Zwischen Krisenintervention und Langzeitbehandlung

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21.10.15
Inhalte
Zwischen Krisenintervention und
Langzeitbehandlung:
Möglichkeiten und Grenzen
psychiatrischer Interventionen
•  Themen im Erwachsenenleben
•  Die Akteure im Erwachsenenleben
•  Über Krisen
•  Wege aus der Krise
•  Die nächste Krise
•  Die Dauerkrise
•  Die Dauerbehandlung
•  Ende einer Dauerbehandlung
Dr. med Franziska Gaese
Isar Amper Klinikum, Klinikum München Ost
Abteilung für Menschen mit geistiger Behinderung, Autismus und
anderen Entwicklungsstörungen
•  Zusammenfassung
Präsentationstitel | Monat Jahr |
kbo-Isar-Amper-Klinikum
Lebens-Themen für ERWACHSENE
Menschen mit Autismus
Mögliche Ursachen krisenhafter
Störungen bei autistischen
Syndromen
•  Ausbildung, Arbeit
•  Wohnen
•  Interessensvertretung gegenüber z.B. Bäcker, Ämtern, Arzt, etc.
•  Gestaltung des Übergangs (Transition)
•  Mit sich im Leben klar kommen, Selbstbestimmung
•  Beziehungsgestaltung
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•  Umwelt- und Umgebungsveränderungen
•  Kommunikative Missverständnisse
•  Entwicklungs- und Reifungsphasen als
Krisenmoment
•  Veränderungen in den Bedingungen und im
Verlauf etwaiger Grundkrankheiten
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Dr. med. Franziska Gaese
Fallvignette
•  Alpha, 19 Jahre, frühkindlicher Autismus, spricht einzelne Worte, fixiert
auf Fussball und FC Bayern
•  Eltern, Jüngere Schwester
•  Wohnheim, Betreuer
•  Fördergruppe
„Die Krise ist ein produktiver
Zustand, man muss ihr nur den
Beigeschmack der Katastrophe
nehmen.“
Max Frisch
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Krise
Krise
1 [die; griechisch, `Entscheidung`] ( Krisis) Allgemein Wendepunkt, entscheidende Situation.
Gefunden auf http://www.enzyklo.de/lokal/42303
Der Spiegel
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Potentielle Akteure im
Krisengeschehen
Eigenschaften einer psychischen
Krise
§  Wendepunkt in einem Krankheitsgeschehen
Betreutes
EW
§  Zeitlich umschriebenes, als bedrohlich erlebtes
Ereignis mit ungewissem Ausgang
§  Missverhältnis zwischen Belastungen und
Bewältigungsmöglichkeiten, das zu akuter
Überforderung des bisherigen
Bewältigungssystems führt
§  Kann die Bezugspersonen des Systems
einbeziehen
Schule
Vermieter
Amt
Chef
behandelnder
Arzt
Eltern
Alpha,
19J.
Freund
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Anhäufung von Stressoren
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Symptome in der Krise
§  Ausdruck kritischer Überforderung eines vulnerablen
Verarbeitungssystems
•  Bewältigungsstress,
•  Krisenstress,
•  Duldungsstress
§  spezifisches psychosomatisches Geschehen
§  Ausschnitte des gesamten akutpsychiatrischen Spektrums
Ambivalente Impulse können z.B. sein
•  strukturerhaltend
•  strukturverändernd
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z.B. aggressive Verhaltensstörungen
lösen in ihrem Umfeld aus ..
Ø 
Ø 
Ø 
Ø 
Ø 
Ohnmacht und Hilflosigkeit
bedrohen die Integrität des Betroffenen und des
Umfeldes
Sagen nichts über die Ursache
werden vom Umfeld oft lange hingenommen, bis
sie als akute Gefahr abzuwenden sind.
Rechtsgrundlagen!
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Schritte einer Kriesenintervention
Wer arbeitet mit wem (Therapeutisches Setting)?
Ø  Beschreibung und Anerkennung der Krise,
Problemanalyse und -definition
Ø  Zieldefinition
Ø  Bewältigungsstrategien (Ressourcen, Coping,
Behandlung, Entlastung, ..)
Ø  Evaluation
Rasches und flexibles Eingreifen, Konzentration auf die aktuelle
Problemlage, Zeitlich Begrenzung, Aktive und direkte
therapeutische Haltung (nicht direktiv), Förderung progressiver
Bewältigungsstrategien, regressiven Tendenzen
entgegenwirkend, Ambulante vor stationären Hilfen, Einbezug
Maßnahmen im sozialen Umfeld
Ø 
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Krisenplan
Gefahr und Chance
bilden den Ansatzpunkt der
Krisenintervention
Was dürfen Sie von der Krisenintervention erwarten?
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Dr. med. Franziska Gaese
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Schwerpunkte der Krisenintervention
im München Haar
Ø Deeskalation
Ø Antizipierendes Krisenmanagement
Ø Krisenplan (Stufenplan)
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Wichtige Unterscheidungen
Der Krisenplan sollte einheitlich angewendet werden und mit den
Betroffenen besprochen werden, am besten wiederholt, bei jedem Grad
der Behinderung!
•  Krise oder Notfall?
Transparenz und Überschaubarkeit für alle Beteiligten
Wertung der Komponenten (Bestrafung meist wenig sinnvoll)
•  „Akute“ Krise oder „Dauerkrise“?
Individuell konkrete Grenzen definieren zwischen tolerablem und nicht
mehr tolerablem Verhalten
Jeder Krisenplan kann als vorläufig gelten und jederzeit nach praktischer
Erprobung angepasst/verändert werden.
•  Psychosoziale Krise oder Krise bei psychischer
Erkrankung?
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Neuropsychiatrische Notfallsituationen
•  Erregungszustände mit fremd- und/oder
selbstaggressivem Verhalten
•  Akute psychotische Zustandsbilder
•  Schwere depressive Symptomatik ohne/
mit „Suizidalität“
•  Delirante Syndrome (v.a. durch
Medikamente)
•  Serie von Anfällen/Status epilepticus
Wiederholte Krisen
1. Grundproblematik analysieren
Gesamtbehandlungsplan erstellen mit langfristiger Zielsetzung
2. Krisen analysieren, Auslöser herausfinden
Auslösende Situationen in Betracht ziehen
Krisenplan erstellen
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Mögliche Begleiterkrankungen
Grenzen der Krisenintervention
•  Eingeschränkte Verfügbarkeit von Versorgungsangeboten
•  Stationäre KI mit zusätzlichen Stressoren
•  Bezieht sich ausschliesslich auf die Krise, keine weitere Behandlung in
diesem Setting: angemessener Umgang mit „Grundproblem“?
•  Nach der Krise ist oft vor der Krise
•  Je akuter die Situation, desto weniger individuelle
Gestaltungsmöglichkeiten
1. 
2. 
3. 
4. 
Epilepsie
ADHS, Tic-Störungen,
Angst- und Zwangsstörungen
Psychosen aus dem
schizophrenen Formenkreis
5.  Depression
Dr. med. Franziska Gaese
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Depressive Störungen bei Menschen mit Autismus
Äußern sich weniger in gedrückter Stimmung,
sondern eher durch:
•  Selbstverletzendes Verhalten
•  Reizbarkeit, Irritierbarkeit
•  Agitiertheit, Unruhe
•  Aggressives Verhalten
•  Schreien
•  Schlafprobleme
•  Essprobleme
Ø  Das Vorliegen eines Autismus –
Syndroms erschwert sowohl die
Diagnose und Behandlung als
auch den Verlauf einer
zusätzlichen psychiatrischen
Erkrankung.
Ø  Bisher unklare ätiologische
Verhältnisse zu typischen
komorbiden Erkrankungen
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Wie könnte eine angemessene
Behandlung aussehen?
Vokale Tics: Klinisches Erscheinungsbild
Einfache vokale Tics
•  Anamnese, Fremdanamnese, Vorbefunde
•  Untersuchungen
•  Beratung/Auftragsklärung (wer erwartet was, Verhandlung
Behandlungsziel, Einsatz der Mittel)
•  Therapieeinleitung
•  Evaluation
•  Anpassung
•  Reevaluation
Schreien
Hüsteln
Summen
Schneuzen
Pfeifen
Spucken
Palilalie
Grunzen
Echolalie
Bellen, in- und expiratorische
Atemgeräusche
Koprolalie
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Komplexe vokale Tics
Räuspern
Dr. med. Franziska Gaese
Interventionsbedürftige Störungen bei
Autismus
Behandlungsansätze
Ø  Pädagogik
Ø  Verhaltenstherapie
Ø  TEACCH, Milieugestaltung
Ø  Positive Verhaltensunterstützung
Ø  Psychopharmakotherapie
Ø  Psychotherapie
Ø  system(therapeut)ischer Ansatz mit
Angst-, Unruhe- und Erregungszustände
Hartnäckige Schlafstörungen
Aggressives Verhalten
Selbstverletzungen
Hartnäckige Zwangssyndrome
Psychotische Zustandsbilder
Epileptische Anfälle
Lösungsori
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Systemische Prinzipien
nach Liz Nicolai
Systemorientierung: gemeinsam geht es leichter;
existenzielles Bezugssystem
Kontextuelles Fallverständnis: Symptome
zuweilen als „sinnvoll“ anerkennen. Störung als
„Gemeinschaftsleistung“
Neugier und Neutralität .. gegenüber
individuellen Wirklichkeitskonstruktionen
entierung
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Psychotherapie
Oft mit kürzeren Therapieeinheiten
Individuell angepasstes Setting
Überlappung zur (Heil-)Pädagogik
Nur wenige Therapeuten verfügbar
Hilfreich wären gruppentherapeutische
Angebote
Transparenz und Wertschätzung
Fragen statt Antworten;Ressourcen- und
Lösungsorientierung
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Psychopharmakotherapie bei aggressiven
Verhaltensweisen
Psychopharmakotherapie
Indikationen für eine
Psychopharmakotherapie
•  psychische Störung nach ICD-10
•  Verhaltensstörung, die Beobachtung und/
oder Behandlung erfordert (ICD-10)
•  Herausforderndes Verhalten=
Challenging Behaviour
nach der Definition von Eric Emerson (1995)‫‏‬
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Psychiatrische Diagnosen sind mit deutlich stärkerer Unsicherheit belastet
als in somatischen Fachgebieten
Psychopharmaka - Therapie bei Menschen mit Intelligenzminderung
geschieht häufig aufgrund „problematischer Verhaltensweisen“
in ca. 75 % der Fälle ist keine klare medizinische Indikation bzw.
Zielsymptomatik definiert und eine Überprüfung der Wirkungen und
Nebenwirkungen findet im Verlauf so gut wie nicht statt bzw. wird nicht
dokumentiert
Psychopharmaka werden oft außerhalb zugelassener Indikationen verordnet
(symptom- bzw. syndrom-bezogener Einsatz von Psychopharmaka)‫‏‬
Wohnform hat Einfluss darauf, ob und unter welchen Bedingungen eine
Behandlung mit Psychopharmaka stattfindet
(Meins 1993)
Gaese_Aggressive Verhaltensstörungen| November 2012 |
kbo-Isar-Amper-Klinikum
Zielsymptome
Medikation
Hyperaktivität, Impulsivität
Stimulanzien, Atypika,
Clonidin, Naltrexon
Stereotypien, Rigidität
SSRI‘s, Atypika
Aggressivität,
Selbstverletzendes Verhalten
Atypika, Lithium, ß-Blocker,
Antiepileptika, Clonidin
Angst, affektive Symptome
Buspiron, Atypika, Clonidin;
Pregabalin
Probleme der Neuroleptika – Behandlung bei
autistischen Störungen
•  Symptomverschlechterung bzw. Auftreten neuer Symptome im
Rahmen unerwünschter psychischer Nebenwirkungen
•  „Einbinden“ unerwünschter NL – Wirkungen (v. a. Akathisie) in bereits
praktizierte Rituale und Stereotypien, die dann an Intensität und
Frequenz
zunehmen
•  mögliche Konsequenzen:
> Einsatz von Gegenmitteln
> Überprüfung der Indikation für NL
> Optimierung der NL –Therapie
> Atypika
> Alternativen zu Neuroleptika
J.K.Buitelaar, S.H.N. Willmsen-Swinkels: Medication treatment in subjects with autistic
spectrum disorders; European Child &Adolescent Psy<chiatry9:I85-I/97, 2000
Dr. med. Franziska Gaese
Dr. med. Franziska Gaese
Psychopharmaka und Autismus
Psychopharmaka und Autismus
Medikamentöse Maßnahmen
1.  Medikamente sind nach derzeitigem Wissenstand keine
kausalen (ursächlich wirkenden) Behandlungsmethoden
bei autistischen Syndromen
2.  Jeder Einsatz von Medikamenten erfordert eine klare
Analyse des Problems bzw. eine Diagnose und eine
sorgfältige Abwägung zwischen erwünschten Wirkungen
und unerwünschten Nebenwirkungen
3.  Da Medikamente vorerst noch nicht im kausalen Sinne
einsetzbar sind, verordnet man sie nach Maßgabe von
Zielsymptomen oder Zielsyndromen (z.B. Angst,
Depression, Aggressivität, Selbstverletzungen)
Dr. med. Franziska Gaese
Medikamentöse Maßnahmen
4.  Über die Wirkungsweise von Medikamenten leigen
bereits eine Reihe gesicherter Erkenntnisse vor. Dieses
Wissen wird aber noch keineswegs überall angewandt.
Insofern ist es ein wichtiges Ziel der ärztlichen
Disziplinen, die sich mit autistischen Störungen
beschäftigen (hauptsächlich von Kinder- und
Jugendpsychiatern und Psychiatern), diese Erkenntnisse
weiterzuverbreiten, sowohl im ärztlichen Bereich als auch
unter Angehörigen anderer Berufsgruppen, nicht zuletzt
bei den Eltern. Hartnäckige Vorurteile gegenüber dem
Einsatz von Medikamenten tragen nicht zu einer
Verbesserung der Situation autistischer Menschen bei.
(aus: H. Remschmidt: „Autismus- Erscheinungsformen, Ursachen, Hilfen“ Verlag C. H. Beck,
München 2000)
Dr. med. Franziska Gaese
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Was tut die Politik?
Das Ende einer (Dauer-)Behandlung
•  Evaluation
→ Servicestellen für Facharzttermine
→ MZEB
•  Krisenplan
•  Ansprechpartner (Transition?)
•  Vernetzung
•  Verabschiedung
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Dr. med. Franziska Gaese
Take home
•  Aufgabe der Psychiatrie: Schutz vor Exklusion!
Danke für Ihre
Aufmerksamkeit
•  Möglichkeiten der Prävention nutzen: vorausschauendes
Krisenmanagement, bekanntes Behandlungssetting
•  Ziele gemeinsam stecken
•  Behandlungssetting aufbauen und ökonomisch pflegen
•  Multimodale Behandlungsmöglichkeiten prüfen
[email protected]
•  Beratungsangebote nutzen
•  Nicht einkriegen lassen!
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