§4 Die reellen Zahlen §5 Die komplexen Zahlen

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Mathematik für Physiker I, WS 2010/2011
Freitag 19.11
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§4
Die reellen Zahlen
4.4
Potenzen mit rationalen Exponenten
In der letzten Sitzung hatten wir reelle Potenzen xa mit positiver Basis x > 0 und
rationalen Exponenten a ∈ Q definiert. Zu diesem Zweck wurde a als Bruch geschrieben
a = p/q mit p, q ∈ Z, q ≥ 1 und die Potenz xa wurde durch die Formel
√
xa = ( q x)p
auf den Wurzelbegriff zurückgeführt.
Noch nicht definiert haben wir Potenzen xa mit beliebigen reellen Exponenten a ∈
R und positiver Basis x ∈ (0, ∞). Eine Möglichkeit diese Potenzen zu definieren ist
zunächst für x > 1
xa := sup{xq |q ∈ Q, q ≤ a}
zu setzen und für 0 < x < 1 setzt man dann xa := ((x−1 )a )−1 oder gleichwertig
xa := inf{xq |q ∈ Q, q ≤ a}.
Der Fall x = 1 ist dann ein Sonderfall und man setzt 1a := 1 für alle a ∈ R. Das könnte
man zwar alles so tun, und es ergibt auch den korrekten Potenzbegriff, der Nachweis
der Potenzrechenregeln ist dann aber unnötig aufwendig. Später in diesem Semester
wird sich noch eine bessere Methode zur Definition allgemeiner Potenzen ergeben, und
wir verschieben dieses Thema daher auf diesen späteren Zeitpunkt.
§5
Die komplexen Zahlen
Die komplexen Zahlen wurden ursprünglich zur Lösung der Gleichung dritten Grades eingeführt. Man kann die allgemeine Gleichung dritten Grades x3 + ax2 + bx + c = 0
zunächt analog zur quadratischen Ergänzung auf die Normalform x3 + px + q = 0
bringen, und für diese Gleichung gibt es eine Lösungsformel, die sogenannte Formel
von Cardano. Die volle Cardano-Formel beschreibt alle drei Lösungen der Gleichung
x3 + px + q = 0, aber für unsere Zwecke reicht es die erste, und auch einfachste, dieser
drei Lösungen hinzuschreiben. Diese Lösung ist gegeben als
√
3
p
D
2p
x=
−√
mit D := −108q + 12 12p3 + 81q 2 .
3
6
D
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Wir wollen als ein konkretes Beispiel einmal beginnen die Gleichung
x3 −
1
3
x−
=0
50
250
durchrechnen. Hier ist p = −3/50 und q = −1/250. Damit wird
81
34
=− 2 6
62500
2 ·5
p
p
und wir sehen das es überhaupt keine reelle Wurzel 12p3 + 81q 2 = −81/62500
gibt. Die komplexen Zahlen entstanden jetzt, indem dieses Problem einfach ignoriert
wird, d.h. wir rechnen einfach weiter und erhalten
r
p
34
9 √
32 √
12p3 + 81q 2 = − 2 6 =
−1
=
−1
2 ·5
2 · 53
250
12p3 + 81q 2 = −
und schließlich
p
√
54
54 √
54
D = −108q + 12 12p3 + 81q 2 =
+
−1 =
(1 + i).
125 125
125
Um√die Cardano-Formel anzuwenden, muss jetzt als nächster Schritt die dritte Wurzel 3 D berechnet werden. Das werden wir auch tun, aber erst später wenn wir eine
Methode zum Berechnen solcher Wurzeln haben. Das Ende dieses Beispiels vertagen
wir daher auf etwas später in diesem Kapitel, was wir bisher gesehen haben ist, dass
die Cardano Formel auf Wurzeln negativer Zahlen führt und man mit diesen einfach
weiterrechnet.
Wir wollen also so tun als würde es Wurzeln aus negativen Zahlen geben, und die
komplexen Zahlen sind dann das was herauskommt wenn wir zu den reellen Zahlen die
Wurzeln negativer Zahlen hinzunehmen und normal rechnen“. Das ist natürlich keine
”
mathematische Definition, zu dieser kommen wir erst etwas später. Wir können die
Situation gleich ein wenig vereinfachen. Wir
√brauchen gar keine Wurzeln aus beliebigen
negativen Zahlen, eine
i := −1 reicht bereits aus und dann ist für jedes
√
√ einzige Wurzel
positive x ∈ R auch −x = x −1 = x · i. Zum Beispiel ist damit im obigen Beispiel
D=
√
54
54
(1 + −1) =
(1 + i).
125
125
√
Die Schreibweise i = −1 wird in der Mathematik durchgängig verwendet, in einigen
anderen Gebieten finden Sie gelegentlich auch andere Schreibweisen, etwa j“ statt i“
”
”
in der Elektrotechnik. Was brauchen wir neben i jetzt an weiteren neuen Zahlen“?
”
Wenn wir normal rechnen wollen müssen wir insbesondere die Potenzen von i bilden
können, und diese ergeben sich als
i2 = −1, i3 = i2 · i = −i, i4 = (i2 )2 = (−1)2 = 1, i5 = i4 · i = i, . . .
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und so weiter. Wir brauchen also nur erste Potenzen von i und betrachten daher Zahlen
der Form a + ib mit a, b ∈ R. Derartige Zahlen addieren und multiplizieren sich gemäß
der Formeln
(a1 + ib1 ) + (a2 + ib2 ) = a1 + a2 + i(b1 + b2 ),
(a1 + ib1 ) · (a2 + ib2 ) = a1 a2 + i(a1 b2 + a2 b1 ) + i2 b1 b2
= a1 a2 − b1 b2 + i(a1 b2 + a2 b1 ).
Insbesondere haben Summen und Produkte von Zahlen der Form a + ib (a, b ∈ R)
stets wieder diese Form. Dies läßt die Hoffnung zu, dass es für die komplexen Zahlen
ausreichen könnte überhaupt nur Zahlen z = a + ib mit a, b ∈ R zuzulassen. Das
einzige Problem ist, dass es dann nicht unmittelbar klar ist, ob wir die Division immer
durchführen können, ob also 1/(a + ib) auch wieder von der Form a0 + ib0 ist. Um diese
Frage zu klärenm behandeln wir zunächst ein Beispiel
1
2−i
2−i
2−i
2 1
=
=
= 2
= − i.
2
2+i
(2 + i) · (2 − i)
2 −i
5
5 5
Hier haben wir mit 2−i erweitert um im Nenner die dritte binomische Formel anwenden
zu können. Eine analoge Rechnung kann man auch allgemein durchführen, für alle
a, b ∈ R mit (a, b) 6= (0, 0) ist
1
a
b
a − ib
a − ib
= 2
+i· 2
.
=
= 2
2
2
a + ib
(a + ib) · (a − ib)
a +b
a +b
a + b2
Mit diesen Formeln ist festgelegt wie man mit komplexen Zahlen a + ib zu rechnen
hat. Es ist nur nicht klar ob das überhaupt funktioniert. Es ist denkbar das man
durch konsequente Anwendung der Rechenregeln für die komplexen Zahlen letztlich
zu einem Widerspruch gelangt. Für die Anwendung auf die Cardano Formel ist dies
völlig belanglos, wie wir noch sehen werden verschwinden in der Cardano Formel am
Ende der Rechnung alle komplexen Größen und es bleibt ein reelles Ergebnis übrig.
Dass dieses Ergebnis dann tatsächlich eine Lösung der gegebenen Gleichung dritten
Grades ist, kann man einfach durch Einsetzen überprüfen, die logische Konsistenz der
Rechnung spielt da keine Rolle.
Da die komplexen Größen in der der Cardano Formel nur zwischendurch als Zwischenergebnisse auftauchen und am Ende wieder alle weg sind, haben sie in diesem
√
Zusammenhang etwas Geisterhaftes“ und dies führt zu der Sprechweise von i = −1
”
als der imaginären Einheit“. Die Zahlen iy mit y ∈ R werden dann entsprechend
”
imaginär“ genannt. Wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, gibt es eine ganz
”
konkrete und explizite Konstruktion der komplexen Zahlen, und an ihnen ist damit
nichts mehr imaginär“. Die Sprechweise von i als der imaginären Einheit hat damit
”
eigentlich ihre Berechtigung verloren, sie wird aber traditionell weiter verwendet.
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5.1
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Die Gaußsche Zahlenebene
Wir wollen jetzt eine exakte mathematische DefiniIm
tion der komplexen Zahlen angeben. Diese Defini−2+3i
tion wird uns zugleich auch ein besseres Verständnis der komplexen Zahlen geben so, dass wir beii
spielsweise auch leicht sehen können wie man drit2+ 1 i
te Wurzeln komplexer Zahlen berechnet, was bei2
Re
spielsweise für die Cardano Formel von Interesse
ist. Die Grundidee ist dabei sehr einfach, wir denken uns die komplexe Zahl a + ib mit a, b ∈ R als
den Punkt (a, b) ∈ R2 der Ebene. Wir führen die
komplexen Zahlen dann ein, indem eine Addition
und eine Multiplikation von Punkten der Ebene definiert wird. Wir wissen auch bereits wie wir dies tun müssen, Summen und Produkte
von Zahlen der Form a + ib haben wir ja bereits oben berechnet, und wir stellen diese
Rechnung nun auf den Kopf und verwenden ihr Ergebnis als Definition von Addition
und Multiplikation.
3
2
1
−3
−2
−1
1
2
3
−1
−2
−3
Satz 5.1 (Konstruktion der komplexen Zahlen)
Die komplexen Zahlen sind die Menge C := R × R versehen mit der durch die Formeln
(a1 , b1 ) + (a2 , b2 ) := (a1 + a2 , b1 + b2 ),
(a1 , b1 ) · (a2 , b2 ) := (a1 a2 − b1 b2 , a1 b2 + a2 b1 )
definierten Addition und Multiplikation. Diese erfüllen die in §4 aufgelisteten Körperaxiome, wobei additives und multiplikatives Inverses für a, b ∈ R durch die Formeln
a
b
−1
−(a, b) := (−a, −b) und (a, b) :=
,−
für (a, b) 6= (0, 0)
a2 + b2 a2 + b2
gegeben sind. Fassen wir R als die x-Achse auf, schreiben also x = (x, 0) für x ∈ R,
so stimmen reelle und komplexe Addition und Multiplikation auf R überein. Schließlich
erfüllt die imaginäre Einheit
i := (0, 1) ∈ C
die Gleichungen i2 = −1 und a + ib = (a, b) für alle a, b ∈ R.
Beweis: Wir wollen diesen Beweis hier nur teilweise führen, und auf das etwas langwierige Nachrechnen der neun Körperaxiome verzichten. Dass die reelle Addition und
Multiplikation fortgesetzt werden, läßt sich ebenfalls leicht nachrechnen. Die Aussagen
über die imaginäre Einheit ergeben sich durch
i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0) = −1
und
a + ib = (a, 0) + (0, 1) · (b, 0) = (a, 0) + (0, b) = (a, b)
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für alle a, b ∈ R.
Wie schon in §4 erwähnt bedeutet die Gültigkeit der neun Körperaxiome das wir
mit den komplexen Zahlen bezüglich der Grundrechenarten normal rechnen können,
insbesondere haben wir wie bei den reellen Zahlen auch wieder Subtraktion und Division und die Bruchrechenregeln gelten. Es gibt allerdings keine Methode die komplexen
Zahlen so anzuordnen, dass die Axiome eines angeordneten Körpers gelten. In der
Tat hatten wir in §4 eingesehen, dass diese Axiome implizieren das Quadrate positiv
oder Null sind und das −1 negativ ist, da in C aber −1 = i2 ein Quadrat ist, kann
es keine Anordnung geben. Die Addition komplexer Zahlen ist die vertraute Addition von Vektoren in der Ebene, die geometrische Interpretation der Multiplikation ist
etwas komplizierter, und wird erst im nächsten Abschnitt behandelt. Wir starten die
weitergehende Untersuchung der komplexen Zahlen mit der Formel
1
a − ib
= 2
a + ib
a + b2
für die multiplikative Inverse einer komplexen Zahl. Sowohl der Zähler als auch der
Nenner der rechten Seite dieser Gleichung haben eine geometrische Bedeutung.
Definition 5.1: Sei z = x + iy mit x, y ∈ R eine komplexe Zahl.
(a) Die reelle Zahl Re z := x heißt der Realteil von x, er ist die Orthogonalprojektion
von z auf die x-Achse.
(b) Die reelle Zahl Im z := y heißt der Imaginärteil von x, er ist die Orthogonalprojektion von z auf die y-Achse.
(c) Die komplexe Zahl z := x − iy heißt die komplex Konjugierte zu z. Diese ist die
Spiegelung von z an der x-Achse.
p
(d) Die reelle Zahl |z| := x2 + y 2 heißt der Betrag von z. Nach dem Satz des Pythagoras ist |z| der Abstand des Punktes z der Ebene zum Nullpunkt 0 = (0, 0).
b1 + b 2
z1 + z 2
z=a+ib
z=(x,y)
r
b2
z2
x
b1
z1
z=a−ib
a2
a1
Addition
a1 + a 2
Konjugation
8-5
Betrag
y
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Gelegentlich wird die komplex Konjugierte einer Zahl z ∈ C auch mit dem Symbol z ∗
anstelle von z bezeichnet, diese Schreibweise werden wir in diesem Skript aber nicht
verwenden. Mit diesen Bezeichnungen gilt für jedes z ∈ C\{0} die Gleichung
1
z
= 2
z
|z|
also auch zz = |z|2 . Trivialerweise gilt diese Gleichung auch für z = 0. Die Grundeigenschaften der komplexen Konjugation werden im folgenden Lemma zusammengestellt:
Lemma 5.2 (Grundeigenschaften der komplexen Konjugation)
Seien z, w ∈ C. Dann gelten:
(a) Es ist z + w = z + w.
(b) Es ist z · w = z · w.
(c) Im Fall z 6= 0 sind
z
1
= 2 und
z
|z|
1
1
= .
z
z
(d) Es sind z = z, |z| = |z| und zz = |z|2 .
(e) Es gelten
Re(z) =
z+z
z−z
und Im(z) =
.
2
2i
(f ) Genau dann ist z ∈ R wenn z = z gilt.
Beweis: Wir schreiben z = x + iy und w = u + iv mit x, y, u, v ∈ R.
(a) Es ist
z + w = (x + u) + i(y + v) = (x + u) − i(y + v) = x − iy + u − iv = z + w.
(b) Es ist
zw = xu − yv + i(xv + yu) = xu − yv − i(xv + yu)
= xu + (−y)(−v) + i(x(−v) + (−y)u) = (x − iy) · (u − iv) = z · w.
(c) Die erste Gleichung haben wir bereits oben festgehalten, und für die andere Gleichung ergibt sich mit (b)
1
1
1
1
=⇒
= .
1=1=z· =z·
z
z
z
z
(d) Diese Aussagen sind klar, beziehungsweise bereits oben bewiesen.
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(e) Es gelten
z + z = 2x und z − z = 2iy.
(f ) Klar.
Als nächsten Schritt können wir dann die Eigenschaften des komplexen Betrags herleiten.
Lemma 5.3 (Grundeigenschaften des komplexen Betrags)
Seien z, w ∈ C. Dann gelten:
√
(a) Es ist max{| Re z|, | Im z|} ≤ |z| ≤ 2 max{| Re z|, | Im z|}.
(b) Es gilt |zw| = |z| · |w|.
(c) Es gilt die Dreiecksungleichung |z + w| ≤ |z| + |w|.
(d) Es gilt |z − w| ≥ |z| − |w|.
(e) Es gilt |z| − |w| ≤ |z − w|.
Beweis: (a) Schreibe z = x + iy mit x, y ∈ R und setze M := max{| Re z|, | Im z|} =
max{|x|, |y|}. Wegen
p
p
p
√
|x| = x2 ≤ x2 + y 2 = |z| und |y| = y 2 ≤ x2 + y 2 = |z|
ist dann M ≤ |z|. Weiter haben wir
p
p
√
√
|z| = x2 + y 2 = |x|2 + |y|2 ≤ M 2 + M 2 = 2M.
(b) Nach Lemma 2.(b) gilt
√
√
√
√
|zw| = zwzw = zzww = zz · ww = |z| · |w|.
(c) Es gilt nach Lemma 2.(a,b,d,e) und Teil (a,b)
|z + w|2 = (z + w) · (z + w) = (z + w) · (z + w) = zz + zw + zw + ww
= |z|2 + zw + zw + |w|2 = |z|2 + 2 Re(zw) + |w|2 ≤ |z|2 + 2| Re(zw)| + |w|2
≤ |z|2 + 2|zw| + |w|2 = |z|2 + 2|z| · |w| + |w|2 = |z|2 + 2|z| · |w| + |w|2
= (|z| + |w|)2 ,
also auch |z + w| ≤ |z| + |w|.
(d,e) Analog zu §4.Lemma 1.
Sind z, w ∈ C, so zeigt die Interpretation der komplexen Addition als Vektoraddition,
dass es ein Dreieck mit den Seitenlängen |z|, |w| und |z + w| gibt. Die Dreiecksungleichung für den Betrag wird dann zur geometrischen Dreiecksungleichung das in einem
Dreieck jede Seite höchstens so lang wie die Summe der beiden anderen Seitenlängen
ist.
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5.2
Freitag 19.11
Die komplexe Multiplikation
Zum besseren Verständnis der Multiplikation betrachten
wir für jedes φ ∈ R den Punkt e(φ) ∈ C auf dem Einheitskreis, also dem Kreis mit Radius 1 und Mittelpunkt
0, der mit der x-Achse den Winkel φ bildet. Betrachten
wir das nebenstehende Bild, so ergibt sich der Punkt e(φ)
explizit als
e(
)
1
y
x
e(φ) = (cos φ, sin φ) = cos φ + i sin φ.
Für alle φ, ψ ∈ R ergeben die Additionstheoreme von
Sinus und Cosinus dann
e(φ) · e(ψ) =
=
=
=
(cos φ + i sin φ) · (cos ψ + i sin ψ)
cos φ cos ψ − sin φ sin ψ + i · (sin φ cos ψ + cos φ sin ψ)
cos(φ + ψ) + i sin(φ + ψ)
e(φ + ψ),
d.h. bei Multiplikation komplexer Zahlen auf dem Einheitskreis müssen nur die beiden
Winkel φ, ψ miteinander addiert werden.
Für Punkte auf dem Einheitskreis ist die komplexe
y
Multiplikation also dasselbe wie die Addition von Winkeln. Um diese Beobachtung auf alle komplexen Zahlen
auszudehnen, führen wir jetzt die sogenannten Polarkoz=reφ
r
ordinaten ein. Gegeben sei eine komplexe Zahl z ∈ C und
eφ
φ
wir nehmen erst einmal z 6= 0 an. Die erste Polarkoordix
nate von z ist dann der Abstand r von z zum Nullpunkt,
und wir wissen bereits das dies gerade der Betrag von z
ist, also
r = |z|.
Nun betrachten wir den Schnittpunkt der von Null ausgehenden Halbgeraden in Richtung z mit dem Einheitskreis, als Formel ist dieser einfach gegeben als z/r = z/|z|. Die
zweite Polarkoordinate von z ist der Winkel φ den diese Halbgerade mit der x-Achse
hat, also
z
= e(φ) =⇒ z = re(φ).
r
Haben wir umgekehrt eine Zahl r ≥ 0 und einen Winkel φ ∈ R gegeben, so können
wir die komplexe Zahl z := re(φ) mit den Polarkoordinaten r, φ bilden. Beachte das
die erste Polarkoordinate r immer als der Betrag von z eindeutig festgelegt ist, der
Winkel φ aber nicht. Man kann zu φ noch beliebige Vielfache von 2π, also von 360◦ im
Gradmaß, hinzuaddieren ohne das sich z ändert. Um ein eindeutiges φ zu kriegen muss
man die erlaubten Winkel auf ein Intervall der Länge 2π einschränken. Für z = 0 ist φ
sogar völlig willkürlich. Schauen wir uns einmal drei kleine Beispiele an.
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Mathematik für Physiker I, WS 2010/2011
Freitag 19.11
1. Sei z = i. Der Abstand zu 0 ist r = |i| = 1, und da i im oberen Teil der yAchse liegt, ist der Winkel zur x-Achse gleich 90◦ , beziehungsweise φ = π/2.
Also i = 1 · e(π/2) in Polarkoordinaten.
2. Die komplexe Zahl z = 1 + i hat als Abstand zum Nullpunkt
√
√
r = |1 + i| = 12 + 12 = 2.
Außerdem liegt z auf der Winkelhalbierenden im ersten Quadranten,
unser Win√
kel ist also φ = π/4. Polarkoordinaten sind damit 1 + i = 2 e(π/4).
3. Nehme jetzt z = −i. Es ist r = | − i| = 1. Was als Winkel genommen wird, ist
nicht mehr so eindeutig. Laufen wir im Gegenuhrzeigersinn um den Einheitskreis,
so durchqueren wir drei volle Quadranten, also φ = 3π/2. Laufen wir dagegen im
Uhrzeigersinn um den Kreis, so wird φ = −π/2. Diese beiden Winkel unterscheiden sich gerade um 2π. Welchen Winkel man als die Polarkoordinate“ ansieht
”
hängt von der gewählten Normierung ab und ist damit letztlich willkürlich.
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