Vorlesung 10 - cismasemanuel.com

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Höhere Mathematik
Vorlesung 8
Mai 2017
ii
“In der Mathematik versteht man die Dinge nicht. Man gewöhnt sich
nur an sie.”
John von Neumann
8
Funktionentheorie
Komplexe Zahlen
Jede komplexe Zahl besitzt eine eindeutige Darstellung:
𝑧 = π‘₯ + 𝑖 · 𝑦,
π‘₯, 𝑦 ∈ R
Komplexe Zahlen kann man auch durch gerichtete Strecken (Vektoren) darstellen,
die im Koordinatenursprung beginnen und im entsprechenden Punkt der Zahlebene
enden. Die komplexe Zahl 𝑧 = 2+3𝑖 kann man daher nicht nur durch den Punkt
−→
𝐴(2, 3) darstellen, sondern auch durch den Vektor 𝑂𝐴
Man nennt π‘₯ = Re(𝑧) den Realteil und 𝑦 = Im(𝑧) den Imaginärteil der
komplexen Zahl 𝑧. Ist 𝑧 = π‘₯ + 𝑖𝑦 ∈ C so nennt man 𝑧¯ = π‘₯ − 𝑖𝑦 die zu 𝑧
konjugierte komplexe Zahl. Man erhält diese Zahl durch Spiegelung an der
π‘₯-Achse:
1
Realteil und Imaginärteil einer komplexen Zahl sind gegeben durch:
𝑅𝑒(𝑧) =
𝑧 + 𝑧¯
,
2
πΌπ‘š(𝑧) =
𝑧 − 𝑧¯
2𝑖
Die Addition zweier komplexen Zahlen 𝑧1 , 𝑧2 ist definiert durch:
𝑧1 + 𝑧2 = (π‘₯1 + 𝑖𝑦1 ) + (π‘₯2 + 𝑖𝑦2 ) = π‘₯1 + π‘₯2 + 𝑖(𝑦1 + 𝑦2 )
Die Substraktion zweier komplexen Zahlen 𝑧1 , 𝑧2 ist definiert durch:
𝑧1 − 𝑧2 = (π‘₯1 + 𝑖𝑦1 ) − (π‘₯2 + 𝑖𝑦2 ) = π‘₯1 − π‘₯2 + 𝑖(𝑦1 − 𝑦2 )
2
Für die Multiplikation zweier komplexer Zahlen 𝑧1 und 𝑧2 gilt:
𝑧1 ·π‘§2 = (π‘₯1 +𝑖𝑦1 )·(π‘₯2 +𝑖𝑦2 ) = π‘₯1 ·π‘₯2 −𝑦1 𝑦2 +𝑖(𝑦1 π‘₯2 +π‘₯1 𝑦2 )
Eigentlich ist das die Klammerregel der Multiplikation zweier reellen Zahlen
mit der neuen Information:
𝑖2 = −1
Die Länge des Vektors, der eine komplexe Zahl darstellt, bezeichnet man als
den Betrag dieser komplexen Zahl. Den Betrag der komplezen Zahl 𝑧 = π‘₯ + 𝑖𝑦
bezeichnet man durch |𝑧| oder durch den Buchstaben π‘Ÿ.
|𝑧| =
√
𝑧 · 𝑧¯ =
√οΈ€
π‘₯2 + 𝑦 2
Der Betrag stimmt mit der euklidischen Norm des Vektors 𝑧 überein:
Ist 𝑧 ΜΈ= 0, gilt:
3
π‘₯ − 𝑖𝑦
𝑧¯
1
= 2 = 2
𝑧
|𝑧|
π‘₯ + 𝑦2
Das Inverse der komplexen Zahl gewinnt man demnach, indem man 𝑧 zunächst
an der π‘₯-Achse spiegelt, und dann am Einheitskreis. Denn 𝑧1 zeigt in die gleiche
Richtung 𝑧¯, hat aber die Länge π‘Ÿ, wenn 𝑧 die Länge π‘Ÿ hat.
Die Division zweier komplexen Zahlen 𝑧1 , 𝑧2 ist die Multiplikation mit dem
Inverse von 𝑧2 :
𝑧1
1
1
π‘₯2 − 𝑖𝑦2
= 𝑧1 ·
= (π‘₯1 + 𝑖𝑦1 ) ·
= (π‘₯1 + 𝑖𝑦1 ) · 2
𝑧2
𝑧2
π‘₯2 + 𝑖𝑦2
π‘₯2 + 𝑦22
π‘₯1 · π‘₯2 + 𝑦1 𝑦2 − 𝑖(𝑦1 π‘₯2 + π‘₯1 𝑦2 )
=
π‘₯22 + 𝑦22
−→
Der Winkel zwischen der Abszissenachse 𝑂π‘₯ und dem Vektor 𝑂𝐴, der die
komplexe Zahl darstellt, heisst Argument der komplexen Zahl 𝑧 = π‘₯ + 𝑖𝑦.
4
Gibt es die Formel:
πœƒ = arctg
(︁ 𝑦 )︁
π‘₯
π‘˜∈Z
+ π‘˜πœ‹,
Denn cos und sin sind 2πœ‹-periodisch, ist das Argument nicht eindeutig, sondern
πœƒ ± 2πœ‹, πœƒ ± 2πœ‹, . . . sind andere Argumente.
Mit:
arg(𝑧) = πœƒ + 2π‘˜πœ‹,
π‘˜∈Z
bezeichenen wir die
√οΈ€ Menge aller Argumente.
Für π‘Ÿ = |𝑧| = π‘₯2 + 𝑦 2 sieht man leicht ein:
Polardarstellung: Jede komplexe Zahl lässt sich in der Gestalt:
𝑧 = π‘Ÿ(cos πœƒ + 𝑖 sin πœƒ)
darstellen, wobei π‘Ÿ und πœƒ Polarkoordinaten von 𝑧 sind.
Beispiel:
√
Wir suchen
die Polarkoordinaten-Darstellung von 𝑧 = − 3 − 𝑖. Denn
√
π‘₯ = − 3 und 𝑦 = −1 erhalten wir:
(οΈƒ √ )οΈƒ
(︁ 𝑦 )︁
3
πœ‹
= arctg
= + π‘˜πœ‹
πœƒ = arctg
π‘₯
3
6
√
Der Punkt 𝐴(− 3, −1) liegt im dritten Quadrant deshalb:
πœ‹<πœƒ<
3πœ‹
.
2
Einen solchen Wert bekommen wir für π‘˜ = 1, somit πœƒ =
√︁ √
Der Betrag ist π‘Ÿ = |𝑧| = (− 3)2 + (−1)2 = 2.
5
πœ‹
6
+1·πœ‹ =
7πœ‹
6 .
Schliesslich die Polardarstellung lautet:
(οΈ‚
)οΈ‚
7πœ‹
7πœ‹
𝑧 = 2 cos
+ sin
6
6
Hauptargument: Man bezeichnet den Winkel πœƒ von 𝑧, der:
−πœ‹ < πœƒ ≤ πœ‹
erfüllt, als Hauptargument von 𝑧, in Formeln πœƒ = Arg(𝑧). Deshalb gibt es die
Beziehung:
arg(𝑧) = Arg(𝑧) + 2π‘˜πœ‹, π‘˜ ∈ ZZ.
Beispiel:
In dem letzten Beispiel ein Argument war πœƒ = 7πœ‹
6 . Mit Hilfe der Formel
Arg(𝑧) = πœƒ ± 2π‘˜πœ‹ ∈ (−πœ‹, πœ‹], π‘˜ ∈ N, suchen wir das Hauptargument.
5πœ‹
Deshalb Arg(𝑧) = 7πœ‹
6 − 2πœ‹ = − 6 .
Haben wir auch die alternative Polardarstellung:
(οΈ‚
(οΈ‚
)οΈ‚
(οΈ‚
)οΈ‚)οΈ‚
5πœ‹
5πœ‹
𝑧 = 2 cos −
+ sin −
6
6
Eine geometrische Deutung der Multiplikation komplexer Zahlen erhält man
mit Hilfe der Polarkoordinaten:
𝑧1 · 𝑧2 = π‘Ÿ1 π‘Ÿ2 (cos(πœƒ1 + πœƒ2 ) + 𝑖 sin(πœƒ1 + πœƒ2 ))
6
Eine änliche Situation für Division:
𝑧1
π‘Ÿ1
= (cos(πœƒ1 − πœƒ2 ) + 𝑖 sin(πœƒ1 − πœƒ2 ))
𝑧2
π‘Ÿ2
Formel von Moivre:
(cos πœƒ + 𝑖 sin πœƒ)𝑛 = cos(π‘›πœƒ) + 𝑖 sin(π‘›πœƒ),
für alle 𝑛 ∈ Z.
Die Lösungen der Gleichung 𝑀𝑛 = 𝑧:
Für jede natürliche Zahl 𝑛 hat dei Gleichung 𝑀𝑛 = 𝑧 genau 𝑛 Lösungen, nämlich:
(οΈ‚
)οΈ‚
√οΈ€
√
πœƒ + 2π‘˜πœ‹
πœƒ + 2π‘˜πœ‹
𝑛
𝑛
𝑧 = |𝑧| cos
+ 𝑖 sin
,
𝑛
𝑛
wobei π‘˜ = 0, 1, . . . , 𝑛 − 1.
Beispiel:
Die Gleichung 𝑀𝑛 = 𝑖, 𝑀 ∈ C hat drei Lösungen. Man sieht leicht ein,
dass |𝑖| = 1 und πœƒ = πœ‹2 , somit:
Für π‘˜ = 0 :
√
3
(οΈ‚
πœ‹ )οΈ‚
πœ‹
πœ‹
πœ‹
1 cos 2 + 𝑖 sin 2 = cos + 𝑖 sin
3
3
6
6
√
3 1
=
+ 𝑖
2
2
𝑀1 =
7
Für π‘˜ = 1 :
√
3
πœ‹
2
)οΈ‚
πœ‹
+ 2πœ‹
5πœ‹
5πœ‹
2 + 2πœ‹
𝑀2 = 1 cos
+ 𝑖 sin
= cos
+ 𝑖 sin
3
3
6
6
√
)︁
(︁
)︁
(︁
πœ‹
πœ‹
πœ‹
πœ‹
3 1
+ 𝑖 sin πœ‹ −
= − cos + 𝑖 sin = −
= cos πœ‹ −
+ 𝑖
6
6
6
6
2
2
(οΈ‚
Für π‘˜ = 2 :
(οΈ‚
√
3
𝑀3 = 1 cos
πœ‹
2
)οΈ‚
πœ‹
+ 4πœ‹
9πœ‹
9πœ‹
2 + 4πœ‹
+ 𝑖 sin
= cos
+ 𝑖 sin
3
3
6
6
)︁
(︁
)︁
(︁
3πœ‹
πœ‹
πœ‹
3πœ‹
πœ‹
πœ‹
= cos
+ 𝑖 sin 2πœ‹ −
= cos − 𝑖 sin
+ 𝑖 sin
= cos 2πœ‹ −
2
2
2
2
2
2
= −𝑖
Die 𝑛-ten Einheitswurzeln πœ€π‘› = 1:
Es gibt zu jedem 𝑛 ∈ N genau 𝑛 verschiedene 𝑛-te Einheitswurzeln, nämlich:
2πœ‹
2πœ‹
+ 𝑖 sin
𝑛
𝑛
4πœ‹
4πœ‹
πœ€2 = cos
+ 𝑖 sin
𝑛
𝑛
.....................
2π‘˜πœ‹
2π‘˜πœ‹
+ 𝑖 sin
πœ€π‘˜ = cos
𝑛
𝑛
.....................
πœ€1 = cos
πœ€π‘› = 1
Komplexwertige Funktionen einer Variablen
Eine komplexwertige Funktion ist eine Funktion 𝑓 : 𝐷 → C bei der die Zielmenge die Menge der komplexen Zahlen ist. Die komplexwertigen Funktionen
mit 𝐷 ⊂ C heissen komplexe Funktionen.
Manchmal schreiben wir:
𝑓 (𝑧) = 𝑒(π‘₯, 𝑦) + 𝑖𝑣(π‘₯, 𝑦),
wobei 𝑧 = π‘₯ + 𝑖𝑦, für eine komplexe Funktion 𝑓. Also 𝑒, 𝑣 sind reellwertige
Funktionen.
8
Lineare Funktionen: Eine komplexe Funktion 𝑓 heisst linear falls 𝑓 für
feste komplexe Konstanten π‘Ž, 𝑏 ∈ C, π‘Ž ΜΈ= 0, eine Darstellung der folgenden Form
besitzt:
𝑓 (𝑧) = π‘Žπ‘§ + 𝑏, 𝑧 ∈ C.
Bemerkung:
βˆ™ Die Wahl π‘Ž = 1 führt zu eine Translation oder Parallelverschiebung
um 𝑏:
𝑓 (𝑧) = 𝑧 + 𝑏, 𝑧 ∈ C.
βˆ™ Die Wahl π‘Ž ∈ R+ und 𝑏 = 0 führt zu einer Streckung (bzw. Stauchung):
𝑓 (𝑧) = π‘Žπ‘§,
𝑧 ∈ C.
d.h. der Betrag von 𝑧 wird gestreckt (π‘Ž > 1) oder gestaucht (0 < π‘Ž < 1)
Allgemein spricht man von einer Skalierung mit Skalierungsfaktor π‘Ž > 0.
βˆ™ Die Wahl π‘Ž ∈ C mit |π‘Ž| = 1 und 𝑏 = 0 führt zu einer Rotation um den
Ursprung mit dem Winkel πœƒ = Arg(π‘Ž):
𝑓 (𝑧) = (cos πœƒ + 𝑖 sin πœƒ)𝑧,
𝑧 ∈ C.
Charakterierung einer linearen Abbildung:
Jede lineare Funktion 𝑓 : C → C lässt sich als Komposition:
𝑓 = 𝑓3 ∘ 𝑓2 ∘ 𝑓1
von drei Abbildungen schreiben:
1) 𝑓1 (𝑧) == (cos πœƒ + 𝑖 sin πœƒ)𝑧 eine Rotation um den Ursprung
2) 𝑓2 (𝑧) = |π‘Ž|𝑧 eine Skalierung
3) 𝑓3 (𝑧) = 𝑧 + 𝑏 eine Translation um den Vektor 𝑏
Exponentialfunktion:
Die komplexe Exponentialfunktion exp : C → C ist definiert durch:
exp(𝑧) = 𝑒𝑧 = 𝑒π‘₯+𝑖𝑦 := 𝑒π‘₯ cos 𝑦 + 𝑖𝑒π‘₯ sin 𝑦
Man sieht leicht ein, dass |𝑒𝑧 | = 𝑒π‘₯ und arg(𝑧) = 𝑦 + 2π‘˜πœ‹, π‘˜ ∈ Z.
9
Eigenschaften der Exponentialfunktion:
i) Die Exponentialfunktion ist eine 2πœ‹π‘–-periodische Funktion:
𝑒𝑧+2πœ‹π‘– = 𝑒𝑧 ,
ii) 𝑒𝑧 𝑒𝑀 = 𝑒𝑧+𝑀 ,
𝑧 ∈ C.
𝑧, 𝑀 ∈ C,
𝑧
iii)
𝑒
= 𝑒𝑧−𝑀
𝑒𝑀
iv) (𝑒𝑧 )𝑛 = 𝑒𝑛𝑧 ,
𝑛 ∈ Z.
Der komplexe Logarithmus:
Die mengenwertige Abbildung:
Ln(𝑧) = ln |𝑧| + 𝑖 · arg(𝑧)
ist der komplexe Logarithmus Ln : C* → C und die Lösung der Gleichung:
𝑒𝑀 = 𝑧.
Eigenschaften des komplexen Logarithmus:
Für 𝑧, 𝑀 ΜΈ= 0 gelten:
i) Ln(𝑧) + Ln(𝑀) = Ln(𝑧𝑀)
(οΈ€ )οΈ€
ii) Ln𝑧 − Ln(𝑀) = Ln 𝑀𝑧
iii) Ln(𝑧 𝑛 ) = 𝑛 · Ln(𝑧),
𝑛 ∈ Z.
Die allgemeine Potenzfunktionen:
Die komplexen Potenzfuntkionen werden mit Hilfe des Logarithmus definiert:
𝑧 𝛼 = 𝑒𝛼(ln |𝑧|+𝑖 arg(𝑧))
wobei 𝛼 ∈ C ist eine beliebige komplexe Konstante.
Die komplexen Potenzfunktionen sind auch mengenwertige Funktionen. Der
Ausdruck 𝑒𝛼(ln |𝑧|+𝑖Arg(𝑧)) heisst Hauptwert der Potenzfunktion 𝑓 (𝑧) = 𝑧 𝛼 und
ist eine Funktion von 𝑧.
10
Eigenschaften des Hauptwertes der komplexen Potenzfunktionen:
Für 𝑧 ∈ C* und 𝛼, 𝛽 ∈ C gelten:
i) 𝑧 𝛼 · 𝑧 𝛽 = 𝑧 𝛼+𝛽
ii)
𝑧𝛼
𝑧𝛽
= 𝑧 𝛼−𝛽
ii) (𝑧 𝛼 )𝑛 = 𝑧 𝑛𝛼 ,
𝑛 ∈ Z.
Bemerkung:
Die Regel 𝑧 𝛼 · 𝑀𝛼 = (𝑧𝑀)𝛼 gilt nicht für alle 𝑧, 𝑀 ∈ C* und 𝛼, 𝛽 ∈ C.
Beispielsweise finden wir für den Hauptwert der Potenzfunktion:
2
(−1)𝑖 · (−1)𝑖 = 𝑒𝑖 πœ‹ 𝑒𝑖
2
πœ‹
= 𝑒−2πœ‹
aber:
[(−1) · (−1)]𝑖 = 1𝑖 = 𝑒𝑖·0 = 1
Komplexe hyperbolische und trigonometrische Funktionen:
Die folgende komplexe Funktionen sind Fortsetzungen der entsprechenden elementaren reellen Funktionen:
sin 𝑧 =
𝑒𝑖𝑧 − 𝑒−𝑖𝑧
,
2𝑖
sinh 𝑧 =
𝑒𝑧 − 𝑒−𝑧
2
cos 𝑧 =
𝑒𝑖𝑧 + 𝑒−𝑖𝑧
,
2
cosh 𝑧 =
𝑒𝑧 + 𝑒−𝑧
2
Diese Funktionen sind stetig und differenzierbar auf C !
Elementare Eigenschaften :
Für alle 𝑧 ∈ C :
i) cos2 𝑧 + sin2 𝑧 = 1 und
ii) cosh(𝑖𝑧) = cos 𝑧
und
cosh2 𝑧− sinh2 𝑧 = 1
sinh(𝑖𝑧) = 𝑖 sin 𝑧
iii) In C gelten, wie in R, die Additionstheoreme für trigonometrische Funktionen:
sin(𝑧1 ± 𝑧2 ) = sin 𝑧1 cos 𝑧2 ± sin 𝑧2 cos 𝑧1 ,
cos(𝑧1 ± 𝑧2 ) = cos 𝑧1 cos 𝑧2 βˆ“ sin 𝑧1 sin 𝑧2 .
11
Komplex versus reell
Der Abstand in der komplexen Ebene ist gegeben durch:
𝑑(𝑧, 𝑀) = |𝑧 − 𝑀| =
√οΈ€
(π‘₯1 − π‘₯2 )2 + (𝑦1 − 𝑦2 )2 ,
𝑧, 𝑀 ∈ C.
Normalerweise betrachten wir als offene Umgebung des Punktes 𝑧0 eine offene
Kreisscheibe um 𝑧0 vom Radius 𝛿, d.h. die Menge:
𝐷(𝑧0 , 𝛿) = {𝑧 ∈ C : |𝑧 − 𝑧0 | < 𝛿}.
Konvergente Folgen:
Sei (𝑧𝑛 )𝑛 eine Folge komplexer Zahlen und 𝑧 eine weiter komplexe Zahl. Folgende Aussagen sind äquivalent:
𝑧𝑛 → 𝑧, für 𝑛 → ∞
⇔
Re(zn ) → Re(z) und Im(zn ) → Im(z), für 𝑛 → ∞
In C eine Funktion 𝑓 : 𝐷 → C hat einen Grenzwert 𝐿 im Punkt 𝑧0 genau
dann, wenn für alle Folgen (𝑧𝑛 )𝑛 , die gegen 𝑧0 konvergieren, die Folge 𝑓 (𝑧𝑛 )
gegen 𝐿 konvergiert.
Der Unterschied zwischen dem reellen Fall und dem komplexen Fall ist, dass
in C die Folgen nicht nur von einer Richtung konvergieren, sondern von unendlichen Richtungen:
12
Beispiel:
𝑧¯
existiert nicht !
𝑧→0 2𝑧
Betrachten wir eine Folge (𝑧𝑛 )𝑛 , die in der Richtung der π‘₯-Achse gegen
0 konvergiert, zum Beispiel 𝑧𝑛 = 𝑛1 . Dann:
Der Grenzwert lim
𝑓 (𝑧𝑛 ) =
𝑧𝑛
=
2𝑧𝑛
1
𝑛
2
𝑛
=
1
1
→ .
2
2
Aber für eine Folge (𝑀𝑛 )𝑛 , die in der Richtung der 𝑦-Achse gegen 0
konvergiert, zum Beispiel 𝑀𝑛 = 𝑛1 𝑖, es gilt:
𝑓 (𝑀𝑛 ) =
−𝑖
𝑀𝑛
1
1
= 2𝑖𝑛 = − → − .
2𝑀𝑛
2
2
𝑛
Grenzwert einer komplexen Funktion:
Sei 𝑓 (𝑧) = 𝑒(π‘₯, 𝑦) + 𝑖𝑣(π‘₯, 𝑦), 𝑧0 = π‘₯0 + 𝑖𝑦0 und 𝐿 = π‘Ž + 𝑖𝑏, dann lim 𝑓 (𝑧) = 𝐿
𝑧→𝑧0
genau dann, wenn:
lim
𝑒(π‘₯, 𝑦) = π‘Ž
und
(π‘₯,𝑦)→(π‘₯0 ,𝑦0 )
lim
𝑣(π‘₯, 𝑦) = 𝑏.
(π‘₯,𝑦)→(π‘₯0 ,𝑦0 )
Beispiel:
Wir berechen den Grenzwert lim (𝑧 2 + 1). Sei 𝑧 = π‘₯ + 𝑖𝑦, wie üblich.
𝑧→1+𝑖
Dann:
𝑓 (𝑧) = 𝑧 2 + 𝑖 = (π‘₯ + 𝑖𝑦)2 + 𝑖 = π‘₯2 − 𝑦 2 + (2π‘₯𝑦 + 1)𝑖
Um den letzen Satz zu verwenden, betrachten wir 𝑒(π‘₯, 𝑦) = π‘₯2 − 𝑦 2 und
𝑣(π‘₯, 𝑦) = 2π‘₯𝑦 + 1. Hier 𝑧0 = 1 + 𝑖, deshalb π‘₯0 = 1 und 𝑦0 = 1.
Denn:
lim
(π‘₯2 − 𝑦 2 ) = 0
(π‘₯,𝑦)→(1,1)
und:
lim
(2π‘₯𝑦 + 1) = 3
(π‘₯,𝑦)→(1,1)
existiert der Grenzwert und ist 𝐿 = lim (𝑧 2 + 1) = 0 + 3𝑖.
𝑧→1+𝑖
13
Stetigkeit der komplexen Funktionen:
Sei 𝐷 ⊂ C eine offene Umgebung von 𝑧0 = π‘₯0 + 𝑖𝑦0 . Eine Funktion 𝑓 : 𝐷 → C :
𝑓 (π‘₯ + 𝑖𝑦) = 𝑒(π‘₯, 𝑦) + 𝑖𝑣(π‘₯, 𝑦)
ist stetig im 𝑧0 , wenn die reellwertigen Funktionen 𝑒, 𝑣 stetig im (π‘₯0 , 𝑦0 ) sind.
Die Exponentialfunktion 𝑓 (𝑧) = 𝑒𝑧 ist stetig auf C, denn 𝑒(π‘₯, 𝑦) = 𝑒π‘₯ cos 𝑦
und 𝑣(π‘₯, 𝑦) = 𝑒π‘₯ sin 𝑦.
Differenzierbarkeit der komplexen Funktionen:
Sei 𝐷 ⊂ C ein Gebiet. Eine Funktion 𝑓 : 𝐷 → C heisst komplex differenzierbar
in 𝑧0 ∈ 𝐷, falls der Grenzwert:
𝑓 ′ (𝑧0 ) = lim
𝑧→𝑧0
𝑓 (𝑧) − 𝑓 (𝑧0 )
𝑧 − 𝑧0
existiert. Die komplexe Zahl 𝑓 ′ (𝑧0 ) nennt man die Ableitung von 𝑓 in 𝑧0 .
Eine Funktion heisst in 𝑧0 ∈ C holomorph, wenn sie in einer offenen Umgebung
𝐷(𝑧0 , 𝛿) ⊂ C definiert und komplex differenziebar ist.
Beispiel:
𝑓 (𝑧) = π‘₯+4𝑖𝑦 ist nicht komplex differenzierbar
Zunächst presentieren wir den Satz von Looman-Menchoff :
Komplex differenzierbar vs. reell differenzierbar:
Die Funktion 𝑓 : 𝐷 → C definiert als 𝑓 (𝑧) = 𝑒(π‘₯, 𝑦) + 𝑖 · 𝑣(π‘₯, 𝑦), wenn 𝑧 = π‘₯ + 𝑖𝑦,
erfüllt die Bedingungen:
i) 𝑓 ist stetig in einer Umgebung von 𝑧0 ∈ 𝐷.
ii) Die partielle Ableitungen
von 𝑧0 .
πœ•π‘’ πœ•π‘’
πœ•π‘₯ , πœ•π‘¦
und
πœ•π‘£ πœ•π‘£
πœ•π‘₯ , πœ•π‘₯
existieren in einer Umgebung
iii) Die Funktionen 𝑒, 𝑣 erfüllen in einer Umgebung von 𝑧0 die CauchyRiemann Gleichungen:
πœ•π‘’
πœ•π‘£
(π‘₯0 , 𝑦0 ) =
,
πœ•π‘₯
πœ•π‘¦
πœ•π‘’
πœ•π‘£
(π‘₯0 , 𝑦0 ) = − (π‘₯0 , 𝑦0 ).
πœ•π‘¦
πœ•π‘₯
Dann ist die Funktion 𝑓 in 𝑧0 komplex differenzierbar ( sogar holomorph).
14
Beispiel:
Studieren Sie die komplexe Differenzierbarkeit der Funktion 𝑓 (𝑧) = cos 𝑧
Ableitungsregeln für holomorphe Funktionen (wie im Reellen):
i) Linearität: (𝛼𝑓 (𝑧) + 𝛽𝑔(𝑧))′ = 𝛼𝑓 (𝑧)′ + 𝛽𝑔(𝑧)′
ii) Produktregel: (𝑓 (𝑧)𝑔(𝑧))′ = 𝑓 ′ (𝑧)𝑔(𝑧) + 𝑓 (𝑧)𝑔 ′ (𝑧)
(οΈ‚
)οΈ‚′
𝑓 (𝑧)
𝑓 ′ (𝑧)𝑔(𝑧) − 𝑓 (𝑧)𝑔 ′ (𝑧)
iii) Quotientenregel:
=
𝑔(𝑧)
𝑔 2 (𝑧)
iv) Kettenregel: 𝑓 (𝑔(𝑧))′ = 𝑓 ′ (𝑔(𝑧))𝑔 ′ (𝑧)
15
Übungsblatt 10
Aufgabe 1. Beweise: (οΈ€sinh 𝑧 )οΈ€= 0 genau dann, wenn 𝑧 = π‘›πœ‹π‘– und cosh 𝑧 = 0
genau dann, wenn 𝑧 = 12 + 𝑛 πœ‹π‘–.
√
Aufgabe 2. Schreibe folgende komplexe Zahlen in Polarform 𝑧1 = − 3 − 𝑖,
𝑧2 = 1 − 𝑖.
√
i) Finden Sie das Hauptargument π΄π‘Ÿπ‘”(𝑧1 ) und berechnen Sie (− 3 − 𝑖)50 .
ii) Für die komplexen Zahlen 𝑧1 = −1, 𝑧2 = 5𝑖, überprüfen Sie dass:
π΄π‘Ÿπ‘”(𝑧1 𝑧2 ) ΜΈ= π΄π‘Ÿπ‘”(𝑧1 ) + π΄π‘Ÿπ‘”(𝑧2 )
(οΈ‚
π΄π‘Ÿπ‘”
𝑧1
𝑧2
)οΈ‚
ΜΈ= π΄π‘Ÿπ‘”(𝑧1 ) − π΄π‘Ÿπ‘”(𝑧2 )
und
π‘Žπ‘Ÿπ‘”(𝑧1 𝑧2 ) = π‘Žπ‘Ÿπ‘”(𝑧1 ) + π‘Žπ‘Ÿπ‘”(𝑧2 )
π‘Žπ‘Ÿπ‘”(
𝑧1
) = π‘Žπ‘Ÿπ‘”(𝑧1 ) + π‘Žπ‘Ÿπ‘”(𝑧2 ).
𝑧2
Aufgabe 3. Zeigen Sie dass |Re 𝑧| ≤ |𝑧| und |Im 𝑧| ≤ |𝑧|. Zeigen Sie die
Identität:
|𝑧 + 𝑀|2 = |𝑧|2 + |𝑀|2 + 2𝑅𝑒(𝑧𝑀),
𝑧, 𝑀 ∈ 𝐢
und die Dreiecksungleichung |𝑧 + 𝑀| ≤ |𝑧| + |𝑀|.
Aufgabe 4. Skizzieren Sie die Mengen der Punkte 𝑧, in der komplexen Ebene,
die die folgenden Bedingungen erfüllen:
i) 1 < |𝑧 − 1 − 𝑖| ≤ 2
ii) |𝑧 − 𝑖| = |𝑧 − 1|
iii) |π‘Žπ‘Ÿπ‘”(𝑧)| <
πœ‹
4
iv) Re ((1 + 𝑖)𝑧 − 1) = 0
v) 0 < Re 𝑧 < 1.
Aufgabe 5. Lösen Sie in C die Gleichung:
cos 𝑧 = 2
16
Aufgabe 6. i) Lösen Sie in C die Gleichungen:
𝑧6 = 1 + 𝑖
𝑧2 + 𝑧 + 1 = 0
𝑧4 + 1 = 0
ii) Berechnen Sie
√οΈ€
3+
√
3𝑖
Aufgabe 7. Beweisen Sie dass:
cos(𝑧 + 𝑀) = cos 𝑧 cos 𝑀 − sin 𝑧 sin 𝑀
sin(2𝑧) = 2 sin 𝑧 cos 𝑧
sin2 𝑧 + cos2 𝑧 = 1
für 𝑧, 𝑀 ∈C.
l
17
18
Literaturverzeichnis
[1] K. Fritzsche. Grundkurs Funktionentheorie: Eine Einführung in die komplexe Analysis und ihre Anwendungen, Spektrum Akademischer Verlag
Heidelberg, 2009.
[2] D. G. Zill, P. D. Shanahan. A First Course in Complex Analysis with
Applications, Jones and Bartlett Publishers, Inc., 2003.
[3] C. I. Hedrea. Curs de Matematici speciale, 2016.
19
20
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