Vorlesung BSBS

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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Vorlesung WS 2012/2013
Biosignale und
Benutzerschnittstellen
Nervensystem/
Informationsfluss im menschlichen Körper
Prof. Dr. Tanja Schultz
Dipl. Math. Michael Wand
1
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Literatur
• Rainer Schandry: Biologische Psychologie. Beltz Verlag, 2006
(Diverse Abbildungen, üblicherweise
mit Abbildungsnummer gekennzeichnet,
sind diesem Buch entnommen.)
2
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Einführung
Diese Vorlesung befasst sich mit den Grundlagen der Entstehung von Biosignalen
im menschlichen Körper.
• Aus Einführungsvorlesung: Biosignale bewerkstelligen Steuerung, Regelung
und (allgemeiner) Informationsübertragung im menschlichen Körper.
Regelkreis (Quelle: Wikipedia)
• Heute schauen wir uns die Grundlagen dieses Prozesses an.
• Wir werden also insbesondere das menschliche Nervensystem betrachten, und
wir werden die Funktionen einiger Zelltypen kennenlernen.
• Später werden wir sehen, wie wir die Signale von Nervenzellen (im Hirn) direkt
messen und auswerten können.
3
Einführung
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Unsere Themen heute:
• Informationsübertragung auf Zellebene: Was passiert, wenn ein Reiz an einer
Zelle ankommt? Wie wird ein Impuls von einer Zelle zu einer anderen
weitergeleitet?
• Das menschliche Nervensystem: Es stellt die grundlegende
Kommunikationsinfrastruktur des menschlichen Körpers dar. Befehle aus dem
Gehirn (und Rückenmark) werden über das Nervensystem zu den betreffenden
Körperzellen geleitet, wo sie eine Reaktion auslösen.
• Struktur des Gehirns (siehe auch EEG-Vorlesung)
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Überblick
• Bausteine des Nervensystems
• Neuronen
• Gliazellen
• Informationsübertragung und –verarbeitung
• Elektrisches Potential der Zelle
• Synapsen
• Aufbau des Nervensystems
• Rückenmark
• Gehirn
• Steuerung vegetativer Funktionen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Bausteine des Nervensystems
• Neuronen:
• Dienen der Informationsverarbeitung (= Transport und Verarbeitung von
Signalen)
• Gliazellen
• Stellen Hilfsapparat für Neuronen dar
• Üben Schutz, Versorgungs- und Stützfunktionen aus
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Aufbau von Neuronen
• Zellkörper (Soma): wie eine Pyramide oder
Kegel, Verarbeitung von Informationen,
enthält Zellkern
• Axon: transferiert Informationen
vom Zellkörper zu anderen Zellen (Sender)
• Dendriten: sammeln Informationen
von anderen Neuronen (Empfänger)
stark bedornt, Fasern anderer Neuronen
können hier andocken
• Myelinscheide: umhüllt Axon, dient
Beschleunigung der Leitungsgeschwindigkeit
des Axons
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Neuronen
• Vier Prinzipien der neuronalen Organisation
(nach Ramon y Cajal, ~ 1895)
1. Das Neuron ist die grundlegende strukturelle und funktionelle Einheit des
Gehirns.
2. Die Axonendigungen eines Neurons kommunizieren mit den Dendriten
eines anderen Neurons nur an bestimmten Stellen, den Synapsen
(griechisch: synapsis = Verbindung) wobei zwischen zwei Zellen eine
kleine Lücke besteht.
3. Nach dem Prinzip der Verbindungsspezifität kommuniziert jede
Nervenzelle nur mit ganz bestimmten weiteren Nervenzellen, was sich in
speziellen neuronalen Schaltkreisen widerspiegelt.
4. Die Signalübertragung von Zelle zu Zelle findet nach dem Prinzip der
dynamischen Polarisation nur in eine Richtung statt.
8
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Formen von Neuronen
Quelle: Schandry, Abbildung 3.6
9
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Klassifikation von Neuronen
• … nach äußerer Gestalt
• z.B. Pyramidenzellen, Sternzellen
• … nach Verbindungen, die sie eingehen
• Sensorische Neurone: senden die Information über physikalische oder
chemische Reize, die auf die Sinnesorgane (incl. Haut) einwirken, an das
Gehirn.
• Motoneurone: sind in Gehirn und Rückenmark beheimatet, steuern die
Aktivität von Muskel- und Drüsenzellen durch ihre Axone.
• Interneurone: dienen als Umschaltstation zwischen sensorischen und
motorischen Neuronen.
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Gliazellen – Funktionen
• „Führungselemente“ beim Wachstum von Neuronen
• Stützelemente des Nervensystems, verleihen Gewebe Festigkeit
• Transportmedien beim Abtransport von
Abbaustoffen bzw. abgestorbenen Neuronen
• Optimierung der Konzentrationsverhältnisse
von Ca- und K-Ionen
• Beeinflussung der Effektivität synaptischer
Kontakte zwischen Nervenzellen
• Wirken bei Blut-Hirn-Schranke bei Abschirmung des Zentralnervensystems von
potenziell schädlichen Stoffen im Blut mit
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Überblick
• Bausteine des Nervensystems
• Neuronen
• Gliazellen
• Informationsübertragung und –verarbeitung
• Elektrisches Potential der Zelle
• Synapsen
• Aufbau des Nervensystems
• Rückenmark
• Gehirn
• Steuerung vegetativer Funktionen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Ruhepotenzial
• Für alle Zellen eines lebenden Organismus gilt: Ionenkonzentration im
Zellinneren unterscheidet sich von der im Zelläußeren
• Unterscheiden sich die Ionen in ihrer Ladung:
 Potenzialdifferenz über Zellmembran hinweg
• Diese Differenz nennt man Membranpotenzial
• Beim Menschen in Ruhezustand beträgt das Membranpotenzial ca. -70mV
= Membranruhepotenzial oder Ruhepotenzial
• „-“ bedeutet dass das Zellinnere gegenüber dem Äußeren (als neutral
betrachtet) eine negative Ladung hat
• Daher nennt man die Zelle „elektrisch polarisiert“
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Messung des Membranpotenzials
• Messung des Membranpotenzials:
• Einstich mit feiner Elektrode in die Zelle, und zweite Elektrode außerhalb
der Zelle
• Spannungsmesser zwischen beide Elektroden zeigt die Potenzialdifferenz
an
-70 mV
• Messung der Veränderungen
• Welche Art von Ionen
sind beteiligt?
• Warum kommt es nicht zu
einem Ladungsausgleich?
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Permeabilitätsunterschiede
• Welche Art von Ionen sind beteiligt:
• K+, Na+ (Kalium, Natrium: positiv geladene Kationen)
• Cl-, A- (Chlor, Proteine: negativ geladene Anionen)
• Warum kommt es nicht zum Ladungsausgleich:
• Die Zellmembran ist für Ionen nicht gleichermaßen durchlässig
(permeabel)!
 Hoch permeabel: K, Cl
 Niedrig permeabel: Na
 Undurchlässig: Proteinanionen
• Zellinnere: K+, negativ geladene Proteine
• Zelläußere: Na+, Cl-, Ca2+
• Ruhepotenzial ergibt sich aus den unterschiedlichen Verteilungen von Na,
K, Cl, Proteinen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Konzentrationsverhältnisse
• K+ bleibt freiwillig in negativem Zellinneren, analog Cl- im positiven (weil die
Ionenladung zum herrschenden Potential passt)
• Eiweißanionen wollen raus, dürfen aber nicht (Membran undurchlässig)
• Na+ wären lieber im Inneren, konzentrieren sich aber draußen!
Woran liegt das???
• Antwort: NatriumKalium- Pumpe
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Natrium-Kalium-Pumpe
• Aktiver Pumpmechanismus, der ständig Na+ aus der Zelle heraus befördert
(unter Energieaufwand)
• Molekül, das über die Innen- und Außenseite der Zellmembran herausragt
• Besitzt im inneren
3 Bindestellen für Na+
• Im Äußeren
2 Bindungsstellen
für K+
• K+ wandern durch
Kaliumkanäle
wieder aus dem
Zellinneren heraus
(passiver Transport)
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Natrium-Kalium-Pumpe
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Transport elektrischer Signale
Wie werden elektrische Signale im Zellinneren transportiert?
• Transport erfolgt ganz normal durch Ladungsträger, aber:
• Ladungsträger sind verschiedene Ionen, nicht
Elektronen
• Leitungsstrecke ist nicht gegen Äußeres „isoliert“
Es gibt zwei Arten der Leitung elektrischer Signale:
• passiver Transport
• noch am ehesten vergleichbar mit
Stromfluss im leitenden elektrischen Kabel
• nur über geringe Distanzen möglich
• Transport durch Aktionspotentiale
• spezielle erregbare (Nerven-)Zellen können aktiv Potentialspitzen
erzeugen, die viel effizientere Weiterleitung ermöglichen
19
?
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Passiver Signaltransport
• in gewissem Rahmen vergleichbar mit Stromfluss im leitenden Elektrokabel
• Ladungsträger sind verschiedene Ionen
• Durch einen Reiz an der Zellmembran entsteht
eine lokale Potentialänderung
• Da die Ionen im wässrigen Zellinneren eine hohe
Beweglichkeit haben, pflanzt sich die Ladungsverschiebung mit hoher Geschwindigkeit fort,
einzelne Ionen bewegen sich dabei nur wenig
• Leitung ist schnell und verlustreich
• Nur bei kurzen Distanzen möglich (< 1 mm), z.B. an den Membranen der
Dendriten einer Nervenzelle
• Spielt eine Rolle, wenn Informationen auf engem Raum verarbeitet werden
müssen, z.B. im Gehirn
20
!
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Signaltransport durch Aktionspotentiale
• Aktionspotential: Spezieller Mechanismus zum Signaltransport
• Erregbare (Nerven-)Zellen reagieren auf einen Reiz mit einer Änderung ihrer
elektrischen Membraneigenschaften (Ionenleitfähigkeit), insb. Permeabilität
für K und Na Ionen
• Solche Reizungen können elektrischer, aber
auch chemischer, ... Natur sein
• Bilder: Stimulations- und Messelektrode
Oben sieht man passiven Ladungstransport
• Nach Überschreiten einer bestimmten
Schwelle der Potenzialverschiebung treten
Aktionspotenziale auf
• Aktionspotentiale können weitaus höhere
Spannung als der ursprüngliche Reiz haben!
• Oberhalb der Schwelle zeigen APs dieselbe
Höhe (alles-oder-nichts-Gesetz)
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Aktionspotential
Konsequenzen der Spannungsänderung durch Reiz:
• Infolge der Depolarisation fließt ein von innen nach außen gerichteter Strom
durch die Membran
• Aktionspotenziale bestehen aus drei Phasen
• Depolarisation - schnell: Ionentor öffnet sich Natriumeinstrom (und
Kalzium)  Membranpotenzial wird größer, bis +20mV
• Repolarisation - langsam: Kaliumtore öffnen sich, Kaliumausstrom,
Potenzial fällt wieder ab
• Nachhyperpolarisation: Kaliumtore schliessen sich nur langsam, Potenzial
fällt unter Ruhepotenzial
• Während des Aktionspotentials ist die Membran nur schwer oder überhaupt
nicht erregbar! Diese Zeit bezeichnet man als Refraktärphase.
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Spannungsverlauf während Aktionspotentials
Depolarisation
Repolarisation
Hyperpolarisation
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Eigenschaften des Aktionspotentials
• Wegen des Alles-oder-Nichts-Gesetzes hat die Stärke des Reizes keine
Auswirkung auf die Höhe des Aktionspotentials.
• Aber die Form des Potentials hängt von der Reizstärke ab: Je intensiver der
Reiz, desto schneller läuft das Aktionspotential ab
 Damit wird auch die Refraktärzeit kürzer
 Wenn der Reiz intensiver ist, kann schneller wieder ein neues Aktionspotential
entstehen!
 Damit wird die Reizstärke in die
Frequenz der Aktionspotentiale
umkodiert (sofern die Dauer des
Reizes länger ist als ein einzelnes
Potential)!
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Informationsübertragung: Synapse
• Die Signalübertragung von einer Nervenzelle auf eine andere Zelle (Nervenoder Muskelzelle) erfolgt über Synapsen!
Definition Synapse:
Verbindungsstelle zwischen zwei Neuronen oder einem Neuron und einer Zelle
des Erfolgsorgans (z. B. Muskelzelle) an der Information weitergegeben wird
Axon – Dendrit oder Axon - Soma
• Zwei verschiedene Mechanismen
der Informationsübertragung
von einer Zelle auf die andere
• d.h. zwei Typen von Synapsen
• Elektrische Synapsen
• Chemische Synapsen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Elektrische Synapsen (gap junction):
Zellmembranen nähern sich an (bis auf 2nm = 2·10-9m)
Zwei gegenüberliegende Porenmoleküle bilden eine röhrenartige Verbindung
Ionen und kleine Moleküle wandern von Zelle zu Zelle
Sehr schnelle Wanderung, daher sehr schnelle Potenzialverschiebungen der
postsynaptischen Membran
• Analogie zu zwei sich berührenden Drähten bei elektrischer Leitung, daher
Name „elektrische Synapse“
• Informationsübertragung symmetrisch in beide Richtungen
• Elektrische Synapse wird zur Synchronisation von Zellverbänden mit
identischen Funktionen verwendet
• Muskelzellen des Herzens
• Muskelzellen der inneren Organe
• Vereinzelt in Neuronenverbänden im Gehirn
•
•
•
•
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Chemische Synapsen
• Synaptischer Spalt zwischen benachbarten Zellen ist größer als bei elektrischer
Synapse (20-50nm)
• Spalt zwischen der präsynaptischen Endigung und der postsynaptischen
Membran wird mittels chemischer Botenstoffe überbrückt
• Ausgangszelle sendet chemischen Stoff; löst an der Membran der Zielzelle
Prozesse aus; zieht Ionenwanderung durch die Membran nach sich
• Chemische Synapse ist asymmetrisch aufgebaut, d.h. Information wird nur in
eine Richtung übertragen
• Informationsübertragung dauert länger als bei der elektrischen Synapse
• Chemische Synapse dient vor allem der Verarbeitung von Informationen im
menschlichen Zentralnervensystem
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Erregungsübertragung an der chem. Synapse
Bestandteile einer chemischen Synapse:
• Präsynaptische Endigung (vom
informationssendenden Neuron
• Postsynaptischer Membranbereich
(des empfangenden Neurons)
Ablauf der Informationsübertragung:
1.
Präsynaptische Endigung
2.
3.
4.
5.
Synaptischer Spalt
6.
Rezeptoren
Postsynaptische Zelle
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Membranerregung (i.A. ein
Aktionspotenzial) läuft in
präsynaptische Endigung ein
In den syn. Spalt wird Überträgerstoff
(sog. Neurotransmitter) ausgeschüttet
Neurotransmitter verteilt sich im Spalt
Erreicht dabei Empfängermoleküle
(sog. Rezeptoren) an postsynaptischer
Membran
Transmitterstoffe entfalten Wirkung
an den Rezeptoren
Ionenkanäle öffnen sich
 Potenzialveränderungen
 eventuell neues Aktionspotential
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Transmitterfreisetzung
Chemische Übertragung:
• Besonderheit chemischer Übertragung
zwischen Nervenstellen besteht darin, …
• … dass die Neurotransmitter nur eine
sehr kurze Strecke zurücklegen
• … und dass i.A. als Bote zwischen
nur zwei Zellen fungieren
 Chemische Übertragung ist
schnell und sehr gezielt
Ablauf der Informationsübertragung:
• Neurotransmitter ist in den Vesikeln der
präsynaptischen Endigung gespeichert
• Aufgrund Zellsignal verschmelzen
Vesikel mit der Zellmembran, und …
• Gießen ihren Inhalt (Transmittersubstanz)
in den Spalt
• Vesikel enthalten i.d.R. eine Art der
Transmittersubstanz (ca. 1000 gesamt)
• Endigung enthält unterschiedliche
Vesikeltypen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Typen synaptischer Verbindungen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Potenzialveränderungen
• Potenzialveränderungen besteht je nach verschobener Ionensorte in:
• Depolarisation (Zellinneres wird positiver):
exzitatorisches postsynaptisches Potenzial (EPSP)
• Hyperpolarisation (Zellinneres wird negativer):
inhibitorisches postsynaptische Potenzial (IPSP)
• Wird die Membran hinreichend depolarisiert, um das Aktionspotenzial
zu überschreiten (Alles-oder-Nichts Prinzip!), wird in der Zielzelle
ein Aktionspotenzial ausgelöst
• Geschieht aber nur dann, wenn dieser Membranbereich erregbar ist,
• D.h. spannungsgesteuerte Natriumkanäle sind vorhanden,
die den lawinenartigen Einstrom von Natriumionen ermöglichen
 Nicht alle Potenzialverschiebungen der postsynaptischen Membran
führen zu einem Aktionspotenzial!
• Verweildauer der Neurotransmitter am Rezeptor ist extrem kurz
• Unmittelbar nachdem das Rezeptormolekül auf das Andocken des
Transmitters reagiert hat, wird dieser wieder freigegeben und abtransportiert
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Potenziale
Drei Zustände der postsynaptischen Membran
1. Hyperpolarisierung der Membran der Zielzelle
(postsynaptische Membran), d.h.
Ruhepotenzial noch weiter zu negativem Wert
verschoben = inhibitorisches postsynaptisches
Potenzial (IPSP) (Synapse 3 und/oder 4 aktiv)
2. Depolarisierung der Membran der Zielzelle, d.h.
Ruhepotenzial wird weniger negativ oder positiver
= exzitatorisches Potenzial (EPSP), allerdings wird
kein Aktionspotenzial ausgelöst (Synapse 1 oder 2
aktiv)
3. Zielzelle wird soweit depolarisiert, dass die
Schwelle überschritten wird und ein
Aktionspotenzial ausgelöst wird (Synapse 1 und 2
aktiv)
 Erregungsübertragung von
Ausgangs- auf Zielzelle!
Input von n Synapsen wird auf Ebene dieser Zelle
verrechnet!
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Verrechnung zum Gesamtergebnis
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Folgeprozesse am Zielneuron
Merke: am Axonhügel (rechts: Einstichort der Elektrode)
findet die Umkodierung der Höhe des Membranpotenzials
in die Impulsfrequenz der axonal auslaufenden
Aktionspotenziale statt: Mechanismen zur Verrechnung
zum Gesamtergebnis:
1. Räumliche Summation (Bahnung):
Verstärkung von Potentialen, die in zeitlich geringer
Versetzung einlaufen: Falls die Summation im
Endergebnis zu einem Aktionspotenzial führt, spricht
man von Bahnung
2. Zeitliche Summation kommt durch die schnelle
Aufeinanderfolge einlaufender Impulse zustande,
Transmitterausschüttung kann sich erhöhen
3. Präsynaptische Hemmung: Durch weitere
Synapse von hemmendem Neuron kann
Transmitterausschüttung schon vor
Erreichen der Zielzelle
verringert werden
33
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Zusammenfassung: Informationsweiterleitung
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Aktionspotenzial kommt an der präsynaptischen Endigung an
Führt zur Öffnung spannungsgesteuerter Kalziumkanäle
Einstrom von Kalzium verursacht das Verschmelzen der transmittergefüllten
Vesikel mit der Membran
Transmitter wird dadurch in den synaptischen Spalt freigesetzt
Der Transmitter dockt an spezifische Rezeptoren der postsynaptischen
Endigung an
Wird an der Membran ein Schwellwert überschritten, öffnen sich die
spannungsgesteuerten Natriumionenkanäle
Lawinenartiger Natriumeinstrom löst ein Aktionspotenzial aus
Dieses Aktionspotenzial kann dann eventuell weitergeleitet werden (gehe zu
Schritt 1 …)
Wichtig: Das Aktionspotenzial „wandert“ nicht weiter, sondern es induziert ein
völlig neues Aktionspotenzial in der benachbarten Membranregion.
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Überblick
• Bausteine des Nervensystems
• Neuronen
• Gliazellen
• Informationsübertragung und –verarbeitung
• Elektrisches Potential der Zelle
• Synapsen
• Aufbau des Nervensystems
• Rückenmark
• Gehirn
• Steuerung vegetativer Funktionen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Anatomie des Nervensystems
• Topographie:
• Zentrales Nervensystem
 Gehirn
 Rückenmark
• Peripheres Nervenssytem
(Verbindung zwischen ZNS und
Körper)
 Spinalnerven
 Hirnnerven
 Körpernerven
• Funktionelle Gliederung
• Somatisches Nervensystem
 Sinnesorgane
 Skelettmuskulatur
• Autonomes / Vegetatives
Nervensystem
 Innere Organe
 Glatte Muskulatur
Quelle: Schandry, Abbildung 6.2
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Das Zentrale Nervensystem
• Das zentrale Nervensystem besteht aus Rückenmark und Gehirn
• Funktionen und Aufgaben:
1. Verarbeitung afferenter Signale (von der Peripherie zum Gehirn,
sensorische Signale)
2. Efferente Signale (vom Gehirn an die Peripherie laufend) an die
Aktuatoren, z.B. zur Muskulatur
3. Höhere integrative Fähigkeiten, wie Denken, Lernen, Sprache (Produktion
und Verstehen), Gedächtnis, Emotion, etc.
4. Kontrolle vegetativer Funktionen, wie Atmung und kardiovaskulares
System
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Das Rückenmark
• Verlängerung des Hirnstamms nach unten
• Befindet sich im Wirbelkanal, von Liquor umspült, 3 Häute umgeben es
• Graue Substanz: Bereiche mit Nervenzellkörpern
• Weiße Substanz: Faserverbindungen (Bahnen)
• Die graue Substanz hat im Querschnitt die Form eines Schmetterlings
• mit Vorder- (motorisch) und Hinterhorn (sensibel).
Weiße Substanz führt im:
•
•
Vorderstrang
absteigende
Information
vom Gehirn
Hinterstrang
sensorische
Information
zum Gehirn
leiten
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Das Rückenmark
• Aus dem Rückenmark ziehen motorische
(Vorderwurzel) und sensible (Hinterwurzel)
Nervenfasern, die sich an jeder Seite zum
Spinalnerv vereinigen.
• Die 31 Spinalnerven treten segmentweise
jeweils zwischen zwei Wirbeln – aus dem
Rückenmark aus und innervieren ihnen
zugeordnete Körperbereiche und Hautareale
• Im Rückenmark werden sensible
Informationen bereits grob von
Interneuronen verrechnet, die z.B.
motorische Reaktionen veranlassen können
(sog. spinale Reflexe)
• Es werden monosynaptische (über eine
Synapse verschaltete)
von polysynaptischen (über mehrere
Synapsen verschaltete) Reflexen
Wikipedia, Rückenmark
unterschieden
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Aufbau des Gehirns
Wesentliche Bestandteile:
• Verlängertes Mark
= Medulla oblongata
• Kleinhirn
= Cerebellum
• Brücke
= Pons
• Mittelhirn
= Mesaencephalon
• Zwischenhirn
= Diencephalon
• Endhirn
= Cerebrum
vorne
40
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Aufbau des Gehirns
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Das Gehirn
• Medulla oblongata: die unterste Struktur des Gehirns – verbindet das
Rückenmark mit dem Gehirn
• Durchzogen von den auf- und absteigenden Bahnen zwischen Gehirn und
Rückenmark
• Steuert die wichtige Reflexe des vegetativen Bereichs; Schwere Schädigung
führt zum Tod durch Herz-Kreislauf- u. Atemversagen
• Hier liegen auch die Hirnnervenkerne (wichtigster = N. vagus)
• Brücke: durchzogen von Verbindungen zwischen den Kleinhirnhälften
• Kleinhirn: ist quasi ein Anhängsel des Gehirns im Hinterhaupt
• Ist untergliedert in zwei Hemisphären
• Große Bedeutung bei der
Feinabstimmung der Motorik,
Konditionierung und beim
Erlernen von automatisierten
Handlungsabläufen
• Kooperiert eng mit Strukturen des
Endhirns (Basalganglien)
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Das Gehirn
• Mittelhirn (Mesenzephalon):
besteht – von dorsal nach ventral – aus den 3 Anteilen
• Tectum, Tegmentum und Crura cerebri
• Das Tectum (Dach) enthält
• Colliculi superiores (obere) und inferiores (untere) Hügel
Verschaltung für optische Reflexe und Hörbahn (inferiores)
Wikipedia
• Das Tegmentum (Haube) enthält wichtige Kerngruppen des
• III. und IV. Hirnnervs (N. oculomotorius und N.trochlearis),
• der Formatio reticularis sowie den Nucleus ruber und die Substantia nigra
(beide Bestandteile des motor. Systems)
• FR kontrolliert Wachsamkeit und
Schlaf-Wach-Rhythmus
• Die Crura cerebri (Hirnschenkel) werden von
motorischen Bahnsystemen gebildet, die vom
Kortex absteigen und zu den Hirnnervenkernen, Rückenmark und Pons laufen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Zwischenhirn
• Wesentliche Funktion des Zwischenhirns besteht in der Weiterleitung der
sensorischen Informationen in andere Hirnareale
• Daneben enthält es den:
• Hypothalamus
• Thalamus
• Hypophyse
• Ephiphyse
• Subthalamus
44
Der Thalamus
•
Thalamus
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
•
•
•
Hypothalamus
•
•
•
•
Enge Verbindung mit den Basalganglien,
wichtig für motorische Steuerung
Hypophyse
•
•
Steuerung vegetativer Funktionen, wie etwa Atmung, Kreislauf, Nahrungs- und
Flüssigkeitsaufnahme und Körpertemperatur
Steuert Sympathikus und Parasympathikus
Enge Verbindungen zu den vegetativen Organen  große Bedeutung für
emotionsbegleitende Körperprozesse
Subthalamus
•
•
dient als wichtiges sensorisches Umschaltzentrum, das die Information aus den
Sinnesorganen filtert (»Tor zum Bewusstsein«)
Darüber hinaus Aufgaben in der motorischen Koordination und der Schmerzwahrnehmung
sowie höherer psychischer Funktionen
schüttet Hormone in den Blutstrom aus
Epithalamus
•
Wichtigstes Organ ist die Epiphyse (Zirbeldrüse),
produziert Hormon Melatonin (Schlaf-Wach-Regulation)
45
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Endhirn
• Endhirn: besteht aus den
• Basalganglien (Endhirnkerne, Stammganglien) und
• dem Großhirnmantel (Pallium, Kortex)
• Basalganglien: liegen in der Tiefe des Palliums über dem Zwischenhirn
• unabdingbar für reibungslose und koordinierte Bewegung
durch Modulierung der motorischen Impulse des Kortex durch
komplexe Verschaltungen mit (überwiegend) hemmenden und erregenden
Anteilen
• Die Amygdala spielt große Rolle
beim Erleben von Angst und für
die Speicherung emotionaler
Gedächtnisinhalte
• Kortex: (Pallium, Hirnmantel) liegt
unmittelbar unter der Schädeldecke
und ist größten Anteil des Gehirns
• grauer Substanz (Zellkörper)
• weißer Substanz (Bahnen, Axone)
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Brodmann Areale
Brodmann-Areale: Einteilung der Hirnoberfläche
in 47 Areale auf Basis der Gestalt und Anordnung der
Nervenzellen
Die wichtigsten Windungen
und Furchen
47
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Motorischer Kortex
Homunculus
Motorischer Kortex
48
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Neuronale Organisation des Neokortex
Im Neokortex laufen die anspruchsvollsten geistigen Leistungen ab.
Schnitt senkrecht zur Oberfläche des Neokortex:
• Einheitliche Schichtenstruktur, sechs Schichten parallel zur Oberfläche
• Schichten unterscheiden sich in Zusammensetzung von Nervenzellkörpern
• Bis zu 80 verschiedene Neuronentypen, oben
Funktionsunterschiede unbekannt
• Abbildung der Schichtenstruktur durch
Einfärbung
• Nissl: Zellkörper
• Golgi: gesamte Zelle
• Weigert: Verbindungen
• Obere Schicht enthält wenig Neuronen,
viel Gliazellen
• III, V: primär efferenter Signalstrom
• II, IV: primär afferenter Signalstrom
unten
49
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Neuronale Organisation des Neokortex
• Drei Neuronentypen (nach Form)
• Pyramidenzellen: lange Axone, Verbindung zu anderen Kortexarealen
• Sternzellen: kurze Axone, Verbindungen
überwiegend mit benachbarten Neuronen
• Spindelzellen: spindelförmig, nur in Schicht VI
• Übereinander geschichtete Zellen haben oft ähnliche Aufgaben, man kann sie
zu kortikalen Säulen zusammenfassen. Z.B. im Motorkortex ist direkt
beobachtbar, dass jede Säule einige wenige motorische Einheiten von Muskeln
anspricht. So kleine Einheiten haben einen Durchmesser von ca. 400 μm und
enthalten 80-120 Neuronen.
• Gehirn hat also sehr klare Feinstruktur, aber trotzdem gibt es viel Redundanz
bei der Verarbeitung
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Überblick
• Bausteine des Nervensystems
• Neuronen
• Gliazellen
• Informationsübertragung und –verarbeitung
• Elektrisches Potential der Zelle
• Synapsen
• Aufbau des Nervensystems
• Rückenmark
• Gehirn
• Steuerung vegetativer Funktionen
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Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Autonomes Nervensystem
Das autonome (oder vegetative) Nervensystem
• versorgt und steuert innere Organe: Herz, Lunge, Magen-Darm-Trakt, Gefäße
und Drüsen
• ist insbesondere verantwortlich für die Aufrechterhaltung des inneren
Gleichgewichtszustandes des Körpers
• agiert weitgehend (aber nicht vollständig) unbeeinflusst von Bewusstsein.
Das autonome Nervensystem teilt sich auf in
• Sympathischer Teil
• Parasympathischer Teil
• Darmnervensystem
Sympathisches und parasympathisches Nervensystem
erfüllen typischerweise antagonistische Aufgaben:
Der sympathische Teil wird eher bei (körperlicher
oder mentaler) Erregung aktiv, der parasympathische
Teil eher in Ruhephasen.
Quelle: Schandry, Abbildung 7.1
52
Autonomes Nervensystem
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Übersichtsschema: Das autonome Nervensystem
53
Biosignale und Benutzerschnittstellen – Informationsfluss
Zusammenfassung
Was haben wir heute gelernt?
• Wir haben den Grundaufbau des Nervensystems besprochen
• Große Einheiten: Gehirn, Rückenmark, ...
• Mikrostruktur: Neuronen
• Wir haben einen Einblick in die interzelluläre Informationsübertragung
gewonnen
• Übertragung durch chemische und elektrische Botenstoffe
• Wichtigster Begriff: Aktionspotential → wird uns in dieser Vorlesung noch
häufiger begegnen
54
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