Forschungsbericht 1998 - Medizinische Hochschule Hannover

Werbung
Forschungsbericht 1998
Sequenzierung von HV1, 2, 3 der mtDNA in der forensischen DNA-Analyse
Die Sequenzierung der mitochondrialen DNA (mtDNA) stellt eine weitaus sensitivere Methode zur
Individualisierung von forensischen Spuren dar, als die zur Zeit allgemein üblichen genomischen Short Tandem
Repeats (STRs). MtDNA zeigt gegenüber ungünstigen Bedingungen, die zu einer Degradation genomischer DNA
führen (hohes Alter der Spur, bakterielle Besiedelung), eine weitaus größere Resistenz. Aus der Anzahl der
polymorphen Nukleotide gegenüber der Anderson Sequenz ergibt sich ein hohes Individualisierungspotential der
D-Loop-Region (HV1 16024-16498 mit 220 loci; HV2 29-408 mit 160 loci; HV3 409-576 mit 22 loci ohne CARepeat). Während im vergleichenden spurenkundlichen Fall eine Differenz an zwei oder mehr Positionen als
sicher für einen Ausschluss gilt, ist die Identitätswahrscheinlichkeit bei übereinstimmender Sequenz auf Grund
nicht ausreichend validierter Frequenzen bislang nicht mit der notwendigen forensischen Sicherheit zu berechnen.
Die zeit- und kostenintensive Analytik behindert hierbei einzelne Institute an dem Aufbau einer umfangreichen
Datenbank. Zu diesem Zweck haben 17 rechtsmedizinische Institute aus der Schweiz, Österreich und Deutschland
eine Kooperation unter Federführung von Professor Krause (Magdeburg) mit dem Ziel vereinbart, eine forensisch
validierte mtDNA-Datenbank aufzubauen.
Durch ihren uniparental maternalen Erbgang sind mtDNA-Sequenzen konservativer mit der ethnischen
Zugehörigkeit von Populationen assoziiert als z.B. die Allelverteilung von genomischen Short Tandem Repeats,
die durch männliche Einbringung von Erbmaterial fremder Populationen (z.B. in historischen Kriegen) verändert
werden kann. Durch das Sammeln von Sequenzdaten ethnisch definierter Populationen wird ein ethnischer
"Stammbaum" der mtDNA-Sequenzen erstellt, der zukünftig eine entsprechende Zuordnung bzw. Eingrenzung
von Spurenlegern im forensischen Fall ermöglichen soll.
Hierbei werden aus Hannover Sequenzdaten einer ländlichen Population von Individuen einfließen, deren
maternale Wurzeln sich im Stammbaum über Generationen geographisch in der Region des heutigen
Niedersachsens zurückverfolgen lassen. Durch Zusammenarbeit mit der Rechtsmedizin in Magdeburg können
diese Daten zum Beispiel mit entsprechenden Erhebungen aus ostelbischen Regionen, in denen sich slawische
Populationen assimilierten, verglichen werden (west-/ostelbischer Vergleich).
Aufbauend auf der mtDNA-Verbundstudie ergeben sich weitere Möglichkeiten für die Erforschung des plötzlichen
Säuglingstodes (SID – sudden infant death):
Es wurde bislang an einer kleinen Stichprobe von SID-Fällen (n=9) beobachtet, dass sie in ihrer mtDNA-Sequenz
Abweichungen von den überwiegend vorkommenden Sequenzen aufweisen (Hofmann S, Jaksch M, Bezold R,
Mertens S, Aholt S, Paprotta A, Gerbitz KD. Population genetics and disease susceptibility: characterization of
central European haplogroups by mtDNA gene mutation, correlation with D loop variants and association with
disease. Hum Mol Genet 1997 Oct;6(11):1835-1846). Diese Beobachtung wird durch eine andere Untersuchung
unterstützt (Opdal SH, Rognum TO, Vege A, Stave AK, Dupuy BM, Egeland T. Increased number of substitutions
in the D-loop of mitochondrial DNA in the sudden infant death syndrome. Acta Paediatr 1998 Oct;87(10):103644), die bei 82 SID-Fällen im Vergleich zu 133 Kontrollen im HV1 eine Tendenz (p=0,088) zu Abweichungen von
der Cambridge Sequenz aufzeigte.
Auf Grund unserer bisherigen SID-Forschung verfügen wir über einen umfangreichen Bestand an Probenmaterial
aus sorgfältig validierten SID-Fällen, der durch die Teilnahme an der Verbundstudie "Plötzlicher Säuglingstod"
weiter anwachsen wird. An diesen Proben werden die drei hochvariablen Regionen des D-Loops untersucht, um
sie auf signifikante Abweichungen von der sonstigen Verteilung der D-Loop-Sequenzen in Kontrollen (Säuglinge
mit anderen nachgewiesenen Todesursachen) und der allgemeinen Bevölkerung zu überprüfen. Im Organismus
können Mitochondrien genetisch differenter Linien vorkommen (Heteroplasmie). Auf Grund unterschiedlicher
Heteroplasmieraten durch selektive Segregation einzelner mt-Linien während der Embryogenese können mtDNASequenzen verschiedener Körperzellen eines Individuums voneinander abweichen. Aus diesem Grund sollen bei
den SID-Fällen und Kontrollen nicht nur Blutproben, sondern auch die verschiedenen Organsysteme genetisch
untersucht werden.
Mitarbeiter: T Rothämel, AS Debertin, WJ Kleemann
Weitere Forschungsprojekte
Mechanismen der spezifischen Immunantwort im Respirationstrakt
Im Zusammenhang mit dem Vorkommen von respiratorischem mukosa-assoziiertem lymphatischen Gewebe wird
die Verteilung von dendritischen Zellen mit Hilfe von immunhistochemischen Untersuchungsmethoden im
menschlichen Respirationstrakt untersucht. Insbesondere wird im Vergleich von plötzlichen Säuglingstodesfällen
und Kontrollen geprüft, ob sich Unterschiede in der Immunantwort auf z.B. Virusinfektionen zeigen. Weitere
Untersuchungen des Respirationstraktes aus unterschiedlichen Altersgruppen sollen aufzeigen, ob eine
Abhängigkeit von der Anzahl der dendritischen Zellen und dem Vorkommen von respiratorischem MALT besteht.
Mitarbeiter: AS Debertin, WJ Kleemann, T Tschernig*, R Pabst*
*(Abt. Funktionelle und Angewandte Anatomie)
Insulin-like Growth Factor-I und –II beim plötzlichen Säuglingstod und bei Kontrollen
Insulin-like Growth Factor-I und II gehören zu den Wachstumsfaktoren mit auto- oder parakrinen Funktionen für
zahlreiche biologische Prozesse. Anhand immunhistochemischer Untersuchungsmethoden soll geprüft werden, ob
sich Unterschiede des IGF-Systems zwischen plötzlichen Säuglingstodesfällen und Kontrollen ergeben und
inwieweit diesen Wachstumsfaktoren eine Bedeutung für den plötzlichen Säuglingstod zukommt. Hierfür werden
retrospektiv zahlreiche Organsysteme –SID versus Kontrollen- vergleichend untersucht.
Mitarbeiter: AS Debertin, WJ Kleemann, T Tschernig (Abt. Funktionelle und Angewandte Anatomie), W Götz
(Anatomie Göttingen)
Virusinfektion und plötzlicher Säuglingstod
Auswertung vergleichender PCR Untersuchungen einer multizentrischen Studie - Februar 1997 bis Dezember
1998 - zum Nachweis respiratorischer Viren (HHV-6, HHV-7, Influenza Typ A und B, Parainfluenza, RSV,
Adenovirus, HSV, Parvovirus, CMV) bei plötzlichen Säuglingstodesfällen und altersgleichen Kontrollen. Weiterhin
soll eine Gegenüberstellung der vorläufigen makroskopischen Diagnosen in diesen Fällen mit der ohne Kenntnis
der Vorgeschichte erhobenen mikroskopischen Diagnosen erfolgen.
Mitarbeiter: AS Debertin, WJ Kleemann, KP Larsch, F-W. Ast sowie Mitarbeiter der AG "Virusinfektion beim
Plötzlichen Säuglingstod"
Prospektive Fall-Kontroll-Studie "Plötzlicher Säuglingstod"
Hauptziele der am 01.12.1998 begonnenen Verbundstudie sind, die tatsächliche Inzidenz und regionale
Verteilung des plötzlichen Säuglingstodes exakt zu bestimmen, die Bedeutung von Risikofaktoren zu ermitteln
und rationale Ansätze für eine effektive Prävention zu erarbeiten.
Beteiligt: WJ Kleemann, AS Debertin, KP Larsch, F-W Ast, A Fieguth, CF Poets (Abt. Pädiatrie), M Schlaud (Abt.
Epidemiologie) - Förderung: BMBF
Untersuchung der Auffindesituation bei plötzlich verstorbenen Säuglingen
Über einen Zeitraum von 2 Jahren soll in mehreren Studienzentren eine genaue Analyse der Auffindesituation
erfolgen, um Risikofaktoren aus der Schlafumgebung des Kindes zu erkennen.
Beteiligt: WJ Kleemann, AS Debertin, KP Larsch, F-W Ast, A Fieguth, CF Poets (Abt. Pädiatrie), M Schlaud (Abt.
Epidemiologie) - Förderung: BMBF
Postmortale Bestimmung von kardialem Troponin T und I bei Stromtodesfällen
Strominduzierte Muskelkrämpfe führen zu einem Anstieg von Muskelproteinen im Serum. Aufgrund
autolysebedingter Muskelzersetzung ist eine Differenzierung von Todesfällen infolge Stromeinwirkung und
anderweitigen Todesfällen bspw. durch Myoglobinbestimmungen postmortal i.d.R. nicht mehr möglich. Es ist
jedoch zu erwarten, daß kardiales Troponin T und I als herzmuskelspezifische Proteine eine verhältnismäßig
geringere Konzentrationsveränderung durch postmortale Autolyse erfahren als Myoglobin und somit ggf.
Todesfälle mit strominduzierten Herzmuskelschäden von anderweitigen Todesfällen unterschieden werden
können.
Mitarbeiter: A Fieguth, D Breitmeier
Immunhistochemische Untersuchungen von Lungengewebe bei tödlicher Asphyxie
Durch den Vergleich der Verteilung von Makrophagensubtypen bei unterschiedlichen Todesarten sowie weiterer
immunhistochemisch nachweisbarer Veränderungen im Lungengewebe wird untersucht, ob eine Gruppe
immunhistochemischer Antikörper etabliert werden kann, die eine Unterscheidung von asphyxiebedingten und
anderweitigen Todesursachen und eine Einschätzung der Agoniedauer erlauben.
Mitarbeiter: F-W Ast, A Fieguth, W J Kleemann
Immunhistologische Altersbestimmung von Weichteilunterblutungen bei Gewalt gegen den Hals
Konventionelle histochemische Färbemethoden zeigen bei tödlicher Gewalteinwirkung gegen den Hals wegen der
in der Regel kurzen Überlebenszeit selten Wundreaktionen. Insbesondere für die Untersuchung von Hautwunden
bzw. Muskelverletzungen sind jedoch immunhistochemische Marker bekannt, die bereits im frühen
posttraumatischen Intervall die Darstellung von vitalen Wundreaktionen ermöglichen (z.B. Fibronektin,
Myoglobin, C5b-9 Komplex MRP14). In dieser Untersuchung soll die Einsatzmöglichkeit entsprechender
Antikörper bei Gewalt gegen den Hals dargestellt werden.
Mitarbeiter: A Fieguth, WJ Kleemann, D Franz
Einblutungen im Schildknorpel bei Gewalt gegen den Hals
Bei Gewalteinwirkungen gegen den Hals im Sinne des Drosselns oder Würgens können insbesondere bei
jüngeren Personen aufgrund des knorpeligelastischen Zustandes des Schildknorpels Brüche des Kehlkopfskelettes
fehlen. In diesen Fällen sollen jedoch innerhalb des Knorpels Einblutungen nachweisbar sein. In unserer
Untersuchung werden retrospektiv und prospektiv asservierte Kehlkopfskelette von erdrosselten oder erwürgten
Gewaltopfern auf entspechende Blutungen untersucht und mit Befunden bei anderweitigen Todesursachen mit
und ohne Halsverletzungen verglichen.
Mitarbeiter: A Fieguth, WJ Kleemann, UV Albrecht
Postmortaler Temperaturabfall
Aus der rechtsmedizinischen Literatur ergeben sich keine genügend validierten Daten zum postmortalen Abfall
der Körperkerntemperatur unter besonderen Bedingungen. In standardisierten Testreihen werden deshalb
unterschiedliche Faktoren des postmortalen Temperaturabfalles systematisch untersucht.
Mitarbeiter: D Breitmeier, D Günther, G Schroeder
Der iatrogene Todesfall und seine strafrechtlichen Folgen
Seitens der Rechtsmedizin werden zunehmend Obduktionen auf Grund des Verdachtes einer todesursächlichen
ärztlichen Fehlbehandlung durchgeführt. Häufig sind für die kritische Würdigung dieser Fälle zusätzliche
Begutachtungen von Sachverständigen anderer medizinischer Fachrichtungen erforderlich. Es ist daher von
großem Interesse, wie die ermittelnde Staatsanwaltschaft diese Fälle juristisch eingeordnet bzw. abgeschlossen
hat und welche strafrechtlichen Konsequenzen hieraus erfolgten. Die entsprechenden Ermittlungsverfahren der
Jahre 1990 bis 1995 werden durch Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Akten ausgewertet.
Mitarbeiter: D Günther, WJ Kleemann, C Schoor
Untersuchung zu klinisch und rechtsmedizinisch relevanten Auswirkungen nach perkutaner
Äthanol-Injektionstherapie (PEI) beim hepatozellulärem Carcinom (HCC)
Die perkutane Äthanol-Injektionstherapie (PEI) stellt für Patienten mit hepatozellulärem Carcinom bei
fortgeschrittenem Tumorleiden derzeit die einzige Therapieoption dar. In diesem Zusammenhang erscheint die
Erarbeitung eines adäquaten Überwachungssystems begleitend zur Äthanoltherapie dringend erforderlich. Es
sollen Grundlagen zur Eleminationskinetik des Alkohols bei direkter Instillation in die Leber in Bezug auf die
Resorption, Distribution und Elemination bei unterschiedlichen Gaben von Alkohol erarbeitet werden. Welche
Blutalkoholkonzentrationen können überhaupt bei der Behandlung von hepatozellulären Carcinomen durch
nahezu reinen Alkohol, bei Instillation welcher Mengen direkt in die Leber, aufgebaut werden.
Mitarbeiter: D Breitmeier, M Gebel (Abt. Gastroenterologie/Hepatologie), B Panning (Abt. Anästhesiologie)
Vergleichende
Untersuchungen
zum
massenspektrometrischen
Nachweis
von
Betäubungsmittelwirkstoffen im Blut unter Anwendung der Quadrupol- bzw. Ion-Trap- GC/MSTechnik
Das unterschiedliche analytische Potential der beiden genannten MS -Techniken – höchste Empfindlichkeit bei
eingeschränkter Spezifität im SIM (Single-Ion-Monitoring)-Modus an herkömmlicher Quadrupol-Technik sowie
hohe Spezifität bei möglicher Einschränkung der Empfindlichkeit und Präzision an der Ion-Trap im MS/MS-Modus
– soll in vergleichenden Untersuchungen herausgearbeitet und überprüft werden.
Mitarbeiter : M Wolf, J-P Weller
Herunterladen