
NHx-1
Heterocyclus
N
N
H
Pyrrolidin
Vorkommen
Prolin
N
H
N
H
N
N
H
S
Pyrrol
Indol
Imidazol
Thiazol
Porphyrine
Trypthophan
Histidin
Vitamin B1
(Hämin,
Chlorophyll)
Serotonin
152
Carbocyclus
formal Ersetzen
eines CHx durch
NHx-1
Vorkommen
N
H
N
Piperidin
Pyridin
Pyrimidin
Chinolin
Vitamin B6
NAD
NADP
Vitamin B1
Nucleinbasen
Chinin
Piperin
Coniin
•
N
N
N
N
Heterocyclus
N
N
N
H
Purin
Nucleinbasen
Coffein
Harnsäure
Auch Sauerstoff- und Schwefel-haltige Heterocyclen haben
biologische Bedeutung.
Vorkommen
O
S
Tetrahydropyran
Thiolan
Vitamin E
Vitamin H
153
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