Wachposten gegen mikrobielle Invasoren

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Wachposten gegen mikrobielle Invasoren
Dendritische Zellen sind Wachposten des angeborenen Immunsystems, die bei Anwesenheit
infektiöser Mikroorganismen das adaptive Immunsystem aktivieren. Prof. Dr. Klaus Heeg und
seine Mitarbeiter am Department für Infektiologie der Universität Heidelberg untersuchen die
komplexen Signalwege, die an dieser wichtigen Schnittstelle zwischen angeborener und
erworbener Immunität eingeschaltet sind.
Dendritische Zellen gehören zusammen mit Makrophagen und B-Zellen zu den
„professionellen Antigen-präsentierenden Zellen“. Das sind Komponenten des angeborenen
Immunsystems, die über die an ihrer Zelloberfläche präsentierten Antigene (zum Beispiel von
Viren oder Bakterien) spezifische T-Lymphozyten aktivieren und damit die adaptive (erworbene)
Immunantwort einleiten. Sie stehen damit an der Schnittstelle zwischen angeborener und
erworbener Immunität. Von den drei Zelltypen sind die dendritischen Zellen für die
Antigenpräsentation die wichtigsten, obwohl ihre Funktion als letzte erkannt worden ist. Heute
stehen sie im Brennpunkt immunologischer Forschung.
Dendritische Zellen
Immunfluoreszenz-Fotografie zweier dendritischer Zellen der Maus mit MHC-Komplexen (mit Antikörpern rot
markiert) an der Zelloberfläche. © Universitätsklinikum Heidelberg
Dendritische Zellen haben ihren Namen (griechisch „dendros", der Baum) von den feinen
zytoplasmatischen Verzweigungen und Verästelungen, die ihrer sonst eher kugeligen Gestalt
eine sternförmige Morphologie verleihen. In dieser Form wandern die dendritischen Zellen
durch die peripheren Organe und nehmen durch Phagozytose Krankheitserreger wie zum
Beispiel Bakterien oder auch virusinfizierte Zellen in sich auf. Die fremden Antigene werden
proteolytisch in einzelne Peptide zerlegt und von Antigenrezeptoren der dendritischen Zellen
an Haupthistokompatibilitäts-Komplexe (Major-Histocompatibility-Complex - MHC) gebunden.
Die dendritischen Zellen wandern vom Ort der Infektion zu den lymphatischen Organen, also
zum Beispiel in den nächsten im Lymphstrom abwärts liegenden Lymphknoten. Dort
präsentieren sie den T-Lymphozyten große Mengen der prozessierten Antigene in Form von
MHC-Peptid-Komplexen auf ihrer Zelloberfläche. Antigenspezifische T-Lymphozyten werden
aktiviert und lösen eine spezifische zelluläre Immunantwort aus. Die Antigen-Präsentation ist
außerordentlich effizient. Eine einzelne dendritische Zelle kann Hunderte oder sogar mehrere
Tausend antigenspezifische T-Zellen aktivieren.
Tolle Rezeptoren
Prof. Dr. Klaus Heeg, Department für Infektiologie der Universität Heidelberg © Universitätsklinikum Heidelberg
Dendritische Zellen haben damit als Vermittler der Immunität eine Schlüsselfunktion. Als
Wachposten des Immunsystems zeigen sie die Anwesenheit infektiöser Mikroorganismen an,
und sie alarmieren und aktivieren die T-Lymphozyten, die Träger der adaptiven zellulären
Immunantwort. Außerdem können sie primäre Immunreaktionen initiieren, einschließlich der
Polarisierung naiver T-Zellen in spezialisierte Subpopulationen wie regulatorische T-Zellen
(Treg), welche die Aktivierung des Immunsystems unterdrücken und die Selbsttoleranz
gegenüber körpereigenen Antigenen aufrecht erhalten. Die Differenzierung der dendritischen
Zellen für ihre verschiedenen Aufgaben unterliegt selbst einem komplexen
Regulationsmechanismus, der von Professor Klaus Heeg und seinen Mitarbeiter am
Department für Infektiologie (ehemals Hygiene-Institut) der Universität Heidelberg erforscht
wird. Die Wissenschaftler beschäftigen sich besonders mit den „Toll-like receptors" (TLRs), das
sind Rezeptoren an der Zelloberfläche unter anderem von dendritischen Zellen, die es dem
Immunsystem ermöglichen, eindringende Mikroorganismen aufzuspüren, indem sie bestimmte
mit den pathogenen Keimen assoziierte Muster, sogenannte „ pathogen-associated molecular
patterns" (PAMPs), erkennen. Die spezifische Bindung solcher PAMPs an TLRs führt zur
Aktivierung der Zellen. Beispielsweise bindet das für gramnegative Bakterien charakteristische
Lipopolysaccharid an TLR-4, und Lipoteichonsäure, die in der Zellwand grampositiver Bakterien
vorkommt, bindet an TLR-2. Virale Doppelstrang-RNA wird spezifisch von TLR-3 gebunden.
Für TLR oder „toll-like receptor" gibt es keine passable deutsche Bezeichnung. Manchmal
findet man in der Fachliteratur die Umschreibung: Signaltransduktions-vermittelnde PRRs
(„pattern recognition receptors"). Dabei stammt das Wort „toll" in TLR nicht etwa, wie der
unbefangene Leser meinen könnte, aus der englischen, sondern aus der deutschen
Sprache. Das namengebende Proteinmolekül wurde Anfang der 1980er-Jahre bei
Untersuchungen der frühen Embryogenese von Drosophila am Europäischen
Molekularbiologischen Laboratorium in Heidelberg entdeckt. Die Wissenschaftler um
Christiane Nüsslein-Volhard und Eric Wieschaus, die für diese Untersuchungen 1995 den
Nobelpreis erhielten, waren von den Eigenschaften dieses Gens bzw. Genproduktes, das
die dorsal-ventrale Polarität im Drosophila-Embryo festlegt, so begeistert, dass sie es
einfach „toll" fanden und entsprechend benannten. Im Bewusstsein dieser Wortbedeutung
sträubt man sich, von "Toll-ähnlichen" oder "Toll-artigen" Rezeptoren, die man manchmal
in der Literatur findet, zu sprechen. Wir werden uns mit der Abkürzung TLR begnügen.
TLRs sind in ihrer Struktur hoch konservative Moleküle. Beim Menschen kennt man etwa
zehn verschiedene Rezeptoren, die dem „Toll"-Protein von Drosophila homolog sind. Auch
IL-1RI, ein Rezeptor, der das bei Entzündungsreaktionen wichtige Interleukin 1 (ein Cytokin
) bindet, zeigt homologe Sequenzen mit „Toll". Es handelt sich bei dieser Proteinfamilie
offenbar um Komponenten eines phylogenetisch alten Signalsystems, das sowohl in der
Morphogenese als auch bei der angeborenen Immunität und Abwehrreaktionen gegen
Pathogene eine Rolle spielt.
TLRs und SOCS
Es wurde gezeigt, dass die TLR-Stimulation auch einen gegenläufigen Effekt induziert, nämlich
die Expression von Feedback-Inhibitoren der Zellaktivierung. Hierbei handelt es sich vor allem
um intrazelluläre Suppressoren der Cytokin-signalisierenden Proteine , die sogenannten SOCS
(„suppressors of cytokine signaling“). Sowohl in der Maus als auch beim Menschen werden
TLRs und SOCS von Subpopulationen der dendritischen Zellen exprimiert. Die Bedeutung dieser
wichtigen Proteine an der Schnittstelle von angeborener und adaptiver Immunität wird von
Prof. Heeg und seinen Mitarbeitern in einem Forschungsprojekt im Rahmen eines DFGSonderforschungsbereichs an der Universität Heidelberg (SFB 405: „Immuntoleranz und ihre
Störungen“; Sprecher: Prof. S. Meuer und Prof. G. Hämmerling) untersucht.
Schematische Darstellung der Differenzierung, Reifung und Aktivierung von dendritischen Zellen und ihre
Stimulierung durch TLR-Liganden. © Department für Infektiologie, Universitätsklinikum Heidelberg
Zur SOCS-Familie gehören sowohl das „Cytokin-induzierbare SH2-Protein“ (CIS) als auch die
Proteine SOCS 1 bis 7, die an dem „JAK/STAT“-Signalweg angreifen. Dabei handelt es sich um
die sogenannte „Janus“-Familie von Kinasen , die mit den cytoplasmatischen Domänen des
Cytokin-Rezeptors assoziiert sind. Im aktivierten Zustand phosphorylieren die Janus-Kinasen
andere Proteine , die man als Signalüberträger und Aktivatoren der Transkription („Signal
Transducers and Activators of Transcription“, STAT) bezeichnet, durch die schließlich die
Transkription der durch Cytokin induzierten Gene in Gang gesetzt wird. In dem von Heeg
geleiteten Forschungsprojekt wird die Rolle der SOCS-Expression in den verschiedenen
Differenzierungsphasen und Funktionszuständen der dendritischen Zellen untersucht. Dabei
geht es besonders um den Einfluss der SOCS auf die T-Zell-Aktivierung durch reife dendritische
Zellen und damit auf die Aktivierung des adaptiven Immunsystems.
Die Heidelberger Forscher verwenden als In-vitro-Modelle einerseits Vorläuferzellen aus dem
Knochenmark der Maus, die durch GM-CSF („Granulocyten-Macrophagenkoloniestimulierender Faktor“) zur Differenzierung in dendritische Zellen induziert werden,
andererseits menschliche CD14-positive Monocyten, eine Subpopulation weißer Blutzellen, die
sich durch GM-CSF zusammen mit Interleukin 4 (IL-4) zu dendritischen Zellen differenzieren.
Systematisch werden in den drei Entwicklungsphasen der dendritischen Zellen Differenzierung, Reifung, Aktivierung - die durch verschiedene Faktoren (beispielsweise TLRLiganden oder Cytokine) induzierten Expressionsmuster der SOCS und ihre Auswirkungen
analysiert. In einem weiteren Forschungsprojekt konnten Heeg und Mitarbeiter zeigen, dass
durch TLR-Aktivatoren Antigen-präsentierende Zellen induziert werden, die ihrerseits die
Differenzierung naiver T-Helferzellen in regulatorische T-Zellen (Treg) induzieren.
Fachbeitrag
08.12.2009
EJ
BioRN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
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Universität Heidelberg
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Neue Trends in der Immunologie
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