shp 2010-25, betr. ba 22911, eichhornstr. 2

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2010
Stadtheimatpfleger
Dr. Hans Steidle
[SHP 2010-25, BETR.
22911, EICHHORNSTR. 2]
BA
Die städtebauliche und architektonische Neuordnung des Areals Eichhornstraße
2, Martingasse 5, 7 und 9 ist begrüßenswert, bedarf aber der Präzisierung und
Ergänzung zu Denkmalschutz, Bauvolumen und Verkehrsführung
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SHP 2010-25, betr. Ba 22911, Eichhornstr. 2
1. Vorbemerkung
Der Vorbescheid zur städtebaulichen und architektonischen Neuordnung des Areals Eichhornstraße 2, Martingasse 5, 7 und 9 bedarf einer besonders genauen
Begutachtung um möglichst früh auf Probleme im Zusammenhang mit dem sensiblen Bauplatz und seiner urbanen Einbindung aufmerksam zu machen und Präzisierungen in den Weg zu leiten. Ich nehme diesen Vorbescheid zum Anlass für
eine umfangreichere Stellungnahme, die auf verschiedene implizierte Fragen eingeht.
2. Städtebauliche Relevanz
Die städtebauliche und architektonische Neuordnung des Areals Eichhornstraße
2, Martingasse 5, 7 und 9 steht im Kontext der städtischen Planung, die Eichhornstraße als verkehrsberuhigte Zone für Fußgänger anzulegen und die Einfahrt in die Marktgarage eventuell in die Martinsgasse an die bisherige Einfahrt in
die Hypobank-Tiefgarage zu verlegen. Der vorliegende Vorbescheid betrifft vor
allem das Bauvolumen und die Kubatur des neuen Gebäudes, das in vier Geschossen kommerziell genutzt werden soll, und den Erhalt der denkmalgeschützten Fassade des Gebäudes Martingasse 5.
Der geplante Neubau soll als Warenhaus anstelle als Bankhaus genutzt werden
und damit der kommerziellen Ertüchtigung der City dienen. Eine entsprechende
Umnutzung entspricht dem Zuschnitt der City-Achse Schönbornstraße –
Kürschnerhof und eröffnet auch Chancen für die Eichhornstraße. Die erstrangige
Lage besitzt hohe Qualität für Investitoren.
Die vorgesehenen Kubaturen für den Neubau, der zwei Untergeschosse, ein Erdgeschoss und drei Obergeschosse umfassen soll, entsprechen zum Oberen Markt
und zur Eichhornstraße dem bisherigen Gebäude, das allerdings ein zurückgesetztes Staffelgeschoss als oberen Abschluss aufweist und somit eine gewisse
Entsprechung zu den Dachformen der Nachbarschaft aufweist. Die Neuplanung
sieht ein Vollgeschoss vor, das in der Höhe der Firsthöhe die bisherigen Höhe –
entsprechend dem Nachbargebäude am Oberen Markt berücksichtigt.
Für den Neubau gelten in Bezug zur Eichhornstraße und den Oberen Markt im
Kern die Ausführungen, die die von Stadtbaurat Christian Baumgart herausgegebene Studie zum Würzburger Stadtbild „Stadtbild Würzburg“ von 1997 für den
Oberen Markt aufweist. Der Obere Markt ist ein zentraler Ort mit großer Beliebtheit bei Würzburgern und Besuchern der Stadt, und Drehpunkt zwischen Kürchnerhof und Marktplatz. Seine konische Form zeigt sich verengende Platzwände
zum Chor der Marienkapelle hin mit vertiefender Perspektivenwirkung. Der Blick
nach Osten bedingt hingegen eine perspektivische Verkürzung, wobei der Platzeindruck in der bestehenden Gestaltung noch nicht optimal gelungen ist.
Städtebaulich sind besondere Qualitätsanforderungen für den Standort an der
Ecke Eichhornstraße Oberer Markt erforderlich. Den Hauptakzent bildet der goti-
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sche Chor der Marienkapelle und dahinter der hochragende Kirchturm mit dem
neogotischen Helm. Die nördliche Seite ist geprägt durch das Falkenhaus, mit
einmaligem Rokokostuck auf der Fassade, ein vereinfacht wieder errichtetes
Gründerzeitgebäude mit doppelgeschossigem Café, einem neuen Geschäftshaus
mit Akzentuierung der Ecke zur Schönbornstraße, auf der Südseite ein Barockhaus Neumanns (Geschäftshaus) mit zwei angepassten Nachbargebäuden, die
eine relativ geschlossene Platzwand entstehen lassen.
„Blickfang und Abschluss der östlichen Platzwand der östlichen Platzwand ist das
„Haus zum Schönen Eck, das gleichzeitig den Übergang zum Kürschnerhof wirkt“.
Die Platzattraktivität würde bei einer Rekonstruktion des historischen Schweifgiebels des qualitätsvollen Renaissancebaus erhöht.
Den Straßeneingang zur Eichhornstraße beschreibt die Analyse des Stadtbauateliers Stuttgart: hier „ … stehen sich ein Bankgebäude mit zurückhaltend gestalteter Putzfassade und das Haus der Bayerischen Vereinsbank (durch Neubau zu
ersetzen, H.S.) gegenüber. Letzteres ist ein Flachdachbau mit Rasterfassade aus
Glas und Aluminium. Leider wurde bei der Fassadengestaltung der Volksbank und
der Vereinsbank zu wenig auf deren prominente Lage als Eckgebäude an einem
innerstädtischen Brennpunkt eingegangen“(S.133). Die dunkle Plattenverkleidung an dem an Rasterbau ließ das Gebäude noch mehr als Fremdkörper in dem
Ensemble erscheinen.
In dieser Hinsicht kann das neue Bauvorhaben, für das ein Wettbewerb auszuschreiben ist, für das Stadtbild positive Konsequenzen mit sich bringen, wenn
klare Vorgaben seitens der Stadt gestellt werden und für deren Einhaltung gesorgt werden.
3. Denkmalpflegerische Aspekte: Hof Emeringen
Ein weiterer sensibler Bereich des Neubaus stellt das Anwesen der Martinstraße 5
dar. Das Haus ist wie folgt in die Liste der geschützten Denkmäler aufgenommen:
MARTINSTRAßE 5 – Hof Emeringen, ehem. Kanonikatshof des Stifts Neumünster, Walmdachbau
mit Barockgliederung, bez. 1699, von Antonio Petrini; Rekonstruktion von 1968 [W, Fl.Nr. 9620]
Diese Formulierung verdeutlicht, dass die Umschreibung des Bauvorhabens in BA
22911 nicht dem Eintrag in die Denkmalschutzliste entspricht:
„Städtebauliche und architektonische Neuordnung des Areals Eichhornstraße 2
mit Martinstraße 5, 7 und 9 , unter Erhalt der denkmalgeschützten Fassade des
Gebäudes Martinstraße 5“.
Auch die weiteren Planunterlagen sehen für das zweite und das dritte Obergeschoss des Neubaus eine Fläche von 1.786 m² vor. Es ist nicht ersichtlich, ob das
Gebäude Martingasse 5 in diese Nutzung integriert ist. Bekanntlich ist eine entsprechende Integration vorhanden, auch wenn der Zugang zur Schalterhalle
durch das Haus Martinstraße 5 schon längere Zeit geschlossen wurde.
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Die Unterlagen lassen weiterhin unklar, wie weit die viergeschossige Bebauung
nach Süden reichen soll. Die Umrisse der Neubebauung bezüglich Martinstraße 7
und 9 sehen die entsprechende Firsthöhe mit einem unklaren Übergang zum
Haus Martinstraße 5 vor.
Diese planerischen Ungenauigkeiten und Leerstellen sind vor einer Genehmigung
zu beheben und zwar in dem Sinne, dass nicht nur die Fassaden, sondern das
gesamte Haus Martinstraße 5 mit vorhandenem Walmdach uneingeschränkt als
eigenständiges Gebäude bezüglich der Außenwirkung zu erhalten ist. Die Erhaltung des Hauses plus Walmdach ist aus mehreren Gründen ohne Einschränkung
von urbaner Priorität:
1. Es handelt sich um ein Spätwerk des italienischen Architekten Antonio
Petrini, der die Grundlagen für den Würzburger Barock schuf und selbst für
die Stadtgestalt wesentliche Akzente setzte, von denen besonders die Gestaltungselemente am Unteren Markt durch den Wiederaufbau nicht berücksichtigt wurde. Die Rekonstruktion des Gebäudes Martinstraße 5 war
nur nach bürgerlichem Engagement garantiert.
2. Hof Emmeringen stellt den letzten in seiner Gestalt erhaltenen Kanonikatshof des früheren Chorherrenstifts Neumünster dar. Er steht in Sichtbezug zur Kirche mit ihrem spätromanischem Turm und der beherrschenden
Kuppel. Der sichtbare und historische Bezug sind für das historische Gedächtnis zu erhalten.
3. Die Beschränkung auf den Fassadenerhalt legt eine Überbauung der zweigeschossigen Barockfassade durch den viergeschossigen Neubau nahe. Eine solche Planung war bereits bei dem Neubau des St. Brunowerks in der
Spiegelstraße in Bezug auf den nach 1945 rekonstruierten Gartenpavillon
in einem Wettbewerbsbeitrag vorgesehen. Anders als in der Ausschreibung
Spiegelstraße muss in dieser Ausschreibung Eichhornstraße 2 auf die Situation des Denkmals deutlich geachtet werden.
4. Die Baumasse des neuen Geschäftshauses muss nach Süden so gestaltet
sein, eventuell auch abgestuft sein, dass der Hof Emmeringen nicht oberhalb des Firstes seines Walmdachs von dem Neubau überragt und marginalisiert wird. Dies ist besonders in Hinsicht der Blickachse vom Neumünster her notwendig. Besonders Passanten und Besuchergruppen, die vom
Lusamgärtchen, dem ehemaligen romanischen Neumünsterkreuzgang mit
dem Gedenkstein für Walther von der Vogelweide, kommend zum Oberen
Markt wollen, stellt der Barockbau in seiner unbeeinträchtigten Kubatur
und mit seiner bewegten Fassade einen wichtigen Blickfang dar.
5. Das Gebäude Martinstraße 5 ist auch zum Nachbarbau Nr. 7 deutlich abgesetzt, das es weiter in die Straße steht. Damit ist auch ein Pilaster der
Rückwand, das Gesims und der Ansatz des Walmdachs als Teil eines eigenständigen Baus definiert, der als gesamtes Ensemble zu erhalten ist.
6. Das Gebäude bildet einen wichtigen Standort in der barocken Stadtlandschaft zwischen dem ehemaligen Hof Guttenberg (Ärztehaus), dem ehemaligen Dietrichspital (Geschäftsgebäude Oberer Markt) und Falkenhaus.
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In seiner frühbarocken Form ist es in dem Umfeld singulär, da die meisten
Petrinibauten bei den Innenstadtführungen nicht berücksichtigt werden
können.
7. Der ehemalige Hof Emeringen stellt also ein typisches Gebäude um 1700
dar, versehen mit einer plastisch bewegten, straff gegliederten Fassade,
einer reichen Portalverzierung durch das Greiffenclauwappen und eine
künstlerisch wertvolle Statur B. Esterbauers, einer Patrona Franconiae, einer frühen Darstellung der Gottesmutter als Patronin und Herzogin von
Franken.
Unter Befreiungen wird genannt die Aufhebung der dreigeschossigen Bauweise
zur Martinstraße. Diese muss an die obigen Bedingungen gebunden sein. Die
Formulierung Erhalt bzw. Integration der denkmalgeschützten Fassaden müssen
mit Hinweis auf den Erhalt des barocken Baukörpers mit Dach verändert werden.
Die Geschossflächennutzung muss in Bezug auf die Integration oder Nichtintegration des Hauses Martinstraße 5 präzisiert werden.
4. Verkehrsplanung und Ertüchtigung einer kulturellen Achse Residenz Dom
Des Weiteren wird unter Punkt 7. die Verlegung der Zufahrt zur öffentlichen Tiefgarage aufgeführt. Dies steht im Zusammenhang mit der Aufwertung der Eichhornstraße als verkehrsberuhigte Zone, die von der Stadt Würzburg vorgesehen
ist. Dazu gehört auch die Schließung der Zufahrt in der Eichhornstraße, die bereits in der Stadtbildanalyse als störendes Element eingestuft wurde.
Der Bewertung von 1997 ist auch im Jahre 2010 zuzustimmen. Der Gewinn für
Stadtbild und Stadtraum ist am westlichen Ausgang des Unteren Marktes zu erkennen, in dem die Einfahrt zur Tiefgarage verschlossen wurde und in den Nordflügel des Rathauses an der Karmelitenstraße verlegt wurde. Allerdings zeigt die
Gestaltung der Einfahrt wenig Rücksicht auf die bauliche Umgebung.
In Bezug auf die bislang bekannten verkehrsmäßigen Planungen ist Folgendes
festzustellen:
1. Eine Verlegung der Einfahrt in die Martinstraße Nr. 7 oder 9 ist an sich
sinnvoll und begründet. Dementsprechend kann eine Aufwertung der westlichen Eichhornstraße erfolgen, die eine direkte räumliche Anbindung an
den Oberen Markt ermöglicht. In Verbindung mit einer guten Fassadengestaltung im Anwesen Eichhornstraße wäre eine Aufwertung in mehrfacher
Hinsicht möglich.
2. Allerdings bestehen gegen eine Verkehrsführung resp. Zufahrt durch die
Domerpfarrstraße, Hofstraße, Paradeplatz, Martinstraße erhebliche Bedenken. Der Verkehr wird durch eine erhaltenes historisches Ensemble geführt: klassizistischer Bau der ehemaligen Galerie, Barockbau des ehemaligen Guttenberg-Palais, hochromanische Kirchenbauten Dom und Neumünster mit Schönbornkapelle (Meisterwerk B. Neumann) und Zugang
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zum Lusamgarten, sowie die enge Martinsgasse geführt. Diesen Weg
nehmen auch die Besucher privat oder bei Führungen, wenn sie von der
Residenz kommen. Zu denken ist hier auch an eine stadtgeschichtliche
Dokumentation mit Schwerpunkt Zerstörung und Wiederaufbau.
3. In einer Güterabwägung ist zu überlegen, ob eine planerische und gestalterische Vernachlässigung der Verbindungsachse Residenz Dom im Vergleich zur Eichhornstraße, gedacht in Verbindung mit der Spiegelstraße bis
zum Kardinal-Faulhaber-Platz weiterhin vertretbar ist. Für eine Verkehrsberuhigung in dem genannten Bereich spricht die Wertigkeit des Tourismus und der Kultur für die Stadt, ihre Image und ihre Wirtschaft. Dringend
bedürfte diese Achse einer zusätzlichen kulturellen Nutzung, die auch den
Empfang von Gästen durch Gästeführer am Eingang der Hofstraße ermöglicht. Gastronomische Nutzung mit Betrieb im Freien ließe sich am Platz
um den Chronosbrunnen, vor der ehemaligen Galerie, im früheren Guttenberg-Palais (ehemalige Weinstube) anregen.
4. Zu diesem Zweck wäre folgende Regelung denkbar:
a) Im Bereich von Eichhornstraße sowie Hofstraße bis Martinstraße entfällt
die Trennung nach Fußgänger und Fahrbereich, eine einheitliche Bodengestaltung definiert den Straßenraum.
b) Der Anliegerverkehr im Schritttempo ist gestattet, ebenso der Anfahrtverkehr über die Eichhornstraße. Mittels einer elektrischen Anzeige erfolgt vor dem Beginn der verkehrsbeschränkten Zone der Hinweis auf
die Aufnahmefähigkeit der Tiefgarage. Bei kompletter Besetzung besteht Einfahrtverbot.
c) Unklar ist, ob über die Martinsgasse auch eine Ausfahrt aus der Tiefgarage erfolgen soll.
Als Fazit bleibt, dass die Ertüchtigung der Eichhornstraße, im nächsten Schritt
der Spiegelstraße, einerseits einen attraktiver Planungsaspekt für Innenstadt
darstellt, andererseits jedoch dringend um eine Ertüchtigung der Achse Residenz
Dom/Neumünster ergänzt werden muss, die eine räumliche und kulturelle Auswertung der auf die Residenz hin orientierten Hofstraße, von Neumann als barocke Verbindung angelegt, ergänzt werden muss. Das stadträumliche und kulturhistorische Erlebnis muss in diesem Bereich dringend durch qualifizierte Maßnahmen optimiert werden, dies auch im Hinblick auf eine gesteigerte Attraktivität
der Stadt für Kurzzeitbesucher, die primär nicht wegen des Angebots des Würzburger Handels die Stadt besuchen.
5. Fazit
Die Neubaumaßnahme gemäß Vorbescheid BA 22911 stellt eine Chance für die
Ertüchtigung der City und Fußgängerzone dar, auch im Hinblick auf eine attraktivere Gestaltung der Eichhornstraße. Für die Architektur des neuen Geschäftshauses sind jedoch einerseits in Bezug auf die Gestaltung Qualitätskriterien seitens
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der Stadt Würzburg zu entwickeln, die wie beim Neubau S. Oliver zu einer verträglichen und maßstabsgerechten Integration des Bauvorhabens führen. Die
eigenständige Wirkung und Kubatur des Petrinipalais Emeringen muss uneingeschränkt gewährleistet sein. Die Verlegung der Tiefgarageneinfahrt ist zu begrüßen, wenn die Verkehrsregelung nicht einseitig zu Lasten des Bereichs Hofstraße,
Paradeplatz und historische Domimmunität geht. Die Konzipierung der Hofstraße
und des Umfelds als verkehrsberuhigte oder verkehrsreduzierter Straße mit Kultur- und Gastronomieangebot sollte parallel zur Ertüchtigung der Eichhorn- und
Spiegelstraße als eher kommerziellen Straßenraums erfolgen.
Würzburg, 25. Mai 2010
Stadtheimatpfleger
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